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25 Jahre Akademie für Arbeitsmedizin Linz, Oberösterreich

Am 9. Mai 2014 hat die Linzer Akademie im Alten Rathaus der Stadt Linz in einem Festakt sich ihres 25-jährigen Engagements in der Weiterbildung von Ärzten/Ärztinnen zum Berufsfeld Arbeitsmedizin erinnert. In dem mit Industrie, Gewerbe und Dienstleistung hoch entwickelten Oberösterreich mit Linz als Zentrum bestand eine hohe Nachfrage nach qualifizierten ärztlichen Fachkräften für diese präventivmedizinische Tätigkeit; dies führte zur Gründung der Akademie.

Gesetzliche Verpflichtungen und ebenso ein gewachsenes Bewusstsein bei Unternehmen wie Gewerkschaften zur Sicherung von Gesundheit bei den Erwerbstätigen wa-ren die Gründe dafür. Das Linzer Weiterbildungsmodell startete im Mai 1989 mit einem Pilotprojekt über drei Monate mit 12 Ärzten/-innen, anerkannt und finanziell unterstützt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Bildungsarbeit sollte für die betriebsärztliche Betreuung von Klein- und Mittelbetrieben in einem breiten Bran-chenspektrum qualifizieren, zu einem verstärkten Einsatz von hauptberuflich tätigen Betriebsärzten/-innen führen und als Vorbereitung auf den Facharzt für Arbeitsmedi-zin dienen.

Ausbildungsziele

Das primäre Ausbildungsziel lag und liegt in der Vermittlung spezifischer professioneller Handlungskompetenz für die betriebsärztliche Tätigkeit in verschieden Branchen mit je unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten. Lehr- und Lerninhalte waren und sind selbstverständlich die klassischen Themenfelder der physiologischen, toxikologischen, klinischen und epidemiologischen Arbeitsmedizin. Bewusst wurde allerdings der Bildungsprozess auf den Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten zu folgenden Punkten abgestellt:

  • systematisches Erkennen und Bewerten von Arbeitsbelastungen, Gesundheitsgefährdungen und Defiziten der menschengerechten Arbeitsgestaltung;
  • Thematisierung dieser Problemkomplexe gegenüber Verantwortlichen und Betrof-fenen mit argumentativer Begründung auf Basis der Kenntnisse über Pathogenese der arbeitsbedingten Erkrankungen bzw. Salutogenese zur Sicherung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit;
  • Wahrnehmen und Akzeptieren von Wis-sensbeständen, Erfahrungen und Metho-den anderer arbeits- und gesundheitswissenschaftlicher Disziplinen;
  • Ausbilden einer spezifischen betriebsärztlichen Professionalität und Identität, die vor dem Hintergrund der Sozialisation in der kurativen auf einzelne Patienten bezogenen Medizin einen Perspektivenwechsel auf Prävention und Gesundheitsförderung vornimmt.

Betriebsärzte und Betriebsärztinnen sollen in der Lage sein, sich mit ihrer fachlichen Expertise für die gesundheitsgerechte Organisationsentwicklung des Betriebs einzusetzen.

Ein solch zentraler Wechsel bzw. eine derartige notwendige Erweiterung im Wissenskanon, Methodenrepertoire und in Handlungskompetenz erfordert ein elaboriertes didaktisches und pädagogisches Konzept. Bedauerlicherweise konnte und kann nicht auf ausgearbeitete und wissenschaftlich basierte Bildungskonzepte in der Medizin, schon gar nicht in der präventivmedizinischen Spezifität der Arbeitsmedizin zurückgegriffen werden. Es musste also ein eigenes didaktisches und pädagogisches Konzept für den dreimonatigen Lehrgang erarbeitet werden.

Das Ausbildungskonzept bezieht wesentliche Anregungen aus der aktivierenden Bildungsarbeit, aus Ansätzen der Erwachsenenbildung und der berufsbegleitenden Weiterbildung sowie aus Erfahrungen problemorientierten Lehrens und Lernens (Mc-Master University, Hamilton, Ontario).

Methodik

Neben Referaten und Vorträgen werden in Projektarbeiten zu betrieblichen bzw. arbeitsplatzspezifischen Problemkomplexen Fallstudien in Kleingruppen in so genannten regionalen Teams erarbeitet. Die Lernform ermöglicht einen hohen Grad an Selbststeuerung des Lernprozesses auf der Basis entwickelter und ständig zu stabilisieren-der Motivation. Problemlösungsverhalten und begründete fachliche Expertise wird gegenüber dem Faktenerlernen eindeutig der Vorrang eingeräumt. Die regionalen Teams, bestehend aus maximal drei Teilnehmer,-innen,werden jeweils durch aktive Betriebsärzte,-innen mit langjährigen Erfahrungen (Mentor,-in) betreut. Die Men-toren und Mentorinnen treffen sich etwa ein- bis zweimal im Jahr für einen Erfahrungsaustausch und zur Weiterentwicklung der Bildungskonzeption.

Die Linzer Akademie suchte den Kontakt mit anderen Einrichtungen zur Ausbildung von Betriebsärzten in Europa und wurde 1994 Gründungsmitglied der European Assoziation of Schools for Occupational Medicine, EASOM. Innerhalb der EASOM beteiligt sich die Linzer Akademie seitdem an der länderübergreifenden Debatte um die Weiterentwicklung der Ausbildung, insbesondere durch Beiträge im Rahmen der EASOM Summer Schools und durch die Organisation von Exkursionen für LehrgangsteilnehmerInnen.

Um die im Betrieb geforderte Zusammenarbeit mit den Sicherheitsfachkräften auch in der Ausbildung abzubilden und zu trainieren, hat die Linzer Akademie als einzige der österreichischen Ausbildungseinrichtungen für Arbeitsmedizin auch die Berechtigung zur Ausbildung von Sicherheitsfachkräften erworben und einen entsprechenden Stock von ReferentInnen auf-gebaut. Einzelne Ausbildungsschritte finden gemeinsam statt, vor allem einige theore-tische Elemente, die in Grundzügen von beiden Gruppen erfasst werden sollten. Von großer Bedeutung ist auf jeden Fall, dass die Akademie, wo immer möglich, die regionalen Lernteams mit TeilnehmerInnen beider Disziplinen besetzt, wodurch bereits im Ausbildungsprozess die Betriebsbegehungen und die Reflexion darüber interdisziplinär geschieht.

Im Laufe der 25 Jahre wurden 647 Ärzte ausgebildet, im sicherheitstechnischen Zweig knapp 100 Sicherheitsfachkräfte und, ebenfalls mit gemeinsamen praktischen Elementen, etwa 50 arbeitsmedizinische AssistentInnen.

Ablauf der Veranstaltung

Die Festveranstaltung wurde von Dr. Reinhard Jäger, dem inhaltlich verantwortlichen Leiter der Ausbildung eröffnet. Er stellte die Anfänge der Akademie dar, die Schwierigkeiten der Gründungsphase und gab einen kurzen Abriss des didaktischen Konzepts und der einzelnen Elemente der Ausbildung.

Der Bundesminister für Gesundheit, Alois Stöger, ging in seinen Ausführungen auf die große Bedeutung von Gesundheitssicherung in der Lebenswelt Erwerbsarbeit ein und beschrieb, welche Fortschritte Dank politischer Aktivität eben auch in den frühen 80er Jahre im Bereich der Gewerkschaften und der Arbeiterkammern das Thema Gesundheit gemacht habe. Er verwies auf die besondere Bedeutung der betriebsärztlichen Expertise für die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten. Er forderte die BetriebsmedizinerInnen auf, sich nachhaltig für eine gesundheitsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen engagiert einzusetzen. Dies sei sowohl im Verständnis der klassischen Erkenntnisse der Arbeitsmedizin zu den Risiken und Gefährdungen wie Unfälle und Berufskrankheiten, aber ebenso im modernen Verständnis von Gesundheitsförderung und menschengerech-ter Gestaltung der Arbeit notwendig.

Arbeitsmedizin solle die Konzepte und Methoden von Public Health aufgreifen und sich als ein Fach verstehen, das durch aktives Eingreifen in die Betriebe auf Basis der EU-Regelungen das öffentliche Interesse an gesunden Arbeitsbedingungen repräsentiert. Als Bundesminister würde er sich stark dafür einsetzen, dass in der geplanten Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz Public Health und Arbeitsmedizin einen angemessenen Platz bekommen würden.

Den Festvortrag hielt Univ.-Prof. Dr. Jörg Flecker, Institut für Soziologie, Universität Wien, zum Thema „Schöne neue Arbeitswelt“. Zwar bestünden weiterhin die alten Probleme wie körperliche Schwerarbeit, toxische Belastungen, belastende Arbeitszeiten, aber die modernen Arbeitsbedingungen in allen Branchen und beruflichen Tätigkeiten zeigten hochgradige psychosoziale Stresssituationen. Dies verlange von der Arbeitsmedizin eine wachsende Bereitschaft auf inter- bzw. transdisziplinäre Kooperation mit Psychologie und Soziologie in Forschung und Praxis. Im Gegensatz zu den derzeit spürbaren Tendenzen, die täglichen Arbeitszeiten wieder zu verlängern, sprach er sich deutlich für eine Verkürzung der Arbeitszeit aus.

RepräsentantInnen von AUVA, ÖGA (Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin), Ärztekammer Oberösterreich und Arbeitsinspektion wurden auf ihre Erfahrungen und Bewertungen mit dem Stand der Arbeitsmedizin in Österreich generell und in den Betrieben spezifisch befragt. Es wurde eine in den letzten Jahrzehnten gewachsene Relevanz festgestellt, aber eine institutionelle Verankerung in Forschung und Lehre in den Medizinischen Fakultäten Österreichs sei nicht erreicht, so die Präsi-dentin der ÖGA, Dr. Christine Klien. Eben-so wurde der eklatante Mangel an Fachärzten für Arbeitsmedizin beklagt.

Besonders beeindruckende und überzeugende Statements kamen von zwei Absolventinnen des Lehrgangs, einem Mentor und einem Referenten der Ausbildung. Die Absolventinnen gaben der Ausbildung Höchstnoten und hätten sich sehr gern eine ähnlich hohe Qualität im Medizinstudium und in der Ausbildung in der klinischen Weiterbildung gewünscht. Für sie sei das systematische Fachwissen, das Erfahrungswissen und die professionellen Handlungsmuster sowie die unerlässlichen Fähigkeiten und Fertigkeit für ein erfolgreiches Wirken in den Betrieben in dem Lehrgang so erfolg-reich vermittelt worden, dass sie eine hohe Berufszufriedenheit und Bestätigung erleben würden.

Am Ende der Veranstaltung skizzierte Prof. Rainer Müller, ehemals Universität Bremen und Betriebsarzt der Flughafen Bremen GmbH sowie seit Beginn engagierter Berater und Referent der Linzer Akademie, das Ausbildungsziel Professionalität als Betriebsarzt/Betriebsärztin und betonte die doppelte theoretische wie praktische Perspektive von Krankheit und Gesundheit, von kurativer Heilung und Prävention, von Patientenorientierung und Orientierung auf Interaktion Arbeitswelt und Arbeitsperson, von Individualmedizin/Biomedizin und Public Health. Um die Attraktivität der Tätigkeit als Betriebsarzt/Betriebsärztin zu sichern, sei es dringend nötig, gerade bei dem herrschenden Ärztemangel Studenten schon im Medizinstudium mit dem Fach bekannt zu machen; dafür sei der Ausbau des Fachs in Lehre und Forschung an allen Medizinischen Fakultäten, so auch in Linz, unbedingt erforderlich. Mittlerweile genieße in der Betriebswirtschaft wie auch in den Unternehmen das Thema Human-kapital eine wachsende Aufmerksamkeit. Denn sowohl betriebliche wie auch volkswirtschaftliche Produktivität basiere auf entwickeltem Arbeitsvermögen als Teil von Humanvermögen. Für die Sicherung von Arbeitsvermögen ist die arbeitsmedizini-sche Expertise, getragen von einer entwickelten betriebsärztlichen Professionalität, unerlässlich.

Die Feier wurde musikalisch begleitet von den Boalous aus Graz: Clementine Fuchs (Geige, Komposition), Dr. Kurt Leodolter (Schrammelharmonika und früherer Absolvent der Ausbildung) und Ludwig Zeier (Kontrabass). Moderiert wurde die Veranstaltung von Dir. i. R. Wolfgang Winkler (ehemals künstlerischer Leiter des Brucknerhauses Linz).

Gerhard Elsigan, Reinhard Jäger, Rainer Müller

Korrespondenz:

Dr. med. Reinhard Jäger

Linzer Akademie für Arbeitsmedizin und Sicherheitstechnik

Kaplanhofstrasse 1 – 4020 Linz

jaeger@amd.at

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