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IM BRENNPUNKT

Beeinträchtigte Lebensqualität: Jucken bei Dialyse-Patienten findet häufig zu wenig Beachtung

Bei rund einem Fünftel der Patienten liegt eine behandelbare Hauterkrankung zugrunde, zu selten wird der Hautarzt aufgesucht.

Rund ein Drittel der Patienten, die aufgrund von Nierenversagen regelmäßig Hämodialyse erhalten, leiden mindestens einmal unter chronischem Hautjucken (Pruritus). Die länger als sechs Wochen anhaltenden Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen deutlich. Das hat eine deutschlandweite Studie der Abteilung für Klinische Sozialmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg mit 860 Patienten an 25 Dialyse-Zentren ergeben. Die Studie (German Epidemiological Haemodialysis Itch Study / GEHIS) ist die weltweit erste repräsentative Erhebung zu chronischem Juckreiz bei Dialyse-Patienten, bei der zudem wissenschaftlich geprüfte Fragebögen speziell zur Lebensqualität bei Hautjucken zum Einsatz kamen. Die Studie zeigte darüber hinaus, dass nur ein Drittel der Betroffenen eine Therapie zur Linderung der Beschwerden erhielt.

"Chronisches Juckempfinden ist ein großes Problem bei Nierenpatienten und eine zusätzliche Last zu den ohnehin gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen und Beschwerden. Das sollte zukünftig in der Behandlung mehr Beachtung finden", sagt Studienleiterin Professor Dr. Elke Weisshaar. "Außerdem ist weitere Forschung dringend notwendig, um die bisher noch unbekannten Ursachen des Juckreizes zu klären und passende Therapien zu entwickeln." Verschiedene Ergebnisse der Studie - z.B. zu Häufigkeit und Ursachen des chronischen Juckens bei Dialyse-Patienten - wurden bereits 2015 veröffentlicht. Die Auswertung zur Lebensqualität ist aktuell in der Fachzeitschrift "Qualitiy of Life Research" erschienen.

Dialyse-Patienten sind häufig von quälendem und lang anhaltendem Hautjucken geplagt - dies ist aus der täglichen Praxis gut bekannt. Genaue Zahlen gab es dazu bisher allerdings nicht, der Anteil der betroffenen Patienten wurde bisher weltweit sehr unterschiedlich auf bis zu 80 Prozent geschätzt. Ursache dieser Schwankungen sind unterschiedliche Studientypen, uneinheitliche Umfrageinhalte und fehlende Definitionen, ab welcher Beschwerdedauer Jucken als chronisch bezeichnet wird. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, in welchem Land die Untersuchung stattfand: Je besser die Qualität der Dialyse, desto weniger häufig kommt es zu chronischem Jucken.

Mehr als ein Drittel der betroffenen Dialyse-Patienten zerkratzt sich die Haut

Die 2012 gestartete GEHIS-Studie lieferte nun erstmals konkrete und repräsentativ erhobene Zahlen. Unter chronischem Juckempfinden, das mindestens sechs Wochen andauerte, litten demnach zum Zeitpunkt der Befragung ein Viertel der Patienten. 27 Prozent waren in den vergangenen zwölf Monaten betroffen und 35 Prozent mindestens einmal in der Vergangenheit. Besonders häufig trat das chronische Jucken zusammen mit trockener Haut oder Ekzemen auf oder bei Studien­teilnehmern, die jünger als 70 Jahre alt waren.

177 der Patienten mit aktuell bestehendem Jucken unterzogen sich einer dermatologischen Untersuchung. Bei 38 Prozent war die Haut vom häufigen und intensiven Kratzen verletzt, bei rund 19 Prozent identifizierten die Hautärzte eine Hauterkrankung wie z.B. Ekzem als Ursache. 40 Prozent der Geplagten hatten sich medizinische Hilfe gesucht, nur 32 Prozent - meist Patienten mit schwerem Juckreiz - eine Behandlung erhalten. "Leider gibt es bisher nur lindernde, keine wirklich ursächlichen Therapien  - möglicherweise haben deshalb nicht einmal die Hälfte der Betroffenen einen Hautfacharzt aufgesucht", sagt Weisshaar. "Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass Dialysepatienten schon eine hohe Anzahl von Arztbesuchen zu bewältigen haben. Aber die Zahlen zeigen: Bei rund einem Fünftel der Patienten liegt eine behandelbare Hauterkrankung zugrunde." Auch bei Patienten ohne ursächliche Hauterkrankung kann beispielsweise eine UV-Lichttherapie, der Einsatz spezieller Cremes sowie die fachgerechte Pflege der trockenen Haut die Beschwerden lindern. "Dialyse-Patienten sollten immer einen Hautarzt aufsuchen, vor allem wenn sich an der Haut Ausschläge etc. zeigen und das Hautjucken nicht durch Hautpflege in den Griff zu bekommen ist, damit eine mögliche Hauterkrankung nicht übersehen wird", so die Hautärztin und Sozialmedizinerin

Chronisches Jucken geht häufig mit schlechtem Schlaf und Schmerzen einher

Darüber hinaus belastet das ständige Jucken auch Psyche und seelische Gesundheit. Mit Hilfe wissenschaftliche überprüfter Fragebögen zu Lebensqualität, Angst, Depression, Schlafqualität und Schmerzen ermittelten die Heidelberger Sozialmediziner, dass chronischer Juckreiz die ohnehin schon durch Nierenversagen und Dialyse massiv eingeschränkte Lebensqualität der Betroffenen noch zusätzlich minderte - vergleichbar mit den Auswirkungen von chronischen Schmerzen. Patienten mit Hautjucken schätzten ihren allgemeinen Gesundheitszustand ebenso wie ihr emotionales Wohlbefinden schlechter ein als nicht betroffene Dialyse-Patienten. "Studienteilnehmer mit chronischem Jucken berichteten zudem überdurchschnittlich häufig von Schmerzen und Schlafstörungen. Wie das häufig gleichzeitige Auftreten von Jucken und Schmerzen zusammenhängt, muss allerdings noch geprüft werden", so Weisshaar. Angesichts der Ergebnisse der GEHIS-Studie ist eine ergänzende psychosoziale Betreuung der Patienten sinnvoll und angebracht.

In der Universitäts-Hautklinik Heidelberg gibt es seit bereits zehn Jahren eine Spezialsprechstunde von Professor Weisshaar für Patienten mit chronischem Pruritus (Jucken), darunter auch Dialyse-Patienten. Im Vordergrund stehen dabei stets die Ursachensuche und die Einleitung einer entsprechenden Therapie, die bei chronischem Pruritus sehr häufig aus äußerlicher und innerlicher Therapie mit Tabletten besteht.

(Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg vom 06.09.2016)