Am 27. März 2020 ist kurz nach seinem 67. Geburtstag unser lebensfroher Freund und langjähriger Wegbegleiter Prof. Dr. Thomas Ludwig Diepgen verstorben. Er hat seine schwere Krankheit geduldig ertragen und wollte sein privates und berufliches Umfeld nicht damit belasten, so wie Thomas stets seine Aufgaben bewältigte, ohne damit seine Mitmenschen in Anspruch zu nehmen. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie, insbesondere seinem Sohn Kento, dem es leider nicht vergönnt sein wird, seinen großartigen Vater im Heranwachsen kennen und schätzen zu lernen. Er hätte seinem Sohn so gerne noch viel mitgeben und lehren wollen.
Zu seinem 65. Geburtstag haben wir einen hochaktiven und erfolgreichen Kollegen akademisch zu würdigen versucht, der als Brückenbauer zwischen verschiedenen Disziplinen, insbesondere zwischen Dermatologie, Arbeitsmedizin und Epidemiologie, Großes geleistet hat. Thomas Diepgen war fast 20 Jahre als Direktor des Instituts für Sozialmedizin der Universität Heidelberg wissenschaftlich erfolgreich aktiv. Sein Herz schlug stets für die Dermatologie, was er auch als Sozialmediziner und Epidemiologe nie verleugnete, auch wenn er über Umwege zur Dermatologie kam.
Nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Regensburg und der Ludwig-Maximilian-Universität München studierte er Medizin in seiner fränkischen Heimat, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Dort promovierte er auch über „Statistical analysis of the genetic of the human serum-Paraoxonase in different ethnic groups“, womit sein Interesse für die medizinische Statistik vorgezeichnet war, und trat danach eine Stelle am Institut für Medizinische Statistik und Informatik der Universität Erlangen an. Hier erlernte er das Handwerkszeug der medizinischen Epidemiologie, die er dann über Jahrzehnte hinweg erfolgreich in der Dermatologie anwandte. 1987 wechselte Thomas Diepgen zur Facharztweiterbildung in Dermatologie, anschließend ergänzt um die Zusatzbezeichnungen in Allergologie, Umweltmedizin, Phlebologie, an die Erlanger Universitäts-Hautklinik, die seinerzeit unter der Leitung von Otto Paul Hornstein (1926–2018) stand. In Erlangen habilitierte sich Thomas Diepgen über das Thema „Biometric analysis of diagnostic criteria of atopic skin diathesis with respect to epidemiological and occupational aspects”. Aus dieser Schrift ging der „Atopie-Score nach Diepgen“ hervor, der zu einem unverzichtbaren klinischen Werkzeug für die Beurteilung der atopischen Hautdiathese wurde und seinen Namen in der Dermatologie unvergesslich machen wird.
In der Berufsdermatologie und Allergologie hat Thomas Diepgen, mit dem Schwerpunkt auf epidemiologischen Fragen, bis zu seinen letzten Tagen intensiv gearbeitet und wissenschaftlich publiziert. In Scopus finden sich 629 Publikationen von ihm; fünf dieser Publikationen sind noch im Jahr 2020 erschienen. Seine zahlreichen Buchveröffentlichungen umfassen Fach- und Lehrbücher zum Bioengineering, zu berufsbedingten Haut- und Atemwegserkrankungen, zur Hautalterung, zur evidenzbasierten Dermatologie und zur Epidemiologie.
Zwei Entwicklungen in der deutschen Berufsdermatologie wurden wesentlich durch seine Arbeiten befördert: Zu einer Bestandsaufnahme der Berufskrankheit 5101 organisierte er 1993 in Bamberg eine interdisziplinäre Tagung, die namensgebend für die 10 Jahre später publizierten Gutachtenempfehlungen war. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Bamberger Empfehlungen“ der ABD leitete er über Jahrzehnte bis zu seiner Pensionierung 2018. Die flächendeckende Etablierung eines stationären Heilverfahrens in der Prävention der BK 5101 und die Aufnahme der Berufskrankheit 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ in die BK-Liste wären ohne sein Engagement nicht denkbar gewesen. Damit hat er für die deutsche Berufsdermatologie über die klassische Dermatoallergologie in der Dermatoonkologie ein neues Tätigkeitsfeld für Diagnostik, Therapie und Prävention eröffnet.
Arzt und Wissenschaftler, Europäer und Weltbürger
Thomas Diepgen blieb nicht im heimischen Erlangen oder im heimeligen Heidelberg, sondern wirkte weit darüber hinaus, insbesondere durch sein Engagement in der European Society of Contact Dermatitis (ESCD), der er als sehr erfolgreicher Schatzmeister und Präsident (2000–2005) diente und deren gutbesuchten Kongress 2006 in Berlin er organisierte. Sowohl in der European Environmental Contact Dermatitis Research Group (EECDRG) als auch in der International Contact Dermatitis Research Group
(ICDRG) war er aktiv und an vielen internationalen allergologischen Multicenterstudien führend beteiligt. Als eines der Gründungsmitglieder des European Dermato-Epidemiology Networks (EDEN) und Präsident der EDEN-Steering Group hat er internationale dermatoepidemiologische Studien, wie die „EDEN-Fragrance Study“ mitinitiiert und mitgeleitet. So entstanden enge Freundschaften von Thomas Diepgen mit dermatologischen, allergologischen und arbeitsmedizinischen Kollegen in allen Erdteilen. Die dermatologische Community war sein Leben.
Thomas Diepgen war immer gerne auf Reisen. Als gefragter Referent bei dermatologischen Kongressen in aller Welt, bei den Meetings der von seinem akademischen Lehrer mitbegründeten German-Japanese Society of Dermatology und in unzähligen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen. Er organisierte aber auch selbst gerne Kongresse, die nicht nur stets von hoher wissenschaftlicher Qualität waren, sondern auch immer ein unvergessliches Rahmenprogramm umfassten. Mit der 2. ABD-Tagung 1992 in Erlangen gab er den Startschuss für die so erfolgreiche Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie und als Mitorganisator der im zweijährigen Rhythmus stattfindenden „Dermatologischen Alpenseminare“ schuf er den Raum und die Atmosphäre für die freundschaftliche Verbundenheit der deutschsprachigen Berufsdermatologen. Mit Recht dürfen wir sagen: Thomas war ein Gestalter und nicht nur ein Verwalter!
Trotz seines hohen beruflichen Engagements hatte sich Thomas Diepgen immer auch den Sinn für die schönen Dinge des Lebens erhalten. Er konnte Kunst ebenso genießen wie einen guten Wein und ein schönes Essen, er war ein geistreicher Konversationspartner mit feinsinnigem Humor und konnte eine Fünf durchaus auch mal als gerade durchgehen lassen. Thomas hat gerne gelebt, konnte sich am Leben freuen und hat stets dazu beigetragen, dass seine Freunde es mit ihm genießen konnten.
In tiefer Trauer nehmen wir von unserem hochgeschätzten Kollegen und lieben Freund Thomas Diepgen Abschied und bedauern es unendlich, dass es uns derzeit die aktuelle Lage aufgrund der COVID-19 nicht erlaubt, in einer ihm angemessenen Trauerfeier seiner zu gedenken. Dies werden wir sobald als möglich nachholen.
Im Namen Deiner berufsdermatologischen Freunde!
Peter Elsner, Jena
Hans Drexler, Erlangen