Die Mehrzahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland wird von Familienangehörigen zuhause betreut. Rund sechs Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland sind neben ihrer Berufstätigkeit die Hauptpflegeperson für einen Angehörigen. In den nächsten Jahren wird die Zahl der Pflegebedürftigen dramatisch anwachsen. Eine Herausforderung für Familien und Betriebe, denn die meisten pflegenden Angehörigen sind schon heute körperlich und psychisch überfordert. Das Modell von deinNachbar e. V. hat für Unternehmen ein Modell zur Entlastung ihrer pflegenden Arbeitnehmer erarbeitet.
Der gemeinnützige Verein bietet für pflegende Angehörige Beratungen sowie Schulungen im häuslichen Bereich durch spezialisierte Pflegefachkräfte an. Vor allem aber baut deinNachbar e.V. Netzwerke aus geschulten ehrenamtlichen Helfern auf, die schnell, zuverlässig und kostengünstig zur Unterstützung pflegender Angehöriger herangezogen werden können.
Angehörige sind der größte Pflegedienst der Nation
Dem Bundesministerium für Gesundheit zufolge gibt es in Deutschland aktuell 3,5 Mio. pflegebedürftige Menschen. Davon werden nur 24 Prozent stationär versorgt, 2,7 Mio. Pflegebedürftige hingegen zuhause von pflegenden Angehörigen betreut. Lediglich 23 Prozent von ihnen werden bei dieser Tätigkeit durch einen Pflegedienst unterstützt. Der Großteil der Versorgung lastet also auf den Schultern der pflegenden Familienmitglieder. Aufgrund des demografischen Wandels wird die Anzahl der Pflegebedürftigen hierzulande zwischen den Jahren 2014 und 2030 um 64 Prozent auf 4,3 Mio. Menschen ansteigen (Quelle „Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung“ BMG, 05.07.2018). Zugleich stehen immer weniger junge Menschen zur Pflege älterer zur Verfügung.
Erkrankungen und Leistungsabfall pflegender Angehöriger belasten Arbeitgeber
Laut Barmer Pflegereport 2018 sind die pflegenden Angehörigen aber längst an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. Die meisten sind psychisch und körperlich überlastet, leiden an Schlafmangel und Existenzängsten. Jede vierte Pflegeperson arbeitet bereits verkürzt oder hat ihren Beruf aufgegeben. Dementsprechend verursacht die wachsende Doppelbelastung pflegender Angehöriger auch im Arbeitsalltag deutliche Probleme und war schon im Jahr 2011 mit durchschnittlichen betrieblichen Folgekosten für jeden betroffenen Arbeitnehmer in Höhe von 14.156,00 Euro pro Jahr verbunden (Quelle Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik: Betriebliche Folgekosten mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Pflege 2011).
Meist tritt ein Pflegefall in der Familie relativ plötzlich auf und nachdem die wenigsten Menschen mit pflegerischen Tätigkeiten vertraut sind und die Organisation einer Pflegesituation sehr komplex ist, sind die meisten Arbeitnehmer damit völlig überfordert. Leider sind die wenigsten Mitarbeiter bereit, offen über die Gründe ihres Präsentismus und Absentismus zu sprechen und so wissen viele Arbeitgeber gar nichts von der Doppelbelastung ihrer Angestellten, die neben ihrem Arbeitseinsatz noch die Angehörigen pflegen.
Unterstützungsnetzwerk für soziales Unternehmertum
Durch den interdisziplinären Lösungsansatz aus Pflege, modernem Ehrenamt, exakt funktionierender Logistik und einen hohen Grad der Digitalisierung hat der gemeinnützige Verein *dein*Nachbar e.V. ein Konzept entwickelt, das es Unternehmen ermöglicht, ihren pflegenden Mitarbeitern ein soziales Unterstützungsnetzwerk zu offerieren, das diesen eine signifikante Entlastung beschert.
Der Vereinsgründer und Logistiker Thomas Oeben erläutert seine Motivation: „Wir können die stetig wachsende Zahl der Pflegebedürftigen in Zeiten des Fachkräftemangels nur dann menschenwürdig versorgen, wenn wir alle Verantwortung übernehmen. Konkret müssen die Pflegefachkräfte sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und wir Betreuungs- und Unterstützungsleistungen gut geschulten Laienhelfern übertragen, die unter der Anleitung von Fachkräften die Versorgung in der Nachbarschaft sicherstellen.“
Um das Problem der prekären Versorgungssituation von älteren Menschen zu lösen, verknüpft *dein*Nachbar e. V. vier Disziplinen miteinander: die Kompetenz aus dem Bereich der Pflege, das Management von ehrenamtlichen Helfern, die Logistik und die IT mit einem hohen Grad der Digitalisierung. Die Prozesse sind schlank aufgesetzt, logistisch optimiert, in einem Qualitätsmanagementsystem hinterlegt und werden durch eine leistungsstarke IT unterstützt. Die aufwändige Helfersuche und die Disposition verlaufen digitalisiert mithilfe einer eigens entwickelten Software, um schnell einen passenden Helfer zu finden. Das Konzept basiert außerdem darauf, dass die engagierten Alltagshelfer nur Einsatzanfragen bekommen, die exakt auf ihr Helferprofil passen. Die Helfer können die Anfragen bequem digital zu- oder absagen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Auf diese Art wird die Last der pflegenden Mitarbeiter auf viele verschiedenen Schultern verteilt und das Helfen dank des ausgeklügelten Konzepts nicht zu einer Belastung, sondern zur Bereicherung der engagierten Helfer.
Angebot für Unternehmen
Der Verein bietet Unternehmen Vorträge und Informationsveranstaltungen an. Pflegefachkräfte beraten die betroffenen Mitarbeiter rund um das Thema Pflege und schulen sie, basierend auf dem individuellen Krankheitsbild und der häuslichen Situation, auch zuhause. Sie helfen bei der Organisation der Pflegesituation, informieren über Leistungsansprüche und Unterstützungsmöglichkeiten. Das Helfernetzwerk sorgt für die notwendige Entlastung der pflegenden Mitarbeiter.
Qualität und Kompetenz
Für Pflegebedürftige werden nur Alltagshelfer eingesetzt, die eine 40-stündige Schulung bei vereinseigenen Pflegefachkräften absolviert haben und regelmäßig Fortbildungen besuchen. Auch werden die Helfer bei einem Erstbesuch immer von einer hauptamtlichen Kraft beim Hilfesuchenden vorgestellt und für die zu erbringenden Tätigkeiten angeleitet. Zur Überwachung der Qualität der erbrachten Dienstleistung werden Key Performance Indikatoren ausgewertet.
Versorgung als Herausforderung
Vereinsgründer Thomas Oeben erläutert: „Natürlich können und wollen wir durch unseren Ansatz keine Pflegedienste ersetzen. Nachdem aber schon heute nur 23 Prozent der zuhause lebenden pflegebedürftigen Menschen und fast keiner der ca. 6 Mio. Hilfsbedürftigen, die (noch) keinen Pflegegrad haben, einen Pflegedienst zur Unterstützung haben, geht es uns in erster Linie um die Unterstützung pflegender Angehöriger und hilfsbedürftiger Menschen, die nicht auf ein eigenes Netzwerk zurückgreifen können.“
Preisgekröntes Konzept
In Politik und Gesellschaft erfährt das zukunftweisende Modell von *dein*Nachbar e.V. große Anerkennung und ist bereits mehrfach ausgezeichnet worden. So wurde der Verein von Bundesminister a.D. Wolfgang Clement im Januar 2019 mit dem Deutschen Exzellenz-Preis prämiert, erhielt den vdek-Zukunftspreis 2018 vom Verband der Ersatzkassen, den German Stevie Award 2017 als „Startup des Jahres“ und wurde von Bundespräsident Joachim Gauck im Rahmen der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ bereits im September 2016 als zukunftsweisendes Projekt ausgezeichnet.
Visionär sucht Mitstreiter
Der erfahrene Logistiker und ehemalige Rettungssanitäter Thomas Oeben zur Zielsetzung des Vereins: „Unser erklärtes Ziel ist der Aufbau eines kostengünstigen, deutschlandweiten Versorgungsnetzwerks mit geschulten ehrenamtlichen Helfern. Das sollte so engmaschig geknüpft sein, dass hilfsbedürftige- und pflegebedürftige Menschen landesweit innerhalb von 24 Stunden qualifiziert und zuverlässig versorgt werden und pflegende Angehörige die dringend notwendige Entlastung finden. Längst wären wir in der Lage, unser soziales Unterstützungsnetzwerk, das wir in München bereits erfolgreich implementiert haben, zu skalieren und in Kooperation mit anderen Organisationen und Unternehmen in den nächsten Jahren auf ganz Deutschland auszudehnen. Um das realisieren zu können, bedürfen wir allerdings der Unterstützung eines sozialen Unternehmertums, das sich mit der gebotenen Weitsicht auch der Gesunderhaltung seiner Mitarbeiter verpflichtet sieht.“
*dein*Nachbar e. V. ist ein gemeinnütziger Verein, der ein soziales Unterstützungsnetzwerk mit geschulten ehrenamtlichen Helfern aus der Nachbarschaft aufbaut. Er unterstützt vor allem ältere Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft und Religion, und entlastet pflegende Angehörige. Professionelle Mitarbeiter aus dem Pflegebereich beraten pflegende Angehörige, schulen und betreuen die ehrenamtlichen Helfer und koordinieren sämtliche Aktivitäten des Vereins. Durch den interdisziplinären Lösungsansatz aus Pflege, modernem Ehrenamt, hervorragend funktionierender Logistik und einem hohen Grad der Digitalisierung kann der Verein auf effiziente Art und Weise die Versorgung vieler Hilfsbedürftiger sicherstellen. *dein*Nachbar e. V. versteht sich auch als soziale Begegnungsstätte: In Räumlichkeiten des Vereins finden regelmäßig Vorträge und Veranstaltungen für Helfer und Hilfsbedürftige statt. Weitere Informationen und das aktuelle Veranstaltungsprogramm: www.deinnachbar.de