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Blaulichtgefährdung der Augen durch Lichtemittierende Dioden (LED)?

Y. König

C. Huchzermeyer

H. Drexler

(eingegangen am 07.08.2019, angenommen am 08.01.2020)

Blue light from light-emitting diodes (LED):
a risk to the eyes?

Background: In occupational and domestic environments people are increasingly exposed to artificial light from light-emitting diodes (LEDs). LEDs have peak emission in the blue range. In this review, we summarise the current knowledge of the possible effects of blue light exposure on ocular health. Effects of blue light on the regulation of physiological functions will be considered elsewhere.

Methods: We performed a narrative review. We included preclinical data as well as epidemiological studies. We searched MEDLINE, Pubmed, the Cochrane Library and International Standard Randomised Controlled Trial Number (ISRCTN)-Register clinical trial registers from 01 January 2014 to 31 May 2019.

Results: The accumulated experimental evidence obtained from different experimental models has indicated that excessive exposure to blue light can induce damage in the retinal pigment epithelium (RPE), in photoreceptors and ganglion cells. Previous epidemiological findings are equivocal regarding any causal links between blue light exposure and the development of macular degeneration (AMD). In vitro and in vivo evidence suggests that blue light exposure may influence the progression of uveal melanoma.

Conclusions: Long-term effects of LEDs on ocular health cannot be definitively assessed on the basis of current knowledge. Susceptibility to blue light damage varies among the different species. The severity of light-induced retinal damage changes with the time of the day and depends on the diet and genetic background. Additional studies on the safety of long-term exposure to low levels of blue light are needed to determine the safety of LEDs for ocular health.

Keywords: blue light – light-emitting diode – macular degeneration – uveal melanoma

Blaulichtgefährdung der Augen durch Lichtemittierende Dioden (LED)?

Hintergrund: Sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld werden die Menschen immer mehr künstlichem Licht aus lichtemittierenden Dioden (LED) ausgesetzt. Da sie einen höheren Anteil an energiereicherem blauem Licht haben, stellt sich immer wieder die Frage nach der Blaulichtgefährdung der Augen durch LEDs. Diese Übersichtarbeit fasst die aktuellen Erkenntnisse auf dem Gebiet zusammen. Auf die Effekte des Blaulichts für die weiteren physiologischen Prozesse des Menschen wird nicht eingegangen.

Methode: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in MEDLINE, Pubmed, Cochrane Library und im International Standard Randomised Controlled Trial Number (ISRCTN)-Register von 01.01.2014 bis 31.05.2019. Sowohl experimentelle Daten als auch Daten aus epidemiologischen Studien wurden evaluiert.

Ergebnisse: Zahlreiche tier- und zellexperimentelle Studien belegen eine Schädigung der retinalen Pigmentepitheliumzellen, Photorezeptoren und Ganglienzellen durch übermäßige Blaulichtexposition. In epidemiologischen Studien finden sich bislang widersprüchliche Resultate bezüglich des Zusammenhangs zwischen Lichtexposition und Makuladegeneration. In vitro sowie in vivo gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Blaulichtexposition und der Entwicklung eines malignen Melanoms der Aderhaut.

Schlussfolgerung: Langzeitwirkungen des blauen Lichtanteils von LEDs können gemäß aktuellem Wissensstand nicht abschließend beurteilt werden. Die Effekte der Lichteinwirkung auf die Retina variieren zwischen verschiedenen Spezies und sind Einflüssen wie der Tageszeit, der Ernährung und dem genetischen Hintergrund unterworfen. Weitere Studien über Langzeitexpositionen von Blaulicht im Niedrigdosisbereich sind notwendig, um die photobiologische Sicherheit von LED-Licht zu beurteilen.

Schlüsselwörter: Blaulicht – lichtemittierende Dioden – Makuladegeneration – Uveamelanom

Einleitung

Künstliche Lichtquellen tragen zunehmend zur Gesamtlichtexposition des modernen Menschen bei. Bei der Beleuchtung im beruflichen und im privaten Umfeld wird die konventionelle künstliche Beleuchtung immer mehr durch Beleuchtung mit lichtemittierenden Dioden (LED) abgelöst. LEDs sind energieeffizient und haben eine lange Lebensdauer. Aus technischen Gründen weist das Spektrum des LED-Lichts meist einen höheren Anteil an energiereichem blauem Licht auf. LEDs findet nicht nur Anwendung als Innen- und Außenbeleuchtung, sondern auch in Smartphones und PCs, in Spielzeugen, in OP-Leuchten oder in der Automobilindustrie. Die mögliche Gefährdung durch eine solche Exposition wird in Fachkreisen und mittlerweile auch in der Allgemeinheit zunehmend diskutiert.

Unter Blaulichtgefährdung („blue light hazard“) versteht man die Gefährdung der Netzhaut durch Strahlung im sichtbaren Spektralbereich zwischen 400 und 500 nm (Maximum bei 440 nm). Eine Reihe von Studien und Stellungnahmen der letzten Jahre hat sich mit unterschiedlichen Aspekten nach der Frage der photobiologischen Sicherheit von LED befasst. Diese Übersichtarbeit fasst die aktuellen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Blaulichtgefährdung für die Augen zusammen. Auf die Effekte des Blaulichts für die weiteren physiologischen Prozesse des Menschen wird aufgrund des Umfangs der Thematik nicht eingegangen.

Methode

Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in MEDLINE, Pubmed, Cochrane Library und im International Standard Randomised Controlled Trial Number (ISRCTN)-Register von 01.01.2014 bis 31.05.2019. Zunächst wurden die Suchbegriffe „blue light“ AND „review“ eingegeben. Von den 181 Treffern wurden die Arbeiten ausgeschlossen, die entweder keinen Bezug zum Auge haben oder die Thematik „zirkadianer Rhythmus“ behandelten. Von 15 Übersichtsarbeiten wurden danach zwei nichtenglischsprachige Artikel ausgeschlossen. Basierend auf den 13 übrigen Übersichtsarbeiten wurden die Themen Makuladegeneration und malignes Melanom definiert. Es erfolgte die selektive Literaturrecherche zu diesen Themen in obigen Datenbanken nach Originalarbeiten ohne Einschränkung nach Datum. Sowohl experimentelle Daten als auch Daten aus epidemiologischen Studien wurden evaluiert.

Ergebnisse und Diskussion

Lichtemittierende Dioden (LED)

Um mit LEDs weißes Licht zu erzeugen, wird meist eine blaue LED mit einem oder mehreren fluoreszierenden Leuchtstoffen (Phosphoren) beschichtet. Für Menschen entsteht der Gesamteindruck von weißem Licht (Spivey 2011). Dennoch haben weiße LEDs im kurzwelligen Bereich (450–470 nm) eine deutlich höhere Intensität als andere Lichtquellen (➥ Abb. 1).

Um eine akute Gesundheitsgefährdung durch auf die Netzhaut fallende blaue Lichtstrahlung zu verhindern, hat die internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) Grenzwerte empfohlen (➥ Abb. 2, ICNIRP 2013). O’Hagan et al. (2016) konnten bei verschiedenen LEDs, Computerbildschirmen, Tablets, Laptops und Smartphones keine Überschreitung der Blaulichtgefährdungsgrenze von ICNIRP bei Nutzungsdauer von drei Stunden feststellen. Die internationale Beleuchtungskommission (2019) erachtet die Kurzzeitexposition von künstlichen Lichtquellen für unbedenklich. Dennoch sollte eine Exposition vom blaulichtreichen künstlichen Licht besonders bei Kindern über einen längeren Zeitraum vermieden werden.

Heßling et al. (2019) berechneten die relative Blaulichtnetzhautgefährdung verschiedener Lichtquellen bei angenommener gleicher Helligkeit. Kaltweiße LED kommt dabei auf den Faktor 2,36 im Vergleich zum Halogenleuchtmittel (Faktor 1), Ipad Mini 2-LED-Display auf den Faktor 2,59 und mittägliches Sonnenlicht auf den Faktor 2,60. Anderen Untersuchungen zufolge würde die tägliche zulässige Expositionszeit nach ICNIRP beim direkten Blick in handelsübliche blaue LEDs nach 3–4 s überschritten sein, bei kaltweißen LEDs nach 40–100 s (Behar-Cohen et al. 2011). Reidenbach et al. (2005) haben in Untersuchungen gezeigt, dass nur 23 % der Probanden innerhalb von 0,25 s mit einem Lidschlussreflex als Vermeidungsreaktion reagiert haben. Zusätzlich können Medikamente, Drogen oder Krankheiten zur Verzögerung der Auslösung des Lidschlussreflexes führen.

