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Stellungnahme zum Entwurf der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge; AZ IIIb1-36628/37

Grundsätzliche Ausrichtung der Änderung

Die im betrieblichen Alltag tätigen Betriebsärztinnen und Betriebsärzte haben mit den unterschiedlichen, häufig divergierenden Interessen im Betrieb zu tun und benötigen dazu eine von den Sozialpartnern akzeptierte Rechtsgrundlage. Dies gilt in besonderem Maße für das Vertrauensverhältnis Arzt-Mitarbeiter. Arbeitsmedizinische Betreuung bedeutet die integrative Ausrichtung, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Gleichzeitig braucht es aber auch in anderen Regelwerken eine klare Grundlage, in welchen Fällen die gesundheitliche Eignung nicht ins alleinige Ermessen des Mitarbeiters gestellt wird, sondern Voraussetzung der auszuübenden oder ausgeübten Tätigkeit ist.

Aus der ärztlichen Verantwortung heraus wissen wir, dass sich Mitarbeiter durch bestimmte Tätigkeiten gesundheitlich schädigen, da die Schutzmöglichkeiten im Sinne der Verhältnisprävention nicht ausreichen. Dadurch kann auch die Gesundheit Dritter gefährdet werden. Diese Konstellationen, beispielsweise bei der Lastenhandhabungsverordnung, beinhalten eine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der Übertragung von Aufgaben der manuellen Handhabung von Lasten, die für die Beschäftigten zu einer Gefährdung für Sicherheit und Gesundheit führen, die körperliche Eignung des Beschäftigten zur Ausführung der Aufgabe zu berücksichtigen. Offen bleibt aber auch, wie die Verbindung von erheblichen medizinischen Risiken und dem der Schweigepflicht unterliegenden medizinischen Wissen von Betriebsärzten über die gesundheitliche Situation des Mitarbeiters rechtssicher und praxisgerecht erfolgen soll. Dabei sind auch die gesundheitlichen Anforderungen des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen.

Dieser Bereich der gesundheitlichen Eignung ist nach unseren umfassenden Erfahrungen unzureichend geklärt. Diese Regelungslücke muss dringend geschlossen werden. Eine Klarstellung der ArbMedVV muss diese Aspekte mit berücksichtigen.

Wegfall von Bescheinigungen

Bereits im Jahre 2007 haben VDBW und DGAUM eine Leitlinie zur arbeitsmedizinischen Vorsorge erstellt und die Informationen/Bescheinigungen an den Arbeitgeber anhand eines dreistufigen Aufbaus differenziert. In jeder Stufe der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist nach unserer Auffassung die Mitteilung über die Teilnahme an den Arbeitgeber vorgesehen. Nach unserer Überzeugung braucht es für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit vor Ort und ein gesundheitsförderliches Klima die Offenheit, dem Arbeitgeber entsprechende Mitteilung über die Teilnahme an einer arbeitsmedizinischen Vorsorge zu machen. Den im Entwurf der geänderten ArbMedVV vorgesehene Nachweis an den Arbeitgeber, dass und wann ein arbeitsmedizinischer Vorsorgetermin stattgefunden hat, begrüßen wir deshalb.

Für den Fall, dass im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge auch gesundheitliche Eignungsaspekte erkennbar sind, sieht diese Leitlinie bei Stufe 3 „Bedenken gegen die Fortführung der Tätigkeit (vorübergehend oder dauerhaft)“ vor, dass mit dem Beschäftigten Folgendes kommuniziert wird:

  • Beratungsgespräch mit Erläuterung der Bedenken und ihrer Gründe,
  • ggf. Empfehlung zur Verhaltensprävention,
  • ggf. Einleitung weiterer diagnostischer, gesundheitsförderlicher oder therapeutischer Maßnahmen durch den Arbeitsmediziner,
  • Absprache, ob eine Information des Arbeitgebers über diese Bedenken einvernehmlich erfolgen soll.

An den Arbeitgeber sollen unseres Erachtens folgende Informationen vorgesehen werden:

  • Mitteilung über Teilnahme,
  • ggf. Mitteilung der Bedenken und Beratung bezüglich alternativer Einsatzmöglichkeiten (nach Zustimmung durch den betroffenen Mitarbeiter),
  • nur im Fall einer beträchtlichen Gefährdung Dritter bei Aufnahme oder Fortsetzung der jeweiligen Tätigkeit teilt der Arzt seine Bedenken auch ohne Einwilligung des Beschäftigten dem Arbeitgeber mit,
  • ggf. Empfehlung zur Verhältnisprävention.

Aus der ärztlichen Verantwortung heraus halten wir diese abgestufte Form von Mitteilungen und Bescheinigungen für vertrauensbildend, notwendig und praxisgerecht.

Begriffsbestimmungen

In § 2 Abs. 1 schlagen wir vor, das letzte Wort „Arbeitsschutz“ zu ergänzen in „Arbeits- und Gesundheitsschutz“.

In § 2 Abs. 5 sowie § 5 schlagen wir vor, anstelle des Begriffs „Gesundheitsschaden“ den Begriff „gesundheitliche Beeinträchtigung“ zu verwenden.

