Arbeitssituation von Pflegekräften in der spezialisierten Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz
Ziel: Ziel der vorliegenden Studie war es, die Arbeitssituation von Pflegekräften in der spezialisierten Palliativversorgung zu beschreiben und die palliativen Versorgungsstrukturen aus Sicht der Pflegekräfte in Rheinland-Pfalz zu beurteilen.
Methode: Pflegekräfte der stationären (Hospize, Palliativstationen) und ambulanten spezialisierten Palliativversorgung (SAPV) aus Rheinland-Pfalz wurden 2015 im Rahmen einer Querschnittsstudie schriftlich mittels eines selbst entwickelten Fragebogens u. a. zu beruflichen Belastungen und Ressourcen sowie ihrer Einschätzung zur Qualität der palliativen Versorgungsstrukturen in Rheinland-Pfalz befragt.
Ergebnisse: An der Befragung nahmen 149 Pflegekräfte teil (Rücklaufquote 34,5 %). Die pflegerische Tätigkeit des Hebens und Tragens von Patienten wurde von ca. der Hälfte aller Befragten als starke Belastung berichtet. Des Weiteren konnten Belastungen aufgedeckt werden, die aus der Betreuung von Angehörigen sowie dem Zeitaufwand zum Informationsaustausch mit anderen (Fach-)Kräften hervorgehen. Die Mehrheit der Befragten bewertete die Zusammenarbeit im Team als wichtige Ressource. Intersektorale und interprofessionelle Zusammenarbeit stellte eine größere Belastungsquelle dar, wenn Fachkräfte ohne Zusatzausbildung an der Betreuung der Patienten beteiligt waren. Die palliativpflegerische Versorgungsqualität der Patienten in Rheinland-Pfalz wurde von der Mehrheit der Befragten als gut bis sehr gut bewertet. Allerdings sollten aus Sicht der Pflegekräfte der Ausbau der Palliativversorgung sowie mehr Öffentlichkeitsarbeit erfolgen.
Schlussfolgerungen: Durch die Studie konnten Belastungen aufgedeckt werden, die in bisherigen Studien nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße untersucht wurden. Neben psychischer Belastung sollte in zukünftigen Studien physische Belastung erhoben werden, letztere fand in der bisherigen Forschung zur Palliativpflege wenig Beachtung. Dringend erforderlich scheint der Ausbau der Palliativversorgung und der Öffentlichkeitsarbeit.
Schlüsselwörter: Belastungen – Ressourcen – Pflegekräfte – Palliativversorgung
Working situation of nurses in specialised palliative care in Rhineland-Palatinate
Objective: The objective of the study was to explore the working situation of nurses working in specialised palliative care and to evaluate the supply structure of palliative care in Rhineland-Palatinate from the point of view of nurses.
Methods: A specially developed written questionnaire was used to examine the situation of nurses from Rhineland-Palatinate working in the inpatient (hospices, palliative wards) and outpatient specialised palliative care sector (SAPV) in a cross-sectional study in 2015. Among other things, they were questioned about occupational stress and resources as well as their subjective evaluation of the quality of the supply structure for palliative care in Rhineland-Palatinate.
Results: 149 nurses answered the questionnaire (participation rate 34.5%). Almost half of all respondents reported that the lifting and carrying of patients is a great strain. Further stress factors arise from providing care and support for family members as well as the time-consuming process of exchanging information with other (specialist) staff. The majority of respondents considered collaboration within the team to be an important resource. Interprofessional and intersectoral cooperation was a greater source of stress when specialist staff with no additional training were involved in caring for patients. The majority of the respondents rated the quality of palliative care for patients in Rhineland-Palatinate as good or very good. However, from the nurses’ point of view, the supply of palliative care should be expanded and there should be more public relations work.
Conclusions: The study revealed stressors which were not or insufficiently analysed in previous studies. In addition to mental stress, future studies should also survey physical stress as it has received little attention in research on palliative care so far. There appears to be an urgent need for an increase in palliative care and public relations work.
Keywords: stress – resources – nurses – palliative care
Einleitung
Die Palliativversorgung stellt den Anspruch, die Lebensqualität von Patienten mit einer unheilbaren, progredienten Erkrankung in einem weit fortgeschrittenen Stadium durch medizinische, pflegerische und psychosoziale Betreuung zu verbessern. Die Lebenserwartung dieser Patienten ist begrenzt. Eine kurative Therapie ist nicht mehr möglich. Integraler Bestandteil der Palliativversorgung ist die Einbeziehung der Angehörigen (s. Abb. 1). Die Palliativversorgung findet in Deutschland im Rahmen allgemeiner und spezialisierter Strukturen statt (vgl. Tabelle 1). Der überwiegende Teil schwerstkranker Patienten wird in der allgemeinen Palliativversorgung betreut (Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V. 2017). Menschen mit einer unheilbaren und lebensverkürzenden Erkrankung, die einer besonders aufwändigen Behandlung und Betreuung bedürfen, haben Anspruch auf eine spezialisierte Palliativversorgung. Rund 10–15 % der Sterbenden benötigen diese besondere Betreuung. Die spezialisierte Palliativversorgung dient als Ergänzung zur allgemeinen Palliativversorgung (Nauck 2015; Nauck et al. 2015; Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V. 2017).
Die Strukturmerkmale und Ziele der Einrichtungen innerhalb der spezialisierten Palliativversorgung sind unterschiedlich (vgl. Tabelle 2).
Aufgrund des Anstiegs der Zahl pflegebedürftiger Menschen (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2017) wird der Bedarf an Pflegekräften in der Palliativversorgung ansteigen. Der Ausbau der Palliativversorgung ist daher notwendig und wird vorangetrieben (Gemeinsamer Bundesausschuss 2010; Bundesgesetzblatt 2015). Dieser Ausbau kann aber nur gelingen, wenn dem Fachkräftemangel in der Pflege (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege 2007) entgegengewirkt wird und die Arbeitssituation der Pflegekräfte in den Fokus rückt. Bisherige Studien konnten organisatorische Belastungen, wie z. B. Zeitdruck (Schröder et al. 2004; Perez et al. 2015), aufzeigen. Im Rahmen der Patiententätigkeit werden Probleme im Umgang mit Schmerzen und die Steuerung dieser Prozesse angegeben (Dunne et al. 2005; Müller et al. 2010; Gélinas et al. 2012). Zu den emotionalen Belastungen zählen häufige Todesereignisse, die wiederholte Konfrontation mit dem Tod und die Auseinandersetzung mit dem Leid der Patienten und ihrer Familien (Vachon 1995; Hawkins et al. 2007; Martens 2009; Hackett u. Palmer 2010; Müller et al. 2010; Pereira et al. 2011; Gélinas et al. 2012; Perez et al. 2015). Zudem wird die interprofessionelle Zusammenarbeit sowohl als Ressource (Müller et al. 2010; Hackett u. Palmer 2010) als auch als Belastung gesehen (Martens 2009; Pereira et al. 2011; Gélinas et al. 2012). Im Rahmen der Palliativversorgung werden häufig Mitarbeiter unterschiedlicher Berufsgruppen untersucht, so dass spezielle pflegerische Belastungen keine Berücksichtigung finden (Hawkins et al. 2007; Hackett et al. 2009; Müller et al. 2010). Für Deutschland lagen zum Zeitpunkt der Datenerhebung keine Studie und kein Erhebungsinstrument vor, das die Arbeitssituation von Pflegekräften in der spezialisierten Palliativversorgung auf Palliativstationen, Hospizen und der SAPV erhebt.
Ziel
Die Zielsetzung der vorliegenden Studie war es, die Arbeitssituation von Pflegekräften in der spezialisierten Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz zu beschreiben und die palliativen Versorgungsstrukturen aus Sicht der Pflegekräfte zu beurteilen.
