Einführung
Kohlenmonoxid-Vergiftungen (CO-Intoxi-kationen) gehören seit Jahrzehnten zum Aus- und Fortbildungsrepertoire der Feuer-wehr. Da in den vergangenen Jahren ein Anstieg tödlich verlaufender CO-Intoxikationen festzustellen ist und allein in den Jahren 2009 und 2010 die Anzahl der CO-Todesfälle in Deutschland um jeweils 30 % stieg, scheint eine aktuelle Aufbereitung des Themas angebracht zu sein ( Tabelle 1). Dabei spielen auch neuartige Expositionen wie beispielsweise die Häufung suizidaler Inhalationen der Gase aus Kohlegrills eine Rolle. Weiter wird von stetig zunehmenden Biogasanlagen und damit einhergehenden Unfallgeschehen mit toxischen Gasen berichtet. Aufschlussreich sind in diesem Zu-sammenhang überdies die Ergebnisse einer Untersuchungsreihe von Holzpellets-Lagern in denen z. B. CO-Konzentrationen bis zu 717 ppm nachgewiesen wurden. Aber auch die Feuerwehr selbst kann durch unsach-gemäßes Arbeiten mit Überdrucklüftern gefährlich hohe CO-Konzentrationen verursachen. Der „Klassiker“ im Feuerwehralltag ist jedoch die CO-Intoxikation bei Bränden, denn bei etwa 20–30 % der Brandverletzten liegt immer ein begleitendes Inhalationstrauma vor.
Die Symptome einer akuten CO-Vergif-tung sind häufig unspezifisch, so dass diese auch heute noch ein differentialdiagnostisches und therapeutisches Problem bleibt. Klinische Veränderungen des Zustandes des Patienten können unerkannt bleiben oder die Diagnose wird erst verzögert gestellt. Somit besteht das Problem also nicht „nur“ für die in Not geratenen Personen, sondern in gleicher Weise auch für die Einsatzkräfte der Feuerwehr. Der Eigenschutz hat daher Priorität, und die Einführung einer flächendeckenden Ausstattung des Personals mit CO-Warngeräten, wie sie von der Berliner Feuerwehr vorgestellt wurden, ist die logische Konsequenz (Termer 2014).
Nicht so häufig, aber dennoch nicht weniger bedrohlich als die CO-Problematik sind schwere Tauchunfälle. Das Statistische Bundesamt weist zuletzt für 2012 bundesweit 46 stationäre Patienten mit einer Dekompressionserkrankung aus.
Das therapeutische Mittel der Wahl zur raschen Eliminierung von Kohlenmonoxid aus dem Organismus bei einer schweren CO-Intoxikation und Gasblasen bei Tauchunfällen (Dekompressionskrankheit) ist die Hyperbare Oxygenation (HBO) in einer Druckkammer (Hampson et al. 2012a; Vann et al. 2011). Es gibt allerdings ein Problem. Eine ausreichende Druckkammerversorgung ist in Deutschland gegenwärtig nicht gegeben, und Berichte, wonach Patienten in Druckkammern nicht therapiert werden konnten, da diese geschlossen waren, keine Seltenheit ( Abb. 1).
Der Beitrag soll die Zusammenhänge aus medizinischer Sicht erläutern, Hintergründe zur aus Sicht der Autoren desolaten HBO-Versorgungssituation in Deutschland liefern und Lösungsansätze zur Besserung aufzeigen.
Hintergrund
Der durch den Gesetzgeber beauftragte Ge-meinsame Bundesauschuss (G-BA) als das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland legt einheitliche und verbindliche Vorgaben für die konkrete Umsetzung der medizinischen Versorgung in Deutschland fest. In den Jahren 2003 bis 2006 hat der G-BA, beziehungsweise der vorausgehende Ausschuss Krankenhaus, für folgende Notfallindikationen beschlossen, dass die Hyperbare Sauerstofftherapie gemäß den Kriterien des § 137c des fünften Sozialgesetzbuches (SGB) ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und damit eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist:
- Dekompressionskrankheit,
- Arterielle Gasembolie,
- Kohlenmonoxidvergiftung und
- clostridiale Myonekrose (Gasbrand).
Für alle anderen Indikationen sieht der G-BA keine ausreichende Evidenz gegeben und spricht sich damit gegen eine Kostenübernahme der Behandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung aus. Die Betreiber von Druckkammern erklären, dass sich mit den erstattungsfähigen Indikationen allein nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten keine Druckkammern betreiben lassen; erst recht nicht im 24-Stunden-Betrieb. Diese Argumentation ist nachvollziehbar und letzt-endlich der Grund für die massive Schließung von ehemals 112 Druckkammern im Jahre 1999 auf aktuell 28 im Jahr 2014.