Erforderlichkeit von körperlicher oder klinischer Untersuchung

In § 5 Abs. 1 wird formuliert, dass der Arzt/die Ärztin vor Durchführung körperlicher oder klinischer Untersuchungen deren Erforderlichkeit nach pflichtgemäßem ärztlichem Ermessen zu prüfen hat. Aus der Sicht der ärztlichen Verantwortung sind uns dabei folgende Aspekte wichtig:

Ärztliche Verantwortung ist schwer vereinbar mit einer Reduzierung des Frage- und Untersuchungsumfangs. Verantwortliches ärztliches Handeln bedeutet, systematisch, strukturiert und umfassend nach vorliegenden Erkrankungen, Medikation und Lebensgewohnheiten wie Ernährung, Bewegung und Suchtmittelverhalten zu fragen, also auch nach solchen, die im konkreten Fall ohne unmittelbaren Bezug und Auswirkung auf die Arbeitstätigkeit sein können. Dabei kommt es für den Arzt auf das Gesamtbild an. Es ist eben nicht so, dass man eindimensional von Einzelangaben, Arbeitsunfähigkeitszeiten, ambulanten Behandlungen oder stationären Aufenthalten auf die Erkrankungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen Im Kontext der beruflichen Tätigkeit schließen kann. Eine komplette Anamnese ist – unabhängig von der Fragestellung und vom Fachgebiet – Bestandteil des ärztlichen Basiswerkzeuges (siehe auch Zitat aus dem Lehrbuch „Anamnese und Befund“ von Jürgen Dahmer, Thieme Verlag: „Der programmförmige Untersuchungsablauf und Ihr entschiedener Wille zur Vollständigkeit sind eine gewisse Gewähr dafür, dass Sie nicht wesentliche Symptome übersehen“). Gerade aus dem strukturierten Vorgehen ergibt sich bei der Anamnese erst die diagnostische Qualität. Das ärztliche Urteil ergibt sich aus einer gewichteten Synthese vielfältiger Informationen. Die Bedeutung einer einzelnen Frage bzw. Antwort kann in jedem Kontext verschieden ausfallen. Eine Anamnese ist daher nicht beliebig im Umfang zu reduzieren. Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten sind nur im Zusammenhang mit anderen evtl. eingenommenen Medikamenten und Grunderkrankungen zu beurteilen. Deshalb muss der Arzt die komplette Anamnese und Medikamentenliste kennen, wenn er eine sinnvolle Beurteilung abgeben will. Selbst die Frage nach den Sportaktivitäten und nach dem Befinden beim Sport ergibt wesentliche Information zum aktuellen Gesundheitszustand und hat auch Relevanz für berufliche Tätigkeiten. Die Art der Antwort auf eine routinemäßig gestellte Frage nach Alkohol- oder Drogenkonsum könnte ein erster Anhaltspunkt für missbräuchlichen Umgang sein. Es gibt schwerwiegende Argumente, dass Ärzte in ihrer Anamnesetechnik und hinsichtlich körperlicher oder klinischer Untersuchungen unabhängig sein müssen und dabei die Regeln der arbeitsmedizinischen Fachkunde anwenden. Rechtlicher Rahmen und ärztliche Verantwortung müssen im Einklang stehen.

Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht in § 6 Abs. 1, letzter Satz

Die ärztliche Schweigepflicht gilt für Betriebsärzte vollumfänglich; dies ist in der ärztlichen Berufsordnung verankert und würde bei Verstößen nach § 203 Strafgesetzbuch als Straftat sanktioniert. Der Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht ist an dieser Stelle verzichtbar, da es zu den elementaren Grundregeln der Heilberufe für jegliches ärztliches Handeln gehört und nicht „nur“ in der Reihenfolge der ärztlichen Pflichten bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge an letzter Stelle.

Wegfall der Pflichtvorsorge bei Atemschutzträger

Nach der Statistik der DGUV gibt es in Deutschland jährlich ca. 300 000 Untersuchungen bei angenommenen 1,2 Mio. Feuerwehrleuten in Freiwilligen wie Berufsfeuerwehren, aber auch in Betriebsfeuerwehren. Darüber hinaus wird aber auch in vielen Produktions- und Instandhaltungsbetriebe Atemschutz getragen.

Insbesondere in vielen Unternehmen, aber auch bei eingesetzten Subunternehmen und Dienstleistern, wird die Zahl der Atemschutzträger weiter zunehmen, um flexible Tätigkeitswechsel zu ermöglichen. Aus betriebsärztlicher Sicht ist mit dem Tragen von Atemschutz eine hohe gesundheitliche Belastung verbunden, die eine besondere gesundheitliche Vorsicht und arbeitsmedizinische Vorsorge notwendig macht. Die gesundheitliche Gefährdung lässt sich aus unserer Erfahrung nur mit betriebsärztlicher Expertise und verpflichtender regelmäßiger Vorsorge minimieren. Insbesondere die potenzielle Selbst- und Fremdgefährdung im Einsatzfall kann so gravierend sein, dass sich Betriebsärzte aus Sorge um die Menschen für eine entsprechende verpflichtende Vorsorge aussprechen. Unter Atemschutz ist die Gefahr besonders groß, sich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit zu überfordern. Dadurch kann auch für Dritte eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung entstehen.

Nicht in allen Bereichen ist das Feuerwehrgesetz als Grundlage einer Eignungsuntersuchung anwendbar. Daher bedarf es zwingend entsprechender Regelungen für Situationen, in denen Atemschutz getragen werden muss.

Zusammenfassend begrüßen wir den Ansatz der klarstellenden Überarbeitung der ArbMedVV. Bedenken haben wir aus betriebsärztlicher Sicht, dass mit dem ausschließlichen Grundsatz der Freiwilligkeit die Selbst- und Fremdgefährdung steigen könnte. Dabei sorgen wir uns als Ärzte insbesondere um Menschen, die die Wechselwirkung von Arbeit, Gesundheit und Krankheit und die individuellen gesundheitlichen Risiken aus der Tätigkeit selbst nicht abschließend einschätzen können.

Für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit bedanken wir uns und stehen für weitere Gespräche gerne zur Verfügung. 

Prof. Dr. med. Hans Drexler
Präsident DGAUM

Dr. med. Wolfgang Panter
Präsident VDBW

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