Methode
Auf Basis der Ergebnisse einer qualitativen Vorstudie zu Belastungen, Beanspruchungen und Ressourcen von Palliativpflegekräften wurde im Rahmen einer Pilotstudie ein speziell für diese Zielgruppe zugeschnittener Fragebogen entwickelt. Folgende Aspekte wurden erhoben: berufliche Tätigkeit, Gesundheit, organisatorische, pflegerische und emotionale Belastungen, persönliche und organisatorische Ressourcen, Zusammenarbeit zwischen Fachkräften, Einschätzung der Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz sowie soziodemografische Angaben. Für mögliche Belastungsfaktoren wurde im Fragebogen zunächst erfragt, ob diese zutreffen und falls ja, wurde mit Hilfe von Likert-Skalen erfasst, wie hoch die Belastung empfunden wird (1 = keine Belastung bis 5 = sehr starke Belastung). Fragen zu Ressourcen und Zusammenarbeit wurden in ähnlicher Weise, lediglich mit anderen Antwortvorgaben, erhoben. Von 38 Einrichtungen der spezialisierten Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz erklärten sich 35 Einrichtungen (9 Hospize, 22 Palliativstationen, 7 SAPV-Teams) mit insgesamt 432 Pflegekräften bereit, an der Befragung teilzunehmen. Drei Palliativstationen lehnten eine Teilnahme an der Studie ab. Zwischen September und Oktober 2015 übernahmen die Pflegedienstleitungen aller teilnehmenden Einrichtungen die Verteilung der Fragebögen (mit rückfrankiertem Umschlag) an die Pflegekräfte. Die Auswertung erfolgte mit der Statistik- und Analysesoftware SPSS Version 21. Die grafische Darstellung erfolgte mittels Microsoft Excel 2016. Die Antworten wurden im Text und in den Abbildungen als relative Häufigkeiten dargestellt.
Ergebnisse
Von den n = 432 Pflegekräften, die den Fragebogen erhielten, nahmen n = 149 Pflegekräfte an der Befragung teil (Teilnahmequote 34,5 %). Verteilt auf die einzelnen Einrichtungen waren dies n = 64 Pflegekräfte aus Hospizen (Rücklauf: 46,0 %), n = 74 Pflegekräfte aus Palliativstationen (Rücklauf: 33,0 %) und n = 10 Pflegekräfte aus SAPV-Teams (Rücklauf: 14,5 %), eine Angabe zur Einrichtung war fehlend. Die folgende Darstellung stellt die Ergebnisse aller an der Befragung teilnehmenden Pflegekräfte dar, ohne die Einrichtungszugehörigkeit zu thematisieren. 89 % der Pflegekräfte waren weiblich und das Durchschnittsalter lag bei 49 Jahren (SD: 8,7). Im Durchschnitt waren die Befragten seit 24 Jahren (SD: 9,8) als Pflegekraft und im Durchschnitt seit 8 Jahren (SD: 6,4) im Bereich der spezialisierten Palliativversorgung tätig.
Berufliche Belastungen
Im Rahmen der organisatorischen Belastungen gab ungefähr die Hälfte der Befragten an, sich durch die „Ausführung zu vieler patientenferner Aufgaben“ belastet zu fühlen. An zweiter und dritter Stelle folgten „häufige Unterbrechungen und Störungen bei der Arbeit“ sowie „Wochenend-/Feiertagsarbeit“. Im Rahmen der Pflege von Patienten zählten „therapieresistente Schmerzen“, das „Heben und Tragen von Patienten“ sowie „unstillbare Blutungen“ zu den größten Belastungsquellen. Darüber hinaus wurden im Rahmen der Betreuung von Patienten insbesondere „depressive Patienten“ und Patienten, „die alleine sterben“, „die ihre eigene Situation nicht akzeptieren wollen“ oder „die an Demenz erkrankt sind“, als starke Belastung wahrgenommen (Abb. 2).
Betreuung von Angehörigen
66 % der Pflegekräfte gaben an, dass Angehörige, die die Situation ihrer sterbenden Angehörigen nicht akzeptieren wollen, eine eher starke/sehr starke Belastung darstellen. 60 % nannten dies für Angehörige, die für Unruhe sorgen, 52 % für Angehörige, die ihnen gegenüber aggressiv werden, und 46 % für Angehörige, die ihnen gegenüber Vorwürfe und Schuldzuweisungen machen.
Konfrontation mit häufigen Todesfällen
53 % der Pflegekräfte gaben an, eine bestimmte Anzahl von Todesfällen als belastend zu empfinden. Hierbei wurde die Anzahl von 4 und mehr Todesfällen in der Woche als belastend genannt. Bezug nehmend auf den letzten Monat lag die Anzahl der tatsächlich gestorbenen Patienten unter der Zahl der Todesfälle, die als belastend angegeben wurde.
Intersektorale und interprofessionelle Zusammenarbeit
38 % der Befragten betrachteten die Zusammenarbeit mit Pflegekräften in Alten-/Pflegeheimen und im Krankenhaus als gar nicht bzw. wenig zufriedenstellend. 26 % der Befragten gaben dies für die Zusammenarbeit mit Hausärzten an. Bei der offenen Frage zu den Gründen für die Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit wurden von den Pflegekräften am häufigsten eine mangelnde Kommunikation und eine erschwerte Zusammenarbeit aufgrund fehlender palliativer Kenntnisse genannt. Darüber hinaus wurde der Zeitaufwand für die Informationsweitergabe an weitere (Fach-)Kräfte von 24 % der Befragten als Belastung angegeben.
Bewältigungsstrategien und Ressourcen
88 % stimmten der Aussage zu, dass schwierige Situationen im Team gemeinsam bewältigt werden und 92 % stimmten der Aussage zu, dass sie diese Tätigkeit ohne ein gut funktionierendes Team nicht ausüben könnten. Ebenso sind spezielle Fortbildungen oder Angebote seitens des Arbeitsgebers (z.B. Supervision) vorhanden (Abb. 3). Darüber hinaus gaben über 80 % der Befragten an, Folgendes helfe ihnen ziemlich bzw. sehr, um mit den Arbeitsbelastungen und dem Stresserleben umzugehen: die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit (96 %), Humor (92 %), Selbstfürsorge (89 %), Dank der Angehörigen (89 %), ein Hobby (88 %), positives Denken (88 %), Selbstreflexion (88 %), professionelle Haltung/Distanzierung (88 %), Dank der Patienten (87 %), Team/Kollegen (87 %), Freunde (80 %) und die eigene Familie (80 %). Für 48 % der Pflegekräfte war das Wiedersehen der Angehörigen nach dem Tod (z.B. im Rahmen eines Gottesdienstes) und für 30 % der Pflegekräfte war die Begleitung der Angehörigen nach dem Tod eine große Hilfe, um mit den Arbeitsbelastungen umzugehen.
Arbeitszufriedenheit
Hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit gaben 2 % der Pflegekräfte an, mit ihrer Tätigkeit als Palliativpflegekraft wenig, 10 % teilweise, 35 % ziemlich, 43 % sehr und 10 % vollkommen zufrieden zu sein. Es konnte ein Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit und den Faktoren Belastungen durch Arbeitsstress (Zeitdruck, zu viele patientenferne Aufgaben, Anleitung von Schülern, Einspringen in Krankheitsfällen, zu wenig Zeit für Gespräch mit den Patienten, Patienten, die alleine sterben, die digitale Ausräumung des Enddarms, Heben und Tragen) und fehlende Anerkennung durch das Gehalt und den Vorgesetzten gefunden werden.
Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz
Die Mehrheit der Befragten (80 %) beurteilte die palliativpflegerische Versorgungsqualität der Patienten durch ihren Arbeitgeber als gut bis sehr gut. Ein Großteil der Pflegekräfte gab an, dass die örtlichen (90 %), personellen (82 %) und zeitlichen (74 %) Voraussetzungen es ermöglichen, palliativpflegerisch zu arbeiten. Das Wissen der Bevölkerung über die Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz beurteilten 47 % als schlecht bis sehr schlecht, 49 % als teils/teils und 3 % als gut. Verbesserungsbedarf sahen die Pflegekräfte vor allem in der Aufklärung und im Ausbau der Palliativversorgung (insbesondere SAPV).
Diskussion
Die Studie konnte Belastungen aufdecken, die in der bisherigen Fachliteratur nicht in ausreichendem Maße behandelt werden. Insbesondere sollte neben psychischer Belastung ebenso physische Belastung erhoben werden. Die tägliche Auseinandersetzung mit Leid, Tod und Sterben stellt einen besonderen psychischen Belastungsfaktor in der Palliativpflege dar, der wiederholt aufgezeigt wurde (Vachon 1995; Hawkins et al. 2007; Müller et al. 2010; Pereira et al. 2011; Gélinas et al. 2012; Gencer et al. 2017). Darüber hinaus wurden aber andere Belastungen im Rahmen der Palliativpflege eher vernachlässigt. Für die Jahre 2004–2017 konnten zwei Studien identifiziert werden, die eine physische Belastung seitens der Palliativpflegekräfte thematisierten (Schröder et al. 2004; Prenzler et al. 2010). Unsere Studie zeigte ebenfalls einen hohen Anteil an Pflegekräften, die sich durch das Heben und Tragen von Patienten belastet fühlen, so dass eine Reduzierung der Belastungen bezogen auf die tägliche Konfrontation mit Leid, Tod und Sterben nicht ausreichend ist und dass entlastende Maßnahmen in diesem Bereich erforderlich sind. Hierbei müssen bei der weiteren Analyse der Daten die einzelnen Bereiche der spezialisierten Palliativversorgung aufgrund unterschiedlicher Strukturmerkmale und Ziele separat betrachtet werden.
Darüber hinaus konnte eine belastende Anzahl von 4 und mehr Todesfällen in der Woche (Müller et al. 2010) bestätigt werden. Für Einrichtungsleiter/Teamleiter/Stationsleiter, aber auch Betriebsärzte scheint eine Quantifizierung der Todesfälle in Hinblick auf die Prävention sinnvoll zu sein, um bei einer Überschreitung von 4 Todesfällen pro Woche sensibilisiert zu sein und konkrete Maßnahmen, wie beispielsweise bestimmte Rituale (z. B. Gedenkgottesdienst), ergreifen zu können, die zu einer Entlastung der Pflegekräfte führen.
Der Ausbau der Palliativversorgung, insbesondere der SAPV, wurde von den Pflegekräften als dringend angesehen. Dies entspricht ebenfalls den Wünschen der Bevölkerung, denn die Mehrheit der Menschen in Rheinland-Pfalz möchte zu Hause sterben (Escobar Pinzon et al. 2011). Nach unseren Internetrecherchen hat sich innerhalb des vergangenen Jahres die Anzahl an SAPV-Anbietern in Rheinland-Pfalz erhöht. Es bleibt zu klären, ob diese den tatsächlichen Bedarf abdecken. Bei Betrachtung der aktuellen Zahlen mit 319 SAPV-Teams in Deutschland (Kassenärztliche Bundesvereinigung 2017, Stand 12.09.2017) fallen große Unterschiede zwischen den Bundesländern auf (beispielsweise Bayern: 48, Hessen: 27, Rheinland-Pfalz: 9). Darüber hinaus ist mehr Öffentlichkeitsarbeit erforderlich. Um Patienten und Angehörige zeitnah palliativmedizinisch und palliativpflegerisch versorgen zu können, sind aufgeklärte Patienten und Angehörige notwendig. Es ist davon auszugehen, dass diese Aufklärungsarbeit die Lebensqualität der sterbenden Patienten verbessert und gleichzeitig zu einer Reduzierung der Belastung durch die Betreuung von Angehörigen beiträgt.
Die große Bedeutung des Teams und die Zusammenarbeit im Team als wichtige Ressource (Müller et al. 2010) konnte von uns bestätigt werden. Bisher nicht berücksichtigt wurde, dass Pflegende den Informationsaustausch mit anderen involvierten (Fach-)Kräften wegen des hiermit verbundenen Zeitaufwands als Belastung empfinden können. Zudem stellt intersektorale und interprofessionelle Zusammenarbeit insbesondere dann eine Belastungsquelle für die in der spezialisierten Palliativversorgung arbeitenden Pflegekräfte dar, wenn Fachkräfte ohne Zusatzausbildung in Palliative Care beteiligt sind. Ein Ansatzpunkt zur Verbesserung der Versorgungsqualität von Palliativpatienten als auch der Verbesserung der Zusammenarbeit wäre beispielsweise eine palliativpflegerische/-medizinische Schulung von Pflegekräften und Hausärzten sowie eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit der Palliative Care in der regulären pflegerischen Ausbildung, wie dies z. B. seit 2009 als Pflichtlehr- und Prüfungsfach in die Approbationsordnung für Ärzte eingeführt wurde (Borasio u. Dietz 2009).
Die Studie weist einige Schwächen auf. Hierzu zählt die geringe Rücklaufquote, sowohl insgesamt als auch innerhalb der einzelnen Einrichtungen. Eine Analyse der Unterschiede zwischen den Bereichen wird zukünftig erfolgen. Ein Vergleich zwischen Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern ist ausgeschlossen, da die Datenerhebung anonym durchgeführt wurde. Es ist möglich, dass Pflegekräfte, die besonders stark belastet sind, eine Befragung scheuten, so dass die berichteten Belastungen unterschätzt werden. Trotz Schwächen konnte die Pilotstudie einige neue Ergebnisse liefern und es konnten einige Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Versorgungsqualität von Palliativpatienten einerseits und eine konkrete Präventionsarbeit zur Reduzierung der Belastungen von Pflegekräften in der spezialisierten Palliativversorgung andererseits abgeleitet werden.
Eine Frage, die im Rahmen der Pilotstudie nicht beantwortet werden konnte, ist die, warum die Mehrheit der Pflegekräfte der spezialisierten Palliativversorgung trotz der hohen organisatorischen, pflegerischen und emotionalen Belastungen sehr zufrieden mit ihrer Tätigkeit als Palliativpflegekraft ist. Resultiert diese Zufriedenheit größtenteils aus der Sinnhaftigkeit der Palliativtätigkeit, die von fast allen als Ressource angegeben wurde, um mit den Belastungen umzugehen? Welche Rolle spielen die konkreten Arbeitsbedingungen in der Palliativpflege, wie z. B. die Betreuung von Angehörigen, die über den Tod des Patienten hinausgehen? Ebenso scheinen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, aber auch organisatorische Ressourcen eine wichtige Rolle zu spielen. Zurzeit wird eine bundesweite Studie durchgeführt, in der der entwickelte Fragebogen sowohl Pflegekräften der spezialisierten als auch der allgemeinen Palliativversorgung zur Beantwortung vorgelegt wird (Forschungsdatenbank des Fachbereichs Medizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz). Diese Befragung soll Antworten auf diese Fragen liefern und einen konkreten Vergleich zwischen den Pflegekräften in der allgemeinen und spezialisierten Palliativversorgung ermöglichen, aus dem Handlungsmaßnahmen für die Pflege abgeleitet werden sollen.
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Danksagung: Besonderer Dank gilt der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) für die Förderung des Projekts „Arbeitssituation und Gesundheit von Pflegekräften in der Palliativversorgung in Rheinland-Pfalz“, aus dem die Publikation entstand.
Interessenkonflikt: Alle Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Ethikvotum: Ein positives Ethikvotum liegt vor.
Für die Verfasser
Elisabeth Diehl, Dipl.-Soz., M.Sc.
Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Obere Zahlbacher Str. 67
55131 Mainz
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 33–38
doi: 10.17147/ASU.2018-01-04-02
Fußnoten
1 Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel), Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
2 Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (Direktor: Prof. Dr. med. Matthias Augustin), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
3 BAuA: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin