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Niedriger Sozialstatus ist Barriere für Verhaltensprävention

„Die Langzeitergebnisse der KOPS-Studie zur Adipositasprävention über 20 Jahre zeigen, dass Maßnahmen an Schulen, die sich an Kinder, Eltern und Lehrer wenden, nur eine insgesamt sehr geringe Effektstärke aufweisen und das Adipositaspoblem in Deutschland auf Bevölkerungsebene nur um 1-1,5% senken können“, so Studieninitiator Prof. Dr. med. emerit. Manfred J. Müller.

„Der soziale Status ist sowohl eine Determinante von Übergewicht als auch eine Barriere gegenüber Präventionsmaßnahmen“, schlußfolgert Müller. Dagegen verstärkten ungesunde Lebenswelten die ohnehin ungünstigere Risikosituation bei Kindern und Jugendlichen aus niedrigeren sozialen Schichten. „AGA/DAG unterstützen deshalb die Forderungen nach effektiver Verhältnisprävention im Bündnis „DANK“ (Deutsche Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten) vollumfänglich“, fasst AGA-Sprecherin PD Dr. med. Susanna Wiegand zusammen.

Der soziale Status hat einen starken Einfluss auf das Übergewicht von Kindern und Jugendlichen, es besteht ein sogenannter 'inverser' sozialer Gradient: Je niedriger der soziale Status, je häufiger ist das Übergewicht.

In der KOPS- Studie (*K*ieler *O*besity-*P*revention *S*tudy) wurden von 1996-2008 insgesamt knapp 20.000 Teilnehmer eingeschlossen 6. An Kinder, Eltern und Lehrer gerichtete Präventions­maßnahmen brachten Verbesserungen von begrenzter Effektstärke hinsichtlich Ernährungswissen, Gesundheits­verhalten und Prävalenz bzw. Inzidenz von Übergewicht nur für Kinder aus höheren Sozialgruppen - obwohl sich die durchgeführten Maßnahmen genauso an Kinder niedrigerer sozialer Schichten gewandt haben. Insgesamt schnitten Mädchen und jüngere Kinder besser ab. „Hochgerechnet auf die Bevölkerungsebene können wir durch Schulmaßnahmen, die das Verhalten von Kindern gesünder machen sollen, nur in der Größenordnung von 1-1,5% eine Besserung der Adipositassituation erwarten. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein – und eben nicht die problemlösende, politische `silver bullit´“, so Prof. Müller.

Die Ergebnisse der KOPS-Studie zeigten darüberhinaus für Deutschland erstmalig den Einfluss 'ungesunder' Lebenswelten (gekennzeichnet  z.B. durch eine hohe Dichte von Fast-Food- Restaurants und ein hohes Angebot an energiedichten Lebensmitteln) auf die Häufigkeit von Übergewicht von Kindern und Jugendlichen: Übergewicht ist in 'ungesunden' Stadtteilen (d.h. in Stadtteilen mit wenig Spielplätzen und Grünflächen und einer hohen Dichte an Fast-Food-Restaurants) häufiger als in 'gesunden' Stadtteilen. 'Ungesunde' Lebenswelten verstärkten den inversen sozialen Gradienten im Übergewicht von Kindern und Jugendlichen, so Adipositasforscher Müller.

„Wir müssen nun mit vereinten Kräften daran gehen, unsere Lebenswelten 'gesünder' zu machen, d.h. zu Maßnahmen der Verhältnisprävention überzugehen“, so Prof. Müller.

PD Dr. Susanna Wiegand listet folgende zentrale Forderungen von DANK auf, denen sich AGA und DAG vollumfänglich anschließen:

Täglich mindestens eine Stunde Bewegung (Sport) in Kita und Schule

Gesunde Lebensmittel steuerlich entlasten und dafür energiedichte bzw. Übergewicht fördernde Lebensmittel höher besteuern („gesunde Mehrwertsteuer“)

Verbindliche Qualitätsstandards für Kita- und Schulverpflegung

Verbot von an Kinder gerichteter Lebensmittelwerbung für adipogene Lebensmittel

Hintergrund

Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter hat sich seit 1980 weltweit verdoppelt, 2015 waren 107,7 Millionen Kinder adipös. In Deutschland und anderen Ländern stagniert das Übergewicht im Kindes- und Jugendalter auf hohem Niveau. Der  Ausprägungsgrad der Adipositas steigt insbesondere bei Jugendlichen weiter an, viele Jugendliche sind inzwischen von einer extremen Adipositas und einer oder mehreren Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck betroffen.  Trotzdem hat es bisher weltweit kein Land der Welt geschafft, die Häufigkeit der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in allen Altersgruppen durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren.

Die KOPS-Studie wird z.Zt. mit einer Nachbeobachtung der ehemaligen Kinder, die jetzt im jungen Erwachsenenalter sind, nach 20 Jahren fortgeführt.