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Berufliche Exposition und Mortalität in der deutschen Uranbergarbeiterkohorte

Berufliche Exposition und Mortalität in der deutschen Uranbergarbeiterkohorte

Ziel: Die deutsche Uranbergarbeiter-Kohortenstudie umfasst 58 982 Männer, die mindestens ein halbes Jahr zwischen 1946 und 1989 im ostdeutschen Uranerzbergbau beschäftigt waren. Die Beschäftigten waren insbesondere in den Anfangsjahren neben anderen Belastungen sehr hohen Radon- und Quarzfeinstaubexpositionen ausgesetzt. Ziel der Kohortenstudie ist die Aufarbeitung der gesundheitlichen Folgen einer solchen Beschäftigung.

Kollektiv und Methoden: Der Aufbau der Wismut-Kohorte war im Jahr 1998 ab-geschlossen. Seither wurde dreimal im Abstand von fünf Jahren ein Mortali-täts-Follow-up durchgeführt, d. h. der Vitalstatus und bei verstorbenen Perso-nen die zugrunde liegende Todesursache ermittelt. Die jährliche Exposition gegenüber Radonfolgeprodukten, externer Gammastrahlung, langlebigen Radionukliden sowie Fein-, Quarzfein- und Arsenstaub wurde über eine um-fangreiche Job-Exposure-Matrix abgeschätzt. Risikoabschätzungen erfolgten unter Verwendung eines relativen Poisson-Regressionsmodells.

Ergebnisse: Ende 2008 waren in der Kohorte 25 438 (43 %) Personen verstorben. Für 94 % von diesen konnte die Todesursache ermittelt werden. Insgesamt traten 7780 Krebstodesfälle auf, darunter 3500 Lungenkrebsfälle. Die Lungenkrebssterblichkeit ist im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ungefähr verdoppelt. Diese Erhöhung ist vorwiegend auf die berufliche Radon- und Quarzfeinstaubbelastung zurückzuführen. Weiterhin traten 975 quarzfeinstaubbedingte Silikosesterbefälle auf. Es gibt Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Belastung durch Radonfolgeprodukte und Hals-Nasen-Rachenraum-Tumoren. Andere Todesursachen zeigten keinen nachweis-baren Zusammenhang mit Radonfolgeprodukten. Auch Herz-Kreislauf-Erkran-kungen und nichtmaligne Atemwegserkrankungen wurden untersucht, aber keine auffälligen Zusammenhänge mit beruflicher Exposition gefunden.

Schlussfolgerungen: Bei der Wismut-Kohorte zeigen sich die gesundheitlichen Folgen des Uranerzbergbaus bisher primär im Anstieg von Lungenkrebs- und Silikosemortalität, der auf die hohe Exposition durch Radonfolgeprodukte und/oder Quarzfeinstaub zurückzuführen ist. Mit zunehmendem Beobachtungs-zeitraum werden weitere Erkenntnisse zu selteneren Todesursachen und heute relevanten Expositionsbereichen erwartet.

Schlüsselwörter: Kohortenstudie – Uranbergbau – Mortalität – Ionisierende Strahlung – Quarzstaub

Occupational exposure and mortality in the German uranium miner cohort

Objective: The German uranium miners cohort study comprises 58,982 men employed in the GDR by the Wismut company for at least six months between 1946 and 1989. Particularly in the early years, miners were exposed to high levels of radon, silica and other harmful substances. The aim of the cohort study is to investigate the health effects of occupational exposures.

Methods: The cohort was established in 1998 with mortality follow-ups every five years, i.e. vital status and cause of death are ascertained. Annual exposures to radon progeny, external gamma-radiation, long-lived radionuclides, fine dust, silica and arsenic dust were individually assessed by means of a comprehensive job-exposure matrix. For data analyses Poisson regression models were used.

Results: By end of 2008, 25,438 (43 %) cohort members were deceased with known cause of death in 94 %. In total 7,780 cancer mortalities were observed, including 3,500 from lung cancer. Lung cancer mortality is twice as high as in the general population largely due to occupational radon progeny and silica exposure. Also 975 silicosis deaths were observed and there is some evidence for a relationship between radon progeny exposure and cancers of the extra-thoracic airways. Circulatory diseases and non-malignant diseases of the airways were also investigated, but no relationship to occupational exposure was found.

Conclusions: Up to now health effects of uranium mining in the Wismut cohort primarily manifest themselves as increases in lung cancer and silicosis mortality due to high radon progeny and silica exposure. With increasing duration of follow-up, further findings regarding more rare causes of death and levels of exposure relevant today are expected.

Keywords: cohort study – uranium mining – mortality – ionizing radiation – silica dust

M. Schnelzer1

F. Dufey1

B. Grosche1

M. Sogl1

A. Tschense1

L. Walsh1

D. Dahmann2

F. Lehmann3

H. Otten4

M. Kreuzer1

(eingegangen am 16. 01. 2014, angenommen am 23. 05. 2014)

Zwischen 1946 und 1989 waren Schätzungen zufolge insgesamt un-gefähr 500 000 Menschen im sächsischen und thüringischen Uranerz-bergbau tätig. Als Beschäftigte der sowjetischen, später sowjetisch-deutschen, Aktiengesellschaft (SAG/SDAG) Wismut – dieser Name diente als Deckname der Geheimhaltung – produzierten sie mehr als 230 000 Tonnen Uranerz für die Sowjetunion (Wismut GmbH 1999). Die Beschäftigten waren bei ihrer Tätigkeit einer Vielzahl beruflicher Risikofaktoren ausgesetzt. Die wichtigsten waren Radon und seine Folgeprodukte sowie Quarzfeinstaub, daneben sind auch langlebige Radionuklide aus dem Uranstaub, externe Gamma-Strahlung, Arsen, Dieselruß, Asbest, Vibration, Hitze, Arbeit unter Tage und Lärm zu nennen. Da in den Anfangsjahren praktisch jeglicher Strahlen- und Arbeitsschutz fehlte, waren die Radon- und Quarzfeinstaubexpositionen sehr hoch. Die Arbeitsbedingungen verbesserten sich ab 1955 allmählich und erreichten etwa 1971 internationale Standards. Bis 1990 wurden von der Sozialversicherung Wismut 5492 Lungenkrebs-erkrankungen und 14 531 Silikoseerkrankungen ehemaliger Wismut-beschäftigter als Berufskrankheit anerkannt, nach der Wiedervereinigung Deutschlands kamen im Zeitraum von 1991 bis 2011 weitere 3696 Lungenkrebsfälle und 2720 Silikosefälle bei der Gesetzlichen Unfallversicherung hinzu.

Um die gesundheitlichen Folgen des Uranbergbaus in der DDR wissenschaftlich aufzuarbeiten, wurde auf Empfehlung der Deutschen Strahlenschutzkommission 1993 mit dem Aufbau der sog. Wismut-Kohorte begonnen (Grosche et al. 2002). Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat das Bundesamt für Strahlenschutz mit der Durchführung der Studie beauftragt. Die Wismut-Kohorte ist mit einem Umfang von fast 60 000 Personen, individuellen Informationen zur Strahlen- und Staubbelastung und einem Beobachtungszeitraum von 1946 bis 2008 einzigartig und erlaubt die Untersuchung einer Vielzahl von wissenschaftlichen Fragestellungen.

Hauptfokus der Kohortenstudie ist die detaillierte Untersuchung des Lungenkrebsrisikos durch Radon (Grosche et al. 2006; Walsh et al. 2010a,b) und Quarzfeinstaub (Sogl et al. 2012, 2013). Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass die Inhalation von Radonfolgeprodukten und Quarzfeinstaub Lungenkrebs verursacht (National Institute for Occupational Safety 2002; National Research Council 1999; UNSCEAR 2008). Beide Schadstoffe wurden von der IARC als Karzinogen der Gruppe 1 für den Menschen eingestuft (IARC 1997, 2012a,b). Die genaue Form der Expositions-Wirkungs-Beziehung – insbesondere im Niedrigdosisbereich – und der Einfluss von Zeit seit Exposition, Alter bei Exposition und Expositionsrate werden wissenschaftlich aber nach wie vor diskutiert. Unklar ist auch der gemeinsame Effekt von Radon und Quarzfeinstaub auf das Lungenkrebs-risiko.

Weitere Fragestellungen betreffen die Abschätzung des Einflus-ses von Radon und Quarzfeinstaub auf andere Todesursachen als Lungenkrebs. So wurde bisher die quarzfeinstaubbedingte Sterblich-keit an nichtbösartigen Atemwegserkrankungen wie z. B. Silikose oder chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) (Kreuzer et al. 2013a) und die radonbedingte Sterblichkeit für andere Tumoren (Kreuzer et al. 2008, 2010a; Walsh et al. 2010b) untersucht. Hierzu liegen nur wenige große, aussagekräftige Studien vor und die Ergebnisse sind inkonsistent. Weitere Analysen betrafen den Zusammen-hang zwischen beruflichen Risikofaktoren allgemein und speziellen Krebslokalisationen wie zum Beispiel Hals-Nasen-Rachenraum-Tumoren (Kreuzer et al. 2010a, 2013b), Leukämie (Dufey et al. 2011), Prostata- (Walsh et al. 2012), Magen- (Kreuzer et al. 2012) und Leberkrebs (Dufey et al. 2013) oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Kreuzer et al. 2006, 2010a, 2013c).

Im Folgenden sollen ein Überblick über die bisherigen Ergebnisse und ein Ausblick auf zukünftige Fragestellungen gegeben werden.

Methoden

Daten

Sowohl der Aufbau der Kohorte als auch die Datenerhebung sollen hier nur kurz dargestellt werden. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in Kreuzer et al. (2010b). Arbeitsanamnesen sowie An-gaben zu Name und Geschlecht wurden für über 64 000 Personen durch die Zentrale Betreuungsstelle Wismut (ZeBWis) der Gesetzlichen Unfallversicherung aus Lohn- und Gehaltsunterlagen erhoben. Diese Personen stellen eine geschichtete Zufallsstichprobe dar aus einer Gruppe von etwa 130 000 Personen, für die ausreichende Angaben für die Zusammenstellung der Stichprobe in den Akten der SDAG Wismut Gesellschaft vorhanden waren. Die Stichprobe wurde nach Beschäftigungsbeginn (1946–1954, 1955–1970, 1971–1989), Arbeitsort (unter Tage bzw. über Tage, Aufbereitung), Bergbauregion (Sachsen, Thüringen) und Geschlecht stratifiziert. Dadurch sollten die verschiedenen Arbeitsbedingungen repräsentiert werden, aber auch sichergestellt werden, dass die Gruppe der niedrig Exponierten, die für aktuelle Fragestellungen von besonderem Interesse ist, in großem Umfang in der Stichprobe vertreten ist. Einschlusskriterien waren

  • ein Beschäftigungsbeginn zwischen 1946 und 1989,
  • eine Mindestbeschäftigungsdauer von 180 Tagen und
  • ein Geburtsjahr nach 1899.

Die Arbeitsanamnesen, die die Grundlage für die Expositionsab-schätzung bilden, umfassen taggenaue Angaben zur ausgeübten Tätigkeit, zum Arbeitsort (unter Tage, Aufbereitung, Tagebau, über Tage) und Bergbaubetrieb. Bisher durchgeführte Auswertungen beziehen sich auf den männlichen Teil der Kohorte, weil eine erste Sichtung der Daten ergeben hatte, dass der Anteil der Exponierten bei den knapp 4000 Frauen in der Kohorte sehr klein ist.

Expositions- und Dosisabschätzung

Die Exposition gegenüber Radonfolgeprodukten in Working Level Month (WLM), externer Gammastrahlung in mSv und langlebigen Radionukliden in kBqh/m³ wurde für jede Person mittels einer so genannten Job-Exposure-Matrix (JEM) abgeschätzt. Diese ist von der damaligen Bergbau-Berufsgenossenschaft (BBG) in Gera und dem damaligen Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) entwickelt worden und enthält für über 900 verschiedene Berufsbezeichnungen und über 40 Bergbauobjekte mit insgesamt über 400 Schächten und unterschiedlichen Arbeitsorten eine jährliche Abschätzung der Strahlenexposition (Lehmann 1998; HVBG u. BBG 2005). Die JEM beruht für Radongas und externe Gammastrahlung für die Jahre ab 1955 auf vorhandenen Messwerten. Für Radonfolgeproduktkonzentrationen gilt dies für die Jahre ab 1964 und für langlebige Radionuklide (Gesamtalpha) ab 1967. Für die Zeiträume davor basiert sie auf Expertenabschätzungen. Diese stützen sich auf die ersten vorhandenen Messwerte und detaillierte Informationen zu den damaligen Bergbaubedingungen. Dabei wurden lagerstättenspezifische, produktions- und wettertechnische Gegebenheiten berücksichtigt.

Neben der Strahlenexposition ist zur Abschätzung der gesund-heitlichen Risiken auch die absorbierte Strahlendosis für bestimmte Organe von Bedeutung, da bei gleicher Exposition die Dosis für verschiedene Organe sehr unterschiedlich sein kann. Daher wurde mit einem speziell entwickelten Programm (Marsh et al. 2008, 2012) für verschiedene Organe (Lunge, Niere, Leber, Magen, rotes Knochenmark) die aus der Exposition durch Radon, Radonfolgeprodukte, langlebige Radionuklide und externer Gamma-Strahlung resultierende absorbierte Organdosis in mGy jahresweise wie auch ins-gesamt berechnet. Zusätzlich wurde die Gesamtalphadosis (hauptsächlich Radonfolgeprodukte) und die gesamte Nicht-Alphadosis (hauptsächlich externe Gammastrahlung) pro Beschäftigtem berechnet.

Auch die Exposition gegenüber Staub (Gesamtfeinstaub, Quarzfeinstaub und Arsenstaub) wurde mittels einer vergleichbaren JEM für jedes Beschäftigungsjahr individuell abgeschätzt. Diese Matrix war vom Institut für Gefahrstoffforschung in Zusammenarbeit mit dem HVBG erstellt worden (Dahmann et al. 2008; HVBG u. BBG 2005). Sie beruht für Quarzfeinstaub und Feinstaub ab dem Jahr 1960 auf Messwerten und für die Jahre davor auf Expertenrating basierend auf eigenen umfangreichen Vergleichsmessungen mit historischen Verfahren. Grundlage für die Schätzwerte für Arsen ist u. a. der Arsengehalt im Mineral, da nur sehr wenige direkte Expositions-messwerte vorhanden waren. Einheit für die Staubexposition ist das Staubjahr, das für Quarzfeinstaub und Feinstaub definiert ist als Exposition gegenüber 1 mg/m³ über 220 Schichten zu 8 Stunden und für Arsenstaub als Exposition gegenüber 1 µg/m³ über die gleiche Zeitdauer. Unterschiede in der Anzahl der Schichten und der Anzahl täglicher Arbeitsstunden in verschiedenen Kalenderjahren wurden berücksichtigt.

Ermittlung von Vitalstatus und Todesursache

Für alle Kohortenmitglieder wird regelmäßig über Einwohnmeldeämter, Standesämter und Kreisarchive ermittelt, ob sie leben oder verstorben sind. Für die Verstorbenen wird die Todesursache über eine vom Gesundheitsamt oder den Zentralarchiven in Sachsen und Thüringen stammende Kopie des Totenscheins oder den Sektionsbefund des ehemaligen Pathologiearchivs der Wismut festgestellt. Der Anteil der Angaben zur Todesursache, die auf Sektionsbefunden basieren, hängt stark von der Todesursache und vom Sterbejahr ab und liegt im neuesten Follow-up insgesamt bei 25 %. Bisher wurden drei solcher Mortalitäts-Follow-ups im Abstand von 5 Jahren zu folgenden Stichtagen durchgeführt: 31. 12. 1998, 31. 12. 2003 und 31. 12. 2008.

Statistische Analysen

Zum einen wurde die Sterblichkeit in der Kohorte mit der in der Allgemeinbevölkerung verglichen (Kreuzer et al. 2008), zum anderen wurde innerhalb der Kohorte das Risiko, an einer bestimmten Todesursache zu versterben, in Abhängigkeit von der Höhe der Exposition bestimmt (z. B. Walsh et al. 2010a). Details der statistischen Analyse finden sich in den jeweiligen Originalarbeiten.

Für den Vergleich mit der Bevölkerung wurden das Standardisierte Mortalitätsratio (SMR) und 95 %-Konfidenzbereiche für die SMR-Werte auf Basis einer Poisson-Verteilung berechnet. Als Vergleichsbevölkerung wurde die männliche Allgemeinbevölkerung der ehemaligen DDR herangezogen. Für diese Analysen wurden die Daten des zweiten Mortalitäts-Follow-up mit Stichtag 31. 12. 2003 benutzt. Da Daten zur Sterblichkeit für die DDR-Bevölkerung erst ab 1960 vorliegen, wurde die Auswertung auf den Zeitraum von 1960–2003 beschränkt. Expositions-Wirkungs-Zusammenhänge wurden innerhalb der Kohorte mittels Poisson-Regression für bös-artige Erkrankungen, Herz-Kreislauf- und nichtbösartige Atemwegs-erkrankungen untersucht. Es wurden zum einen kategorielle Analysen durchgeführt, in denen das relative Risiko bestimmt wurde (RR). Zum anderen wurde das zusätzliche relative Risiko „ERR“ (von „excess relative risk“) unter Annahme eines linearen Modells ermittelt. Dieses repräsentiert den Anstieg des Risikos (Steigung der Geraden) pro Expositionseinheit. Für alle Risikoschätzer wurden 95 %-Vertrauensintervalle berechnet. Die Hintergrundrate, d. h. die Mortalitätsrate ohne Exposition, wurde bei allen Analysen nach Alter und Kalenderjahr stratifiziert. Um der Latenzzeit der Erkrankungen Rechnung zu tragen, wurden Expositionen aus den letzten fünf (für solide Tumoren) bzw. zwei (für Leukämie) Jahren vor dem Tod nicht berücksichtigt.

