Onlinegefährdungsbeurteilung – Ein praktikabler Einstieg in ein bedarfsgerechtes Risiko- und Gesundheitsmanagement an staatlichen Schulen in Rheinland-Pfalz
Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte sind am Arbeitsplatz Schule vielseitigen Belastungen ausgesetzt, die zu gesundheitlicher Beeinträchtigung führen können. Um Maßnahmen zur Belastungsreduktion und zur Gesundheitsförderung zielgerichtet implementieren zu können, ist eine systematische Erhebung und Bewertung vorhandener, tätigkeitsbedingter Belastungs- und Beanspruchungsfaktoren bzw. Gesundheitsindikatoren essenziell.
Im Rahmen der gesetzlich geforderten Beurteilung der Arbeitsbedingungen an staatlichen Schulen in RLP setzt das Institut für Lehrergesundheit ergänzend zu klassischen Beurteilungsverfahren (z. B. Schulbegehungen) zunehmend webbasierte Methoden ein.
Ziel des folgenden Beitrags ist es, ein webbasiertes Verfahren zur Erfassung und Bewertung der individuellen Arbeitssituation und des Gesundheitsempfindens von Lehrkräften und Pädagogischen Fachkräften am Beispiel staatlicher Grundschulen in Rheinland-Pfalz vorzustellen.
Keywords: Onlinegefährdungsbeurteilung – Risiko- und Gesundheitsmanagement – E-Health
Online risk assessment – A practicable introduction to needs-driven risk and health management at state schools in Rhineland-Palatinate
Teachers and educational staff are affected by several workplace stress factors which could have a negative influence on their health. A systematic survey and assessment of school-specific stress factors and health indicators is essential in order to implement targeted measures to reduce stress and promote good health.
The Institute of Teachers’ Health increasingly use web-based methods (in addition to conventional assessment methods such as school inspections) as part of the legally required assessment of working conditions in state schools in RLP.
The aim of this article is to present a web-based method designed to record and evaluate the individual working situation and sense of well-being of teachers and educational staff, based on the example of state primary schools in Rhineland-Palatinate.
Keywords: online risk assessment – risk and health management – e-health
Use of new media in the management of occupational health care and safety systems
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2017; 52: 446–451
doi: 10.17147/ASU.2017-06-02-03
Einsatz neuer Medien in der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung
Einleitung
Die Förderung, Erhaltung und die Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit von Lehrkräften und Pädagogischen Fachkräften (Bedienstete) im Sinne eines ganzheitlichen Risiko- und Gesundheitsmanagements ist eine wichtige Aufgabe aller beteiligten Akteure im schulischen Gesundheitsschutz. Nach wie vor bilden die Ergebnisse der gesetzlich geforderten Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§ 5 ArbSchG) eine zentrale Grundlage für erforderliche Maßnahmen der primären, sekundären und/oder tertiären Prävention (u. a. GDA 2015; Rieger et al. 2016). Entscheidend ist weiterhin die kontinuierliche Überprüfung der Wirksamkeit festgelegter sicherheits- und gesundheitsbezogener Aktivitäten bzw. Maßnahmen (u. a. DGUV Vorschrift 2, 2010). Wie in Managementsystemen üblich, bieten sich hierfür Wirksamkeitsüberprüfungen z. B. anhand geeigneter Kennzahlen an (z. B. ISO 9001:2015, OHSAS 18001:2007, künftig auch ISO 45001).
Während entsprechende Verfahren und Systeme in vielen Organisationen in Industrie und Wirtschaft längst im Einsatz sind und nicht zuletzt unter ökonomischen Gesichtspunkten weiter an Bedeutung gewinnen (z. B. IGA-Report 28, 2015), zeigt sich diesbezüglich am Arbeitsplatz Schule ein Nachholbedarf, da erforderliche Strukturen noch nicht oder nicht im ausreichenden Maß implementiert sind (vgl. Gesundheitsberichte des Instituts für Lehrergesundheit [IfL] aus den Schuljahren 2011/12 bis 2014/15). Als Ursachen hierfür sind neben einem (eher) heterogenen Wissensstand zum Nutzen und zur praktischen Umsetzung auch die begrenzten Ressourcen, sowohl auf der Seite der Leistungsempfänger (Dienstherr, Schulleitungen, Bedienstete) als auch der Leistungserbringer (Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure) zu nennen.
Um eine qualitativ angemessene arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung am Arbeitsplatz Schule sicherzustellen, ist der Einsatz ressourcenadäquater Konzepte und praktikabler Beratungsverfahren besonders wichtig. Unter dem Oberbegriff „E-Health“ bieten moderne Informations- und Kommunikationstechnologien neue Perspektiven zur Unterstützung bzw. Optimierung der Versorgungssituation.
In diesem Beitrag werden Erfahrungen und Erkenntnisse des IfL mit einer webbasierten „telemedizinischen“ Methode zur Erfassung und Bewertung der individuellen Arbeitssituation und des Gesundheitsempfindens von Lehrkräften und Pädagogischen Fachkräften vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen die Ergebnisse der im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung durchgeführten Online-Befragungen und daraus abgeleitete verhältnis- und verhaltensorientierte Präventionsmaßnahmen. Die Ergebnisse werden am Beispiel der Schulart Grundschule dargestellt. (Die Grundschule repräsentiert die Schulart, die im Schuljahr 2015/16 am häufigsten bei der Gefährdungsbeurteilung durch das IfL unterstützt wurde.)
Methodik
Seit 2011 erfolgt die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung von über 42 000 Lehrkräften und Pädagogischen Fachkräften (Bedienstete) an ca. 1600 staatlichen Schulen und Studienseminaren1 in Rheinland-Pfalz (RLP) durch das Institut für Lehrergesundheit (IfL). Hierbei kommen ergänzend zu den klassischen Beratungsleistungen nach §§ 3, 6 ASiG wie z. B. Arbeitsplatzbegehungen zunehmend webbasierte Beratungsmethoden zum Einsatz. Speziell für den Prozess der Gefährdungsbeurteilung an Schulen wurde auf der Grundlage des Belastungs-Beanspruchungs-Konzepts (z. B. Roßbach et al. 2007; van Dick u. Stegmann 2007) ein mehrstufiges, hybrides Vorgehen entwickelt (Dudenhöffer et al. 2012). Bei der inhaltlichen Ausgestaltung orientierte sich das IfL an existierenden berufsgruppenspezifischen Analyseinstrumenten (z. B. FASS, GUV-I 8760 „Beurteilung von Gefährdungen und Belastungen an Lehrerarbeitsplätzen“, 2001)2. Das zentrale Element und die Ausgangsbasis für die nachfolgenden Prozessschritte der Gefährdungsbeurteilung „vor Ort“ bildet ein dreiteiliger Onlinefragebogen (Online*Selbst-Check).
- Teil 1: Individuelle Arbeitssituation und Gesundheitsempfinden (65 Fragen; Zielgruppe: gesamtes Lehrerkollegium)
- Teil 2: Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutzorganisation (120 Fragen; Zielgruppe: Schulleitung)
- Teil 3: Objektbezogene und Tätigkeitsbezogene Belastungsfaktoren (136 Fragen; Zielgruppe: gesamtes Lehrerkollegium)
Ziel der Onlinebefragung ist die systematische Erfassung und Bewertung vorhandener arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogener Belastungen, Beanspruchungen und Ressourcen (IST-Analyse; Querschnittserhebung). Um ein realistisches Bild zur Arbeitssituation aus Sicht der Bediensteten zu erhalten, ist es wichtig, dass sich möglichst viele Bedienstete als Experten ihres Arbeitsplatzes an der Befragung beteiligen (Schöne et al. 2016). Aus diesem Grund wird vor der Befragung das Vorgehen an der jeweiligen Schule von Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen des IfL vorgestellt, anschließend erhalten alle Bediensteten der Schule über die Schulleitung ein ausführliches Aufklärungs- und Einladungsschreiben. In der Regel haben die Lehrkräfte 10 bis 14 Tage Zeit, an der Onlinebefragung teilzunehmen. Die Teilnahme erfolgt anonym. Eine ausführliche Rückmeldung zu den Befragungsergebnissen an die Schulleitung erfolgt nur, wenn mehr als 7 Personen teilgenommen haben, um Rückschlüsse auf Einzelpersonen auszuschließen.
Ergebnisse
Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse aus den drei Teilen des Online-Selbst-Checks vorgestellt. Als Datengrundlage dienen die Angaben von Bediensteten an rheinland-pfälzischen Grundschulen aus dem Schuljahr 2015/2016. Beschrieben werden Aspekte, die von über 50 % der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer als nicht angemessen bzw. optimierungsbedürftig zurückgemeldet wurden (Belastungsfaktoren). Dem gegenübergestellt werden die Arbeitsmerkmale die mehrheitlich (> 50 %) als positiv beurteilt wurden (Ressourcen).
Teil 1: Angaben zur individuellen Arbeitssituation und zum Gesundheitsempfinden
Im Schuljahr 2015/2016 haben insgesamt n=197 Bedienstete (81,7 % weiblich) an Grundschulen am Online-Selbst-Check Teil I teilgenommen (Rücklauf im Durchschnitt: 51,2 %). Die Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren an n = 20 unterschiedlichen Grundschulen beschäftigt und im Durchschnitt 39,8 Jahre alt. Mit Blick auf die Merkmale Arbeitsmenge, Arbeitszeit und Arbeitspausen zeigte sich, dass ca. zwei Drittel der Befragten weder störungsfreie Arbeitspausen erleben (67,5 %) noch ausreichend Rückzugsmöglichkeiten in den Arbeitspausen (59,9 %) haben. Die Anzahl an verlangten Vertretungsstunden und die Arbeitszeitverteilung wurden hingegen mit jeweils über 80 % als angemessen beurteilt. Bezüglich der Arbeitsanforderungen und Arbeitsorganisation (z. B. Handlungsspielraum, Verantwortung und Situationskontrolle) überwiegen die positiven Bewertungen. Ebenfalls überwiegend positiv bewertet wurden die sozialen Aspekte der Arbeit. Die Mehrheit der Bediensteten erfährt genügend Unterstützung sowohl durch Kolleginnen und Kollegen (92,4 %) als auch durch die Schulleitung (83,8 %). Etwas kritischer wird hingegen der offene Umgang mit Konflikten von knapp 60 % der Bediensteten betrachtet. Die subjektive Bewertung der Befragungsteilnehmerinnen und Teilnehmer zu ihren Arbeitsbedingungen im Allgemeinen ist in Abb. 1 dargestellt.
Neben den Angaben zur Arbeitssituation wurden mit dem Selbst-Check Teil I auch Daten zum Gesundheitsempfinden der Bediensteten erhoben. Unter den physischen Beschwerden wurden Rücken-, Nacken- und Schulterbeschwerden mit Abstand am häufigsten genannt (59,9 %), gefolgt von Allergien (38,1 %), Kopfschmerzen (37,6 %) und Hals-, Nasen-, Ohrenbeschwerden (34,0 %). Psychische Beschwerden wie z.B. Depressionen wurden vergleichsweise selten angegeben (8,1 %). Im Allgemeinen bewerten 70,0 % der Befragungs-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer ihren Gesundheitszustand als zufriedenstellend bis sehr gut ( Abb. 2).
Teil 2: Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutzorganisation
Der Online-Selbst-Check Teil 2 wurde im Beobachtungszeitraum (Schuljahr 2015/2016) von insgesamt 20 Grundschulleiterinnen und Grundschulleitern ausgefüllt. Insgesamt weisen die Ergebnisse durchgeführter Schulleiterbefragungen darauf hin, dass die wesentlichen Anforderungen, die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz sowie einschlägigen Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften ergeben, an den meisten Schulen umgesetzt werden ( Abb. 3). So gaben beispielsweise etwa zwei Drittel (65,0 %) der Schulleiterinnen und Schulleiter an, dass Sicherheitsbeauftragte und Ersthelfer schriftlich benannt wurden. Beim restlichen Drittel war dies prinzipiell auch der Fall, jedoch waren hier die Beauftragungen nicht – wie gesetzlich gefordert – schriftlich dokumentiert. An 15 Schulen sind Themen des Gesundheits- und Arbeitsschutzes bereits fester Bestandteil regelmäßig stattfindender Lehrerkonferenzen. Verbesserungsbedarf zeigte sich indes im Bereich der systematischen Erfassung und Bewertung möglicher Gesundheitsgefahren und sicherheitstechnischer Mängel. Lediglich an zwei Schulen lag eine aktuelle Dokumentation zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Gefährdungsbeurteilung) vor. Des Weiteren zeigte sich schulübergreifend ein Handlungsbedarf hinsichtlich der Pflicht zur regelmäßigen Durchführung von Unterweisungen bzw. Belehrungen (z. B. Infektionsschutzbelehrung).
Teil 3: Objektbezogene und tätigkeitsbezogene Belastungsfaktoren
Der Online-Selbst-Check Teil 3 wurde im Schuljahr 2015/2016 von 187 Bediensteten an Grundschulen ausgefüllt (72,2 % weiblich) (Rücklauf im Durchschnitt: 48,6 %). Die Befragten waren im Durchschnitt 40,6 Jahre alt. Ein wesentlicher, arbeitsumgebungsbedingter Belastungsfaktor, der nahezu an jeder Schule von den Befragungsteilnehmerinnen und Teilnehmern als ungünstig eingeschätzt wurde, stellt die vorhandene Geräuschkulisse dar. In diesem Zusammenhang gaben etwa zwei Drittel der Bediensteten (65,5 %) an, sich arbeitstäglich durch zu hohe Lärmpegel belastet zu fühlen. Als mögliche Ursachen wurde von 69,5 % der Befragten auf ungünstige raumakustische Gegebenheiten in Unterrichtsräumen und Fluren hingewiesen. Das Raumklima (insbesondere in den Winter- und Sommermonaten) stuften 59,4 % der Bediensteten als eher ungünstig ein. Die Frage nach einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung wurde von der Hälfte der Bediensteten (50,0 %) bejaht. Den baulichen Zustand ihrer Schule im Allgemeinen bewerteten 16,6 % der Befragten als gut bis sehr gut. 25,7 % beschrieben diesen als zufriedenstellend, 26,7 % als nicht ganz zufriedenstellend. 20,3 % der Befragten berichteten, der bauliche Zustand an ihrer Schule sei schlecht bis sehr schlecht. 10,7 % machten hierzu keine Angabe.
Beispielhaft für die online erhobenen tätigkeitsbezogenen Gefährdungs- und Belastungsfaktoren wird an dieser Stelle auf die biologischen und Infektionsgefährdungen eingegangen. Die Arbeit an Grundschulen erfordert arbeitstäglich von 85,1 % der Bediensteten einen engen Körperkontakt mit den Schülerinnen und Schülern (z. B. Hilfestellungen, Trösten, Nase putzen etc.). Weiterhin geben 56,2 % an, dass sie mindestens einmal pro Woche Verletzungen (z.B. blutende Wunden bei Schülerinnen und Schülern) versorgen ( Abb. 4).
Abgeleitete Empfehlungen und Gestaltungsansätze für Präventionsstrategien
Aufbauend auf den Ergebnissen der Onlinebefragung erfolgte in Abstimmung mit der Schulleitung und dem Schulträger die Planung und Durchführung vertiefender Analysen. Entsprechend den identifizierten Handlungsfeldern kamen hierbei verschiedene Methoden zum Einsatz. Im Bereich der Arbeitssituation und dem individuellen Gesundheitsempfinden (Selbst-Check Teil 1) wurden beispielsweise schulinterne Fortbildungsveranstaltungen und vertiefende Analyse-Workshops zum Thema „Wir arbeiten an der Schulstruktur“ vom IfL durchgeführt. Bei Bedarf wurden weiterhin Angebote zur individuellen arbeitsmedizinischen und/oder psychologischen Beratung unterbreitet. Zur Objektivierung der berichteten tätigkeits- und objektbezogenen Belastungsfaktoren (Selbst-Check Teil 3) erfolgten u. a. arbeitsplatz- und personenbezogene Schalldruckpegelmessungen sowie Messungen zur Bestimmung der Nachhallzeit von Schulräumen. Die bewerteten Befragungsergebnisse und die Ergebnisse anschließender Beratungen vor Ort (Ergebnisse berichten Schöne et al. 2016) wurden in einem Aktionsplan dokumentiert und an die Schulleitungen zurückgemeldet. Ziel war es, Schulen auf Grundlage der bereitgestellten weiterführenden Handlungsempfehlungen zu befähigen, den Prozess zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf der Verhältnis- und Verhaltensebene eigenständig fortzuführen. Der Evaluation dienten Rückfragen zur Praktikabilität und Wirksamkeit empfohlener Maßnahmen nach ca. 6 Monaten (strukturierter Fragebogen, Telefoninterview).
Diskussion und Ausblick
Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass Bedienstete an Schulen einem breiten Spektrum an tätigkeitsbedingten Gefährdungs- und Belastungsfaktoren ausgesetzt sind (vgl. auch Bauer 2004; Schaarschmidt 2004; Scheuch et al. 2008, 2015). Diese können in Abhängigkeit persönlicher Ressourcen nach dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept Beanspruchungen beispielsweise auf der körperlichen und/oder der psychischen Ebene auslösen.
