Einleitung
Am 29.05.2017 wurde das „Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. In 4 Folgen werden die Änderungen und Neuerungen vorgestellt:
In der Folge 1 werden die bereits geltenden Änderungen thematisiert. Weiterhin wird auch auf den zum 01.01.2018 erweiterten persönlichen Anwendunwgsbereich eingegangen. In Folge 2 werden die neuen Regelungen zur Nachtarbeit vorgestellt, die ab dem 01.01.2018 gelten. Folge 3 erläutert die Regelungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit und zur Mehrarbeit. Folge 4 befasst sich mit den Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung, zu Gestaltung der Arbeitsbedingungen und zum neuen Ausschuss für Mutterschutz.
Sonn- und Feiertagsarbeit
Schon das Arbeitszeitgesetz regelt, dass vom Grundsatz her an Sonn- und Feiertagen keine Beschäftigung stattfinden darf (§ 9 Abs. 1 ArbZG). Ein diesbezügliches Verbot ohne Ausnahmen würde aber der heutigen Arbeitswelt nicht mehr gerecht werden. Weiterhin existieren einige Tätigkeitsfelder, bei denen es schlicht und ergreifend gar nicht denkbar wäre, wenn man diese an Sonn- und Feiertagen nicht ausüben würde. Hier sei nur die Arbeit in Krankenhäusern, bei der Polizei oder im öffentlichen Personenverkehr erwähnt.
Auch das Mutterschutzgesetz kennt das Verbot der Arbeit/Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen für Schwangere und Stillende (§ 6 MuSchG). Aber auch hier müssen Ausnahmen möglich sein. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass das neue Mutterschutzgesetz sich explizit als Ziel setzt, dass die Mutter nach Möglichkeit auch während der Schwangerschaft und in der Stillzeit ihre Tätigkeit weiterhin ausüben kann (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Zudem dürfte es auch an arbeitsmedizinischen Erkenntnissen fehlen, warum die Tätigkeit einer Schwangeren oder Stillenden an Sonn- und Feiertagen gefährdender ist als an Werktagen.
In der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des Mutterschutzgesetzes waren die Ausnahmen zum Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit noch auf bestimmte „Branchen“ beschränkt (z.B. Verkehrswesen, Gast- und Schankwirtschaften, Theatervorstellen; vgl. § 8 Abs. 4 MuSchG in der Fassung bis zum 31.12.2017). Diese Branchenbeschränkung wurde aber aufgehoben. Unter den unten noch zu beschreibenden Bedingungen kann eine Schwangere und Stillende auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden.
Was sind Sonn- und Feiertage?
Sonntage sind relativ einfach kalendermäßig zu bestimmen. Bei den Feiertagen ist dagegen anzumerken, dass sich § 6 MuSchG nur auf die gesetzlichen Feiertage bezieht. Diese ergeben sich aus dem Bundesrecht (3. Oktober als „Tag der deutschen Einheit“ gem. Art. 2 Abs. 2 EinigVtr) und den Feiertagsgesetzen der Bundesländer. Entscheidend ist im Wesentlichen also, in welchem Bundesland die Schwangere oder Stillende tätig wird.
Allgemeines zu den Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG darf die Schwangere oder Stillende unter folgenden Voraussetzungen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden:
- Die Frau erklärt sich ausdrücklich hierzu bereit
- Es liegt eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot nach § 10 Arbeitszeitgesetz vor.
- Der Frau wird im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhe von mindestens 11 Stunden ein Ersatzruhetag gewährt.
- Eine unverantwortbare Gefährdung (insbesondere für Schwangere durch Alleinarbeit) ist ausgeschlossen.
Bereiterklärung der Frau
Die Bereiterklärung der schwangeren oder stillenden Frau muss ausdrücklich erfolgen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MuSchG). Sie kann folglich hierzu nicht gezwungen werden, sondern lediglich für sich entscheiden, ob sie auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten will.