Ergebnisse

Allgemein

Die Kohorte umfasst 58 982 Männer. Von diesen haben 23 922 ihre Tätigkeit in den sog. „wilden Jahren“ (1946–1954), also der Zeit mit den in der Regel höchsten Expositionen, begonnen, 17 941 zwischen 1955 und 1970 und 17 119 nach 1970, in einer Zeit mit niedrigen Expositionen. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer beträgt 14 Jahre.

Zum bisher letzten Stichtag, 31. 12. 2008, lebten 53 % der Kohorten-mitglieder, 43 % waren verstorben und für knapp 4 % konnte der Vitalstatus nicht ermittelt werden (Follow-up-Verlust). Für 23 939 (94 %) der verstorbenen Personen wurde die zugrunde liegende Todesursache ermittelt ( Tabelle 1). Führend sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 9039 Todesfällen, gefolgt von bösartigen Erkrankungen (n = 7780) und Atemwegserkrankungen (n = 2357). Hervorstechend sind Lungenkrebs mit 3500 Sterbefällen (43 % aller Krebsfälle) und Silikosen (n = 975).

Abbildung 1a zeigt die Höhe der durchschnittlichen jährlichen Radonexposition in der Wismutkohorte für exponierte Kohortenmitglieder. Sie nahm mit der Einführung künstlicher Bewetterung ab 1955 deutlich ab und sank in den 1970er Jahren auf Werte, die in etwa internationalen Strahlenschutzstandards entsprechen. Bei Expositionen durch externe Gammastrahlung zeigt sich ein anderes Bild, da diese nicht durch die Verbesserung der Bewetterung beeinflusst wurden, sondern vom Urangehalt des Staubes und der angewendeten Gewinnungstechnologie abhängen. Sie erreichten ihr Maximum erst in den 1960er Jahren. Die Konzentration von Feinstaub insgesamt, Quarzfeinstaub und Arsen veränderte sich ebenfalls deutlich mit der Zeit ( Abb. 1b). In den frühen 1950er Jahren lagen die durchschnittlichen Quarzfeinstaubkonzentrationen bei etwa 2 mg/m³. Durch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, wie der Einführung des Nassbohrens und der Erhöhung der Belüftungsrate, wurden die Staubkonzentrationen um mehr als 97 % gesenkt (Bauer 1997; Dahmann et al. 2008).

Tabelle 2 zeigt die Anzahl der exponierten Personen und die durchschnittliche über die Beschäftigungsdauer aufsummierte Gesamtexposition für verschiedene Strahlungs- und Staubbelastungsarten. Etwa 14 % der Kohortenmitglieder waren nicht strahlenexponiert (hauptsächlich bei Über-Tage-Tätigkeit), während fast alle einer Staubexposition ausgesetzt waren, wenn auch in unterschiedlicher Höhe unter Tage oder über Tage. Von einer Arsenexposition ist bei Beschäftigten in einzelnen Bergbaubetrieben in Sachsen und nur in bestimmten Zeit-räumen auszugehen. Der Durchschnitt der kumulativen Radonexposition liegt bei 280 WLM und das Maximum bei 3224 WLM. Für etwa die Hälfte der Kohortenmitglieder beträgt sie weniger als 50 WLM und für 4700 Personen mehr als 1000 WLM.

Die aus der Exposition durch Radon und dessen Folgeprodukte, durch langlebige Radionuklide und durch externe Gamma-Strahlung resultierende ungewichtete ab-sorbierte Gesamtorgandosis für die Lunge ist mit durchschnittlich 1620 mGy (Maximum 24 089 mGy) annähernd 30-mal so hoch wie für die anderen Organe. Für die Niere, die Leber, den Magen und das rote Knochenmark beträgt sie im Durchschnitt zwischen 50 und 60 mGy (Maximum zwischen 940 mGy für das rote Knochenmark und 1050 mGy für den Magen). Während für die Lunge 96 % der Gesamtdosis auf Alphastrahlung, d. h. Radonfolgeprodukte, zurückgeht, leistet für die anderen hier genannten Organe die externe Gamma-Strahlung den bei Weitem größten Beitrag zur absorbierten Organdosis. Dieser liegt je nach Organ zwischen 80 % und 95 %.

Krebssterblichkeit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung

Analysen zur Krebssterblichkeit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung wurden für den Beobachtungszeitraum 1960 bis 2003 durchgeführt. Insgesamt ist die Sterblichkeit in der Kohorte leicht erhöht im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (n = 20 317, SMR = 1,10, 95 %-Konfidenzintervall: 1,08–1,11). Die Erhöhung dürfte auf die hohe Lungenkrebssterblichkeit zurückzuführen sein. Diese ist etwa doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung (n = 2999, SMR = 2,03; 95 %-Konfidenzintervall: 1,96–2,10;  Tabelle 3) (Kreuzer et al. 2008). Für die Gruppe aller bösartigen Erkrankungen ohne Lungenkrebs, unterscheidet sich die Sterblichkeit in der Kohorte nicht signifikant von der der Allgemeinbevölkerung (n = 3340, SMR = 1,02, 95 %-Kon-fidenzintervall: 0,98–1,05). Eine signifikant erhöhte Sterblichkeit findet sich für Leberkrebs (n = 154 Sterbefälle, SMR = 1,26, 95 %-Konfidenzintervall: 1,07–1,48) und Magenkrebs (n = 588, SMR = 1,15, 95 %-Konfidenzintervall: 1,06–1,25). Das SMR gibt zwar Hinweise auf Mortalitätsunterschiede zwischen Kohorte und Allgemein-bevölkerung, erlaubt aber keine Aussage darüber, welche Faktoren ursächlich für die beobachteten Unterschiede sind. Erst die Untersuchung des Risikos in der Kohorte unter Berücksichtigung der Höhe der Exposition ermöglicht entsprechende Rückschlüsse.

