Typ-I-Allergien auf Vorratsmilben bei beruflich exponierten und nichtexponierten Patienten – Herausforderung für die arbeitsmedizinische Begutachtung
Ziel: Vorratsmilben (VRM) stellen im landwirtschaftlichen Bereich eine Allergenquelle für obstruktive Atemwegserkrankungen dar, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK 4301). Durch veränderte klimatische sowie bauliche Bedingungen können VRM jedoch auch Wohnräume im städtischen Umfeld besiedeln und bei Individuen mit nicht primär risikobehafteten Berufen Ursache einer Typ-l-Allergie sein. Ziel der Untersuchung war Erfassung der Sensibilisierungshäufigkeit auf VRM bei Patienten mit allergischen Symptomen in Innenräumen.
Kollektiv und Methoden: N = 195 konsekutive Patienten einer Allergieambulanz mit Symptomen einer Innenraumallergie wurden untersucht (Pricktest, spezifisches IgE in vitro, nasale Provokation). Die Ergebnisse der individuellen allergologischen Abklärungen und demografische Daten wurden retrospektiv ausgewertet. Folgende Milbenspezies wurden berücksichtigt: Dermatophagoides pteronyssinus (Dp), Dermatophagoides farinae (Df), Euroglyphus maynei (Em), Lepidoglyphus destructor (Ld), Tyrophagus putrescentiae (Tp), Acarus siro (As), Blomia tropicalis (Bt).
Ergebnisse: Klinisch relevante Sensibilisierungen als Auslöser der Innenraumsymptomatik wurden festgestellt in 33,8 % auf Dp, 33,3 % (Df), 27,2 % (Em), 15,9 % (Bt), 14,9 % (Ld), 14,9 % (As), 13,3 % (Tp). Eine höhere Sensibilisierungsfrequenz auf Vorratsmilben bei Bewohnern ländlich geprägter Wohnorte konnte nicht festgestellt werden. Die höchsten Sensibilisierungsquoten auf die Vorratsmilben Em, Ld, Tp, As und Bt zeigten sich im untersuchten selektionierten, nicht bevölkerungsbezogenen Kollektiv in den Berufsgruppen der Fertigungsberufe (75 %), der Lehrer (50 %) und der Büroberufe (48,7 %).
Schlussfolgerungen: Sensibilisierungen auf Vorratsmilben sind Auslöser von Innenraumsymptomatik auch jenseits des landwirtschaftlichen Bereichs. Es ist sinnvoll, Vorratsmilben routinemäßig bei der Abklärung von Innenraumallergien zu berücksichtigen und bei der arbeitsmedizinischen Begutachtung zum Vorliegen einer BK 4301 dem arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest besonderes Gewicht zur Abgrenzung gegenüber außerberuflichen VRM-Sensibilisierungen beizumessen.
Schlüsselwörter: Vorratsmilben – Hausstaubmilben – Beruf – Land – Stadt
Type I allergies to storage mites in occupational exposed and unexposed patients – a challenge for the assessment in occupational medicine
Aim: Storage mites are an allergen source in the agricultural setting which may elicit obstructive airway diseases and may lead to a recognised occupational disease (BK 4301). Due to climatic and edificial changes, storage mites may also colonise living quarters in urban areas and may cause Type I allergies in individuals who are occupationally not exposed. The aim of this study was to investigate the frequency of sensitisation to storage mites in indoor-allergic patients.
Method: N = 195 consecutive patients presenting at an Allergy Outpatient Unit with indoor allergic symptoms were examined (prick-testing, specific IgE in vitro, nasal provocation). The results of the individual work-up and demographic data were retrospectively analysed. The following mite species were included: Dermatophagoides pteronyssinus (Dp), Dermatophagoides farinae (Df), Euroglyphus maynei (Em), Lepidoglyphus destructor (Ld), Tyrophagus putrescentiae (Tp), Acarus siro (As), Blomia tropicalis (Bt).
Results: Clinically relevant sensitisations eliciting the indoor-allergic symptoms were found in 33.8 % to Dp, 33.3 % (Df), 27.2 % (Em), 15.9 % (Bt), 14.9 % (Ld), 14.9 % (As), 13.3 % (Tp). In residents of rural areas, no higher frequency of sensitisation was observed. In this non-population-based study, the highest frequencies of sensitisations were found in manufacturing occupations (75 %), teachers (50 %) and office workers (48.7 %).