Die Erklärung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden (§ 6 Abs. 1 Satz 3 MuSchG). „Mit Wirkung für die Zukunft“ bedeutet, dass der Widerruf keine rückwirkende Wirkung hat. Hat sie folglich ihren Arbeitstag bereits begonnen und bricht sie diesen ab, so richtet sich dies nach den allgemeinen Regelungen (z. B. Arbeitsunfähigkeit). Für die folgenden Sonn- und Feiertage kann sie dagegen gegenüber dem Arbeitgeber erklären, dann nicht mehr zu arbeiten.
Aufgrund dieser Regelungslage muss ein Arbeitgeber immer damit rechnen, dass eine schwangere oder stillende Frau ihre Bereiterklärung zur Sonn- und Feiertagsarbeit widerruft.
Ausnahmen vom allgemeinen Verbot nach § 10 ArbZG
Weiterhin ist neben der Bereiterklärung der Frau auch erforderlich, dass „eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot der Arbeit an Sonn- und Feiertagen nach § 10 des Arbeitszeitgesetzes zugelassen ist“ (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MuSchG).
Hinter dieser Regelung stecken die nachfolgend erläuterten Hintergründe. Vom Grundsatz her dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigt werden (§ 9 Abs. 1 ArbZG). § 10 ArbZG enthält für bestimmte Tätigkeitsfelder (z.B. im Rettungsdienst, Krankenhäusern, Gaststätten, Verkehrsbetrieben etc.) entsprechende Ausnahmen. Das Mutterschutzgesetz besagt mit § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MuSchG nun, dass schwangere und stillende Frauen nur dann an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden dürfen, wenn dies ein Arbeitnehmer nach § 10 ArbZG auch dürfte.
Der Bezug zu § 10 ArbZG gilt auch dann, wenn es sich bei der Schwangeren oder Stillenden um keine Arbeitnehmerin im Sinne von § 611a BGB handelt, da der Gesetzgeber bei § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MuSchG nicht auf diese Eigenschaft abstellt, sondern lediglich Tätigkeitsfelder definieren wollte, bei denen Ausnahmen möglich sind.
Lediglich bei minderjährigen Frauen kann § 10 ArbZG nicht zur Anwendung kommen. Dies begründet sich darin, dass für Jugendliche die Arbeitszeit im Jugendarbeitsschutzgesetz (insbesondere §§ 8–18 ArbZG) geregelt ist.
Bei Jugendlichen ist folglich Bedingung, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 JArbSchG (Sonntagsruhe) oder § 18 Abs. 2 JArbSchG (Feiertagsruhe) vorliegen. Dies begründet sich daraus, dass bei Konkurrenzverhältnissen zwischen dem JArbSchG und dem MuSchG jeweils die strengere Regelung Anwendung findet.
Ersatzruhetag
Ferner muss der schwangeren oder stillenden Frau in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens 11 Stunden ein Ersatzruhe-tag gewährt werden (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MuSchG).
Als Ersatzruhetag kann nur ein Tag zählen, an dem die Frau auch tatsächlich arbeiten müsste. Er muss weiterhin in der Woche gewährt werden, in der am Sonn- und Feiertag gearbeitet wird. Als „Woche“ ist hier ein Zeitraum von sieben Tagen zu verstehen, so dass der erste „Wochentag“nicht immer zwingend der Montag sein muss (vgl. § 188 Abs. 2 BGB).
Bei der Festlegung der Sonn- und Feiertagsarbeit muss auch schon feststehen, wann der Ersatzruhetag gewährt wird (vgl. BAG v. 12.12.1990 – 5 AZR 16/90).
Für den Ersatzruhetag ist auch unerheblich, wie lange eine Beschäftigung an dem entsprechenden Sonn- oder Feiertag tatsächlich erfolgte. Ein Ersatzruhetag ist somit auch dann zu gewährleisten, wenn z. B. an einem Feiertag nur 3 Stunden gearbeitet wurde.
Unverantwortbare Gefährdung
Letztendlich muss an Sonn- und Feiertagen natürlich auch gewährleistet sein, dass für die Schwangere und das Kind keine unverantwortbaren Gefährdungen auftreten (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 MuSchG).
