Der Alfons W. Gentner Verlag GmbH & Co. KG fördert die Forschung in der Präventivmedizin, in der Gesundheitsförderung, in der Rehabilitation, im öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Bevölkerungsmedizin, insbesondere in der Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin. Zudem ist es ein Anliegen des Alfons W. Gentner Verlags, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Prävention, Gesundheitsförderung und dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement einem großen Leserkreis vorzulegen. Dabei wird auf die Verbindung von Wissenschaft und Praxis ein großes Augenmerk gelegt. Aufgrunddessen prämiert der Alfons W. Gentner Verlag einmal jährlich durch die Chefredaktion Autoren, die eine herausragende wissenschaftliche Originalarbeit oder Übersichtsarbeit in der ASU Arbeitsmedizin – Sozialmedizin – Umweltmedizin, Zeitschrift für medizinische Prävention veröffentlicht haben. Das Preisgeld des „Best Paper Award“ in Höhe von 1500 Euro und die Urkunde werden im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) verliehen.
Die Verleihung des ASU Best Paper Award 2017 erfolgt unter neuer Leitung: Frau Prof. Dr. med. Elke Ochsmann ist seit 2016 Ressortleiterin Wissenschaft, Frau Dr. med. Annegret Schoeller Chefredakteurin von ASU. Im Jahr 2017 wird der Best Paper Award an einen Beitrag verliehen, der die Redaktion und die beratende wissenschaftliche Jury inhaltlich und methodisch besonders überzeugt hat und ein hochinteressantes Thema aus dem weit gefächerten Gebiet der Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin oder benachbarter Bereiche aufarbeitet.
In dem Beitrag „… und wann kümmern wir uns um den Fahrer?“ – Erstbetreuung als Teil der Versorgung bei drohender psychischer Traumatisierung im Fahrdienst“ referiert die Autorengruppe N. Wrengler, A. Voss, W. Uter, A. Martin und H. Drexler um die Erstautorin Frau Annika Clarner über ein wichtiges, aber in der Praxis und Wissenschaft oft noch nicht ausreichend behandeltes arbeitsmedizinisches Thema, nämlich die Relevanz der Versorgungspraxis bei Schadensereignissen im Schienen-, Transport- und öffentlichen Nahverkehr.
Das Autorenteam aus dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin und dem Institut für Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie der Abteilung für klinische Psychologie und Psychotherapie der Bergischen Universität Wuppertal greift dabei auf zwei historische bzw. retrospektiv betrachtete Kohorten, bestehend aus 59 bzw. 259 Fahrdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern des öffentlichen Nahverkehrs, zurück, um Erstbetreuungssysteme wissenschaftlich zu evaluieren und hinsichtlich der Versorgung der Mitarbeiter, die ein potenziell traumatisches Ereignis erlebt haben, einzuschätzen.
In beiden Kohorten wurden existierende Daten mittels eines eigens entwickelten, standardisierten Messinstruments rückblickend erfasst und ausgewertet. Als Zielgrößen dienten den Autoren hierbei betriebliche Ausfallzeiten, gemessen anhand dokumentierter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, und fachärztlich klassifizierte psychische Traumafolgestörungen. Als abhängige Variablen bzw. Prädiktoren wurden die durchgeführten, verschiedenen Erstbetreuungsarten herangezogen: die arbeitsmedizinische Erstbetreuung, die kollegiale Erstbetreuung, die hierarchische Erstbetreuung und die fehlende standardisierte Erstbetreuung. Ein weiterer Prädiktor für Ausfallzeiten und posttraumatische Belastungsfolgen, der in die Berechnung der Modelle eingebracht wurde, war die stattgefundene Unfallschwere, die bei allen Fragestellungen berücksichtigt wurde.
Im Ergebnis konnten die Autoren der Arbeit darstellen, dass – wie erwartet – die Unfallschwere einen maßgeblichen Einfluss auf Ausfallzeiten und Traumafolgen hat. Darüber hinaus konnten sie jedoch auch feststellen, dass die Betreuungsform auf die gewählten Zielgrößen Einfluss nehmen kann. So wurde vor allem bei der Betreuung durch Vorgesetzte eine – im Vergleich zur Betreuung durch Kollegen – Verlängerung der betrieblichen Ausfallzeit beobachtet, die sich allerdings vor allem bei traumatischen Ereignissen geringeren Schweregrades durch einen statistisch signifikanten Unterschied hervorhob. Aber auch ohne posttraumatische Betreuung konnte (im Vergleich zur kollegialen Betreuung) ein Trend zu geringeren betrieblichen Ausfallzeiten und Traumafolgen aufgezeigt werden, allerdings nur dann, wenn eine gesicherte arbeitsmedizinische Folgebetreuung vorlag.
Somit ist es den Autoren des vorliegenden Beitrags durch die retrospektive Analyse der Daten eines großen Unternehmens des öffentlichen Nahverkehrs auch gelungen, eine Empfehlung des National Institutes for Health and Care Excellence aus Großbritannien zu bestätigen, das in Fällen geringen Unfallschweregrades ein „beobachtendes Abwarten“ mit niedrigschwelligem Zugang zu weiterführender arbeitsmedizinischer Betreuung empfiehlt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Autoren mit der vorliegenden Arbeit ein wichtiges und bis dato immer noch eher vernachlässigtes Thema im arbeitsmedizinischen Feld adressiert haben. Es gelingt ihnen, komplexe Assoziationen anhand historischer Datenaufarbeitung herauszuarbeiten und ein relevantes Ergebnis für die Praxis abzuleiten bzw. zu bestätigen.
Diese Pionierarbeit wird von der Redaktion und der wissenschaftlichen Jury der Zeitschrift ASU mit dem Preis „Best Paper Award“ des Jahre 2017 gewürdigt, indem er an Frau Clarner, Frau Voss und Prof. Dr. Drexler – stellvertretend für alle anderen Beteiligten – verliehen wird.
Dr. med. Annegret E. Schoeller
Chefredakteurin