Conclusions: Sensitisations to storage mites as elicitors of indoor allergy can be found outside the agricultural sector. It is feasible to include storage mites routinely in the clinical work-up for indoor allergy. In the occupational medical assessment for BK 4301 it is important to distinguish between occupational and non-occupational sensitisation to storage mites with the help of specific workplace inhalant testing.
Keywords: storage mites – house dust mites – occupation – rural – urban
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 844–849
Einleitung und Ziele
Zu den in Deutschland wichtigsten Innenraumallergenen gehören die Hausstaubmilben (HSM) (Arlian et al. 2002). Durch veränderte bauliche und klimatische Bedingungen finden jedoch auch Vorratsmilben (VRM) in städtischen Wohnungen einen Lebensraum und kommen auch bei nicht beruflich Exponierten als Allergenquellen in Frage (Vidal et al. 2004). In Analysen zur deutschen Milbenfauna konnte gezeigt werden, dass die Vorratsmilben Euroglyphus maynei (Em), Lepidoglyphus destructor (Ld), Acarus siro (As) und Tyrophagus putrescentiae (Tp) auch in Deutschland nicht nur in landwirtschaftlichem Umfeld, sondern auch in städtischen Haushalten vorkommen (Franz et al. 1997a; Zahradnik et al. 2011). Blomia tropicalis (Bt) konnte bis jetzt in Deutschland nicht nachgewiesen werden. Es ist daher wahrscheinlich, dass positive Testungen auf Kreuzreaktionen mit der nahe verwandten Spezies Blomia tjibodas zurückzuführen sind, die sich in Deutschland nachweisen ließ (Franz et al. 1997a; Müsken et al. 2000). Sowohl Kreuzreaktionen zwischen HSM und VRM, als auch Milbenspezies-spezifische Allergene konnten nachgewiesen werden (Fernandez-Caldas et al. 2008; Arlian et al. 2009). Während zwischen Allergenen von D. pter und D. farinae eine ausgeprägte Kreuzreaktivität besteht, ist diese zu Vorratsmilbenallergenen meist geringer und beträgt je nach Allergen 30–95 % (Fernandez-Caldas et al. 2008).
Vorratsmilben stellen im landwirtschaftlichen Bereich eine relevante Soforttypallergenquelle für durch allergisierende Stoffen verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen dar, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (BK 4301) (Müsken et al. 2006; Nowak u. Angerer 2003). Die aktuelle Sensibilisierungshäufigkeit auf Vorratsmilben und deren klinische Bedeutung in Deutschland außerhalb des landwirtschaftlichen Risikokollektivs ist jedoch ungeklärt.
Für den süddeutschen Raum sind bisher keine Untersuchungen zur Häufigkeit von Typ-l-Sensibilisierungen auf Vorratsmilben und zu deren klinischer Relevanz bei Patienten mit allergischen Symptomen in Innenräumen publiziert. Ziel der Untersuchung war, in einem selektionierten Patientenkollektiv mit allergischen Symptomen in Innenräumen die Prävalenz und klinische Relevanz von Typ-l-Sensibilisierungen auf Vorratsmilben zu erfassen.
Kollektiv und Methode
Das retrospektiv untersuchte Patientenkollektiv (n = 195) umfasst alle Patienten, die sich vom 06.04.2005 bis 18.06.2010 aufgrund von allergischen Symptomen in Innenräumen in der Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen einer allergologischen Abklärung unterzogen. Diese umfasste neben individuellen Allergenquellen die routinemäßige spezifische IgE-Bestimmung (Phadia/Thermo Fisher Scientific, Uppsala, Sweden) und Pricktestung auf Dermato-phagoides pteronyssinus (Dp), Dermatophagoides farinae (Df), Lepidoglyphus destructor (Ld), Tyrophagus putrescentiae (Tp), Acarus siro (As) (Allergopharma, Reinbeck), Euroglyphus maynei (Em) (Roxall, Hamburg) und Blomia tropicalis (Bt) (Leti Laboratorios, Barcelona, Spanien). Als Cut-off wurde ein Quaddeldurchmesser 3 mm im Pricktest und/oder ein spezifisches IgE 0,35 kU/l festgesetzt. Als klinisch relevante Sensibilisierung (= Allergie) wurde eine Sensibilisierung bei positiver Anamnese/Provokationstestung bei entsprechender Exposition bewertet. Alle Testungen wurden ge-mäß den aktuellen Leitlinien durchgeführt (Ruëff et al. 2009; Renz et al. 2009).
Für die berufsbezogene Auswertung wurde die „Klassifizierung für Berufe“ der Bundesagentur für Arbeit in der Version von 1988 zugrunde gelegt (Bundesanstalt für Arbeit 1988). Tätigkeiten mit beruflichem Risiko für eine Vorratsmilbenallergie wurden getrennt erfasst (Gruppe 1: Landwirtschaftliche Berufe; Gruppe 4: Bäckereiberufe; Kroidl et al. 2007). Patienten, die keiner dieser zehn Gruppen zugewiesen waren, wurden in Gruppe 11 (Sonstige Berufe) zusammengefasst. Früher ausgeübte Berufe und Freizeitbeschäftigungen (mehrere Stunden pro Woche) wurden ebenfalls berücksichtigt. Somit konnten Patienten mehreren Berufsgruppen zugeordnet werden.
Die Auswertung und grafische Darstellung erfolgte mit Hilfe von MS Excel (Microsoft Office 2007), für die geografische Auswertung wurde die Postleitzahl des Wohnortes zugrunde gelegt (Microsoft MapPoint 2010, Microsoft Deutschland GmbH, Unterschleißheim, Deutschland).
Ergebnisse
Häufigkeit von Typ-I-Sensibilisierungen auf Hausstaubmilben und Vorratsmilben
Das Gesamtkollektiv (n = 195) war zu 34,4 % männlich (n = 67) und zu 65,6 % weiblich (n = 128). Das mittlere Alter betrug 42,5 Jahre, der Median lag bei 43 Jahren. Basierend auf den Befunden von Prick- und In-vitro-Testungen konnte eine Sensibilisierung bezogen auf das gesamte untersuchte Patientenkollektiv (n = 195) auf folgende Milbenspezies festgestellt werden: 38,5 % (Dp), 37,9 % (Df), 32,3 % (Em), 19,0 % (Ld), 15,4 % (Tp), 17,4 % (As) und in 17,4 % (Bt) ( Abb. 1). Klinisch relevante Sensibilisierungen mit manifesten allergischen Symptomen wurden in 33,8 % (Dp), 33,3 % (Df), 27,2 % (Em), 14,9 % (Ld), 13,3 % (Tp), 14,9 % (As) und 15,9 % (Bt) nachgewiesen (s. Abb. 1). Eine gleichzeitig bestehende Sensibilisierung auf mehrere Milbenspezies war häufig ( Tabelle 1). Da Euroglyphus maynei zwar den Lebensraum von Vorratsmilben teilt, jedoch wie Dp und Df der Familie der Pyroglyphidae mit entsprechender strukturbiologischer Ähnlichkeit angehört, werden die Untersuchungsergebnisse jeweils unter Einschluss und unter Ausschluss von Em dargestellt. Eine ausschließliche Sensibilisierung auf eine oder mehrere der VRM-Spezies Ld/Tp/As/Bt bzw. auf die Spezies Em/Ld/Tp/As/Bt ohne eine gleichzeitige Sensibilisierung auf HSM lag bei 5,1 % (n = 10) bzw. bei 8,7 % (n = 17) im gesamten untersuchten Patientenkollektiv (n = 195) vor. Monosensibilisierungen auf ausschließlich eine Milbenspezies konnten auf Dp (n = 4), Df (n = 5), Em (n = 6), Ld (n = 1), As (n = 3) und Bt (n = 5) festgestellt werden. Bezogen auf alle Patienten, die auf die jeweilige Milbenspezies positiv getestet war, zeigte sich somit eine Monosensibilisierung in 5,3 % (Dp), 6,8 % (Df), 9,5 % (Em), 2,7 % (Ld), 8,8 % (As) und in 14,7 % (Bt). Die meisten Monosensibilisierungen waren klinisch relevant, nur bei je einem Patienten (sensibilisiert auf Dp, Em bzw. Ld) zeigten sich keine klinischen Symptome.
Sensibilisierungshäufigkeit und Wohnort
Die n = 195 Patienten entstammten 78 verschiedenen Postleitzahlen-bereichen. Sowohl für die Hausstaubmilben- als auch die Vorratsmilbensensibilisierungen waren im direkten Stadtgebiet von Erlan-gen und Nürnberg festzustellen, wie auch in eher ländlich geprägter Umgebung.
Sensibilisierungshäufigkeit und Beruf
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die berufliche Zusammensetzung des untersuchten Patientenkollektivs. In der berufsbezogenen Auswertung des untersuchten selektionierten Patientenkollektivs (Anzahl der Typ-I-Sensibilisierten bezogen auf die Gesamtzahl der untersuchten Patienten aus dieser Berufsgruppe) konnte die größte Häufigkeit einer klinisch relevanten Sensibilisierung auf die Milben Em, Ld, Tp, As und Bt bei den Fertigungsberufen (62,5 %), Lehrern (50,0 %) und den technischen Berufen (42,9 %) festgestellt werden. Es folgten Schüler/Studenten (40,0 %), Büroberufe (38,5 %), medizinische Berufe und Rentner (jeweils 33,3 %), landwirtschaftliche Berufe (27,3 %), Hausfrauen/Arbeitslose (26,3 %). Bei den Bäckereiberufen waren 14,3 % klinisch relevant sensibilisiert ( Abb. 2). Bei Ausschluss von Em konnten auf die VRM Ld, Tp, As und Bt eine vergleichbare prozentuale Häufigkeit klinisch relevanter Sensibilisierungen festgestellt werden ( Abb. 3). Unter den Dp und/oder Df Sensibilisierten entfällt der größte Prozentanteil auf die Berufsgruppen der Fertigungsberufe, der Schüler/Studenten und der Lehrer ( Abb. 4).
Diskussion
Internationale Studien zeigten Vorratsmilben als dominante Allergenquelle in der Landwirtschaft (Kronqvist et al. 1999; Müsken 2009). Aufgrund des hohen Vorkommens von Vorratsmilben im landwirtschaftlichen Bereich wurde eine allergische Reaktion auf Vorratsmilben bisher vor allem im Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Tätigkeit bzw. mit der Verarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie z. B. Mehl und Getreide untersucht (Franz et al. 1997b; Ingram et al. 1979; van Hage-Hamsten et al. 1985).
Die Sensibilisierungshäufigkeit auf Vorratsmilben in anderen Berufsgruppen ist bis jetzt weitgehend unbekannt. Wir konnten zeigen, dass in dem von uns untersuchten, nicht bevölkerungsbezo-genen Kollektiv der Anteil der Sensibilisierten jeweils bezogen auf Gesamtzahl der Untersuchten einer jeweiligen Berufsgruppe bei Patienten aus Büroberufen (35,9 % ohne Einbeziehung Em/48,7 % unter Einbeziehung Em) sowie medizinischen Berufen (33,3/37,5 %) und bei Schülern/Studenten (30,0/46,7 %) eine hohe Häufigkeit an Typ-l-Sensibilisierung und klinisch manifester Allergie auf Vorratsmilben aufweist, obwohl davon auszugehen ist, dass durch den Beruf per se kein erhöhtes Risiko besteht (vgl. Abb. 2 und 3 sowie Tabelle 2). Andere Publikationen, in denen ebenfalls Typ-l-Sensibili-sierungen und manifeste Allergien auf Vorratsmilben bei Patienten festgestellt werden konnten, die keine Verbindung zu risikoreichen Berufen hatten, unterstützen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit (Iversen et al. 1990; Ebner et al. 1994; Kroidl 1998).
Im Vergleich dazu war im untersuchten Patientenkollektiv der Anteil der Sensibilisierten auf Vorratsmilben bezogen auf die Anzahl der untersuchten Patienten aus den Berufsgruppen der landwirtschaftlich tätigen Patienten (27,3 % ohne Einbeziehung von Em/45,5 % unter Einbeziehung von Em) und der Bäckereiberufe (28,6/28,6 %) nicht erhöht (vgl. Abb. 2 und 3). Es ist jedoch zu beachten, dass in der vorliegenden Arbeit ein konsekutives Patientenkollektiv mit allergischer Symptomatik in Innenräumen untersucht wurde und nicht primär spezielle Berufsgruppen. Daher kann aus den Ergebnissen keine generelle Aussage über Sensibilisierungshäufigkeiten bestimmter Berufsgruppen abgeleitet werden.
Ein Erwerb von Typ-I-Sensibilisierungen auf VRM erscheint aber im beruflichen und auch außerberuflichen Bereich möglich.
Im Rahmen der Begutachtung zur Feststellung einer BK 4301 kommt daher zur Bestimmung der beruflichen Exposition und klinischen Relevanz einer Sensibilisierung auf VRM dem Arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (AIT) besondere Bedeutung zu.
Hinsichtlich der Bäckereiberufe besteht Übereinstimmung mit anderen europäischen Studien aus Belgien, Dänemark und Großbritannien, die keine signifikante Korrelation zwischen Bäckerei-berufen und Typ-l-Sensibilisierung auf Vorratsmilben in ihrem unter-suchten Kollektiv feststellen konnten (Droste et al. 2003; Revsbech et al. 1990; Tee et al. 1992). In einem norwegischen Kollektiv konnte jedoch eine deutlich höhere Sensibilisierung auf Vorratsmilben bei Bäckereiberufen im Vergleich zur Normalbevölkerung festgestellt werden (Storaas et al. 2005).
In einer älteren Studie aus Nordrhein-Westfalen von 1992 zeigte Müsken in einem Patientenkollektiv mit möglicher allergischer Atemwegserkrankung Typ-I-Sensibilisierungshäufigkeiten auf Ld (13,6 %), Tp (13,4 %) und As (19,3 %) (Müsken et al. 1992), die mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit konkordant sind: 19,0 % (Ld), 15,4 % (Tp), 17,4 % (As). Für die Milbenspezies Em und Bt liegen keine Daten aus einem vergleichbaren Kollektiv aus Deutschland vor. In einem hochselektionierten Kollektiv asthmatischer Patien-ten, in dem 47 % landwirtschaftliche Berufe hatten und mindestens einen positiven Hauttest auf VRM aufwiesen, zeigte sich ein positiver bronchialer Provokationstest in 39 %(Dp), 87 % (Ld), 50 % (As) und 52 % (Tp) (Kroidl et al. 2007). Demgegenüber liegt unserer Arbeit ein Patientenkollektiv zugrunde, bei dem nur 5,6 % der Patienten einer landwirtschaftlichen Berufsgruppe zuzuordnen waren. Eine klinische Relevanz der Sensibilisierungen konnte in diesem Patientenkollektiv (n = 195) in 33,8 % (Dp), 33,3 % (Df), 27,2 % (Em), 14,9 % (Ld), 13,3 % (Tp), 14,9 % (As) und in 15,9 % (Bt) nachgewiesen werden.
Häufige Ko-Sensibilisierungen auf HSM und VRM wurden beschrieben (Marcos et al. 1999; Müsken et al. 2002; Yadav et al. 2006; Akdemir et al. 2009; Sidenius et al. 2001), was in der vorliegenden Arbeit bestätigt wurde: Eine Ko-Sensibilisierung auf VRM bei HSM-Sensibilisierten lag zwischen 36,5 und 71,6 %, eine Ko-Sensibilisierung auf HSM bei VRM-Sensibilisierten zwischen 79,4 und 93,3 % (vgl. Tabelle 1). Wir konnten jedoch Sensibilisierungen ausschließlich auf Vorratsmilben (5,1 % ohne Em bzw. 8,7 % unter Einbeziehung von Em, bezogen auf das Gesamtkollektiv), wie auch spezies-spezifische Monosensibilisierungen (Dp: 5,3 %; Df: 6,8 %; Em: 9,5 %; Ld: 2,7 %; As: 8,8 %; Bt: 14,7 %; bezogen auf alle auf die jeweilige Milbenspezies Sensibilisierte) identifizieren. Damit konnte gezeigt werden, dass die Sensibilisierungen auf VRM nicht ausschließlich auf Kreuzreaktionen mit HSM beruhen, sondern dass VRM-Allergene auch als primär sensibilisierende Allergenquelle bei Patienten mit allergischen Symptomen im Innenraumbereich wirkten.
Typ-I-Sensibilisierungen auf HSM und VRM konnten sowohl bei Individuen mit ländlichem als auch städtischem Wohnort nachgewiesen werden. Es lässt sich kein wesentlicher Unterschied in der geografischen Verteilung hinsichtlich der Sensibilisierungshäufigkeiten auf Hausstaubmilben und auf Vorratsmilben feststellen. Dieses Ergebnis konnte auch in spanischen Studien beobachtet werden (Boquete et al. 2000; Vidal et al. 2004). Die Auswertung basiert jedoch auf der aktuellen Wohnsituation zum Zeitpunkt der Abklärung der Symptome, eine (klinisch stumme) Sensibilisierung zu einem früheren Zeitpunkt, an dem eine andere Wohnsituation vorlag, kann basierend auf den vorliegenden Daten nicht ausgeschlossen werden. In einer Publikation (Müsken et al. 1992) wird die These vertreten, dass eine Sensibilisierung von Städtern zum Beispiel durch häufigen Aufenthalt auf dem Land denkbar sei.
Es konnte nachgewiesen werden, dass eine Typ-l-Sensibilisierung und -Allergie auf Vorratsmilben bei Individuen mit einer breiten Palette von Berufen auftreten kann. Dazu trägt vor allem eine erhöhte Luftfeuchtigkeit (Charpin et al. 2010) oder ein vermehrtes Staubaufkommen (Kroidl et al. 2007) in Arbeits- oder Wohngebäu-den bei. Eine finnische Studie zeigte, dass Vorratsmilbenallergie bei Angestellten eines Lebensmittelladens in Zusammenhang mit er-höhter Raumfeuchtigkeit und Schimmelpilzbefall stand. Die Autoren schlossen daraus, dass die Kombination aus Exposition gegenüber Milben und Schimmel die Immunantwort verändert (Koistinen et al. 2006). Ebenso konnte in anderen Studien eine erhöhte Rate an Typ-l-Sensibilisierungen auf Vorratsmilben mit einer erhöhten Raumfeuchtigkeit in Verbindung gebracht werden (Iversen et al. 1990; Vidal et al. 1997; Boquete et al. 2000). Andere zeigten die direkte Ver-bindung zwischen warmer und feuchter Umgebung und vermehrtem Vorkommen bzw. Wachstum von Vorratsmilbenpopulationen (Valdivieso et al. 2006; Danielsen et al. 2004; Aspaly et al. 2007). Energiesparmaßnahmen und damit verbunden isolierte Fenster mit vermindertem Luftaustausch in den betreffenden Gebäuden scheinen eine erhöhte Reproduktionsrate von Milben zu begünstigen (Warner 1999). Die vor allem in der Bundesrepublik wichtige Thematik der Energieeffizienz in privaten und öffentlichen Gebäuden könnte somit zu einem Anstieg von Milbenallergenen in der Raumluft führen und höhere Sensibilisierungsraten begünstigen. Dadurch kann es auch in Berufen, die nicht per se als risikobehaftet für den Erwerb einer Vorratsmilbenallergie gelten, wie es in der vorliegenden Arbeit untersucht wurde, durch die Umgebungsbedingungen am Arbeitsplatz oder zuhause zur Sensibilisierung kommen. Es erscheint daher sinnvoll, die Zuordnung einer Vorratsmilbenallergie zu altbekannten Risikoberufen zu überdenken und die klinische Relevanz und berufliche Exposition gerade bei der Begutachtung zur BK 4301 individuell basierend auf arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests zu prüfen.
Schlussfolgerung
In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass eine Typ-l-Sensibilisierung auf Vorratsmilben in dem hier untersuchten Kollektiv außerhalb von Risikoberufen und Wohnort häufig ist und zu den allergischen Symptomen in Innenräumen beitragen kann. Kreuz-reaktivität zwischen HSM und VRM ist nicht auszuschließen, jedoch konnte durch ausschließliche Sensibilisierungen auf VRM gezeigt werden, dass Allergene der VRM als primär sensibilisierende Aller-genquelle wirken können. Es zeigten sich Sensibilisierungen und Allergien auf Vorratsmilben sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten sowie in einer breitgefächerten Palette von Berufsgruppen. Bevölkerungsbezogene Untersuchungen sind nötig, um Erkenntnisse zur Prävalenz der allergologischen Relevanz auf die Milben Em, Ld, Tp, As und Bt in der Allgemeinbevölkerung und spezifisch für verschiedene Berufsgruppen zu erfassen. Jedoch scheint es basierend auf den vorliegenden Ergebnissen sinnvoll, die Rolle der Vorratsmilben bei allergologischen Fragestellungen im klinischen Alltag und in der allergologischen Testung bei Innenraum-allergien routinemäßig zu berücksichtigen und die klinische Bedeutung mit Provokationstest gegebenenfalls auch AIT zu sichern.
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Interessenkonflikt: Die Autoren geben keine Interessenskonflikte an.
Für die Verfasser
Prof. Dr. med. Vera Mahler
Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen
Ulmenweg 18 – 91054 Erlangen
Fußnoten
1 Hautklinik des Universitätsklinikums Erlangen (Direktor: Prof. Dr. med. Gerold Schuler)
2 Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie (Chefarzt: Dr. med. Günter Gläßel), Klinikum Fürth
3 Lehrstuhl für Medizinische Informatik (Lehrstuhlinhaber: Prof. Dr. biol. hom. Hans-Ulrich Prokosch), Universitätsklinikum Erlangen