Die Grippeschutzimpfung verhindert derzeit jährlich etwa 5 Millionen Infektionen in Deutschland. Das zeigt ein aktuelles Simulationsmodell, das in Kooperation von Softwarefirmen und ärztlichen Experten entwickelt und finanziell von GSK unterstützt wurde [1]. Zusätzliche 395 000 Influenza-Infektionen könnten jährlich verhindert werden, wenn statt der trivalenten Standard-Grippevakzine deutschlandweit die innovativen tetravalenten Impfstoffe verwendet würden. Diese zukunftsweisenden Ergebnisse wurden aktuell in der Fachpublikation BMC Infectious Diseases veröffentlicht [1].
Vermeidung von rund 400 000 bis 850 000 Influenza-B-Infektionen
Die Simulationen zeigen, dass die derzeit gebräuchliche Impfung mit trivalenten Standard-Grippe-Impfstoffen die Grippe-Inzidenz im Vergleich zum Szenario ohne Grippe-Impfung substanziell reduziert. Die Verwendung eines tetravalenten Grippe-Impfstoffs reduziert die verbliebene jährliche Infektionsrate durchschnittlich um weitere 395 000 Fälle. Dadurch können 11,2 % aller verbliebenen Influenza-B-Fälle verhindert werden, die es bei der Verwendung trivalenter Grippe-Impfstoffe noch gibt. Dieses Ergebnis hängt auch davon ab, wie stark der wechselseitige Immunschutz (Kreuzprotektion) zwischen den beiden Influenza-B-Linien ist. Bei den Simulationen wurde von einem relativ hohen Wert von 60 % ausgegangen. Wenn man dagegen eine geringere Kreuzprotektion bei den Influenza-B-Linien annimmt, könnte die Anzahl der durch tetravalente Grippe-Impfung verhinderten Fälle bis zu einem Faktor von 5,5 höher sein: Bei Annahme von nur 30 % Kreuzprotektion zwischen den B-Linien könnten 853 000 Influenza-B-Infektionen vermieden werden. Abhängig vom Grad der B-Linien-Kreuzprotektion könnten tetravalente Grippe-Impfstoffe die Influenza-B-Inzidenz um 11–33 % reduzieren.
Simulationsmodell errechnet realitätsnah Influenza-Erkrankungszahlen
Bei der Erstellung des Simulationsmodells wurde die Übertragung der Influenza sehr detailliert nachgebildet. Dies betrifft besonders die komplexe Immunitätsdynamik der Influenza, die auch das Auftreten neuer Influenzavarianten berücksichtigt, und bei der eine bestehende Immunität langsam wieder verloren geht oder durch Impfungen und Infektionen aufgefrischt werden kann. Um den Effekt trivalenter und tetravalenter Grippe-Impfstoffe möglichst realistisch vergleichen zu können, wurden gleichzeitig vier Influenza-Stämme simuliert und dabei noch eine Kreuzprotektion zwischen den B-Linien angenommen. Die Simulation erfolgte auf Basis virtueller Einzelpersonen, die über ein dynamisches, altersabhängiges Kontaktnetzwerk mit einander verbunden sind, das auf einer EU-Studie basiert (POLYMOD-Matrix) [2, 3]. Die Altersverteilung bildet demografische Daten und Vorhersagen für Deutschland ab. Die Kalibrierung erfolgte auf Basis einer beobachteten jährlichen Infektionsrate von 10,6 % unter jungen Erwachsenen. Die Impfabdeckung der jährlich im Oktober und November durchgeführten Impfungen hängt bei der Simulation von Alter, Risikostatus sowie dem vorherigen Impfstatus ab und entspricht den Rahmenbedingungen in Deutschland.
Die Simulationen werden über 50 Jahre ausgeführt: Dabei wird in den ersten 30 Simulationsjahren eine realistische Altersverteilung der Immunität in der Bevölkerung erzeugt; erst in den letzten 20 Jahren der Simulation erhalten Individuen tetravalente Grippe-Impfungen oder werden mit trivalent geimpften Individuen verglichen. Auch die kontinuierliche Veränderung der Influenza-Viren wird in Betracht gezogen: Bei Auftreten einer neuen Virusvariante steht plötzlich ein Teil der Bevölkerung ohne Immunschutz da; die Einschleppung erfolgt zudem in einigen Jahren so unerwartet, dass die Impfstoff-Wirksamkeit gegen diese neuen Viren wesentlich geringer ausfällt als in den anderen Jahren.
Simulationsmodell als Ersatz für klinische Studien valide
„Dieses Individuen-basierte Simulationsmodell ist qualitativ und wissenschaftlich hochwertig, da es so nah wie möglich an der Realität ist. Real-Life-Studien wären in diesem Bereich ja nur äußerst schwer durchführbar“, erklärt Prof. Dr. Martin Eichner, der das Simulationsmodell bei der Epimos GmbH in Dusslingen entwickelt und die Simulationen leitend durchgeführt hat. „Für den Vergleich des Erfolgs einer trivalenten versus einer tetravalenten Grippe-Impfstrategie sind klinische Studien sehr schwer durchführbar, da jede Grippe-Saison anders verläuft und nicht planbar ist“, ergänzt Prof. Dr. Markus Knuf von der Wiesbadener Dr. Horst Schmidt Klinik. „So ist beispielsweise nicht absehbar, ob eine der beiden möglichen B-Linien dominiert und ob sich daraus eine Abweichung zu der von der WHO empfohle-nen Impfstoff-Zusammensetzung ergibt. Da so ein „mismatch“ nicht vorhersehbar ist, sind klinische Studien nicht zielführend. Das Simulationsmodell ist zur Generierung valider Ersatzdaten extrem wichtig und hilfreich.“
Quellen
[1] Martin Eichner, Markus Schwehm, Johannes Hain, Helmut Uphoff, Bernd Salzberger, Markus Knuf and Ruprecht Schmidt-Ott: 4Flu – an individual based simulation tool to study the effects of quadrivalent vaccination on seasonal influenza in Germany. BMC Infectious Diseases 2014 14:365. (http://www.biomedcentral.com/1471-2334/14/365)
[2] http://ec.europa.eu/research/health/infectious-diseases/emerging-epidemics/projects/142_en.html
Fußnoten
1 Das Simulationsmodell wurde von Prof. Dr. Martin Eichner (Universität Tübingen und Firma Epimos GmbH) in Kooperation mit ärztlichen Experten und mit der Softwarefirma ExploSYS GmbH entwickelt und finanziell von GSK unterstützt.