Eigentlich ist diese Festlegung insofern überflüssig, als dass eine unverantwortbare Gefährdung für Schwanger, Stillende und das Kind immer ausgeschlossen werden muss (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 MuSchG). Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese unverantwortbaren Gefährdungen auszuschließen, so ergibt sich hieraus im Ergebnis immer ein betriebliches Beschäftigungsverbot (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG).
Zumindest kann man den Gesetzgeber mit der Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 MuSchG so verstehen, dass er dies nochmals hervorheben wollte, insbesondere, dass Alleinarbeit auch zu einer unverantwortbaren Gefährdung führen kann.
Unter „Alleinarbeit“ ist der Umstand zu verstehen, wenn der Arbeitgeber eine Frau an einem Arbeitsplatz in seinem räumlichen Verantwortungsbereich beschäftigt, ohne dass gewährleistet ist, dass sie jederzeit den Arbeitsplatz verlassen oder Hilfe erreichen kann (§ 2 Abs. 4 MuSchG). Es muss der Schwangeren somit möglich sein, bei der „Alleinarbeit“ jederzeit den Arbeitsplatz verlassen zu können, ohne Nachteile durch den Arbeitgeber befürchten zu müssen (vgl. BT-Drs. 18/11782, S. 32). Weiterhin muss gewährleistet sein, dass sie jederzeit Hilfe erreichen kann. Gemeint ist , dass der Schwangeren die notwendige Hilfe ohne Hindernisse zuteil werden kann.
Ausnahmen für Schülerinnen und Studentinnen
Schülerinnen und Studentinnen sind dann vom MuSchG umfasst, wenn die Ausbildungsstelle Ort, Zeit und Ablauf der Ausbildungsveranstaltung verpflichtend vorgibt oder die Schülerinnen und Studentinnen ein im Rahmen der schulischen oder hochschulischen Ausbildung verpflichtend vorgegebenes Praktikum ableisten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 MuSchG).
Auch für Schülerinnen und Studentinnen in diesem Sinne gilt, dass die Ausbildungsstelle sie nicht an Sonn- und Feiertagen tätig werden lassen darf (§ 6 Abs. 2 Satz 1 MuSchG).
Unter folgenden Voraussetzungen ist gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 MuSchG aber eine Ausnahme zulässig:
- Die Frau erklärt sich ausdrücklich dazu bereit.
- Die Teilnahme ist zu Ausbildungszwecken zu dieser Zeit erforderlich.
- Der Frau wird in jeder Woche im Anschluss an eine ununterbrochene Nachtruhezeit von mindestens 11 Stunden ein Ersatzruhetag gewährt.
- Eine unverantwortbare Gefährdung (insbesondere für Schwangere durch Alleinarbeit) ist ausgeschlossen.
Auch für Schülerinnen und Studentinnen gilt natürlich, dass diese ihre Bereiterklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen können (§ 6 Abs. 2 Satz 3 MuSchG).
Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde
Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine schwangere oder stillende Frau an Sonn- und Feiertagen zu beschäftigen, so hat er unverzüglich die Aufsichtsbehörde hiervon zu benachrichtigen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b MuSchG).
Mehrarbeit
Wie in der alten Fassung des Mutterschutzgesetzes existiert auch weiterhin ein Verbot der Mehrarbeit für schwangere und stillende Frauen, wonach diese Frauen nicht mehr als 8,5 Stunden täglich oder über 90 Stunden in der Doppelwoche beschäftigt werden dürfen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Bei minderjährigen Frauen beträgt die tägliche Höchstarbeitszeit 8 Stunden, weiterhin dürfen 80 Stunden in der Doppelwoche hier nicht überschritten werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 MuSchG).
Neu eingeführt wurde zum 01.01.2018 allerdings die Regelung, dass der Arbeitgeber schwangere und stillende Frauen auch nicht in einem Umfang beschäftigten darf, der die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt des Monats übersteigt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 MuSchG).
Gerade schwangere und stillende Frauen in Teilzeit sollen gegenüber den Vollzeitbeschäftigten nicht unangemessen mit Mehrarbeit beschäftigt werden.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Weitere Infos
Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
https://www.gesetze-im-internet.de/arbzg/BJNR117100994.html
Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend