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Belastungsfaktoren und Burnout-Risiko bei Lehrkräften unterschiedlichen Alters *

Belastungsfaktoren und Burnout-Risiko bei Lehrkräften unterschiedlichen Alters

Ziel: Der Lehrerberuf ist durch hohe psychoemotionale Belastungen gekennzeichnet, in deren Folge ein Anstieg psychischer Erkrankungen und des Burnout-Risikos zu verzeichnen ist. Ziel war es, den Zusammenhang zwischen berufsspezifischen Belastungsfaktoren und dem Burnout-Risiko unter Berücksichtigung von Alter und Overcommitment (OC) zu analysieren.

Methodik: An der Studie nahmen 132 Lehrkräfte (LK; 48,1 ± 7,8 Jahre) Magdeburger Schulen freiwillig teil. Belastungsfaktoren und Burnout-Risiko wurden mit Fragebögen erhoben, Prädiktoren des Burnout-Risikos mit Hilfe eines Regressionsmodells ermittelt.

Ergebnisse: Als Hauptbelastungsfaktoren für LK stellten sich große Leistungsunterschiede, Verhaltensstörungen, geringe Lernbereitschaft und Disziplinprobleme seitens der Schüler heraus. Als Prädiktoren für das Burnout-Risiko erwiesen sich neben OC Disziplinprobleme und geringe Lernbereitschaft der Schüler sowie Unterstützung durch die Schulleitung (Varianzaufklärung 54 %), aber nicht Geschlecht, Alter und Schulart.

Schlussfolgerungen: Um LK langfristig psychisch gesund im Beruf zu halten, müssen Beeinträchtigungen und Erkrankungen der LK verhindert werden, u.a. durch Stärkung persönlicher Ressourcen, verstärkte Anerkennung und ein positives Feedback für die Anstrengungen bei der Berufsausübung.

Schlüsselwörter: schulspezifische Belastungsfaktoren – Burnout-Risiko – Alter – Overcommitment – Prävention

Specific strain and risk of burnout among teachers in relation to age

Aim: Teaching as a profession is characterized by a particular set of strains, which may lead to psychic diseases and burnout. The aim of this study was to elaborate the relationship between a specific strain in teaching profession and the risk of burnout with regard to age and overcommitment (OC).

Method: The examinations were conducted with 132 teachers (mean age: 48.1 ± 7.8 years). Specific work stressors, burnout-risk and OC were measured by questionnaires. Predictors were calculated with a regression model.

Results: Main stress factors were large differences in performance, behavioral disorder, low willingness to learn, and discipline problems of pupils. As predictors of burnout-risk OC and discipline problems and low willingness of the pupils have been identified (50 % of variance explained), except age.

Conclusions: To achieve that teachers remain mentally fit it’s necessary to prevent diseases by empowerment of resources or by an improved support by colleagues and administration.

Keywords: school specific strain – risk of burnout – prevention – age – overcommitment

S. Darius1

F. Seiboth1

K. Bunzel1

R. Seibt2

I. Böckelmann1

(eingegangen am 26.10.2015, angenommen am 11.12.2015)

Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2016; 51: 353–359

Einleitung

Der Lehrerberuf geht neben physikalischen (Lärm, Klima) und chemischen Belastungen (Gefahrstoffe im Unterricht, Baustoffe) insbesondere mit hohen psychischen Anforderungen wie z. B. interaktiver Emotionsarbeit (Lehrer-Schüler- bzw. Lehrer-Eltern-Kommunikation) und damit Mehrfachbelastungen einher (Schaarschmidt 2005; Seibt et al. 2007, 2012b; Bauer et al. 2007; Borrelli et al. 2014; Scheuch et al. 2015). Es gibt eine Vielzahl von An- und Herausforderungen im schulischen Alltag, die von Lehrkräften (LK) als erhöhte Belastung empfunden werden und die in den letzten Jahren angestiegen sind. Das betrifft u. a. „Konfrontation mit neuen Aufgaben“, „Zunahme von Leistungs- und Termindruck“ oder auch „Arbeiten an der Grenze der Leistungsfähigkeit“ (Lohmann-Haislah 2012). Als hauptsächliche Belastungsfaktoren (BF) stellten sich das Verhalten schwieriger Schüler 1, Konflikte im Kollegium, administrative Probleme und fehlende Anerkennung heraus (van Dick et al. 2004; Rothland 2013). Zudem sind LK oft durch überfüllte Klassen und überhöhte Erwartungen der Gesellschaft belastet (Giesecke 2001). Bei dauernder Einwirkung von erhöhten Belastungen auf eine Person kann es zu Fehlbeanspruchungen kommen, in deren Folge physische und psychische Gesundheitsprobleme auftreten können. In Lehrerstudien wird eine erhöhte Prävalenz für psychische Erkrankungen bestätigt (Schaarschmidt 2005; Scheuch et al. 2010), wobei teilweise Burnout unter diese Erkrankungen subsummiert wird.

Mit dem Burnout-Syndrom ist eine Vielzahl von Symptomen verbunden (Schmitz 2004; Burisch 2014). In der Praxis hat sich das Burnout-Konzept von Maslach und Jackson (1981) mit den Dimensionen „emotionale Erschöpfung“, „Zynismus“ und „reduzierte Leistungsfähigkeit“ etabliert. LK weisen höhere Burnout-Werte auf als andere Berufsgruppen (Dudenhöffer et al. 2011). In Studien wurden Werte von 15–28 %, z. T. sogar bis 80 % Burnout-betroffener berufstätiger LK berichtet (Schmitz 2004; Bauer et al. 2006; Hillert et al. 2013). In einer Befragung gaben 20 bzw. 22 % der LK an, stark bzw. sehr stark „ausgebrannt“ zu sein (Hillert et al. 2006). Dagegen war in der Stichprobe von Seibt et al. (2012a) lediglich eine Lehrerin mit Burnout zu finden, während 55 % keine und 44 % einige Burnout-Symptome aufwiesen. Diese Differenzen sind auf die Verwendung verschiedener Erhebungsinstrumente bzw. Diagnosekriterien sowie die unterschiedlichen Stichproben zurückzuführen (Scheuch et al. 2015). Nach Unterbrink et al. (2007) liegen die Gründe dafür neben schulbezogenen auch an sozialen Belastungen wie z. B. Mobbing oder an persönlichen Faktoren wie geringe Selbstwirksamkeit oder unrealistische Erwartungen an den Beruf.

Studienergebnisse weisen außerdem auf den Zusammenhang von erhöhter Verausgabungsbereitschaft im Beruf (Overcommitment; OC) und psychischer Gesundheit hin (Klein et al. 2010). Untersuchungen von Preckel et al. (2005) zeigten, dass Overcommitment mit Erschöpfung, der Kernkomponente des Burnout-Syndroms, verbunden ist. Überengagement kann dazu führen, dass es zu einem Ungleichgewicht zwischen Verausgabung und Erholung und somit zur Erschöpfung kommt (DAK-Gesundheit und Unfallkasse NRW 2012). Umgekehrt können Arbeitnehmer mit schon vorhandener Burnout-Symptomatik ungünstige Coping-Strategien wie z. B. OC entwickeln, die wiederum die Burnout-Symptomatik verstärken, insbesondere bei Arbeitnehmern mit geringer Arbeitszufriedenheit (Avanzi et al. 2014).

Aufgrund des demografischen Wandels und der Tatsache, dass 53 % aller LKR in Sachsen-Anhalt über 50 Jahre alt sind (Statistisches Bundesamt 2015), ist es von Interesse zu untersuchen, inwieweit jüngere und ältere Lehrkräfte durch ihre schulischen Belastungsfaktoren beansprucht werden.

Ziel der Studie war es, den Zusammenhang von arbeitsbezogenen BF und dem Burnout-Risiko unter Kontrolle von Overcommitment (OC) für LK in Abhängigkeit vom Alter aufzudecken und Wege der Prävention aufzuzeigen.

Methodik

Stichprobe

An der Studie nahmen 132 LK (15 Männer, 117 Frauen; Durchschnittsalter 48,1 ± 7,6 Jahre) aus Grund-, Gesamt-, Förder- und Sekundarschulen sowie Gymnasien der Stadt Magdeburg freiwillig teil. 2 Der Fragebogen wurde von interessierten LK ausgefüllt und anonymisiert im Freiumschlag zurückgesendet. Die Rücklaufquote betrug schulabhängig zwischen 10 und 50 %. Für die Untersuchung des Alterseinflusses wurden die LK in drei Altersgruppen (AG) eingeteilt: AG I  54 Jahre (n = 32). Die Zustimmung der Ethikkommission der zuständigen sächsischen Bildungsagentur lag vor.

Erfassung der arbeitsbezogenen Belastungsfaktoren

Für die Ermittlung arbeitsbezogener BF wurden ein schulspezifischer Fragebogen zur Berufsanamnese (Seibt u. Spitzer 2009) und der Frage bogen nach Rudow (2001) mit den Teilbereichen „Schüler und Klassen“, „schulhygienische Bedingungen“ und „Kollegium“ verwendet. Zu bewerten ist, ob die jeweilige Situation zutrifft und wie belastet man sich dadurch fühlt (Skalen: belastet mich nicht = 0, kaum = 1, mittel = 2, stark = 3).

Erfassung des Burnout-Risikos

Zur Einschätzung des Burnout-Risikos wurde die deutsche Fassung des Maslach Burnout Inventory – General Survey (MBI-GS; Schaufeli et al. 1996) verwendet. Die 16 Items sind den drei Dimensionen emotionale Erschöpfung, Zynismus und reduzierte Leistungsfähigkeit zugeordnet. Sie werden auf einer siebenstufigen Skala (0 = nie bis 6 = täglich) beurteilt. Für eine Aussage zum Burnout-Risiko wurden die jeweiligen Mittelwerte nach Kalimo et al. (2003) gewichtet und in drei Kategorien eingeordnet:  3,50 („Burnout“).

Erfassung des Overcommitment

Das Overcommitment (OC) wurde mit der Subskala des Fragebogens zur Messung beruflicher Gratifikationskrisen (ERI-Q; Siegrist et al. 2009) erfasst. Diese besteht aus 6 Items, die auf die persönliche berufliche Verausgabungsbereitschaft (OC) fokussieren. Die Antwortmöglichkeiten variieren zwischen „stimme gar nicht zu“ = 1, „stimme eher nicht zu“ = 2, „stimme eher zu“ = 3 und „stimme voll zu“ = 4. Ein Wert ab 16 bedeutet ein erhöhtes OC (Lehr et al. 2010).

Statistik

Alle Berechnungen erfolgten mit SPSS für Windows 21.0, die Testentscheidungen basieren auf dem Signifikanzniveau von 5 %. Die Prüfung auf Normalverteilung erfolgte mit dem Kolmogorov-Smirnov-Anpassungstest bei metrischen bzw. Chi-Quadrat-Anpassungstest bei kategorialen Daten. Für die statistische Auswertung bei normalverteilten Variablen wurden für die Vergleiche zwischen den drei Altersgruppen die ANOVA-Varianzanalyse und Posthoc der Bonferroni-Test verwendet. Für die Zusammenhänge zwischen BF und dem Burnout-Risiko wurden bivariate Korrelationen nach Spearman sowie zur Eliminierung von Kovariaten (hier: Alter und OC) partielle Korrelationen berechnet.

Zur Ermittlung der Prädiktoren für die Zielvariable Burnout-Risiko wurden multiple lineare Regressionen im Vorwärts-Selektionsverfahren (schrittweise Merkmalsaufnahme) durchgeführt. Dabei wird zuerst der am höchsten mit dem Kriterium korrelierende Prädiktor in den Merkmalssatz aufgenommen. Dann erfolgt eine Hinzunahme des Prädiktors, der in Kombination mit dem schon vorhandenen Prädiktor am höchsten mit dem Kriterium korreliert. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis die Hinzunahme eines Prädiktors nicht mehr zu einer signifikanten Zunahme des Bestimmtheitsmaßes führt (Rudolf u. Müller 2004). Da die MBI-GS-Mittelwerte eine linksschiefe Verteilung aufwiesen, wurden sie durch die Einführung einer Konstanten und anschließenden Logarithmierung transformiert, um eine Annäherung an eine Normalverteilung zu erreichen.

Ergebnisse

Die LK in den AG unterschieden sich signifikant in Bezug auf die Anzahl der Berufsjahre (p 

Arbeitsbezogene Belastungsfaktoren

Die Ergebnisse der Analyse von BF nach Rudow (2001) sind in den  Abb. 1 und 2 dargestellt. Die LK der AG II und III gaben signifikant häufiger Belastungen durch „Aggressivität“, „schlechten Umgangston“ und „geringe Lernbereitschaft“ der Schüler an (p 

In der Kategorie „Kollegium“ wurden über alle AG hinweg „Spannungen und Konflikte“ unter Kollegen am häufigsten als stark belastend eingeschätzt. In 95 % der Fälle erhielten die LK Unterstützung durch Kollegen und in 78 % durch die Schulleitung. Signifikante Unterschiede gab es in dieser Kategorie nicht.

Maslach Burnout Inventory – General Survey

Im Maslach Burnout Inventory – General Survey (MBI-GS,  Tabelle 1) ergaben sich vor allem für „emotionale Erschöpfung“ zwischen den AG signifikante Unterschiede: AG III wies im Vergleich zur AG I eine signifikant höhere Ausprägung auf (p 

Overcommitment

Der Anteil der LK mit erhöhtem OC fiel besonders in der AG III auf. Mit 68 % war bei mehr als zwei Drittel der älteren LK ein deutlich höheres OC festzustellen als bei den Jüngeren (AG I: 46 %, p 

Zusammenhang zwischen MBI und arbeitsbezogenen Belastungsfaktoren

In der  Tabelle 2 sind Zusammenhänge zwischen ausgewählten BF und dem Burnout-Risiko dargestellt. Zwischen Verhaltensstörungen und Burnout-Risiko war ein mittlerer Zusammenhang (r = 0,50; p Burnout-Risiko und Verhaltensstörungen, Aggressivität sowie Spannungen und Konflikte (r = 0,23 bis 0,36). Auch zwischen den BF der Kategorie „Kollegium“ und dem Burnout-Risiko gab es nur sehr geringe bis geringe Zusammenhänge (r = 0,11 bis 0,32).

Prädiktoren des Burnout-Risikos

Die Ermittlung der Prädiktoren des Burnout-Risikos (Zielvariable) erfolgte schrittweise ( Tabelle 3). Zunächst wurden die arbeitsbezogenen BF in den Kategorien „Schüler und Klassen“, (Modell A1, s. Abb. 1) „schulhygienische Bedingungen“ (Modell A2, s. Abb. 1) sowie „Kollegium“ (Modell A3) separat in einem Regressionsmodell geprüft. Dabei wurden durch signifikante Prädiktoren innerhalb der Kategorie „Schüler und Klassen“ (Modell A1) 25 %, „schulhygienische Bedingungen“ (Modell A2) 7 % und „Kollegium“ (Modell A3) 15 % des Burnout-Risikos erklärt.

Abschließend wurden die relevanten Prädiktoren aus diesen arbeitsbezogenen BF gemeinsam mit der Variable OC (adjustiert nach Alter, Geschlecht, Schulart) einer Analyse (Modell B) unterzogen. Für dieses Modell B wurde eine Varianzaufklärung des Burnout-Risikos von 54 % erreicht (angepasstes R2 = 0,539). Neben OC erwiesen sich „Disziplinprobleme“ undgeringe Lernbereitschaft“ der Schüler sowie „mangelnde Unterstützung durch die Schulleitung“ als Prädiktoren zur Erklärung des Burnout-Risikos, Alter und Geschlecht sind zur Erklärung redundant. Separat analysiert, erklärt das Alter 5 % (Beta (standardisiert) = 0,235; p = 0,008; angepasstes R2 = 0,048) und OC 35 % (Beta (standardisiert) = 0,598; p 2 = 0,353) der Varianz des Burnout-Risikos.

Diskussion

Der Lehrerberuf zählt weltweit zu den Berufen mit sehr hoher psychoemotionaler Belastung (Wang et al. 2015). Das zeigen auch die Ergebnisse dieser Studie. Die arbeitsbezogenen BF mit sozialen Interaktionen werden überproportional häufig als Ursachen für erhöhte Belastung genannt.

Bisher liegen nur wenige Daten zum gesundheitlichen Befinden von LK in Sachsen-Anhalt und insbesondere im Raum Magdeburg vor. Limitationen dieser Studie ergeben sich aus dem Stichprobenumfang. Da nur wenige LK den Fragebogen ausfüllten, handelt es sich hier um keine repräsentative Stichprobe (Teilnehmerrate 10 %). Es kann nur vermutet werden, dass eher die an ihrer Gesundheit besonders interessierten LK an der Befragung teilnahmen. Möglicherweise konnten oder wollten die angesprochenen LK durch die neuen, zusätzlichen Aufgaben keine Zeit für das Ausfüllen des umfangreichen Fragebogens aufbringen.

Als arbeitsbezogene BF bestätigten sich über alle Altersklassen hinweg große Leistungsunterschiede und Verhaltensstörungen der Schüler. Zudem wurden geringe Lernbereitschaft und Disziplinprobleme der Schüler sowie Spannungen im Kollegium als besonders belastend genannt. Damit decken sich die hier vorliegenden Daten mit Ergebnissen anderer Autoren (Rudow 1994; Shimizu et al. 2011; Rothland 2013). Ältere LK schätzen geringe Lernbereitschaft, hohe Aggressivität und den schlechten Umgangston unter Schülern signifikant belastender ein als Jüngere. Ob das eine Erscheinung ihrer umfangreichen beruflichen Erfahrungen ist oder ob man mit zunehmendem Lebensalter anfälliger auf Belastungen reagiert, bleibt weiteren Forschungen vorbehalten.

Die Mittelwerte des Burnout-Risikos zeigten einen signifikanten Alterseffekt zwischen AG I und III, wonach das Burnout-Risiko mit steigendem Alter zunimmt, insbesondere für LK ab dem 55. Lebensjahr. Die Ausprägungen in der Dimension „emotionale Erschöpfung“ wiesen auf eine Abnahme der physischen und psychischen Regeneration mit steigendem Alter hin. Eine Lehrerstudie aus Sachsen (Seibt et al. 2009) ergab ein vergleichsweise geringeres Burnout-Risiko. Der Umgang mit der Burnout-Problematik stellt aus anwendungsbezogener Sicht ein Dilemma dar, denn es gibt bis heute weder eine einheitliche Definition des Burnout-Risikos noch ein einheitliches standardisiertes Messinstrument. Zudem werden in wissenschaftlichen Untersuchungen und der ärztlichen Diagnostik subjektive Angaben zu den „Burnout-Beschwerden“ meist kritiklos verwendet und einzelne Symptome auch als Burnout klassifiziert (Scheuch u. Seibt 2007; Blossfeld et al. 2014). Das erklärt die hohe Variabilität der Auftrittshäufigkeiten des Burnout-Syndroms im Lehrerberuf. Unabhängig davon kommt dem Burnout-Syndrom – insbesondere der Erschöpfungskomponente – bei Gesundheitseinschränkungen von Lehrkräften eine zentrale Bedeutung zu (Scheuch et al. 2015).

Psychosoziale und -mentale Arbeitsbelastungen nehmen im Zusammenwirken mit Persönlichkeitsmerkmalen Einfluss auf die Gesundheit von Lehrkräften. Vor allem individuelle Merkmale wie OC sind relevant dafür, ob die berufliche Situation als Herausforderung oder als erhöhte Belastung erlebt wird und ob sich dies auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit auswirkt (Seibt et al. 2009). Auch ist der Alterseinfluss nicht zu unterschätzen. Gerade Älteren fällt der Umgang mit steigenden Belastungen schwer (Lohmann-Haislah 2012), was bei dem hohen Durchschnittsalter der LK in Sachsen-Anhalt zu berücksichtigen ist. In dieser Stichprobe erhöht sich ebenfalls die Ausprägung von OC mit zunehmendem Alter. Inwieweit dieser Effekt eine Folge beruflicher Belastung ist oder ob jüngere und ältere Lehrkräfte unterschiedliche Strategien zur Anforderungsbewältigung anwenden, bleibt in dieser Studie ungeklärt. Möglich ist, dass ältere LK die berufliche Belastung stärker wahrnehmen bzw. anders kompensieren.

Nach Ergebnissen der Korrelationsanalyse wird der Zusammenhang zwischen „emotionaler Erschöpfung“ und erhöhtem OC für diese Stichprobe bestätigt, d. h. bei hoch ausgeprägtem OC scheinen die LK auch emotional erschöpfter zu sein. Das deckt sich mit Ausführungen von Siegrist (2013), der einen Zusammenhang zwischen beruflichen Gratifikationskrisen und erhöhtem Risiko für depressive Störungen beschrieb. So wurde im zusammenfassenden Regressionsmodell B neben Disziplinproblemen und geringer Lernbereitschaft der Schüler OC als Prädiktor für das Burnout-Risiko ermittelt (Varianzaufklärung 54 %). Geschlecht, Alter und Schulart erwiesen sich in diesem Kontext nicht als Burnout-Prädiktor. Insgesamt sind die arbeitsbezogenen BF zur Erklärung des Burnout-Risikos nicht ausreichend; sie klären nur 32 % der Varianz des Burnout-Risikos auf.

In zukünftigen Studien sollten weitere gesundheitsbezogene Faktoren (z. B. körperliche Beschwerden) und Merkmale der Anforderungsbewältigung berücksichtigt werden. Die vorliegenden Ergebnisse liefern erste Hinweise für neue Forschungen, um die dürftige Datenlage zum Zusammenhang von arbeitsbezogener Belastung und Gesundheit der LK in Sachsen-Anhalt zu aktualisieren.

Fazit

Im Arbeitsbereich der LK scheinen interpersonelle Konflikte mit Schülern und erhöhte Verausgabung (OC) eigenständige negative Effekte auf die Entwicklung eines Burnout-Syndroms zu haben. Zudem erwies sich die Art der Personalführung durch die Schulleitung als Ressource für die Ausprägung eines Burnout-Syndroms.

Nach dem Arbeitssicherheitsgesetz von 1973 und dem Arbeitsschutzgesetz von 1996 ist für den Lehrerberuf eine betriebsärztliche Betreuung vorgeschrieben. Diese wird jedoch in den einzelnen Bundesländern inhaltlich unterschiedlich umgesetzt. Auch die Ergebnisse der vorliegenden Studie signalisieren, dass in Sachsen-Anhalt stärkere Anstrengungen zur präventiven Betreuung der LK notwendig sind – möglichst in einem ganzheitlichen Ansatz mit einem Kompetenznetz, in das neben den behandelnden Betriebsärzten weitere in die Lehrergesundheit involvierte Fachdisziplinen (z. B. Psychologen, Psychosomatiker, Gesundheitswissenschaftler) eingebunden sind. Dabei kommt der individuellen Diagnostik des Risiko- und Ressourcenpotenzials mit gesundheitsbezogener Beratung besondere Bedeutung zu (Scheuch et al. 2015).

Zur Vermeidung psychischer Beeinträchtigungen sollte neben der Reduzierung von berufsbezogenen Belastungen vor allem der Ausbau von individuellen psychischen Ressourcen mittels Stressbewältigungskursen, Maßnahmen zur Stärkung von Coping-Strategien, Angeboten zur Supervision sowie zur Schaffung von positiven interpersonellen Beziehungen fokussiert werden. Weitere ausbaufähige Ressourcen wären Entwicklungen zur „Anerkennungs- und Schulkultur“ (u. a. verstärkte Leistungsanerkennung, positives Feedback für die Anstrengungen bei der Berufsausübung) und für ältere Lehrkräfte eine Abschmelzung der Deputatstunden oder auch eine Reduzierung zusätzlicher Aufgaben wie Pausenaufsicht oder Betreuung von Arbeitsgemeinschaften. Grundsätzlich müssten aber bereits im Studium ausreichende Kenntnisse zur psychischen Kompetenz und Reflexion der eigenen Leistungsfähigkeit sowie Konfliktlösungsstrategien den angehenden LK vermittelt werden. Prävention muss so früh wie möglich beginnen, um Langzeitfolgen durch erhöhte berufliche Belastungen zu verhindern. Schulleitern sollten Schulungen angeboten werden, die es ihnen frühzeitig ermöglichen, Risikofaktoren und gesundheitliche Probleme ihrer Kollegen zu erkennen. Für die vorliegende Befragung ist eine Wiederholungsuntersuchung im Längsschnittverlauf anzustreben, um Erfolge dieser oben genannten Maßnahmen bei LK in Sachsen-Anhalt festzustellen.

Einschränkend verfolgt die Studie keinen Anspruch auf Repräsentativität. Sie bezieht sich auf LK aus Magdeburger allgemeinbildenden Schulen. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die arbeitsbezogenen Belastungsfaktoren an den Schulen anderer Bundesländer in ähnlicher Weise vorherrschen und dadurch die präventiven Maßnahmen auf alle LK in den verschiedenen Schularten übertragbar sind. Ebenso sind die Maßnahmen zur positiven Einflussnahme auf das OC generell relevant, um die Gesundheit der LK lange zu erhalten.

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Für die Verfasser

Dr. med. Sabine Darius

Bereich Arbeitsmedizin

Medizinische Fakultät

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Leipziger Str. 44

39120 Magdeburg

sabine.darius@med.ovgu.de

Fußnoten

1 Bereich Arbeitsmedizin, Medizinische Fakultät, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Leiterin: Prof. Dr. med. Irina Böckelmann)

2 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden (Direktor: Prof. Dr. med. Andreas Seidler, MPH)

* Die hier vorgestellten Daten sind Teil der Promotionsarbeit von Frau Fanny Seiboth.

1 Wenn in dieser Publikation im Sinne der Lesbarkeit teilweise nur die männliche Form verwendet wird, sind immer sowohl Frauen als auch Männer gemeint.

2 Die Befragung ist Teil der Kooperation mit dem Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin der Technischen Universität Dresden zur Bearbeitung eines DGUV-Projektes „Im Lehrerberuf gesund und motiviert bis zur Rente – Wege der Prävention und Personalentwicklung“ (Kennziffer FP 314).