In der öffentlichen Diskussion zur Lehrergesundheit stehen psychische Belastungen häufig im Vordergrund (z. B. Schaarschmid 2005, 2012). Tatsächlich können aber auch Gesundheitsgefahren durch Infektionskrankheiten sowie Belastungen durch permanent vorhandene Geräuschkulissen bis hin zu Lärm oder bauliche Mängeln in schlecht gewarteten Schulgebäuden genauso groß sein (z. B. Letzel 2013; Claus et al. 2016; Kimbel et al. 2016; Schöne et al. 2016).
Um Maßnahmen zur Belastungsreduktion und zur Gesundheitsförderung zielgerichtet zu implementieren, ist eine systematische Erhebung und Bewertung vorhandener, tätigkeitsbedingter Belastungs- und Beanspruchungsfaktoren bzw. Gesundheitsindikatoren essentiell (u. a. GDA 2015; Rieger et al. 2016). Gerade bei sensiblen Themen wie Gesundheitszustand und Psyche, bietet sich der Einsatz von anonymen Mitarbeiterbefragungen an (u.a. GDA 2016; BAuA 2016).
Hierbei stellt die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien eine praktikable und ressourcenschonende Möglichkeit zur IST-Analyse der Arbeitssituation dar. Ähnlich ausgerichtete Methoden und Softwarelösungen sind bereits seit längerem verfügbar bzw. im Einsatz. Zum Themenbereich Gefährdungsbeurteilung und Arbeitsschutzmanagement werden auf der Website der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) aktuell 21 Softwarelösungen aufgelistet.
Auf der Grundlage der von uns erhobenen Daten lässt sich ein konkretes Stärke-Schwäche-Profil einer Schule abbilden. Darauf aufbauend können zielgerichtet weiterführende Beratungs- und Präventionsmaßnahmen (Handlungsfelder) abgeleitet werden. Im Vergleich zu Erhebungsmethoden wie dem mündlichen Interview oder einem Gesundheitszirkel, ermöglicht eine Onlinebefragung, dass alle Bediensteten erreicht werden, die zudem anonym bleiben. Diesen Vorteilen steht der Nachteil möglicher Selektionseffekte bei der Befragungsteilnahme gegenüber. Dadurch kann es zu Verzerrungen in den Antworten und damit zu einer entweder insgesamt eher übermäßig positiven oder negativen Bewertung der Arbeitssituation kommen (Sammito et al. 2015). Angesichts dessen ist eine möglichst hohe Teilnahmerate für anschließend geplante bedarfsgerechte Präventionsmaßnahmen zwingend erforderlich (z. B. Schöne et al. 2016).
Mit Blick auf die begrenzten Ressourcen auf Seiten der Leistungsempfänger (Dienstherr, Schulleitungen, Schulen) und der Leistungserbringer (IfL), bietet das entwickelte Online-Vorgehen einen praktikablen, effizienten und zukunftsorientierten Weg bzw. Zugang in ein schulisches Risiko- und Gesundheitsmanagemen.
Literatur
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Bauer J: Die Freiburger Schulstudie. 2004 (www.bug-nrw.de/cms/upload/pdf/Freiburg.pdf).
Claus M, Kimbel R, Schöne K, Letzel S, Rose D-M: Seroprevalence of hepatitis A and hepatitis B antibodies among staff working at special schools in Rhineland-Palatinate (Germany): Results of a cross-sectional study. J Med Virol 2016; 89: 825–833.
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Interessenkonflikt:
Die Untersuchung wurden durch das Institut für Lehrergesundheit im Rahmen der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung der Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte an staatlichen Schulen in RLP durchgeführt und aus institutseigenen Mitteln finanziert. Es besteht kein Interessenskonflikt.
Für die Verfasser
Klaus Schöne
Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Kupferbergterrasse 17–19
55116 Mainz
Fußnoten
Universitätsmedizin Mainz, Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel)
1 Die Anzahl der Bediensteten und Schulen variierten in den einzelnen Schuljahren.
2 Eine ausführliche Beschreibung des Prozessablaufs und der theoretischen Grundlagen enthält der Gesundheitsbericht der Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte in Rheinland-Pfalz 2011/2012, Kapitel 5.5.1. (abrufbar unter: www.unimedizin-mainz.de/ifl/publikationen/gesundheitsbericht-forschungsberichte.html).