In: Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53 (2): 118–124
Mit Interesse haben wir die detaillierte Literaturanalyse der Autorinnen und Autoren zum Zusammenhang zwischen Pneumonien und Schweißrauch- bzw. Metallexpositionen am Arbeitsplatz gelesen. Grundsätzlich begrüßen wir die Schlussfolgerung, dass bei entsprechenden Expositionen eine Pneumokokken-Impfung angeboten werden sollte.
Wir würden allerdings empfehlen, den Kreis der Personen, denen ein Impfangebot gemacht werden soll, zu konkretisieren. Die publizierten Daten, insbesondere zu den Tätigkeiten der Schweißer, machen keine Angaben zu den eingesetzten technischen Verfahren, der anzunehmenden Höhe der Emissionen oder zu Schweißrauchmessungen. Daher lässt sich unseres Erachtens derzeit kein wissenschaftlich begründbarer Dosis-Schwellenwert für das Angebot der Impfung ableiten. Diesbezüglich ergibt die Literatur auch nach unserer eigenen Recherche (Zschiesche et al. 2017) keine ausreichenden Hinweise auf das Ausmaß des Pneumonierisikos in Abhängigkeit von Höhe und Dauer der Exposition.
Die Autoren weisen zu Recht auch darauf hin, dass mittlerweile einige Publikationen zu den anzunehmenden Pathomechanismen vorliegen. Ergänzend zu den zitierten Daten gibt es nunmehr auch Untersuchungen zum Verhalten von T-Helfer-Zellen von Schweißern auf eine Exposition mit bakteriellen Zellwandbestandteilen, die den Kausalzusammenhang ebenfalls erhärten (Knobloch et al. 2018).
Nach unserer Kenntnis ist eine entsprechende Impfempfehlung bislang nur in Großbritannien ausgesprochen worden (HSE 2014), v.a. wenn „existing exposure controls ineffective“ sind. Auch dort werden keine weiteren, konkretisierenden Abschneidekriterien für das Impfangebot gemacht. Als Basis der Empfehlung dienten hauptsächlich die von den Autoren zitierten Publikationen der Arbeitsgruppen um Palmer und Coggon an Schweißrauch- bzw. Metall-Exponierten in England und Wales. Da in der Vergangenheit dort ein (mittlerweile ausgesetzter) Schweißrauchgrenzwert von 5 mg/m³ galt, ist davon auszugehen, dass die erhöhten Pneumonierisiken bei Kollektiven mit ähnlich hohen Expositionen nachgewiesen wurden.
Vor dem Hintergrund der Nichtableitbarkeit eines Schwellenwerts für die Dosis erscheint es aus unserer Sicht im Sinne einer Konvention vernünftig, die Impfung denjenigen Schweißern anzubieten, bei denen ein Anlass zur Pflichtvorsorge nach ArbMedVV wegen Überschreitung einer Schweißrauchkonzentration von 3 mg/m³ vorliegt.
Hinzuweisen ist darauf, dass die Pneumokokken-Impfung nur etwa die Hälfte der für bakterielle Pneumonien und invasive Erkrankungen verantwortlichen Keime abdecken würde, nicht jedoch die bei Schweißern ebenfalls gehäuft gefundenen Keime wie Haemophilus influenzae und Legionellen.
Wegen der Reaktogenität (Auftreten von unerwünschten Wirkungen) wiederholter Impfungen mit dem empfohlenen Impfstoff PPSV23 würden wir die Entscheidung einer weiteren Impfung nach der Erstimpfung in die Beurteilung des Betriebsarztes geben wollen. In Großbritannien wird derzeit nur eine einzige Impfung für Schweißer empfohlen.
Die Frage eines derartigen Impfangebotes für Schweißer wird im AfAMed auch unter den von uns angesprochenen Punkten derzeit diskutiert.
Literatur
Health and Safety Executive (HSE): Pneumonia vaccination for employees exposed to welding and metal fume. HSE, 2014 (www.hse.gov.uk/pubns/eis44.htm).
Knobloch J, Lehnert M, Yanik S et al.: Schweißrauchexposition hemmt die Aktivität von T-Lymphozyten – Daten aus der Weldox-II-Studie. 58. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, München, 07.–09. März 2018; DGAUM/ASU Abstracts, V076, 94. Stuttgart: Gentner, 2018.
Zschiesche W, Knobloch J, Bünger J, Brüning T: Pneumonie-Risiko bei Schweißern – Eine Indikation zur Impfung gegen Pneumokokken? IPA Journal 2017; 1: 42–44.
Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Wolfgang Zschiesche
Prof. Dr. med. Thomas Brüning
Prof. Dr. med. Jürgen Bünger
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV,
Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA)
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum