Noch immer können Beschäftigte – sei es z.B. durch Baumaterial, bei bestimmten Schweißarbeiten, bei der Holz- und Metallbearbeitung oder bei Produktionsschritten z.B. in der chemischen Industrie - vielfach mit krebserzeugenden oder erbgutverändernden Stoffen in Kontakt kommen. Dazu gehören Quarzfeinstäube, Dieselmotoremissionen, Hartholzstäube oder Stäube bestimmter Metalle. Auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung müssen daher Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um eine Gefährdung auszuschließen oder zu minimieren. Doch selbst bei Einhaltung aller Schutzbestimmungen können Beschäftigte im Laufe des Lebens an Krebs erkranken. Die aktuelle Berufskrankheiten-Verordnung zählt allein 21 Berufskrankheiten mit einem möglichen Bezug zu Krebserkrankungen auf. 2010 machten Krebserkrankungen fast 15 Prozent aller anerkannten Berufskrankheiten aus. Insgesamt waren es 2.144 Fälle. Da die Erkrankungen erst nach zum Teil langen Latenzzeiten auftreten, ist es für die Frage der Anerkennung einer möglichen Berufskrankheit erforderlich, Tätigkeiten mit Expositionen gegenüber krebserzeugenden und erbgutverändernden Stoffen gut zu dokumentieren. Denn die Latenzzeit zwischen der Tätigkeit mit den krebserzeugenden Stoffen und der Erkrankung kann bis zu 40 Jahre oder sogar länger betragen.
Laut Gefahrstoffverordnung von 2004 und dem zugrundeliegenden EU-Chemikalienrecht, etwa der EG-Krebsrichtlinie von 2004 (2004/37/EG), sind Unternehmen verpflichtet, ein Verzeichnis über die Erwerbsbiografie ihrer Beschäftigten zu führen, die durch Tätigkeiten mit krebserzeugenden, erbgutveränderten und fruchtbarkeitsgefährdeten Gefahrstoffen der Kategorien 1 und 2 (bzw. gemäß GHS-Verordnung 1272/2008 der Kategorien 1A und 1B) gefährdet sind. Das Verzeichnis muss Angaben zur Dauer und Häufigkeit der Exposition sowie zu deren Höhe enthalten. Es besteht sowohl die Pflicht, das Verzeichnis den Beschäftigten nach dessen Ausscheiden aus dem Betrieb auszuhändigen als auch, unabhängig davon, die Pflicht, das Verzeichnis nach Ende der Exposition über vier Jahrzehnte aufzubewahren.
Die praktische Umsetzung dieser Forderung stellt viele Unternehmen, insbesondere klein und mittelständische Unternehmen (KMU), vor Probleme. Dies betrifft nicht nur die fortlaufende Dokumentation sondern vor allem die erforderliche rückwirkende Erfassung der Expositionsverhältnisse mindestens bis in das Jahr 2005 und die lange Archivierungsfrist von 40 Jahren. In größeren Unternehmen sind eine ganze Reihe von Unternehmensbereichen einzubinden, unter anderem die Personalabteilung, die Ressorts Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und die Messstellen. Schließlich sind alle Arbeitsplätze lückenlos zu erfassen und die Expositionen nach Höhe, Dauer und Häufigkeit retrospektiv abzuschätzen. Kleine und mittlere Betriebe ohne spezielle Fachabteilungen stehen dagegen vor der Frage, wie sie diese Forderung der Gefahrstoffverordnung umsetzen sollen, da häufig weder eine lückenlose Dokumentation vorliegt noch entsprechende Fachabteilungen zur Verfügung stehen.
Die Bereitstellung der neuen Zentralen Expositionsdatenbank (ZED) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) erleichtert es nun Unternehmen, der Pflicht zu Dokumentation und Archivierung nachzukommen. Anfang März 2015 ging das ZED-Internetportal offiziell in Betrieb. In Zusammenarbeit mit führenden Wirtschaftsverbänden hat die DGUV ein Konzept zur gesetzeskonformen Führung des von der Gefahrstoffverordnung geforderten Verzeichnisses erarbeitet. Der Arbeitgeber kann mit diesem freiwilligen und für ihn nicht mit weiteren Kosten verbundenen Angebot die beiden Pflichten (Archivierungs- und Aushändigungspflicht) bei Nutzung der ZED komplett auf den Unfallversicherungsträger, d.h. die DGUV, übertragen. So muss das Unternehmen dem Beschäftigten, wenn er aus dem Betrieb ausscheidet, keine Kopie seiner Unterlagen aushändigen, da er jederzeit von der DGUV die über ihn gespeicherten Daten kostenfrei erhalten kann.
Aus praktischer Sicht und unter Wahrung aller Datenschutzbestimmungen geschieht die Erfassung der Daten durch die Unternehmen über ein Internetportal. Damit können die von der Gefahrstoffverordnung geforderten Daten komfortabel mit überschaubarem Aufwand in die ZED übermittelt werden. Die DGUV verwaltet die übermittelten Daten lediglich treuhänderisch. Die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Expositionsdaten verbleibt beim jeweiligen Arbeitgeber. Die Betriebe können mithilfe eines sicheren Zugangs die Daten verwalten und speichern. Ein Beirat, dem Vertreter der Sozialpartner, der Unfallversicherungsträger und der Aufsichtsbehörden der Länder angehören, berät die DGUV bei Aufbau und Nutzung der Daten und unterstützt die Weiterentwicklung der Datenbank.
DIE AUTOREN:
Prof. Dr. Thomas Brüning
Institutsdirektor
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin
der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,
Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Dr. Heiko U. Käfferlein
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin
der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,
Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Dr. Dirk Pallapies
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin
der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung,
Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum