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Lärmexposition auf Ambulanzflügen und bei Repatriierungen

Lärmexposition auf Ambulanzflügen und bei Repatriierungen

Zielsetzungen: Obwohl Ambulanzflüge Routinearbeit sind und einige Tausend Mitarbeiter in den entsprechenden Organisationen arbeiten, liegen keine Daten über die Lärmexposition vor, die für präventive Empfehlungen verwendet werden könnten. Wir untersuchten die Exposition gegenüber Lärm bei Crews von Organisationen, die Ambulanzflüge zur Rückholung von Patienten aus dem Ausland durchführen, um Daten für spezielle Lärmschutzempfehlungen zu erhalten.

Material und Methoden: Es wurden die Lärmpegel im Innern eines Learjets, dem Flugzeugtyp, der am häufigsten für Repatriierungsflüge eingesetzt wird, an den Stellen, an denen sich die Crew-Mitglieder üblicherweise aufhalten, gemessen. Ein Schallpegelmesser der Klasse 1, der die Norm DIN IEC 651 erfüllte, wurde für die Messungen verwendet, jedoch verursachten verschiedene, in der realen Flugsituation auftretende Faktoren Messfehler im Bereich von ~3 %. Somit erfüllen die Ergebnisse die Spezifikationen von Klasse 2. Die Daten wurden während mehrerer realer Repatriierungsflüge erfasst und mit den Flugdaten (Stunden pro Tag) der Besatzung verknüpft, um den äquivalenten Lärmpegel gemäß DIN 45645-2 zu beurteilen.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Die gemessenen Lärmpegel lagen knapp unter dem als unbedenklich eingestuften Grenzwert von 85 dB(A) und sollten keine permanenten Schwellenverschiebungen hervorrufen, vorausgesetzt, dass eine zusätzliche hohe Lärmexposition durch nicht arbeitsbedingte oder private Aktivitäten vermieden wird. Da der Lärmpegel der Triebwerke außerhalb der Kabine weit über dem Grenzwert von 85 dB(A) lag, sind die Türen, solange der Motor läuft, geschlossen zu halten und für alle Aktivitäten, die außerhalb des Flugzeugs oder bei geöffneten Türen durchzuführen sind, während der Motor läuft, müssen geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Die neue EU-Richtlinie „Lärm” (2003/10/EG) legt fest, dass den Crews ein Gehörschutz zur Verfügung gestellt werden muss, auch wenn dessen Benutzung nicht zwingend vorgeschrieben ist.

Schlüsselwörter: Ambulanzflug – Luftfahrt – Lärmschutz – Arbeitsmedizin – Lärm

Noise exposure on ambulance flights and repatriations

Objectives: Although ambulance flights are routine work and some thousands of employees are working in these organizations, there are no data about noise exposure which may be used for preventive advice. We investigated the noise exposure of crews working in ambulance flight organizations for international patient repatriation to obtain data for specific advice for noise protection.

Materials and Methods: Noise levels inside a Learjet 35A, the aircraft type which is most often used for repatriation operations, were collected from locations where flight crews typically spend their time. A sound level meter class 1 meeting the DIN IEC 651 was used for noise measurements, but several factors in the real situation during flight caused an error of measurement of ~3 %. The results therefore fulfil the specifications of class 2. The data were collected during several real repatriation operations and were combined with the flight data (hours per day) of the personnel to evaluate the occupationally encountered equivalent noise level according to DIN 45645-2.

Results and Conclusions: The measured noise levels were safely just below the 85 dB(A) threshold and should not induce permanent threshold shifts provided additional high noise exposure by non-occupational or by private activities was avoided. As the engine’s noise levels outside of the cabin were significantly above the 85 dB(A) threshold, the aeroplane’s doors must be kept closed while the engines are running, and any activity performed outside the aircraft or with the doors opened while the engines are running must be done with adequate noise protection. The new EU noise directive (2003/10/EG) states that protective equipment must be made available to the crews to protect their hearing, though their use is not mandatory.

Keywords: ambulance flights – air transport – noise prevention – occupational medicine – occupational noise

A. Hardt 1 ,

B. Zimmer 3 ,

G. Conrad 3 ,

P. Jansing 4,5 ,

T. Küpper 1,2

(eingegangen am 06. 02. 2013, angenommen am 07. 05. 2013)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2013; 48: 324–329

Einführung

Das Risiko permanenter Hörschädigung durch Lärmbelastung ist bekannt, seit Plinius im Jahr 50 v. Chr. berichtet hatte, dass Leute, die in der Nähe von Stromschnellen am Nil wohnen, Hörschäden aufwiesen (Owen 1995). Erst in den 1930er Jahren wurde berufsbedingter Lärm als Ursache für Hörschäden bei fliegendem Personal identifiziert, bei der die Schädigung mit den Flugstunden korreliert (Dickson et al. 1939). Es gab bislang jedoch keine vergleichbaren systematischen Untersuchungen für Flugpersonal, das bei Luftrettungsorganisationen arbeitet, bis auf unseren früheren Artikel über Lärmbelastung während alpiner Helikopter-Rettungseinsätze (Küpper et al. 2004).

Material und Methoden

Lärmpegel wurden an typischen Punkten innerhalb einer Ambulanzversion eines Learjet 35A (zweimotorig AlliedSignal TFE73122B Turbofan, jeder Motor hat eine Antriebskraft von 15,6 kN,   Abb. 1 ) gemessen, wie in   Abb. 2 dargestellt. Die Messpunkte entsprechen typischen Positionen der Besatzung und des Patienten während der Repatriierungseinsätze repräsentieren. Die Innenverkleidung der Kabine des verwendeten Flugzugmusters war als Helmholtz-Resonator konstruiert. Signifikante Unterschiede in der Lärmbelastung wurden erwartet, da die Rücksitze sich zwischen den zwei Motoren befinden („E“ in Abb. 2).

Das Mikrofon war ein Kondensatormikrofon (Type 4135; Brüel und Kjaer). Dieser Typ zeigt eine besonders gute Linerarität im Bereich 20–2000 Hz und das Signal ist nahezu perfekt linear zwischen 2 kHz und 20 kHz. Aus früheren Untersuchungen über Luftfahrt- und Militärlärm (Schießen) wussten wir, dass dieses Mikrofon die zuverlässigsten Daten aller verfügbaren Mikrofone lieferte. Dies lässt sich möglicherweise auf die Konstruktion zurückführen, die einen Einsatz in starken magnetischen Feldern (z. B. in der Nähe von großen Motoren) erlaubt. Das Signal wurde gemäß DIN IEC 651 (N.N. 1994) durch das mittels Schallpegelmesser „Norsonic 110 Sound and Vibration Analyzer“ (Norsonic AS, Tranby/Norway) erfasst und digital gespeichert. Das System wurde auf „fast mode“ gestellt und nimmt in dB(A) auf (N.N. 1994). Die gesamte Messapparatur wurde gemäß der Vorgaben von DIN IEC 651 vor jeder Messung (N.N. 1994) mit Hilfe eines Klangkalibrators vom Typ 4230 (Brüel u. Kjaer, Seriennr. 1511608) bei 94 dB und 1000 Hz kalibriert. Dieser Systementwurf korrespondiert mit Klasse 1 DIN IEC 651 (N.N. 1994).

Die Datenaufnahme innerhalb des Flugzeugs wurde während konstanten Geradeausflügen durchgeführt. Gemäß DIN ISO 5129, eine Spezifikation, die speziell für Lärmmessungen innerhalb von Flugzeugen entwickelt wurde, befand sich jeder Messpunkt des Mikrofons auf Kopfhöhe direkt neben dem Ohr (0,1 m) der Person, die wie in Abb. 2 eingezeichnet arbeitet oder sitzt (N.N. 2003). Um den Einfluss von Flugmanövern auf den Lärmpegel zu bewerten, wurden zusätzliche Messungen während des Leerlaufs, Rollens, Abhebens und Landens durchgeführt. Alle Messungen wurden während realer Repatriierungsflüge durchgeführt.

An jeder Position wurden mindestens drei unabhängige Messungen des Lärmpegels (dB) von jeweils mindestens einer Minute während unterschiedlicher Flüge aufgenommen. Das ist mehr als nach DIN ISO 5129 empfohlen wird (N.N. 2003), aber wir bevorzugten eine konservative Konfiguration. Um die äquivalenten Lärmpegel zu berechnen, wurde der Mittelwert dieser Pegel genutzt, wenn deren Differenz kleiner als 5 % ist. Der äquivalenten Lärmpegel (Leq8h) wurde mittels der Gleichung nach DIN 45645-2 für eine Acht-Stunden-Periode berechnet (N.N. 1994). Diese DIN-Norm definiert Formel 1 (   Abb. 3 ), um den Beurteilungspegel zu berechnen. Lässt man die Faktoren für Tonalität und Impuls weg, die spezifisch deutsche Empfehlungen darstellen, ist die Datenauswertung mit derer anderer Länder vergleichbar und lässt sich zu Formel 2 vereinfachen (s. Abb. 3). Wir haben dies bevorzugt, um die Vergleichbarkeit mit der internationalen Literatur zu ermöglichen. Beide Formeln sollten für Lärmpegel genutzt werden, die während einer Arbeitsschicht annähernd konstant sind.

Bei Phasen mit signifikant höheren oder niedrigeren Lärmpegeln während einer Schicht, wie es bei Flugpersonal mit keiner Lärmbelastung bei der Flugplanung und einer mehr oder weniger hohen Lärmbelastung während des Fluges der Fall ist, sollte die Schicht in Bereiche mit ähnlichen Lärmpegeln eingeteilt werden. Diese Bereiche sollten nach Formel 3 berechnet werden (s. Abb. 3). Mit einer normalen Arbeitsschicht von 8 Stunden (480 min) als einen normalen Arbeitstag ändert sich die Formel zu Formel 4 (s. Abb. 3). Die Häufigkeitsanalyse des Lärms wurde in 1/3-Oktavenbändern gemäß DIN EN 61620 durchgeführt und die Datenerhebung wurde auf „schnell“ gesetzt, um die Messung von kurzen Perioden hoher Lärmpegel zu optimieren.

Um zu überprüfen, ob es Abweichungen in den Lärmpegeln der verschiedenen Messpunkte gibt, wurde für die Statistik der Wilcoxon-signed-rank-Test angewendet und p < 0,05 als signifikant definiert. Mindestens zehn verschiedene unanhängige Aufnahmen wurden an jedem Ort genommen.

Ergebnisse

Alle Lärmpegel sind als Mittelwert +/– Standardabweichung dargestellt. Für Details siehe   Tabelle 1 . Obwohl die Geräte zur Datenerhebung die Klasse 1 der DIN IEC 651 erfüllen, zeigen die Daten, die bei realen Repatriierungsflügen erhoben wurden, einen Messfehler von ~3 % und sollten daher in Klasse 2 eingeordnet werden (N.N. 1994).

Die Piloten wurden einer Lärmbelastung von bis zu 82,6 dB(A) (+/– 1,0) während eines konstanten Fluges ausgesetzt („A“ in Abb. 2). Entsprechende Messungen, die bei Manövern aufgenommen wurden, ähneln den Messungen bei konstantem Flug: 80,9 dB(A) beim Abheben, 83,1 dB(A) beim Anfliegen und 74,1 dB(A) beim Rollen. Da diese Manöver ähnliche Lärmpegel erzeugen und nur wenig Zeit im Vergleich zur Gesamtflugzeit beanspruchen, wurde der Pegel des konstanten Fluges herangezogen, um äquivalente Lärmpegel zu berechnen. Der Lärmpegel an der Position des Patienten („B“ in Abb. 2) betrug 80,8 dB(A) (+/– 2,5) bei konstantem Flug. Beim Abheben betrug der Lärmpegel 80,2 dB(A), beim Anfliegen 78,5 dB(A) und beim Rollen 78,2 dB(A). Bei Position „C“ (s. Abb. 2) wurde ein Lärmpegel von 80,7 dB(A) bei konstantem Flug und 79,7 dB(A) beim Abheben gemessen. Bei Position „D“ (Abb. 2) wurde das Personal 80,7 dB(A) bei konstantem Flug, 82,3 dB(A) beim Abheben, 80,2 dB(A) beim Anflug, 77,7 dB(A) beim Rollen und 75,4 dB(A) im Leerlauf. Bei Position „D“ (Abb. 2) betrug der mittlere Lärmpegel 82,2 dB(A) bei konstantem Flug, 88,4 dB(A) beim Starten, 86,6 dB(A) beim Anflug und 82,2 dB(A) beim Rollen. Eine typische Terzanalyse der Lärmpegel zeigt   Abb. 4 . Der gesamte Motorenlärm, der durch verschiedene Komponenten erzeugt wird, führt zu einem Kabinenlärm in einem Bereich von unter 1000 Hz und einem Motorenlärm mit einer Spitze bei 10 kHz (s. Abb. 4).

An 207 von insgesamt 660 Tagen gab es mindestens einen Repatriierungsflug und dementsprechend eine Lärmbelastung für das Personal. Die durchschnittliche Flugzeit, und dementsprechend durchschnittliche berufsbedingte Lärmbelastung pro Tag, betrug 424,4 min (+/– 167,1; Umfang 184–875 min,   Tabelle 2 ). Aufgrund des Schichtdienstes nahm jedes Mitglied des Rettungsteams durchschnittlich an jedem dritten Tag an einer Operation teil.

Die äquivalente Lärmbelastung Leq8h, die auf Basis der retrospektiven Beobachtungsdaten der Flughäufigkeit und -dauer berechnet wurde, zeigt, dass an den meisten Lärmbelastungstagen die Piloten eine Lärmbelastung von 80–82,5 dB(A) ausgesetzt sind. (47,8 % der Lärmbelastungstage,   Abb. 5 ). Die Belastung war fast identisch zu denen des so genannten „Rang 1“, der den Positionen „B“ und „C“ in Abb. 2 entspricht (Patient/Arzt). Bei 1,5 % aller Belastungstage wurden die Piloten einer erhöhten Leq8h-Belastung von 85–87,5 dB(A) ausgesetzt (s. Abb. 5). Bei den hinteren Sitzpositionen („Rang 3“, „E“ in Abb. 2) war das Verteilungsmuster von Leq8h ähnlich.

Es gab jedoch signifikante Unterschiede zwischen den überprüften Positionen mit der höchsten Leq8h von 81,8 dB(A) bei den Piloten und rund 2 dB(A) niedrigeren Leq8h bei dem medizinischen Personal an Position „C“ mit 80,0 dB(A) (s. Abb. 2) und dem Patienten (p < 0,001). Die hintere Sitzposition besaß eine Leq8h von 81,4 dB(A), die ebenfalls niedriger als die der Piloten war, aber höher als die der Patienten und des medizinischen Personals (beide p < 0,001).

Diskussion

Im Vergleich zur Besatzung von alpinen Helikopterrettungsorganisationen (Küpper et al. 2004) wurden Rettungsflugbesatzungen während Flugoperationen einer signifikant niedrigeren Lärmbelastung ausgesetzt, wenn die Kabinentür geschlossen war, obwohl die Flüge signifikant länger waren.

Es gibt einen internationalen Konsens, dass eine Lärmbelastung von über 85 dB(A) äquivalenten Lärmpegels (Leq8h) ein potenzielles Risiko für eine Gehörschädigung darstellt. Solch ein Lärmbelastung verursacht aurale und extraaurale Effekte, die temporär oder auch permanent sein können, abhängig von dem Lärmpegel und der Länge der Belastung. Im Gegensatz zu Helikoptern war der Lärmpegel in einem Learjet 35A niedriger und sollte zu keinem zusätzlichen Risiko aufgrund gestörter interner Flugkommunikation führen. Unsere Daten zeigen jedoch, dass der Lärmpegel knapp unterhalb der 85 dB(A)-„Schwelle“ liegt und die Lärmbelastung durch Funk- oder Intercom-Kommunikation um weitere 3–6 dB(A) ansteigen kann (Owen 1995; Glen u. Moorse 1977; Wolf et al. 1988). Auf der anderen Seite reduzieren Systeme zur aktiven Lärmminderung den Lärmpegel in Flugzeugen um 10–20 dB(A) (Niesl u. Arnaud 1996). Die meisten Unternehmen statten ihre Besatzung jedoch leider nicht damit aus.

Unsere Daten zeigen, dass die Besatzung eines Learjets 35A – obwohl die Belastung nur knapp unter dem Schwellenwert für berufliche Lärmbelastung liegt – nicht dem Risiko eines Hörschadens ausgesetzt ist. Die Arbeitsschichten mit durchschnittlich einer Repatriierung alle drei Tage sorgen dafür, dass die Ohren genug Zeit zur Regeneration haben. Zudem wurde der Schwellenwert von 85 dB(A) nur an wenigen Tagen überschritten. Es gibt allerdings einige Punkte, die bei einer möglichen Hörschädigung und dem Gehörschutz berücksichtigt werden sollte, nämlich Höhenhypoxie und nichtberuflicher (privater) Lärm.

Ein Vergleich mit anderen Studien ist nur begrenzt möglich, da die meisten von ihnen mit militärischen Flugzeugen durchgeführt wurden, die aufgrund der stärkeren Motoren viel lauter sind und sich diese sehr nah am Flugpersonal befinden (z. B. Jets, Jagdflugzeuge). Zudem haben alle militärischen Flugzeuge weniger Systeme zur Lärmreduktion im Chassis, um das Gewicht zu reduzieren sowie die Wendigkeit, die taktische Reichweite und die maximale Flughöhe zu optimieren. Seit den 30er Jahren ist bekannt, dass es eine Verbindung zwischen der Hörschädigung von Piloten und der Anzahl der geflogenen Stunden gibt (Dickson et al. 1939). Dies wurde in einigen weiteren, neueren Untersuchungen bestätigt. Zudem ist die Anzahl der geflogenen Stunden als unabhängiger Risikofaktor neben anderen, wie Alter und private Lärmbelastung, anerkannt (Broadwell 1987; Buyukcakir 2005; Powell et al. 2003; Raynal et al. 2006; Ribak et al. 1985). Studien, die sich auf zivile Flugzeuge konzentrieren, sind selten. Lindgren hat Daten von SAS (Scandinavian Airlines) publiziert, die ein normales Hörvermögen des Personals zeigen (Lindgren et al. 2009). Allerdings wurden die Messungen innerhalb moderner Großraumflugzeuge mit modernsten Lärmreduzierungssystemen durchgeführt. Die Größe dieser Flugzeuge mit von Passagieren und Besatzung weit entfernten Motoren stellt einen grundsätzlichen Unterschied zu dem Learjet 35A und ähnlichen Flugzeugen dar und reduziert die Lärmbelastung jeder Person an Board. Die gleiche Gruppe berichtete in einem anderen Artikel, dass der Tinnitus bei kommerziellen Piloten relativ weit verbreitet ist. Dies ist aber offensichtlich auf eine private Lärmbelastung und nicht auf die Anzahl der Flugstunden zurückzuführen (Lindgren et al. 2009). Im Gegensatz zu kommerziellen Passagiermaschinen und deren Besatzung gibt es keine Daten über Flugausbilder und Piloten von kleinen – meist privaten – Flugzeugen, obwohl dort über Lärmpegel von über 90 dB(A) berichtet wurde (Wolf et al. 1988). Nach unserem Wissen ist unsere Studie die einzige, die sich auf die Besatzung von Ambulanzflugzeugen konzentriert. Unsere Daten weisen darauf hin, dass diese Besatzung einer größeren Lärmbelastung ausgesetzt ist, als das Personal von kommerziellen Fluggesellschaften in Großraumflugzeugen, aber einer niedrigeren, als Flugausbilder oder Piloten von kleinen Flugzeugen, Jagdflugzeugen und Helikoptern.

Unsere Daten zeigen signifikante Unterschiede der Lärmpegel an typischen Plätzen innerhalb des Flugzeuges, wobei die hinteren Plätze die höchsten Lärmpegel aufweisen. Obwohl sie signifikant sind, sind die unterschiede relativ klein und nahe an dem Bereich der Messunsicherheit. Die Unterschiede ließen sich jedoch mit einigen Kontrollmessungen nach der Auswertung der Studie reproduzieren. Sie sind vermutlich auf die Geometrie des Flugzeuges zurückzuführen. Die hinteren Plätze befinden sich direkt zwischen den Motoren und der Pilot sitzt vor einer Zwischenwand, die das Cockpit teilweise von der Kabine abtrennt. Resonanzeffekte oder Echos können die Unterschiede der Lärmpegel verstärken. Für die Arbeitsmedizin und die Sicherheit sind diese Unterschiede aufgrund zweier Gründe vernachlässigbar: 1. sie sind minimal, und 2. der Platz mit der höchsten Lärmbelastung (Position „E“ in Abb. 2) wird normalerweise nicht durch die Besatzung, sondern höchstens von Begleitern des Patienten genutzt und für diese wäre die Expositionszeit für eine dauerhafte Schädigung des Gehörs mit Sicherheit zu kurz.

Da die Haarzellen des Gehörs den Sauerstoff durch Diffusion erhalten, kann die Höhenhypoxie, die in Flugzeugkabinen während des Fluges vorherrscht – sie erzeugt typischerweise einen äquivalenten Druck von ungefähr 2300 bis 2700 m – das Risiko einer Gehörschädigung durch Lärm erhöhen. Die durch Lärm induzierte reduzierte cochleäre Kapillarperfusion und die daraus resultierende Absenkung des perilymphatischen Sauerstoffpartialdrucks, kann durch das Risiko einer Hypoxie verstärkt werden (Attanasio et al. 2001; Lamm u. Arnold 1996).

Diese beiden Effekte dauern für mehrere Stunden an, selbst nach Beendigung der ursächlichen Lärmbelastung (Lamm u. Arnold 1996). Hypoxie ist ein unabhängiger Risikofaktor für eine Hörschwellenverschiebung, da eine Sauerstoffsättigung von 5 % zu einer solchen umkehrbaren Veränderung führt, die bei akklimatisierten Tieren weniger ausgeprägt ist (Attias et al. 1990). Menschen zeigen ähnliche Reaktionen bei ungefähr 4500 m ü. NN (Fowler u. Grant 2000). Tierstudien über Lärm und Höhenhypoxie zeigen eine Verbindung zwischen diesen Zuständen und möglichen Hörschäden. Es ist anzunehmen, dass es eine aktive Abgabe von ATP in die Perilymphe der Stria vascularis während einer Lärmbelastung gibt (Munoz et al. 2001). Die aktive Abgabe kann zu einer „energetischen Ermüdung“ führen und somit in einer Schwellenwertverschiebung resultieren (Munoz et al. 2001). Dieser Effekt kann bei einer Höhenhypoxie stärker ausgeprägt sein; Untersuchungen bei Menschen sind jedoch rar. Wie alle anderen Untersucher haben wir die Zeitspanne zwischen den Flügen als ruhig und ohne Risiko eines Hörschadens angesehen, aber dies ist nicht realistisch. Wie Matschke und andere gezeigt haben, ist die Bevölkerung zeitweise hohen Lärmpegeln in ihrer Freizeitbeschäftigung ausgesetzt, z. B. bei Konzerten, Benutzung von MP3-Playern, nörgelnden Vorgesetzten, Lehrern und Ehepartnern, Möchtegern-Rockstars, beim Singen unter der Dusche etc. (Babisch et al. 1988; Babisch u. Ising 1989; Matschke 1993). All diese Effekte zeigen unterschiedliche individuelle Unterschiede.

Da das Design des Flugzeuginterieurs und die Lage der Motoren in Relation zum Kabinenplatz Schlüsselvariablen im Bezug zu den Lärmpegeln während eines Fluges darstellen, ist es nicht möglich, die Resultate der Studie auf ein normal ausgestattetes Passagierflugzeug oder einen Jet anzuwenden. Aus den gleichen Gründen lassen sich unsere Daten über verschiedene Helikoptertypen auch nicht zur Bewertung des Hörschädigungsrisikos der Besatzung von Rettungsflügen heranziehen. Ein spezielles Problem stellt die Mitgliedschaft einiger Besatzungsmitglieder in privaten Rettungsorganisationen an Wochenenden dar, da sie dort hohen Lärmpegeln von Helikoptern ausgesetzt sind. Für die hier vorgestellte Studie war es nicht möglich, diese Lärmbelastung zu quantifizieren.

Die Bestimmungen der Europäischen Union (EU) bezüglich der Lärmbelastung am Arbeitsplatz haben sich kürzlich geändert (N.N. 2003a,b; 2004). Diese Vorschriften besagen, dass die Nutzung eines Gehörschutzes nicht verpflichtend ist, eine solche Ausrüstung aber den Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt werden muss. Flugrettungsgesellschaften müssen solche Ausrüstungen bereitstellen, da die EU-Bestimmungen der unteren Auslöseschwelle überschritten wurde. Für Besatzungen von Repatriierungsflügen sollten diese Geräte den Lärmpegel um mindestens 10 dB(A) senken.

Wenn diese Studie alle anderen Variablen, die eine Hörschädigung betreffen, realistisch berücksichtigt – wie die Kombination der bekannten Lärmbelastung bei oder nahe der Grenze, die vermutlich keine Schädigung hervorruft, hypobare und hypoxische Kabinenverhältnisse während des Fluges und die zusätzliche Lärmbelastung zwischen den Flugeinsätzen –, ist die konsequente Nutzung eines Gehörschutzes während der Arbeit empfohlen. Von besonderem Vorteil wären sog. „aktive“ Systeme zur Lärmminderung. Flugpersonal sollte darauf hingewiesen werden, vorsichtig mit der möglichen zusätzlichen privaten Lärmbelastungen umzugehen, da sich ihre berufliche Lärmbelastung bereits am erlaubten Limit, also in der Nähe des Risikobereichs für den Eintritt einer Gehörschädigung, bewegt.

Danksagung: Die Autoren möchten Herrn Lutz Richter, Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf/Deutschland, für seine Unterstützung bei der Datenerhebung und -auswertung danken. Ebenso ein herzliches Dankeschön an die DRF Luftrettung, Stuttgart, für die Erlaubnis, während realer Repatriierungsflüge Lärmmessungen durchzuführen, und an Audry Morrison, London, für das Korrekturlesen.

Literatur

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Für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Thomas Küpper

Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der RWTH Aachen

Pauwelsstraße 30 – 52074 Aachen

tkuepper@ukaachen.de

Fußnoten

1Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der RWTH Aachen (Direktor: Prof. Dr. med. Thomas Kraus)

2Medizinische Kommission der Union Internationale des Associations d’Alpinisme (UIAA MedCom), Bern/Schweiz

3DRF Luftrettung, Stuttgart

4Landesinstitut für Arbeitsgestaltung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

5Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Direktor: Prof. Dr. med. Peter Angerer)