Das Hauptproblem in Hinblick auf die Finanzierung liegt jedoch darin, dass viele der Druckkammern zum einen nicht in eine Klinik integriert sind und somit erhebliche Mehrkosten, z. B. durch den Patiententransport, das notwendige Personal (24-Stunden-Betrieb) und den Betrieb der Druckkammer selbst, entstehen. Zum anderen lehnen es die gesetzlichen Krankenkassen mehrheitlich ab, diese Mehrkosten durch Sonderentgelte außerhalb des Klassifikationssystems für ein pauschaliertes Abrechnungsverfah-ren (DRG) zu übernehmen. Dadurch ergeben sich für Kliniken und Kammerbetreiber teilweise erhebliche, nicht finanzierte Mehraufwendungen (ÄLRD 2012).
Medizinische Aspekte
Kohlenmonoxidintoxikation
Die Vergiftung mit Kohlenmonoxid gehört in Deutschland unverändert zu den häufigsten Ursachen von Unfällen durch Gase (siehe Tabelle 1).
Für das Rettungsdienstpersonal besteht die Schwierigkeit, eine Exposition mit Kohlenmonoxid wahrzunehmen. Außerdem ist die klinische Diagnose durch unspezifi-sche Symptome erschwert. So existiert kein Symptom, das alleine hinreichend sensitiv oder spezifisch für eine Kohlenmonoxidvergiftung wäre. Die häufigsten Symptome gemäß einer Auswertung von 1323 Patien-ten waren Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Verwirrtheit, Müdigkeit, Brustschmerz, Kurzatmigkeit und Verlust des Bewusstseins (Hampson et al. 2012b). Die Diagnose einer Kohlenmonoxidvergiftung wird klinisch auf der Grundlage einer Exposition mit Kohlenmonoxid, Symptomen die mit einer Kohlenmonoxidvergiftung vereinbar sind und erhöhten Kohlenmonoxidspiegel im Blut gestellt (Hampson et al. 2012a). Hier könnte der konsequente Einsatz von CO-Warngeräten eine wesentliche Hilfestellung bieten. In einer Untersuchung, in der das gesamte Rettungsdienstpersonal einer Großstadt mit tragbaren CO-Warngeräten ausgestattet wurde, konnte eine Häufigkeit von einem Patienten mit CO-Intoxikation pro 1000 durch den Rettungsdienst versorgte Patienten beschrieben werden (Roth et al. 2013).
Die inhalative Aufnahme von Kohlenmonoxid führt mit einer 200- bis 300fachen Affinität zu einer Verdrängung der Sauerstoffmoleküle von den Bindungsstellen des Hämoglobins (Hb). In der Folge werden die Sauerstofftransportkapazität des Bluts sowie die Sauerstoffabgabe in die Körpergewebe verringert. Zudem gibt es verschiedene tierexperimentelle und experimentelle Hinweise, dass die Enzyme der zellulären Atmungskette beeinträchtigt werden. Ver-mutlich sind noch weitere Mechanismen der Gewebeschädigung durch Kohlenmon-oxid, wie immunvermittelte Entzündungsreaktionen sowie Lipidperoxidation durch neutrophile Granulozyten beteiligt (Hampson et al. 2012a).
Vor diesem Hintergrund ist die ausdrück-lich schlechte Übereinstimmung des klini-schen Zustands des Patienten und dem gemessenen CO-Hb einzuordnen.
Klinisch manifestiert sich der Sauerstoff-mangel insbesondere am zentralen Nervensystem und am Myokard. Neben der akuten Symptomatik besteht ein erhebliches Risiko für das verzögerte Auftreten eines neurologischen Defizits wie beispielsweise Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses ebenso wie Depressionen oder Psychosen (Weaver 2009). Die Höhe der Konzentration in der Atemluft, die Intensität der Atmung und die Einwirkungsdauer des Kohlenmon-oxids bestimmen das Ausmaß der Intoxikation.
Die Therapie leichter Kohlenmonoxid-intoxikationen beschränkt sich auf die Atmung von 100 % Sauerstoff bis zur Symptomfreiheit. Die Hyperbare Sauerstofftherapie reduziert die Halbwertzeit des CO-Hb von 230–320 Minuten (bei Raumluft) auf bis zu 23 Minuten (bei 300 kPa 100 % O2). Eine wissenschaftliche kontroverse Diskussion hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Hyperbare Sauerstofftherapie derzeit nur bei schweren Kohlenmonoxidintoxikationen mit Bewusstlosigkeit, kardialen Ischämien, neurologischen Defiziten, metabolischer Azidose oder einem CO-Hb-Spiegel über 25 % empfohlen wird.
Gasbrand (Clostridiale Myonekrose)
Dieses septisch-toxische Krankheitsbild geht von einer sich schnell und erheblich ausdehnenden lokalen Weichteilinfektion mit gasbildenden Clostridien unter hypoxischen und anaeroben Wundverhältnissen aus. Das freigesetzte -Toxin führt zu einer schnellen Ausbreitung der Nekrosezonen und wirkt ferner hämolytisch (Zerfall der roten Blutkörperchen) und kardiotoxisch (die Herzfunktion einschränkend) mit möglichem folgendem septischem Schock und Multiorganversagen. Insgesamt ist der Gasbrand heutzutage als seltene Erkrankung einzustufen.
Die Hyperbare Sauerstofftherapie kann nur in Kombination mit der chirurgischen Wundrevision, Antibiotikagabe und Intensivtherapie mittels mehrerer aufeinander folgender HBO-Behandlungen an einem leistungsfähigen Krankenhaus der entsprechenden Versorgungsstufe angewendet werden.
Dekompressionskrankheit
Die Dekompressionskrankheit („Druckfallkrankheit“, „Caissonkrankheit“, „Decompression Sickness“, „DCS“) wird durch Gasbläschen in Blut und Geweben hervorgerufen. Sie ist eine tauchtypische Unfallsituation, betrifft aber ebenso Personen, die im (trockenen) Überdruck exponiert sind, kann aber auch als Folge extremen Druckverlusts bei Flugsituationen auftreten.
Das Risiko für das Auftreten einer Dekompressionskrankheit bei Tauchern steht in einer deutlicher Abhängigkeit von den Tauchgangsbedingungen und -aufgaben. Die Häufigkeit einer Dekompressionskrankheit wird zwischen 1 (Sporttaucher) und 9,5 (Berufstaucher) pro 10 000 Tauchgängen angegeben (Vann et al. 2011).
Statistiken über die Häufigkeit der Dekompressionserkrankung in Deutschland stehen nur eingeschränkt zur Verfügung. In dem Abschlussbericht des Ausschusses Krankenhaus wurde die Zahl schwerster Tauchunfälle in Deutschland auf über 200 pro Jahr geschätzt. Mehrere hundert Fälle behandlungsbedürftiger, minderschwerer Unfälle kommen hinzu.
Die Hyperbare Sauerstofftherapie ist bei der Dekompressionskrankheit als Goldstandard anzusehen und derzeit ohne therapeutische Alternative.
Aufgrund ihres pathophysiologischen Ablaufs kann die zumeist neurologische, schwere Form nur dann mit guten Erfolgsaussichten behandelt werden, wenn die Hyperbare Sauerstofftherapie innerhalb von maximal 2 Stunden beginnt. Zeitverzug verschlechtert die Erfolgsaussichten (GTÜM 2014).
Gemäß der Unfallverhütungsvorschrift „Taucherarbeiten“ [DGUV-Vorschrift 40 (vormals BGV C23)] und der DGUV-Regel 105-002 (vormals GUV-Regel 2101) „Tauchen mit Leichttauchgeräten in Hilfeleistungsunternehmen“ ist ein Transport ver-unfallter Taucher zur nächsten einsatzbereiten Behandlungsdruckkammer innerhalb von 3 Stunden sicherzustellen. Sinngemäß, jedoch nicht mehr im Wortlaut, schreibt die neue Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV) 8 „Tauchen“ [Ausgabe 2014] vor: „Die Sauer-stoffmenge ist so zu bemessen, dass bis zur Übergabe des Verunglückten an eine Therapieeinrichtung, wie zum Beispiel Krankenhaus oder Behandlungskammer, möglichst 100 % Sauerstoffatmung gewährleistet ist. Die Vorräte des Rettungsdienstes können hierbei mit berücksichtigt werden, ansonsten ist eine Sauerstoffmenge von bis zu 3 Stunden vorzuhalten.“
Arterielle Gasembolie
Eine arterielle Gasembolie kann die Folge einer weiteren tauchtypischen Unfallsituation sein, wenn das sich in der Lunge beim Auftauchen ausdehnende Atemgas nicht ausreichend abgeatmet wird oder nicht abgeatmet werden kann. Bei einer Ruptur der Lungenbläschen kann das Atemgas in den Blutkreislauf gelangen und zur Verlegung der arteriellen Strombahn durch Gasblasen führen. Vor allem kommt es zu Schädigungen des zentralen Nervensystems.
