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Rezension

A. Weber, Dortmund

Menschen in der westlichen Welt sind heute etwa viermal reicher als vor 100 Jahren und doch abhängiger denn je von einem Wirtschaftssystem, in dem einige zu viel und viele nicht genug haben. Auch die Prophezeihung des renommierten Ökonomen John Maynard Keynes, dass die Menschheit spätestens 2030 imstande ist, ihre materiellen Bedürfnisse mit höchstens 3-stündiger täglicher Erwerbsarbeit zu befriedigen und sich ansonsten der Muße zu widmen, erscheint heute gänzlich abwegig. „TINA“ – there is no alternative … lautet die apokalyptische Drohung der privilegierten Eliten einer globalisierten Marktgesellschaft und eine große Mehrheit fügt sich auch in Deutschland in ein vermeintlich „Gott gegebenes unveränderbares Schicksal“. Die britischen Bestseller-autoren und Professoren Skidelsky, Vater Robert (Wirtschaftshistoriker und Keynes Experte) und Sohn Edward (Sozialphilosoph) zeigen in ihrem neuesten Buch, wie zentrale wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen auch jenseits des Mainstreams gedacht werden können. Dabei ist es das primäre Anliegen der Autoren, den Lesern die Elemente eines „guten Lebens“ nahezubringen, in dem sieben Grundbedürfnissen eine wesentliche Bedeutung zukommt: Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Freundschaft, Muße, Entfaltung der Persönlichkeit und Harmonie mit der Natur. In 7 Kapiteln (u. a. Keynes Irrtum, über den Nutzen von Reichtum, das Wunder des Glücks, Auswege aus der Tretmühle) findet sich – gespeist aus einem beeindruckenden historischem , philosophischem und ökonomischen Wissen- ein sehr lesenswerter Appell gegen die ökonomische Unersättlichkeit eines entfesselten Kapitalismus und für eine Rückbesinnung auf Humanität und immaterielle Werte. Besonders beachtenswert sind ihre Ausführungen zu den Ergebnissen der ökonomischen Glücksforschung: So haben Verbesserungen des Lebensstandards in der westlichen Welt keine Verbesserung der Lebenszufriedenheit nach sich gezogen, mehr Geld hat nicht glücklicher gemacht. Nur unterhalb einer bestimmten (niedrigen) Schwelle hat das absolute Einkommen Einfluss auf das Glücksempfinden. Als mögliche Handlungsoptionen plädieren die Skidelskys u. a. für eine stärkere Besteuerung von Finanztransaktionen und Vermögen, eine allgemein verbindliche Arbeitszeitbeschränkung und ein steuerfinanziertes Grundeinkommen. Die bezahlte Arbeit und der Arbeitsmarkt sollten das Leben weniger stark beherrschen als heute.

Zusammenfassend handelt es sich um ein uneingeschränkt lesenswertes Buch, das nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zur Reflexion über die Rolle der Arbeits- und Sozialmedizin in Zeiten der „Ökonomokratie“ anregt. Auch wer politisch nicht folgen mag und die Ideen der Autoren als „linke Spinnereien“ oder „naives Humanitätsgedusel“ abtut, diese zentrale Botschaft bleibt: Es gibt immer eine Alternative und keinen Grund, vermeintliche Dogmata in Wirtschaft und Gesellschaft nicht kritisch zu hinterfragen….und dann soll ja die Utopie von heute bekanntlich die Wirklichkeit von übermorgen sein.

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