Lungenkrebsrisiko

Kohorteninterne Risikoanalysen für den Beobachtungszeitraum 1946 bis 2003 zeigen einen annähernd linearen Zusammenhang zwischen kumulativer Radonexposition in WLM und dem relativen Risiko an Lungenkrebs zu versterben (Walsh et al. 2010a, 2011). Das heißt, das Lungenkrebsrisiko steigt proportional mit zunehmender Gesamtradonexposition an ( Abb. 2a). Eine Exposition von 2000 WLM führt beispielsweise zu einem 4fach höheren Lungenkrebsrisiko als ohne Radonbelastung. Der Risikoanstieg (ERR) pro 100 WLM beträgt 0,19 (95 %-Konfidenzintervall: 0,16–0,21). Die Höhe dieses Risikoanstiegs hängt jedoch von verschiedenen weiteren Faktoren ab. So sinkt dieses Risiko mit zunehmender Zeit seit Exposition, zunehmendem Alter und zunehmender Expositionsrate. Am höchsten ist es fünf bis 14 Jahre nach Exposition und in der Altersgruppe unter 55 Jahren. Mit zeitlichem Abstand zur Exposition halbiert es sich etwa alle zehn Jahre, bleibt aber auch nach 35 Jahren noch signifikant erhöht, und mit zunehmendem Alter sinkt es alle zehn Jahre um ca. 30 %. Bei Gesamtexpositionen über 100 WLM ergibt sich ein höheres Risiko, wenn die Exposition über einen längeren Zeitraum verteilt ist, als wenn sie nur über einen kürzeren Zeitraum einwirkt (sog. „inverser Expositions-Raten-Effekt“).

Ebenfalls untersucht wurde der Einfluss der Quarzfeinstaub-exposition auf das Lungenkrebsrisiko für den Beobachtungszeitraum 1946 bis 2003 in der Kohorte (Sogl et al. 2012, 2013). Dabei wurde detailliert für die Störfaktoren (Confounder) Radon und Arsen in den Modellen adjustiert. Auch hier ist ein positiver Zusammenhang zu verzeichnen. Bei kumulativen Quarzfeinstaubbelastungen von mehr als 10 Staubjahren wurde ein linearer Anstieg des Lungenkrebsmortalitätsrisikos beobachtet ( Abb. 2b), während unterhalb von 10 Staubjahren keine statistisch signifikante Risikoerhöhung vorhanden war. Die Effekte von Radon und Quarzfeinstaub verhalten sich eher additiv als multiplikativ zueinander.

Andere Todesursachen

Für die Mehrzahl der anderen Tumorlokalisationen ergab sich zwar ein positiver Expositions-Wirkungs-Zusammenhang mit der Radon-exposition (Kreuzer 2008, 2010a; Walsh et al. 2010b), nach Berücksichtigung der Exposition durch Staub, externe Gamma-Strahlung und langlebige Radionuklide war jedoch keine der Erhöhungen mehr signifikant. Einzig für die Gruppe der Tumoren des Hals-Nasen-Rachenraums (Kreuzer et al. 2010a) war im Beobachtungszeitraum 1946–2003 ein statistisch signifikanter Zusammenhang beobachtet worden (n = 177 Sterbefälle, ERR pro 100 WLM = 0,06; 95 %-Konfidenzintervall: >0–0,12). Nach Erweiterung des Follow-up-Zeit-raums bis 2008 (234 Sterbefälle) war zwar nach wie vor eine Risiko-erhöhung zu finden, diese war aber nicht mehr statistisch signifikant (ERR pro 100 WLM = 0,04; 95 %-Konfidenzintervall: -0,01–0,08) (Kreuzer et al. 2013b).

Wurde anstelle der Strahlenexposition die absorbierte Dosis für das rote Knochenmark bzw. den Magen- oder die Leber getrennt nach Alpha- und Nicht-Alphastrahlung in mGy in den Analysen verwendet, ergab sich ebenfalls kein signifikanter Zusammenhang mit der Sterblichkeit für Leukämie (n = 128) (Dufey et al. 2011), Magen-krebs (n = 592) (Kreuzer et al. 2012) oder Leberkrebs (n = 159) (Dufey et al. 2013). Das Gleiche gilt für die Exposition durch Quarzfeinstaub bzw. Arsenstaub.

Im Beobachtungszeitraum 1946 bis 2008 wurden 975 Silikosesterbefälle in der Kohorte beobachtet. Hier zeigt sich ein deutlicher statistisch signifikanter nichtlinearer Zusammenhang zwischen den Mortalitätsraten und der kumulativen Quarzfeinstaubbelastung ( Abb. 3) (Kreuzer et al. 2013a). Das Silikosesterberisiko ist beispielsweise bei einer Exposition über 30 mg/m³-Jahre im Vergleich zu weniger als 2 mg/m³-Jahre 90fach erhöht Für keine der anderen untersuchten nichtbösartigen Atemwegserkrankungen, einschließlich COPD, zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang mit der Quarzfeinstaub- oder der Radonexposition (Kreuzer et al. 2013a).

Die Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Kohorte steigt weder mit der Radonbelastung (Kreuzer et al. 2010a) noch mit der Gammadosis (Kreuzer et al. 2013c) an. Lediglich für die Untergruppe der zerebrovaskulären Erkrankung ergibt sich ein allerdings statistisch nichtsignifikanter Anstieg der Mortalität mit der Gamma-dosis (ERR/Sv = 0,44, 95 %-Konfidenzintervall: –0,16 bis 1,04).

Diskussion

Zu den Stärken der deutschen Uranbergarbeiter-Kohortenstudie zählt der große Umfang mit annähernd 60 000 ehemaligen Beschäftigten, wie auch der lange Beobachtungszeitraum, der sich mittlerweile von 1946 bis 2008 erstreckt. Von nahezu allen Kohortenmitgliedern ist der Vitalstatus und für Verstorbene die Todesursache bekannt. Des-weiteren hervorzuheben ist das Vorhandensein einer individuellen Expositionsabschätzung für ionisierende Strahlung und Staub für alle Kohortenmitglieder sowie die große Bandbreite der Expositionen. Diese Eigenschaften zeichnen die Wismut-Kohorte gegenüber anderen Radon- oder Quarzfeinstaub-exponierten Kohorten im inter-nationalen Raum aus und verleihen ihr eine hohe wissenschaftliche Aussagekraft.

In der Wismutkohorte wurden bis Ende 2008 insgesamt ca. 3500 Lungenkrebstodesfälle beobachtet. Dies sind fast doppelt so viele wie im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zu erwarten gewesen wären. Die Risikoerhöhung ist vorwiegend auf die berufliche Radon-, aber auch die Quarzfeinstaubbelastung zurückzuführen. Zwischen Radonbelastung und Lungenkrebsmortalität wurde ein annähernd linearer Zusammenhang beobachtet, der zusätzlich von den Faktoren erreichtes Alter, Zeit seit Exposition und Expositionsrate beeinflusst wird. Selbst 35 Jahre nach Exposition ist noch eine statistisch signifikante, wenn auch geringe Risikoerhöhung zu beobachten. Ins-gesamt stimmen die Ergebnisse mit denen einer gemeinsamen Auswertung von elf zum Teil sehr heterogenen Bergarbeiterkohorten aus sieben verschiedenen Ländern mit insgesamt ca. 60 600 Bergarbeitern weitgehend überein (National Research Council 1999). Ähnliche Resultate wurden in aktuellen Uranbergarbeiterstudien in Tschechien (Tomasek et al. 2012), Frankreich (Vacquier et al. 2008) und Kanada (Lane et al. 2010), mit jeweils 9978, 5086 and 17 660 Kohortenmitgliedern beobachtet sowie in einer gemeinsamen Auswertung der drei europäischen Studien im Niedrigdosisbereich (Tirmarche et al. 2009). Neueste Auswertungen der Wismut-Kohorte zur Untergruppe der Erzaufbereiter (n = 4054), die nie unter Tage oder im Tagebau gearbeitet haben, zeigen trotz niedriger Radonbelastungen eine signifikant erhöhte Sterblichkeit für Krebserkrankungen insgesamt in Abhängigkeit von Radon. Diese Erhöhung ist primär auf Lungenkrebs zurückzuführen (Kreuzer et al. 2013d).

Dosimetrische Modelle haben gezeigt, dass die Inhalation von Radonfolgeprodukten zu einer sehr hohen absorbierten Dosis für die Bronchialregion und den extrathorakalen Bereich (Pharynx, Larynx, Nase etc.) führt, während die Dosis für andere Organe um den Faktor 100 bis 1000 geringer ist (Marsh et al. 2008, 2011; Kendall u. Smith 2002). Wegen der zum Teil sehr hohen Radonexpositionen bei den Bergarbeitern stellt sich deshalb die Frage, ob außer Lungenkrebs auch andere Tumoren, hier vor allem im Hals-Nasen-Rachen-raum-Bereich hierdurch verursacht sein können. Bislang wurde Radon nur für Lungenkrebs als ursächlich eingestuft (IARC 2012b, Kreuzer 2010c). Im Vergleich zu Lungenkrebs ist die Anzahl von Todesfällen aufgrund anderer bösartiger Erkrankungen zum Teil sehr klein, so dass entsprechende mutmaßlich geringe Risikoerhöhungen statistisch schwer nachzuweisen sind. Aus diesem Grund wurde zum Beispiel die seltene Gruppe von Hals-Nasen-Rachenraumtumoren außerhalb der Wismut-Kohorte bisher praktisch nicht untersucht. Die neuesten Ergebnisse der Wismut-Kohorte im verlängerten Beobachtungszeitraum bis 2008 umfassen 234 Sterbefälle in dieser Gruppe. Das ERR pro 100 WLM betrug 0,04 (95 %-Konfidenzintervall: –0,01 bis 0,08) und ist damit deutlich kleiner als für Lungenkrebs (0,19; 95 %-Konfidenzintervall: 0,16 bis 0,21) und nicht statistisch signifikant. Ob die beobachtete Risikoerhöhung durch Zufall bedingt ist, ist unklar. Für andere Tumorlokalisationen oder die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutet sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang an, aber auch hier gilt, dass die statistische Power zur Entdeckung kleiner Risiken gering ist.

Quarzfeinstaub war in der Wismut-Kohorte statistisch signifikant mit der Sterblichkeit an Lungenkrebs und Silikose assoziiert. Obwohl Quarzfeinstaub vom internationalen Krebsforschungszentrum (IARC) 1997 und 2012 als Lungenkarzinogen eingestuft worden ist, wird die genaue Form des Expositions-Wirkungs-Zusammenhangs immer noch intensiv diskutiert. In Deutschland ist der berufliche Grenzwert für die Quarzfeinstaubexposition seit 2006 außer Kraft gesetzt. Die Ergebnisse der deutschen Uranbergarbeiterstudie, in der ein Anstieg des Lungenkrebsrisikos mit der Quarzfeinstaubexposition ab 10 mg/m³-Jahren beobachtet worden ist, bestätigen die Einschätzung der IARC. Während manche Einzelstudien keinen Hinweis auf einen Expositions-Wirkungs-Zusammenhang fanden (IARC 2012a), ergab sich in einer großen gepoolten Studie mit 10 Ko-horten aus verschiedenen Industriezweigen und Ländern (Steenland et al. 2001) für höhere Staubexpositionen ein ähnliches Risiko wie in der Wismutstudie. In den niedrigen Expositionskategorien resultierten hier allerdings deutlich höhere Risiken als für die Wismut-Kohorte. Die Konfidenzbereiche der Risikoschätzer aus den beiden Studien überlappen sich jedoch. Da in der Wismutkohorte die Radon- und Quarzfeinstaubexpositionen korrelieren und Radon einen stärkeren Risikofaktor darstellt als Quarzfeinstaub, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die detaillierte Berücksichtigung von Radon in der Auswertung zu einer Art Überkorrektur führte und so eine möglicherweise tatsächlich vorhandene, geringe Risikoerhöhung im Bereich der niedrigen Expositionen nicht entdeckt werden konnte.

Nahezu 1000 Kohortenmitglieder sind bis 2008 an einer quarzfeinstaubbedingten Silikose als zugrunde liegender Todesursache verstorben. Von mindestens 3492 weiteren Kohortenmitgliedern ist eine Silikoseerkrankung aus den Totenscheinen und den Autopsieberichten bekannt. Die tatsächliche Zahl der Silikoseerkrankungen dürfte aber deutlich höher liegen. Der Expositions-Wirkungs-Zusammenhang ist nichtlinear. Bis zu 90fache Risikoerhöhungen im Vergleich zu Niedrig-Exponierten sind zu beobachten. Für eine Erhöhung der Sterblichkeit an COPD durch Quarzfeinstaubexposition wurden dagegen keine Belege gefunden. Eine Auswertung hinsichtlich der Lungenfunktion bei Wismutbeschäftigten von Möhner et al. (2013) zeigte jedoch einen Zusammenhang zwischen Lungenfunktionsparametern bzw. COPD-Inzidenz und Quarzfeinstaubexposition.

Aufgrund aktueller Diskussionen über einen möglichen Zusam-menhang zwischen externer Gammastrahlung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Niedrigdosisbereich (Little et al. 2012) wurde auch dieser Fragestellung in der Wismutkohorte nachgegangen. Über 9000 Todesfälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind bis 2008 aufgetreten. Es gibt bisher keine Hinweise auf einen Expositions-Wirkungs-Zusammenhang mit externer Gammastrahlung.

Schwächen der Studie: Zu den potenziellen Schwächen gehören mögliche Unsicherheiten bei der Expositionsermittlung insbesondere für die frühen Jahre der Bergarbeiten, in denen noch keine Messungen stattfanden und daher Abschätzungen durch Experten die Grundlage darstellen. Diese Abschätzungen wurden mit sehr großem Aufwand durchgeführt und schließen Messungen unter rekonstruierten Expositionsbedingungen (beispielsweise hinsichtlich Bewetterung) und der Verwendung von historischen Werkzeugen und Modellberechnungen ein (Lehmann et al. 1998, Dahmann et al. 2008). Analysen zum Lungenkrebsrisiko durch Radon (Kreuzer et al. 2008; Walsh et al. 2010a) zeigten, dass sich die Risikoschätzer für die Zeitperioden mit unterschiedlichen Methoden der Expositionsbestimmung, d. h. 1946–1954 (keine Messungen) und 1955–1989 (Messungen), nicht wesentlich unterscheiden. Eine bedeutsame Verzerrung der Ergebnisse aufgrund von Unsicherheiten in der Expositionsbestimmung ist daher unwahrscheinlich, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund erfolgt momentan für die Wismut-Studie eine eingehende Untersuchung von Expositionsunsicherheiten und deren Auswirkung auf die geschätzten Risiken.

Eine weitere mögliche Schwäche stellt die Validität der Todesursachen dar. Diese variiert je nach Todesursache und Sterbe-alter. Sie ist üblicherweise – und insbesondere in diesem medizinisch im Rahmen des Gesundheitssystems der Wismut gut überwachten Kollektiv – höher für Lungenkrebs als z. B. für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder nicht-bösartige Atemwegserkrankungen und höher bei jünger Verstorbenen als für Personen mit einem Sterbealter von über 80 Jahren. Positiv hervorzuheben ist dabei ein hoher Anteil von Autopsien bei den Lungenkrebstodesfällen (45 %). Dieser Anteil liegt bei den anderen Krebsarten bei 22 % und bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei nur 16 %. Vor allem bei Lungenkrebs zeigt ein Vergleich der Befunde aus Leichenschau und Autopsie bei Kohortenmitgliedern, für die beides vorliegt (n = 4377 im 3. Follow-up), eine hohe Übereinstim-mung. So wurden 92 % der Lungenkrebsbefunde aus der Leichen-schau durch den Sektionsbefund bestätigt, während lediglich 2,6 % der Todesursachen in der Leichenschau fälschlicherweise als Lungenkrebs eingestuft wurden. Sensitivitätsanalysen (Kreuzer et al. 2013a,c, Walsh et al. 2010a) legen nahe, dass weder das Fehlen noch die altersabhängige Fehlklassifikation von Todesursachen zu wesentlichen Verzerrungen in den Ergebnissen zu Lungenkrebs, nichtbösartigen Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Auch das Fehlen von Daten zur Inzidenz für die Kohorte stellt eine Limitation dar. Dies gilt insbesondere für Erkrankungen mit geringer Sterblichkeit wie zum Beispiel Leukämien oder Hals-Nasen-Rachentumoren. Daher ist ein Abgleich mit dem Gemeinsamen Krebsregister der neuen Länder, das auch das Krebsregister der ehemaligen DDR umfasst, geplant.

Während einerseits zuverlässige Informationen zur Mehrheit der beruflichen Risikofaktoren für die Kohorte vorhanden sind, fehlen andererseits individuelle Informationen für Risikofaktoren, die mit dem Lebensstil der Kohortenmitglieder zusammenhängen, wie zum Beispiel Alkoholkonsum, Ernährung oder Rauchen, weitgehend. Zum Rauchen sind zwar ab dem Jahr 1970 individuelle Informationen aus den Gesundheitsakten vorhanden, diese beziehen sich jedoch lediglich auf 38 % der Kohortenmitglieder, vorwiegend solche mit spätem Beschäftigungsbeginn, und die Angaben sind sehr ungenau. Daher wurde der Einfluss des Rauchverhaltens auf den Zusammenhang zwischen Lungenkrebsrisiko und Radonexposition im Rahmen einer in die Kohorte eingebetteten Fall-Kontroll-Studie untersucht (Schnelzer et al. 2010). Hierzu wurde mit großem Aufwand aus Unterlagen des Wismut-Gesundheitssystems und Angaben von Angehörigen der Rauchstatus rekonstruiert. Es zeigte sich, dass das Rauchverhalten relativ unabhängig von der Höhe der Radonexposition ist, d. h. der Anteil der Raucher ist in den verschiedenen Radon-expositionskategorien in etwa gleich. Risikoanalysen haben ergeben, dass sich die Expositions-Wirkungsbeziehung zwischen Radon und Lungenkrebs bei Berücksichtigung von Rauchen im Modell nicht wesentlich ändert. Auch zwischen der Höhe der Staubexposition und dem Rauchverhalten ist kein Zusammenhang erkennbar (siehe  Abb. 4). Auch für die französische sowie die tschechische Uranbergarbeiterkohorte wurden entsprechende eingebettete Fall-Kontroll-Studien durchgeführt. Die gemeinsame Auswertung dieser beiden Studien mit der deutschen Studie deutet ebenfalls darauf hin, dass die Ergebnisse zum radonbedingten Lungenkrebsrisiko nicht wesentlich vom Rauchverhalten beeinflusst werden (Hunter et al. 2013; Leuraud et al. 2011).

Ausblick

Die nächsten Schritte in der deutschen Uranbergarbeiterstudie um-fassen

  • eine Fall-Kontroll-Studie zu Leukämie, bei der die medizinische Strahlenexposition, die vor allem auf die regelmäßigen arbeitsmedizinischen Überwachungsuntersuchungen zurückgeht, be-rücksichtigt wird,
  • die Untersuchung des Lungenkrebsrisikos durch Radon und Quarzfeinstaub im Niedrig-Dosis-Bereich mit erweitertem Fol-low-Up Zeitraum bis 2008 und
  • die Analyse der Daten der Frauen.

Darüber hinaus wird angestrebt, die europäischen Daten gemeinsam mit den Daten kanadischer Uranbergarbeiter auszuwerten. Des weiteren wurde eine Bioprobendatenbank aufgebaut, für die Blutproben von hoch und niedrig exponierten Wismutbeschäftigten im Rahmen der nachgehenden Untersuchungen durch die ZeBWis der DGUV gesammelt worden sind und DNA aus dem Sektionsmaterial von Lungenkrebspatienten isoliert worden ist. Ziel ist die Durchführung molekularepidemiologischer Studien zur Untersuchung individueller Strahlenempfindlichkeit und von Biomarkern für die Exposition oder Erkrankung (Pernot et al. 2012; Weber et al. 2010). Die nächste Aktualisierung von Daten zu Vitalstatus und Todesursachen (viertes Follow-up) zum Stichtag 31. 12. 2013 ist in Vorbereitung. Die Daten der Wismutkohorte sind für interessierte Wissenschaftler zugänglich. Interessenten können einen Antrag für eine Datenübergabe bei dem „Steering Committee Wismut“ der Strahlenschutzkommission (SSK) und dem BfS stellen (https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/projekte/wismut/wismut.html). Zurzeit werden die Daten von Wissenschaftlern verschiedener Forschungseinrichtungen für Analysen zu Nierenkrebs und zur mechanistischen Modellierung des Lungenkrebsrisikos genutzt.

Schlussfolgerung

Die deutsche Uranbergarbeiterkohorte bietet die Möglichkeit, neue Erkenntnisse für den Strahlenschutz und den Arbeitsschutz zu gewinnen und die wissenschaftlichen Grundlagen für Verfahren zur Anerkennung von Berufskrankheiten zu optimieren. Bisher durchgeführte Analysen zeigen ein zweifach erhöhtes Lungenkrebsrisiko in der Wismutkohorte im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Als Ursachen für diese Erhöhung wurde vor allem die berufliche Radon- und Quarzfeinstaubbelastung identifiziert. Auf Letztere ist auch eine deutlich erhöhte Silikosesterblichkeit zurückzuführen. Im Zusammenhang mit den anderen untersuchten beruflichen Expositionen, die weitestgehend im Niedrigdosisbereich liegen, wurden bisher keine statistisch signifikanten Risikoerhöhungen beobachtet. Mit zunehmendem Beobachtungszeitraum ist mit wertvollen Erkenntnissen auch für niedrige Expositionen und eher seltene Erkrankungen zu rechnen.

Danksagung: Die Autoren danken Prof. Wichmann und Dr. Brüske (ehemals Institut für Epidemiologie der GSF) für Unterstützung und Beratung bei der Stichprobenziehung und dem Aufbau der Kohorte, Herrn Erich Wicht (ZeBWis), dessen Rat für den Aufbau der Kohorte unerlässlich war, Dr. Koppisch (DGUV) für die Bereitstellung wichtiger Daten zu den Bergarbeitern, Dr. Friedrich (Wismut GmbH) für nachgehende Recherchen, Dr. Seitz, Herrn Franz Fehringer und Herrn Thomas Ludwig (Institut für Strahlenschutz der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse) für Mitwirkung bei der Erstellung der Job-Exposure-Matrix zu ionisierender Strahlung, Prof. Bauer und Herrn Gerd Stoyke (Institut für Gefahrstoffe) für die Entwicklung der JEM zu Staub und Arsen, Dr. Bernhardt, Dr. Gille, Dr. Gellissen und Dr. Möhner (BAuA) für Kooperation bei der Fall-Kontroll-Studie, insbesondere die Bereitstellung von Daten zum Rauchen und auch zusätzlicher Informationen für das Follow-up aus dem Gesundheitsdatenarchiv Wismut, Prof. Nowak (Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München) für die arbeitsmedizinische Beratung, I + G Gesundheitsforschung und der Mediveritas GmbH, die durch ihren Einsatz bei der Durchführung der Feldarbeit für das Follow-up dazu beitrugen, den Follow-up-Verlust ausgesprochen gering zu halten, der Arbeitsgruppe der Strahlenschutzkommission für Begleitung und Beratung bei der Studiendurchführung und Frau Beate Hochstrat und Frau Silke Sitzmann (BfS) für wertvolle Mitarbeit bei der Datenaufbereitung. Teile der Arbeiten wurden gefördert durch die EU unter den Verträgen FI4P-CT95-0031 (Uranium Miners Studies in Europe), FIGH-CT-1999-00013 (Uminers + Animal Data) und 516483 (FIP6, Alpha-Risk).

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Für die Verfasser

Dr. phil. Maria Schnelzer

Bundesamt für Strahlenschutz

Fachbereich Strahlenschutz und Gesundheit

Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg

E-Mail: mschnelzer@bfs.de

Fußnoten

1 Bundesamt für Strahlenschutz, Fachbereich Strahlenschutz und Gesundheit, Neuherberg

2 Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, Institut für Gefahrstoff-Forschung, Bochum

3 Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, Präventionsbereich Gera

4 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Berlin