Das Risiko einer arteriellen Gasembolie besteht ebenfalls unter anderem bei neuro-chirurgischen Eingriffen in sitzender Position sowie herz-, gefäß- und thoraxchirurgischen Operationen.
Die Häufigkeit bei Tauchunfällen ist im engen Zusammenhang mit den Angaben des Risikos der Dekompressionskrankheit einzuschätzen. Die Behandlung der arteriellen Gasembolie entspricht ebenso der ad-äquaten Notfallversorgung vor Ort mit der Atmung von 100 % Sauerstoff, einer unverzüglichen Hyperbaren Sauerstofftherapie und einer anschließenden Spät- und Langzeitbehandlung mit HBO-Therapie und neurologischer Rehabilitation.
Versorgungssituation in Deutschland
Die Möglichkeit einer Hyperbaren Sauerstofftherapie für eine 24-Stunden-Versorgung an 365 Tagen besteht in Deutschland derzeit an fünf Behandlungseinrichtungen ( Abb. 2). Nur diese Notfallzentren geben eine kontinuierliche Erreichbarkeit und die Möglichkeit für eine intensivmedizinische Behandlung während und nach der HBO an. Andere Druckkammeranlagen in Deutsch-land können entweder keine fortwährende Rufbereitschaft außerhalb der täglichen Routinedienstzeit oder eine intensivmedizinische Therapie gewährleisten.
Nicht nur aus Sicht der Verfasser besteht hier in den Bundesländern eine dringend zu schließende Versorgungslücke. So kommt z. B. der „Ärztliche Leiter Rettungsdienst in Bayern“ zu folgender Zusammenfassung (ÄLRD 2012): „Betrachtet man die aktuelle Datenlage nur für die Kohlenmonoxidvergiftung – die in den Industrieländern zu einer der häufigsten Vergiftungen gehört (WHO) und bei einer Rauchgasvergiftung als Mischintoxikation fast immer auch vorliegt – so unterstreicht dies deutlich die Notwendigkeit einer Versorgung der Bevölkerung mit HBO-Zentren, die auf dem Landweg zeitnah zu erreichen sein sollten.“
Darüber hinaus ist der in den einschlägi-gen Regelwerken für Taucher der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufga-ben (BOS) geforderte und medizinisch notwendige Beginn einer Hyperbaren Sauerstofftherapie innerhalb von drei Stunden mit fünf Behandlungszentren in Deutschland selbst mit logistisch aufwendigen Sekundärverlegungen nicht einzuhalten.
Aktuell besteht nur in Hessen ein durch das zuständige Sozialministerium zugewiesener Versorgungsauftrag „Zentrum für hyperbare Notfall- und Intensivmedizin“ an ein Klinikum in Wiesbaden mit angegliedertem Druckkammerzentrum. Unter dieser Voraussetzung ist es in Hessen gelungen, die Vorhaltung einer Therapieeinrichtung und abrufbares Betriebspersonal zu refinanzieren. Der hessische Weg wird jedoch nicht überall als Vorbild gesehen. So käme nach Auffassung des zuständigen Ministeriums in Bayern das Hessische Modell nur als ultima ratio in Betracht, wenn die Versorgung wegen des zahlenmäßig geringen Bedarfs anderweitig tatsächlich nicht gewährleistet werden könnte (Stellungnahme Bayerisches Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit vom 04.09.2012 (Az.: 25a-K9000-2012/131-19).
Gleichwohl ist nach Einschätzung der Verfasser eine bundesweite Notfallversor-gung ohne Zeitverzug für Versicherte der Krankenversicherung sowie der gesetzlichen Unfallversicherung möglicherweise nur durch eine politisch beauftragte Anbindung und Integration von Druckkammer-zentren an Krankenhäuser höherer Versor-gungsstufen erreichbar.
Neben der notwendigen Sicherstellung und Beauftragung der Hyperbaren Sauerstofftherapie in den Bundesländern ist wei-terhin die Einrichtung einer zentralen Vermittlung der HBO-Behandlungsplätze, vergleichbar der „Zentralen Anlaufstelle für die Vermittlung von Betten für Schwerbrandverletzte“ (ZA Schwerbrandverletzte) erfor-derlich. Offensichtlich ist eine Berufsfeuer-wehr in Deutschland dazu bereit, diesen Vorschlag aufzugreifen und umzusetzen. Leider war das Procedere trotz mehrmaliger Anfragen nicht zu erfahren. Lediglich auf die Erkundigung der Verfasser, ob eine Vernetzung mit den bekannten „Taucherärztlichen Telefonberatungen“ beabsichtigt ist, wurde mitgeteilt, dass dies nicht vorgesehen ist, weil es sich bei einem Tauchunfall um einen medizinischen Notfall handelt, der durch entsprechende Rettungskräfte vor Ort oder in einem Krankenhaus versorgt wird. Das sehen die Verfasser nicht so. Die seit über 10 Jahren durchgeführten „Intensivseminare Tauchunfall“ [ http://www.tauch-unfall.de] mit weit mehr als 400 Teilnehmern überwiegend aus dem rettungsdienstlichen Bereich (Notärzte, RettAss etc.) haben gezeigt, dass aufgrund fehlender Ausbildung und sehr seltenem Einsatzaufkommen erhebliche Wissensdefizite beim Management eines Tauchunfalles bestehen. Den Rettungskräften lediglich mitzuteilen, welche Druckkammer gerade aufnahmefähig wäre, ist daher zu wenig, denn das würde eine adäquate Differentialdiagnose erfordern. Die ist, wie erwähnt, in der Regel unwahrscheinlich. Der Schlüssel zum Erfolg wird sich daher nach Meinung der Verfas-ser erst dann einstellen, wenn zwischen der Leitstelle und dem Notarzt vor Ort ein Arzt-Arzt-Gespräch (Stichwort: Konferenzschaltung) zu einer „Taucherärztlichen Telefonberatung“ angeboten und dann bei Bedarf sofort die aufnahmefähige Druckkammer einschließlich des Transportmittels genannt werden kann.
Auch im Positionspapier des Ärztlicher Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) Bayern wird darauf hingewiesen, dass oftmals das klare, indikationsabhängige Vorgehen im Rahmen der HBO-Behandlung eines Notfallpatienten mit entsprechender Erkrankung für die an der Patientenversorgung Beteiligten nicht klar geregelt ist (ÄLRD 2012).
Von den zuständigen Fachgesellschaften, hier die Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM) e. V. und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) e. V. Sektion Hyperbarmedizin, sollte die Etablierung eines bundesweiten Registers von HBO-Notfallbehandlungen angestrebt werden. Nur auf diesem Weg lassen sich eine Qualitätssicherung der hyperbarmedizinischen Versorgung und wissenschaftliche Beiträge zur Versorgungsforschung erreichen.
Literatur
Ärztlicher Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) in Bayern: Positionspapier zu Indikationen zur HBO-Therapie vom 21. Mai 2012 [ http://www.aelrd-bayern.de]
Hampson NB, Piantadosi CA, Thom SR, Weaver LK: Practice recommendations in the diagnosis, manage-ment and prevention of carbon monoxide poisoning. Am J Respir Crit Care Med 2012a; 186: 1095ff.
Hampson NB, Dunn SL; UHMCS/CDC CO Poi-soning Surveillance Group: Symptoms of carbon monoxide poisoning do not correlate with the initial carboxyhemoglobin level. Undersea Hyperb Med 2012b; 39: 657ff.
Roth D, Bayer A, Schrattenbacher G, Malzer R, Herkner H, Schreiber W, Havel C: Exposure to carbon monoxide for patients and providers in an urban emergency medical service. Prehosp Emerg Care 2013; 17: 354ff.
Termer M: Umgang der Berliner Feuerwehr mit der Gefahr durch Kohlenstoffmonoxid – Flächendeckende Ausstattung mit CO-Warngeräten. BRANDSchutz Deutsche Feuerwehr-Zeitung 2014; 3: 211–215.
Vann RD, Butler FK, Mitchell SJ, Moon RE: Decompression illness. Lancet 2011; 377; 153ff.
Weaver LK: Clinical practice: carbon monoxide poisoning. N Engl J Med 2009; 369: 1217ff.
Für die Autoren
Priv.-Doz. Dr. med. Björn Jüttner, M.A.
Medizinische Hochschule Hannover
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
Weitere Infos
Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM) e. V. und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, Leitlinie Tauchunfall, Stand: 06.10.2014