Der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales gibt zu der genannten Berufskrank-heit folgende wissenschaftliche Stellungnahme ab:
1 Aktueller Erkenntnisstand
1.1 Charakteristik der ursächlich schädigenden Einwirkung
Cadmium ist ein Element mit dem Atomgewicht 112,4 und der Oxidationszahl +2. Es ist ein silbrig-weißes Schwermetall, welches in geringen Konzentrationen ubiquitär vorkommt und häufig mit Blei, Zink oder Phosphat vergesellschaftet ist. Es wurde im Jahr 1817 vom Göttinger Chemiker Friedrich Stromeyer entdeckt; der erste Bericht über toxische Wirkungen erfolgte bereits 1858 (Nordberg 2009).
Cadmiumverbindungen unterscheiden sich erheblich hinsichtlich ihrer Löslichkeit in Wasser, wodurch die Aufnahme in den Organismus wesentlich bestimmt wird. Während das Element Cadmium und die Verbindungen Cadmiumoxid CdO und Cadmiumsulfid CdS in Wasser nahezu unlöslich sind, sind andere Verbindungen wie Cadmiumchlorid CdCl2, Cadmiumsulfat CdSO4 und Cadmiumacetat Cd(CH3-COO)2 zum Teil gut wasserlöslich. Toxikologisch ist dies dahingehend von Bedeutung, dass unlösliche Verbindungen bei inhalativer Aufnahme vornehmlich lokal an den Atemwegen und der Lunge ihre gesundheitsschädliche Wirkung entfalten, während bei löslichen Verbindungen auch systemische Wirkungen, insbesondere an der Niere, zu befürchten sind.
Bei arbeitsbedingt gegen Cadmium exponierten Kollektiven spielt die inhalative Aufnahme die größte Rolle, während in der nicht arbeitsbedingt belasteten Allgemeinbevölkerung die Aufnahme vorwiegend über die Nahrung erfolgt. Eine weitere Quelle ist das Rauchen; 20 Zigaretten pro Tag führen zu einem zusätzlichen Eintrag, der höher sein kann als der Eintrag über die Nahrung (Schäfer et al. 1994). International sind wiederholt nahrungsbedingte Intoxikationen auffällig geworden: Am meisten Aufmerksam-keit erlangte diesbezüglich die Itai-Itai-Krankheit in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg, die durch den Verzehr von kontaminiertem Reis verursacht worden war. Aus einem Erzbergwerk war Cadmium in einen Fluss gelangt, mit dessen Wasser die Reisfelder bewässert wurden (Nordberg 2009). Solche umwelttoxischen Vergiftungen mit Cadmium und seinen Verbindungen sind jedoch nicht auf diesen Vorfall beschränkt, z. B. wurde kürzlich von einem ähnlichen Ereignis mit kontaminiertem Reis in Thailand berichtet (Honda et al. 2010). In der Umweltmedizin findet die Aufnahme von Cadmium über die Nahrung und das Rauchen eine zunehmende Beachtung, da bei einigen Personenkollektiven die nicht arbeitsbedingte Belastung den Bereich der nierenschädigenden Wirkung erreichen kann (Järup et al. 1998a; Satarug u. Moore 2004). Dies ist besonders in solchen Gegenden von Bedeutung, in denen der Boden einen hohen Cadmiumgehalt hat (Pan et al. 2010).
1.2 Vorkommen und Gefahrenquellen
Cadmium ist in erster Linie ein Begleitmineral von Zinkerzen, ist jedoch auch in Blei- und Kupfererzen vorhanden. Die wichtigste arbeitsbedingte Expositionsquelle von Cadmium und seinen Verbindungen ist heute die Herstellung und Entsorgung (bzw. das Recycling) von Nickel-Cadmium-Batterien. Dieser Einsatz stieg weltweit von 8 % in 1970 auf 75 % in 2000 an und macht heute etwa 81 % des weltweit verwendeten Cadmiums aus. Eine weitere Verwendung mit zunehmender Bedeutung ist der Einsatz in den grünen und blauen Leuchtelementen von Farbfernsehern (Huff et al. 2007). In früheren Jahrzehnten standen hingegen die Beschichtung von Metallen zum Korrosionsschutz (Verkadmierung) und die Verarbeitung solcher beschichteter Metalle (Schneiden, Trennen, Schweißen) im Vordergrund.
Da im Hinblick auf Berufskrankheiten nicht nur aktuelle, sondern auch frühere Belastungsquellen von Relevanz sind, müssen insbesondere die folgenden Bereiche und Tätigkeiten beachtet werden (AGS 1996: TRGS 556):
- Zinkgewinnung, Bleigewinnung, Kupfergewinnung
- Verhüttung von edelmetallhaltigem Scheidegut
- Stückverzinkung
- Eisenerzsinteranlagen
- Beschichtung von Metallen und Legierungen
- Herstellung von Nickel-Cadmium-Akkumulatoren
- Galvanisieren
- Löten (insbesondere cadmiumhaltige Hartlote, aber auch Weich-lote)
- Schweißen und Schneiden sowie mechanische Bearbeitung cad-miumhaltiger Materialien
- Cadmiumpigment-Herstellung
- Spezialglas-Herstellung
- Herstellung und Verarbeitung cadmiumhaltiger Emails, keramischer Farben und Glasuren (auch Töpfereien, Porzellanherstellung)
- Verwendung löslicher Cadmiumverbindungen in der Foto-, Glas-, Gummi- und Schmuckindustrie
- Herstellung und Verwendung von löslichen Cadmiumverbindungen, Cadmiumpigmenten sowie cadmiumhaltigen Stabilisato-ren und Katalysatoren
- Verarbeiten und Verbrennen von cadmiumhaltigen Abfall- und Altmaterialien, Entfernen cadmiumhaltiger Anstriche (z. B. durch Abbrennen)
- Einsatz von cadmiumhaltigen Elementen und Ersatzteilen in der Fernseh-, Mess-, Regel- und Reaktortechnik sowie in der Kraftfahrzeug- und Luftfahrzeugindustrie
- Fotovoltaik, z. B. Cadmiumtellurid
Wie oben ausgeführt ist die Löslichkeit der einzelnen Cadmiumverbindungen von wesentlicher Bedeutung für das Zielorgan ihrer toxischen Wirkung. Deren Einsatz stellt sich wie folgt dar (Huff et al. 2007):
- Cadmiumchlorid: Produktion von Cadmiumsulfid, Pigmentherstellung und Textilfärbung, Elektrolyse bzw. Galvanik (Korrosionsschutzbeschichtungen), Vakuumröhren, ehemals auch als Fungizid
- Cadmiumhydroxid: Alkalibatterien
- Cadmiumnitrat: Glas- und Porzellanfärbung, fotografische Emulsionen
- Cadmiumoxid: Zinkbatterien, Stabilisatoren für Kunststoffe und Legierungen
- Cadmiumsulfat: Zwischenprodukt, Elektrolyse bzw. Galvanik (Korrosionsschutz beschichtungen)
- Cadmiumstearat: Schmiermittel, Stabilisator für Kunststoffe
- Cadmiumsulfid: Pigment
1.3 Kenntnisse zur Wirkung am Menschen
1.3.1 Aufnahme und Ausscheidung, Stoffwechsel
In der Luft liegen Cadmium und seine anorganischen Verbindungen als Partikel oder an Partikeln gebunden vor; der resorbierbare Anteil hängt von deren Löslichkeit ab. Raucher nehmen mit 20 Zigaretten pro Tag ca. 2 mg Cadmium auf (UBA 1998; IARC 2004; Satarug u. Moore 2004). Die orale Aufnahme mit der Nahrung beträgt täglich ca. 10–60 mg Cadmium (DFG 2004). Die orale Aufnahme ist bei Eisenmangel deutlich erhöht und hängt auch vom Umfang des Verzehrs cadmiumhaltiger Lebensmittel (z. B. Fisch) ab. Im Tierversuch und in vitro wurde nachgewiesen, dass Cadmiumchlorid die Haut penetriert.
Quantitativ ist bei der Exposition am Arbeitsplatz besonders die inhalative Aufnahme von Bedeutung, jedoch darf die orale Belastung durch Hand-zu-Mund-Kontakt nicht unterschätzt werden. Die dermale Aufnahme ist dagegen nur von untergeordneter Bedeutung (DFG 2008).
Im Blut liegt Cadmium zu 90 % an Erythrozyten, der Rest an Plasmaproteine gebunden vor. Von zentraler Bedeutung für die Toxikologie des Stoffes ist aber die Bindung an das Protein Metallothionein. In dieser Form werden bei chronischer Exposition ca. 50–75 % der aufgenommenen Cadmiummenge in der Leber und in den Nieren gespeichert (DFG 2004).
Resorbiertes Cadmium wird sehr langsam mit dem Urin und dem Stuhl ausgeschieden. Die biologische Halbwertszeit beträgt dabei 10 bis 20 Jahre. Für Cadmium ist keine Metabolisierung wie Oxidation, Reduktion oder Alkylierung bekannt (DFG 2008). Demzufolge ist zu bedenken, dass der Mensch über keine wirksamen Mechanismen des Stoffwechsels oder der Ausscheidung für Cadmium verfügt, so dass sich das Metall lebenslang in den Nieren und der Leber anreichert.
Cadmium induziert die Neusynthese des Proteins Metallothionein. Zunächst handelt es sich bei der Bindung an dieses Protein um einen Schutzmechanismus des Organismus gegen die Metalltoxizität (Klaassen et al. 2009). Das an Metallothionein gebundene Cadmium wird langsam von der Leber abgegeben und in die Nieren verlagert, wo es in der Nierenrinde gespeichert wird. Metallothionein wird als niedermolekulares Protein durch die Glomeruli filtriert und von den proximalen Tubuli resorbiert. Mit der Zeit erfolgen auch eine Bindung des Cadmiums an hochmolekulare Nierenproteine und eine Nierenschädigung (Bolt u. Myslak 1985; DFG 2004).
Die krebserzeugende Wirkung von Cadmium beruht auf mehreren Mechanismen einschließlich direkter Gentoxizität, fehlerhafter DNA-Reparatur, Induktion von oxidativem Stress und Hemmung der Apoptose, wobei heute dem oxidativen Stress die größte Bedeutung beigemessen wird (Joseph 2009).
1.3.2 Krankheitsbilder
Zielorgane der toxischen Wirkung von Cadmium und seinen an-organischen Verbindungen sind die Atemwege, die Lunge, die Nieren und die Knochen. Die folgenden Krankheitsbilder werden im Zusammenhang mit der Einwirkung von Cadmium diskutiert:
A. Nichtmaligne Erkrankungen
a) Atemwege und Lunge: Chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen und entzündliche Reizzustände im Bereich der oberen Atemwege, Lungenemphysem
Cadmium und seine Verbindungen üben eine starke Reizwirkung auf die oberen Atemwege aus. Als Symptome bei hoher akuter Belas-tung treten Husten und Schleimhautreizungen auf; mit einer Latenz-zeit von bis zu mehreren Tagen können diese in schwere Allgemeinsymptome, Pneumonie, Lungenödem und Tod übergehen. Es wurde abgeschätzt, dass eine 8-stündige Exposition gegenüber 1 mg Cad-mium/m³ lebensgefährlich und gegenüber 5 mg Cadmium/m³ tödlich ist (European Commission 2003, zitiert in DFG 2004). Erste Effekte wurden bei 20 µg Cd/m³ Rauch und 70 µg Cd/m³ Staub berichtet.
In den letzten Jahrzehnten spielten akute Wirkungen von Cadmium und seinen Verbindungen in Deutschland keine nennenswerte Rolle mehr; anamnestisch können aber Symptome einer Reizung der Atemwege bei cadmiumbelasteten Tätigkeiten in früheren Jahrzehnten einen Hinweis auf eine damals hohe Exposition geben. Aufgrund der Häufigkeit chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen und der Exposition gegenüber Tabakrauch und Umweltallergenen in der Allgemeinbevölkerung ist eine unzureichende Beachtung solcher Symptome bei arbeitsbedingt cadmiumbelasteten Personen und infolgedessen eine Dunkelziffer anzunehmen.
Chronische inhalative Cadmiumexpositionen führen zu degenera-tiven Veränderungen der Nasenschleimhaut und zum Symptom des „Cadmiumschnupfens“ mit Verlust des Geruchssinnes (Anosmie; Gobba 2006). Cadmium inhibiert die Synthese von alpha-1-Anti-trypsin; als Folge wurde ein vermehrtes Auftreten von Lungenemphysemen bei exponierten Arbeitern registriert (Lauwerys et al. 1979; Sorahan et al. 1995). Ein moderates Ansteigen des Residualvolumens in der Lungenfunktionsprüfung wurde bereits nach kumulativer Cadmiumoxidrauchexposition gegenüber weniger als 500 µg Cadmium/m³ x Jahre berichtet. Die niedrigste Belastung mit Cadmium, bei der eine solche Wirkung beobachtet wurde, entsprach 3,1 µg Cadmium/l Urin (European Commission 2003, zitiert in DFG 2004). In einer Untersuchung an 1492 Arbeitern in der Herstellung cadmiumhaltiger Legierungen war das relative Risiko (RR) für chronische nichtmaligne Erkrankungen der Lunge und Atemwege erhöht, und zwar bei mindestens einjähriger, zumeist aber langjähriger Cadmiumexposition in der Gruppe mit einer inhalativen Exposition zwischen 1600 bis 4800 µg/m³ x Jahre RR = 1,91 (95 % CI 0,98–3,70) und bei > 4800 µg/m³ x Jahre RR = 2,47 (95 % CI 1,24–4,93) (Sorahan et al. 1995). Die Ableitung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung für Berufskrankheiten ist jedoch nicht möglich, da es sich einerseits um Angaben aus einer Mortalitätsstudie handelt und daher unklar ist, ob es sich um Erkrankungen oder um Todesursachen handelte, und andererseits die Arbeiter gegenüber anderen Metallen (insbesondere Kupfer und Eisen, vereinzelt auch Arsen) koexponiert waren.
b) Niere: Toxische Tubulopathie
Schädigungen der Niere sind seit Jahrzehnten der wichtigste Effekt einer chronischen Belastung mit Cadmium und seinen anorganischen Verbindungen und sind im Hinblick auf die Verursachung von Berufskrankheiten besonders zu beachten. Kennzeichen der Erkrankung ist eine tubuläre Dysfunktion mit zunehmender Ausscheidung von niedermolekularen Proteinen, wie 2-Mikroglobulin und Retinol-bindendem Protein sowie von Enzymen, Aminosäuren, Glukose, Calcium, Kupfer und anorganischem Phosphat (DFG 2004). Auch in Populationen mit einer umweltbedingten Cadmium-belastung z. B. durch Cadmiumhütten in der Umgebung wurden erhöhte Ausscheidungen solcher Markerproteine nachgewiesen (Bernard 2008; Thomas et al. 2009). Bei stärkerer Schädigung kann es zu einer Ausscheidung hochmolekularer Proteine wie Albumin, Immunglobulin G und Transferrin, auch als Ausdruck einer nachfolgenden zusätzlichen glomerulären Schädigung, kommen. Auch eine erhöhte Nierenstein-Bildung wurde beobachtet. Bei exponierten Arbeitern trat nach 10- bis 20-jähriger Exposition gegenüber 20–50 mg/m³ Cadmium eine erhöhte Prävalenz für Proteinurie auf. Eine Speicherung in der Niere entsprechend einer Urinausscheidung von 5–10 µg Cadmium/g Kreatinin gilt als kritische Konzentration, ab der häufig irreversible tubuläre Veränderungen beobachtet wurden (DFG 2004). Einzelne Autoren sehen die Schwelle für eine Nierenschädigung bereits zwischen 0,5 und 3 µg Cadmium/g Kreatinin (Järup u. Akesson 2009). Eine Cadmiumbelastung kann auch synergistisch eine diabetische Nephropathie verstärken (Edwards u. Prozialeck 2009).
Der Mechanismus, der die Nierenschädigung bewirkt, ist die direkte toxische Wirkung des Cadmiums auf die Zellen des proxi-malen Tubulus. Dort akkumuliert Cadmium im Laufe der Jahre; die Schädigung ist irreversibel (Chaumont et al. 2011). Das früheste Zeichen der tubulären Dysfunktion durch die Einwirkung von Cadmium ist eine vermehrte Ausscheidung niedermolekularer (< 40 kD) Proteine wie -Mikroglobulin und Retinol-bindendes Protein im Urin. Diese tubuläre Proteinurie tritt regelmäßig auf, wenn die Cadmiumkonzentration in der Nierenrinde ca. 200 ppm (mg/g Feuchtgewicht) übersteigt, entsprechend einer Ausscheidung von 10 mg Cd/g Kreatinin im Urin (Chaumont et al. 2011). In Einzelfällen kommt es bereits bei geringerer Cadmiumbelastung zur tubulären Proteinurie, so werden als Schwelle des Effekts Cd-Konzentrationen im Urin von 2,1–4,1 µg/g Kreatinin bei Männern und 1,4–3,1 µg/g Kreatinin bei Frauen angegeben (Suwazono et al. 2011).
Rauchen verstärkt die toxische Wirkung von Cadmium auf die Niere über den Cadmiumgehalt des Tabaks hinaus, da chronisches Rauchen die glomeruläre Perfusion (Durchblutung) beeinträchtigt und die Minderdurchblutung die Empfindlichkeit der Tubuluszellen für eine toxische Schädigung erhöht (Chaumont et al. 2011).
In älteren Publikationen wurde auch eine toxische Wirkung von Cadmium auf die Glomerula der Niere diskutiert, da eine glomeruläre Proteinurie, also eine Ausscheidung höhermolekularer Proteine wie Albumin, bei Arbeitern mit erhöhter Cadmiumkonzentration im Urin gehäuft auftrat (Lauwerys et al. 1979). Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass die glomeruläre Proteinurie nicht primär durch Cadmium verursacht wird. Die Assoziation der Albuminurie mit einer erhöhten Cadmiumausscheidung im Urin beruht vielmehr darauf, dass Cadmium an Albumin gebunden wird und bei einer Glomerulo-pathie (u. a. bei chronischen Rauchern) mit diesem Protein ausgeschieden wird (Haddam et al. 2011).
c) Knochen: Osteomalazie
Bei den „Itai-Itai“-Patienten und vereinzelt bei Cadmium-exponierten Arbeitern wurde eine Osteomalazie beobachtet. Die dadurch verursachten Spontanfrakturen von Wirbelkörpern und anderen Knochen und die dadurch verursachten Schmerzen waren das Leitsymptom bei den „Itai-Itai“(übersetzt: „Autsch-Autsch“)-Patienten und gaben der Krankheit ihren Namen. Die Osteomalazie ist in erster Linie ein indirekter Effekt der Nierenschädigung durch Cadmium (Bernard 2008). Der Pathomechanismus besteht sowohl in einer erhöhten Ausscheidung von Calcium und Phosphat als auch einer Hemmung der Bildung des aktiven Metaboliten des Vitamin D3 in den Tubuluszellen der Niere (Nogawa et al. 1987; Järup et al. 1998a). Auch die oben beschriebene vermehrte Bildung von Nierensteinen ist in diesen Kontext einzuordnen. Dementsprechend haben verschiedene Studien eine Assoziation hoher Cadmiumbelastungen und einer hohen Cadmiumausscheidung im Urin mit einer Abnahme der Knochendichte und einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche bei Frauen und einem Körperlängenverlust bei Männern aufgezeigt (zusammengefasst in Kazantzis 2004). Es gibt aber auch Hinweise aus In-vitro-Experimenten auf eine zusätzliche direkte Wirkung von Cadmium auf die Osteoklasten (Wilson et al. 1996).
Auffällig ist eine höhere Anfälligkeit von Frauen im Vergleich zu Männern für cadmiumbedingte Knochenschäden. Bei der Itai-Itai-Katastrophe waren hauptsächlich ältere (postmenopausale) Frauen von der Osteomalazie und den Spontanfrakturen betroffen. Bei Frauen, jedoch nicht bei Männern, wurde eine Assoziation zwischen der Cadmiumkonzentration im Nierengewebe bzw. im Urin und der Calciumausscheidung festgestellt (Wallin et al. 2013). Als weitere Faktoren sind der geringere Mineralgehalt der Knochen, die postmenopausale Osteoporose mit Reduzierung der Knochenmatrix, und die geringere Proteinproduktion in der Leber von Frauen zu diskutieren. Letztere führt dazu, dass weniger Metallothionein vorliegt, um das Cadmium abzubinden. Bei einem Eisenmangel, der bei Frauen häufiger vorliegt als bei Männern, sind zudem die Aufnahme von Cadmium und anderen Kationen und deren Bindung an die Transport- und Speicherproteine verstärkt.
d) Sonstige Erkrankungen
In der in den USA durchgeführten bevölkerungsbezogenen Kohortenstudie NHANES mit 8989 Teilnehmern war eine erhöhte Ausscheidung von Cadmium im Urin signifikant mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität verknüpft. Das Risiko an einer koronaren Herzkrankheit zu sterben, war in der multivariaten Regressionsanalyse sogar mehr als verdoppelt: HR ("hazard risk") 2,09, 95 % CI 1,06–4,13 (Tellez-Plaza et al. 2012). Die kardiovaskuläre Wirkung wird als sekundärer Effekt der Nierenschädigung durch Cadmium gedeutet, zumal sie mit einer arteriellen Hypertonie verknüpft ist (Satarug et al. 2010).
B. Bösartige Erkrankungen
a) Lunge
Erste Nachweise einer erhöhten Mortalität an Lungenkrebs durch Cadmium ergaben sich 1976 in einer Cadmiumschmelzhütte in den USA; 12 Fälle wurden beobachtet, 5,11 erwartet, SMR 2,35, signifi-kant bei p = 0,05 (Lemen et al. 1976). Dieser Befund wurde von der Arbeitsgruppe durch eine Nachbeobachtung bestätigt (Thun et al. 1985). Weitere Studien aus Großbritannien, Schweden und den USA stützten ebenfalls den Kausalzusammenhang (Kjellström et al. 1979; Elinder et al. 1985; Stayner et al. 1992a,b), so dass die International Agency for Research on Cancer (IARC) im Jahr 1993 Cadmium in „Group 1“ als gesichertes Humankanzerogen einstufte (IARC 1993).
In der Folgezeit wurden weitere Studien veröffentlicht, die die Verursachung von Lungenkrebs durch Cadmium und seine Verbindungen stützten (u. a. Järup et al. 1998b; Beveridge et al. 2010). Die letztere Fall-Kontroll-Studie zeigte eine signifikante Risikoerhöhung bei cadmiumexponierten Nichtrauchern und Exrauchern (OR 4,7, 95 % CI 1,5–14,3), jedoch nicht bei Rauchern (OR 1,4, 95 % CI 0,8–2,4).
Stayner et al. (1992b) führten eine quantitative Auswertung einer Kohorte in einer Cadmiumhütte in den USA durch. Die Mortalität für Lungenkrebs betrug in der Gesamtkohorte SMR 1,49 (95 % CI 0,95–2,22), bei „non hispanic workers“ SMR 2,11 (95 % CI 1,31–3,23), in der Gruppe mit der höchsten Cadmiumexposi-tion SMR 2,72 (95 % CI 1,23–5,13) und bei Arbeitern mit mehr als 20-jähriger Tätigkeit SMR 1,61 (95 % CI 1,00–2,48). Mit allen angewandten Regressionsmodellen ergab sich eine statistisch signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Die Untersuchung dieser Kohorte (Thun et al. 1985; Stayner et al. 1992b), die eine wesentliche Grundlage für die Kanzerogenitätseinstufung der IARC, des National Toxicology Program (NTP) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bildete, wurde dahingehend kritisiert, dass einige Arbeiter gegenüber dem ebenfalls krebserzeugenden Arsen koexponiert gewesen seien (Sorahan u. Lancashire 1997). Park et al. (2012) haben aktuell eine Reanalyse mit verbesserter Expositionsmatrix und mathematischer Modellierung veröffentlicht. Sie fanden eine statistisch signifikante lungenkrebserzeugende Wirkung von Cadmium unabhängig von der Arsenexposi-tion (SMR 3,2 bei einer kumulativen Exposition von 10 mg/m³ x Jahre Cd, p = 0,012) sowie einen deutlichen „Healthy-worker“-Effekt bei den nicht exponierten Arbeitern (Kontrollgruppe, SMR 0,69).
Eine britische Kohortenstudie ergab signifikante Risikoerhöhungen für die Mortalität an Lungenkrebs bei Beschäftigten einer Zinnhütte, die gegenüber Cadmium exponiert waren (Binks et al. 2005): Bei 15 bis < 25 Jahren seit Aufnahme der Beschäftigung SMR 2,00 (95 % CI 1,19–3,16) und bei 25 bis < 35 Jahren SMR 2,63 (95 % CI 1,80–3,71).
Die lungenkrebserzeugende Wirkung von Cadmium und seinen Verbindungen wird auch durch umweltepidemiologische Studien gestützt. In einer belgischen Untersuchung war eine Verdopplung der Urinausscheidung von Cadmium auch nach Adjustierung mit einem 1,7fachen Lungenkrebsrisiko (95 % CI 1,13–2,57) verbunden. Auch der Vergleich von Bewohnern eines mit Cadmium im Erdboden hoch belasteten mit Bewohnern eines niedrig belasteten Gebiets zeigte – ebenfalls nach Adjustierung – ein 4,17faches Lungenkrebsrisiko (Nawrot et al. 2006).
Im Jahr 2000 konstatierte auch das NTP der USA die Verursachung von Lungenkrebs beim Menschen durch Cadmium und seine Verbindungen; diese Feststellung wurde zuletzt in 2011 bekräftigt (NTP 2011). Auch die IARC bestätigte in 2009 die hinreichende Evidenz ("sufficient evidence") für die Verursachung von Lungenkrebs beim Menschen (Straif et al. 2009; IARC 2012).
b) Niere
Im Rahmen einer Fall-Kontroll-Studie beobachtete erstmalig Kolonel (1976) einen Zusammenhang zwischen einer arbeitsbedingten Cadmiumexposition und Nierenkrebs (OR 2,5–2,6; ohne Angabe des Konfidenzintervalls), wobei er einen Synergismus mit Tabakkonsum beschrieb. Eine internationale multizentrische amerikanisch-europäische Fall-Kontroll-Studie mit deutscher Beteiligung erhärtete diesen Verdacht (Mandel et al. 1995) durch Nachweis einer signifikanten Risikoverdopplung (RR 2,0, 95 % CI 1,0–3,9). In einer deutschen multizentrischen Fall-Kontroll-Studie, in der auch Frauen getrennt von Männern erfasst und die arbeitsbedingte Cadmiumbelastung mittels Job-Exposure-Matrix (JEM) präzisiert wurden, ergaben sich wiederum erhöhte Risiken für Nierenzellkarzinome: bei Männern OR 1,4, 95 % CI 1,1–1,8 für hohe Belastung und OR 1,4, 95 % CI 0,6–2,1 für sehr hohe Belastungen, und bei Frauen OR 2,5, 95 % CI 1,2–5,3 für hohe und OR 2,2, 95 % CI 0,6–9,0 für sehr hohe Belastungen (Pesch et al. 2000). Eine Studie aus Finnland, die alle Nierenzellkarzinomerkrankungen in Finnland in den Jahren 1977–1978 umfasste, ergab sogar ein höheres Odds Ratio: OR 4,4, 95 % CI 0,4–43,0 (beide Geschlechter zusammengefasst; Partanen et al. 1991); allerdings gab es nur drei Fälle mit arbeitsbedingter Cadmiumexposition, so dass das Ergebnis nicht statistisch signifikant war. Eine große kanadische Fall-Kontroll-Studie ergab ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Cadmium und Nierenzell-karzinomen: OR 1,7, 95 % CI 1,0–3,2 (Hu et al. 2002). Ebenso traf dies in einer weiteren deutschen Fall-Kontroll-Studie zu: OR 1,7, 95 % CI 0,7–4,2 bei hoher Exposition (Brüning et al. 2003). In einer Fall-Kontroll-Studie in Ost- und Mitteleuropa fiel eine nichtsignifikante Risikoerhöhung für Nierenzellkarzinome nach Cadmiumexposition mit OR 1,56, 95 % CI 0,77–3,18 auf, die bei Exposition gegen cadmiumhaltige Rauche besonders deutlich war mit OR 2,21, 95 % CI 0,99–4,93 (Boffetta et al. 2011).
Auf der Basis dieser epidemiologischen Evidenz wurde im Jahr 2004 von der DFG die Niere neben der Lunge als Zielorgan der krebserzeugenden Wirkung von Cadmium und seinen anorganischen Verbindungen bestätigt (DFG 2004). Hingegen hat die IARC bislang lediglich eine begrenzte Evidenz ("limited evidence") für den Kausalzusammenhang zwischen Cadmium und Nierenzellkarzinomen konstatiert (Straif et al. 2009; IARC 2012). Diesbezüglich ist auf den Nachweis einer Risikoverdopplung für Nierenzellkarzinome bei arbeitsbedingt cadmiumexponierten Frauen im Gegensatz zu Männern (Pesch et al. 2000) als Beleg geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Empfindlichkeit (Disposition) hinzuweisen (siehe auch oben: Osteomalazie).
c) Weitere Krebslokalisationen
Die ersten epidemiologischen Studien zur krebserzeugenden Wir-kung von Cadmium und seinen Verbindungen beim Menschen zeig-ten ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs bei exponierten Arbeitern, DAs sogar deutlicher ausfiel als das Lungenkrebsrisiko (Lemen et al. 1976). Obwohl dieser Verdacht nach wie vor nicht ausgeräumt ist, haben nachfolgende Untersuchungen mit präziseren epidemiologischen Auswertungen den postulierten Zusammenhang nicht erhärtet (Waalkes u. Rehm 1994; Verougstraete et al. 2003; Goyer et al. 2004). Die IARC hat diesbezüglich eine begrenzte Evidenz ("limited evidence") für den Zusammenhang zwischen Cadmium und Prostatakrebs konstatiert (Straif et al. 2009; IARC 2012).
Cadmium ist im Rahmen epidemiologischer Studien auch mit Brustkrebs, Pankreaskrebs (Amaral et al. 2011; Luckett et al. 2012), Harnblasenkrebs und Hodenkrebs in Verbindung gebracht worden. Järup et al. (1998b) fanden in einer gegen Cadmiumoxid exponierten schwedischen Kohorte der Batterieherstellung eine erhöhte Inzidenz für Karzinome der Nase und Nasennebenhöhlen: SIR 8,32 (95 % CI 1,72–24,30). Insgesamt verdeutlichen die Berichte, dass es sich bei Cadmium und seinen Verbindungen um ein systemisches Kanzerogen handelt.
2 Validität und Reliabilität der vorliegenden Erkenntnisse
Die Verursachung akuter und chronischer entzündlicher Erkrankungen der Atemwege und Lunge einschließlich des Lungenemphysems durch Cadmium und seine Verbindungen ist in zahlreichen klinischen Fallberichten und Studien am Menschen und am Versuchstier belegt und international unbestritten. Dies gilt auch für chronische Schädigungen der Niere und der Knochen, wobei die arbeitsepidemiologische Evidenz zusätzlich durch schwere umweltbedingte Vergiftungen (z. B. Itai-Itai) untermauert wird.
Auch die krebserzeugende Wirkung an der Lunge ist national und international unbestritten; dementsprechend sind Cadmium und seine Verbindungen von der IARC, der Weltgesundheitsorganisation und der DFG in die Kategorie 1 der erwiesenermaßen beim Menschen krebserzeugenden Stoffe eingestuft. Diese Bewertung wird durch zahlreiche tierexperimentelle Krebsstudien gestützt (Waalkes et al. 1999; DFG 2004; Huff et al. 2007).
Die Bewertung der krebserzeugenden Wirkung von Cadmium an der Niere ist noch uneinheitlich.Während die DFG in Überein-stimmung mit einigen Übersichtsarbeiten (u. a. Il’yasova u. Schwartz 2005) den Kausalzusammenhang bejaht (DFG 2004), hat die IARC hierfür eine begrenzte Evidenz konstatiert (IARC 2012). Der wesentliche Kritikpunkt der IARC ist die fehlende Sicherung einer Dosis-Wirkungsbeziehung.
Arbeitsbedingte Expositionen gegenüber Cadmium und seinen anorganischen Verbindungen sind daher generell geeignet, die genannten toxischen Schädigungen an der Lunge und den Atemwegen, an den Nieren, am Knochen sowie ferner Lungenkrebs zu verursachen; solche Erkrankungen können bei gegebener Belastungsintensität als Berufskrankheit nach Nr. 1104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung entschädigt werden.
Die Bewertung der Nierenzellkarzinom-erzeugenden Wirkung von Cadmium durch nationale und internationale Gremien ist noch uneinheitlich. Eine generelle Geeignetheit ist anzunehmen. Insbeson-dere gibt es deutliche Indizien für eine Risikoverdopplung bei Frauen. Insgesamt ist eine Abgrenzung der betroffenen Personengruppen aber noch nicht möglich.
Bislang nicht hinreichend verdichtet haben sich dagegen epidemiologische Hinweise und tierexperimentelle Erkenntnisse hinsicht-lich einer krebserzeugenden Wirkung an der Prostata oder an anderen Organen.
Hautkrankheiten sind nicht Gegenstand dieser Berufskrankheit (Nr. 1104).
3 Abgrenzung der „bestimmten Personengruppe“ gemäß § 9 (1) SGB VII
Auch die Allgemeinbevölkerung ist gegenüber Cadmium als ubiquitäres Metall und als Industriechemikalie (z. B. in Nickel-Cadmium-Batterien) exponiert:
In einigen Regionen der Welt haben natürliche Vorkommen und eine industriebedingte Umweltbelastung dazu geführt, dass nierentoxische Konzentrationen des Metalls in nicht arbeitsbedingt cadmiumbelasteten Personen erreicht werden. Dies ist besonders in der Umgebung von (auch ehemaligen) Blei-, Zink- und Kupferhütten der Fall (Thomas et al. 2009). Auch der Einsatz von cadmiumbelasteten Klärschlämmen als Düngemittel und Phosphatdünger aus cadmium-belasteten Rohphosphaten kann zu einer umweltbedingten Cadmium-belastung beitragen (UBA 2011).
Ebenso führt Tabakrauch zu einer nachweisbar relevanten Cadmiumbelastung.
Vor diesem Hintergrund kommt bei einem Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit der Erfassung der Belastungsintensität eine besondere Bedeutung zu. Neben betrieblichen Expositionsdaten kommt wegen der Anreicherung des Stoffes im Körper dem Biomonitoring, ähnlich wie beim Blei, eine Schlüsselrolle zu. Wegen der langen biologischen Halbwertszeit von Cadmium (10–20 Jahre, bei extrem hoher Belastung sogar 30 Jahre) kann die Konzentration von Cadmium im Urin selbst viele Jahre nach Beendigung der arbeits-bedingten Exposition aussagekräftig sein. Lediglich bei Erkrankungen an der Lunge und an den Atemwegen durch Exposition gegen praktisch unlösliche Cadmiumverbindungen (Cadmiumoxid, Cadmiumsulfid) ist das Biomonitoring von eingeschränkter Aussagekraft. Bei der Interpretation sind der Tabakkonsum und eventuelle umweltbedingte Belastungen zu berücksichtigen.
Abgesehen von der Reizwirkung an den oberen Atemwegen, die heute in Deutschland nicht mehr zu erwarten ist, hängen Gesundheits-schäden durch Cadmium und seine Verbindungen mit der chronischen Anreicherung und Speicherung der Stoffe zusammen. Daher hat bei dieser Berufskrankheit das Biomonitoring einen besonderen Stellenwert für die Abschätzung der stattgehabten Belastung. Als Indikator der chronischen Belastung steht dabei die (oben bereits erwähnte) Konzentration von Cadmium im Urin und für die akute Belastung die Konzentration von Cadmium im Blut zur Verfügung. Dabei ist der Untersuchung des Urins unbedingt der Vorzug zu geben, da die Cadmiumkonzentration im Urin proportional zur Konzentration in den Nieren ist. Die Bestimmung von Cadmium im Blut ist hingegen lediglich ein guter Indikator für die Aufnahme in den vergangenen Monaten (DFG 2008). In Einzelfällen kann der Nachweis von Cadmium im Lungengewebe sinnvoll sein (de Palma et al. 2008; Verma 2013).
Der Referenzwert für die Konzentration von Cadmium im Urin der deutschen Bevölkerung wurde 1998 im Rahmen des Bundes-Umweltsurveys ermittelt (UBA 2011). Der Referenzwert (= 95. Perzentil) betrug 0,8 µg Cadmium/Urin, was einem Referenzwert von 0,73 µg Cadmium/g Kreatinin entspricht. Aufgeschlüsselt nach dem Rauchverhalten waren die 95. Perzentile für Nie-Raucher 0,65 µg Cadmium/l, Ex-Raucher 0,90 µg Cadmium/l und Raucher 1,20 µg Cadmium/l. Auf der Basis dieser Daten wurde von der DFG für die nicht rauchende Bevölkerung ein Biologischer Arbeitsstoff-Referenzwert (BAR) von 0,8 µg Cadmium/l Urin festgelegt (DFG 2011).
Das empfindlichste Organ ist bei chronischer Cadmiumexposition die Niere. Wie dargestellt, können erste toxische Effekte auf die Nierentubuli (pathologische Ausscheidung von Mikroproteinen im Urin) bereits deutlich unterhalb 10 µg Cadmium/Urin auftreten. In solchen Fällen besteht Anlass, die Exposition am Arbeitsplatz zu überprüfen.
Das Risiko für Nierenkrebs durch Cadmium ist nach heutiger Erkenntnis mit der jahrzehntelangen Speicherung des Stoffes in der Niere gekoppelt. Hinsichtlich einer differenzierten Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Tubulusschädigung und Nierenzell-karzinom besteht allerdings noch Forschungsbedarf. Auch wenn eine gewisse biologische Plausibilität hinsichtlich der Verursachung von Nierenzellkarzinomen durch Cadmium besteht, ist die Abgrenzung einer arbeitsbedingt in erhöhtem Maße gefährdeten Personengruppe aktuell nicht möglich, wobei es bei exponierten Frauen deut-liche Hinweise auf eine entsprechende Gefährdung gibt.
Auch die Osteomalazie durch Cadmium setzt nach den klinischen und epidemiologischen Beobachtungen eine toxische Nierenschädigung mit Störung des Vitamin-D3- und Mineralhaushalts voraus, wenn es auch experimentelle Hinweise auf eine zusätzliche direkte Wirkung von Cadmium auf die Knochenmatrix gibt. Zu beachten ist die höhere Empfindlichkeit von Frauen im Vergleich zu Männern im Hinblick auf die Knochenschädigung durch Cadmium.
Hinsichtlich der toxischen Wirkungen an Lunge und Atemwegen (ohne Krebs) verhält sich Cadmium ähnlich wie andere toxische Metalle, u. a. Chrom, Nickel und Arsen. Allerdings sind „Cadmiumschnupfen“, Zerstörung der Nasenschleimhaut und des Riechepithels, cadmiumbedingte chronische Bronchitis, Lungenemphysem und „Cadmiumpneumonie“ nur bei sehr hohen Belastungen mit cadmiumhaltigem Staub z. B. in der Verhüttung von Erzen oder bei hohen Aerosolkonzentrationen in der Galvanik und in der Produktion von Nickel-Cadmium-Akkumulatoren (Batterien) beschrieben worden, wie sie seit Jahrzehnten in Deutschland nicht mehr vorkommen.Die Dauer der arbeitsbedingten Exposition betrug zudem bei derartigen Fällen in der Regel mehr als 20 Jahre. In Verbindung mit einer entsprechenden manifesten cadmiumbedingten Gewebsschädigung der Nasenschleimhaut (s. oben) ist auch ein Karzinom der Nase und der Nasennebenhöhlen entschädigungsfähig.
Das Risiko für Lungenkrebs durch Cadmium und seine Verbin-dungen ist in den epidemiologischen Untersuchungen beim Menschen und in den Tierexperimenten eindeutig dosisabhängig. Eine Ana-lyse der Daten von 571 Arbeitern in der Cadmiumgewinnung in den USA (Sorahan u. Lancashire 1997) ergab eine statistisch signifikante positive Beziehung des relativen Lungenkrebsrisikos in Abhängigkeit von der kumulativen Exposition ( 2000 mg Cadmium x Tag/m³: 5 Todesfälle, RR 3,88, 95 % CI 1,04–14,46; DFG 2004). Allerdings lässt sich aus den vorhandenen Daten zur Dosis-Wirkungs-Beziehung kein Dosisgrenzwert oder keine Dosisempfehlung für die Berufskrankheiten-Anerkennung ableiten. Die vorliegenden Studien belegen zwar, dass Cadmium unabhängig von etwaigen Koexpositionen gegenüber anderen Stoffen an der Lunge krebserzeugend wirkt. Jedoch wird die Dosisbeziehung insbesondere durch den kanzerogenen Effekt einer begleitenden Exposition gegenüber Arsen und seine Verbindungen moduliert (Lamm et al. 1992; Sorahan u. Lancashire 1994, 1997; Jones et al. 2007; Sorahan 2009). Studien in Produktionsbetrieben für Nickel-Cadmium-Akkumulatoren sind für Lungenkrebs wegen der kanzerogenen Wirkung der Nickelverbindungen ebenfalls nicht hinreichend aussagekräftig (Sorahan u. Esmen 2004).
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