In seinem Symposium „Schlafstörungen in der Neurologie“ werden auf dem Neurologenkongress in Mannheim aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert, die zeigen, wie Schlaf das Gehirn vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson schützen kann. „Schlafstörungen und neurologische Erkrankungen hängen oft eng zusammen“, so Mayer weiter.
Schlaf entgiftet das Gehirn
Ausreichend erholsamer Schlaf ist für den Menschen überlebenswichtig. Während der Körper ruht, regenerieren die Muskeln, speichert das Gehirn Gelerntes ab und das Immunsystem arbeitet auf Hochtouren, um Krankheiten abzuwehren. Neue wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass guter Schlaf auch vor neurologischen Altersleiden wie Parkinson schützen kann. „Schlaf ist für das Gehirn wie ein Spülprogramm, denn im Schlaf werden Abbaustoffe ausgewaschen“, erklärt Professor Geert Mayer, Chefarzt der Neurologie und des Schlafmedizinischen Zentrums der Hephata‐Klinik in Schwalmstadt. „Fehlt die Nachtruhe, kann sich in den Nervenzellen Abfall des Gehirnstoffwechsels anhäufen und Schaden anrichten.“ Eine mögliche Folge von Schlafmangel ist z.B., dass fehlerhaft gefaltetes Alpha‐Synuklein nicht ausreichend aus dem Zentralnervensystem entfernt wird. Das Eiweiß wird als Ursache der Parkinson‐Krankheit diskutiert. Es lagert sich typischerweise im Gehirn der Erkrankten ab, wo es in den Nervenzellen sogenannte Lewy‐Körperchen bildet. Je weiter die Krankheit fortschreitet, desto mehr dieser schädlichen Ablagerungen entstehen im Gehirn. „Abbaustoffe, die charakteristisch für die Alzheimer‐Erkrankung sind, wie Tau‐Proteine oder Beta‐Amyloid, werden ebenfalls vorwiegend im Schlaf aus dem Gehirn gewaschen“, ergänzt Mayer.
Diagnose im Schlaflabor
Schlaf kennt viele Varianten des Normalen. Während Babys noch den halben Tag verschlafen, kommen Erwachsene oft mit wenigen Stunden Schlaf aus. Viele Menschen, vor allem ältere, wünschen sich mehr erholsame Nachtruhe. „Nicht jeder, der das Gefühl hat, schlecht zu schlafen, leidet unter einer behandlungsbedürftigen Schlafstörung“, betont der Schlafmediziner. „Aber Tagesschläfrigkeit, Ein‐ und Durchschlafstörungen, die länger als drei Monate anhalten, sehr unruhiger Schlaf, Atemaussetzer und andere auffällige motorische Phänomene im Schlaf sollten im Schlaflabor abgeklärt werden.“ Bei entsprechenden Symptomen könne der Hausarzt oder der behandelnde Neurologe den Patienten in eines der mindestens 34 neurologischen Schlaflaboratorien in Deutschland überweisen. Für eine exakte Diagnose wird der Patient dort verkabelt, um Vitalfunktionen zu kontrollieren, es wird ein EEG aufgezeichnet und der Schlaf via Videokamera überwacht.
Schlafstörung geht Parkinson voraus
Eine Störung, die im Schlaflabor aufgedeckt werden kann, ist die REM‐Schlafverhaltensstörung (REM sleep behavior disorder, RBD). Im Traumschlaf ist die Muskulatur normalerweise inaktiv. Patienten mit RBD sind in dieser Schlafphase dagegen auffällig in Bewegung, wie Mayer in einem eindrucksvollen Video präsentiert. „Betroffen sind vorwiegend Männer über sechzig mit kardiovaskulären Erkrankungen. Sie haben aggressive Träume und schlagen und treten um sich, wobei sie nicht selten sich selbst oder ihre Bettpartner verletzen“, erklärt der Neurologie und ergänzt: „Wir wissen, dass etwa 90 Prozent der Betroffenen innerhalb weniger Jahre eine Parkinson‐ Erkrankung entwickeln.“ Auch bei REM‐Schlafstörungen sind Ablagerungen von Alpha‐Synuklein nachweisbar. Sie stehen derzeit im Fokus der Forschung, weil diese Patienten für eine Frühbehandlung der Parkinson‐Erkrankung in Frage kommen.
Atemaussetzer erhöhen Schlaganfallrisiko
Der Zusammenhang zwischen Schlaf und einer anderen neurologischen Erkrankung ist seit einigen Jahren bekannt: Wenn die Atmung im Schlaf unbewusst aussetzt, steigt das Schlaganfallrisiko. „Mit einer gezielten Behandlung können wir das Schlaganfallrisiko und das langfristige kardiovaskuläre und Mortalitätsrisiko wirksam senken“, sagt Mayer. Deshalb sei es essenziell, schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS) frühzeitig zu erkennen.
(Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom 21.09.2016)