Abb. 2: Die Blaulichtgefährdungskurve zeigt die Fähigkeit von Licht, eine photochemische ­Schädigung an der Netzhaut hervorzurufen, als eine Funktion der Wellenlänge (modifiziert nach ­ICNIRP 2013). Allerdings ist zu beachten, dass die gezeigte Kurve nicht ganz auf 0 geht. ­
Das relative ­Risiko liegt bei 0,01 bei 300 nm und bei 0,001 bei 700 nm
Fig. 2: Blue light hazard action spectrum shows the wavelength dependence of photoretinopathy (modified on the basis of ICNIRP 2013). It must be noted that the curve does not reach zero. There is a relative risk of 0.01 at 300 nm and of 0.001 at 700 nm

Wirkungsmechanismen optischer Strahlung

Die biologische Wirkung optischer Strahlung wird hauptsächlich durch thermische und photochemische, jedoch kaum durch photomechanische Effekte vermittelt. Photomechanische Schädigungen entstehen durch mechanische Kompression oder Zugkraft infolge eines rapiden hohen Energieanstiegs (Yousseff et al. 2011). Thermische Effekte überwiegen im langwelligen Teil des sichtbaren Spektrums und im Infrarotbereich, wenn in der Retina und im retinalen Pigmentepithel (RPE) eine Temperaturerhöhung von > 10 °C erreicht wird (Yousseff et al. 2011). Im energiereichen UV- und kurzwelligen sichtbaren Spektralbereich dominieren die photochemischen Effekte.

Photooxidativer Stress

Bei der photochemischen Reaktion wird zunächst ein Chromophor (lichtabsorbierender Teil eines Moleküls) durch die absorbierte Photonenenergie angeregt. Es kommt zur chemischen Transformation des Chromophors und/oder Interaktion mit anderen Molekülen. Chromophore, die nach Photoanregung freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies bilden, werden als Photosensitizer bezeichnet. Die Retina und das retinale Pigmentepithel enthalten verschiedene endogene Photosensitizer wie Rhodopsin, Lipofuszin und Melanin (Margrain et al. 2004). Mitochondriale Atmungskettenenzyme wie Flavine und Cytochomoxidasen sind ebenfalls fähig, Licht zwischen 440 und 450 nm zu absorbieren und reaktive Sauerstoffspezies zu bilden (Margrain et al. 2004; Lascaratos et al. 2007). Die reaktiven Sauerstoffspezies sind toxisch und können zu Lipid-Peroxidation, Protein-Peroxidation und zur Apoptose (Behar-Cohen et al. 2011) führen. Die Tatsache, dass Antioxidanzien eine Reduktion der Zellschädigung bewirken können, deutet auf eine Assoziation zwischen oxidativen Prozessen und Schädigungsmechanismus hin (Lascaratos et al. 2007).

Experimentelle Ergebnisse zur licht­induzierten Schädigung der Retina und des retinalen Pigmentepithels (RPE)

Die Lichtempfindlichkeit der Retina variiert beträchtlich zwischen den Spezies. Nachtaktive Nager haben weniger Zapfen als Menschen und besitzen keine zapfenreiche Region wie die menschliche Fovea (Organisciak u. Vaughan 2010). Zusätzlich haben Primaten einen UV-Filter in der Linse, Ratten und Mäuse hingegen besitzen keine Linse (Lei u. Yao 2006).

Bei der photochemischen Netzhautschädigung scheint die Wellenlänge ein entscheidender Faktor zu sein. Bei gleicher Intensität induziert blaues LED-Licht in experimentellen Studien mehr Zellschäden als weißes oder grünes LED-Licht (Kuse et al. 2014). Morphologische Veränderungen der Photorezeptoren zeigten sich bei Albinomäusen bereits nach zwei Stunden Bestrahlung mit blauem LED-Licht (Nakamura et al. 2017).

Einige Studien untersuchten den kumulativen Effekt der Lichtexposition. Lawwill et al. (1977) zeigten bei Rhesusaffen, dass fraktionierte Bestrahlung die gleiche Wirkung hat wie eine entsprechend lange Einwirkung am Stück. Kurzwelliges Licht (457,9 nm) verursacht dabei früher retinale Schäden in der Histologie (ab 2 mW/cm2) im Vergleich zu längerwelligem Licht (514,5 bzw. 590 nm, ab 10 mW/cm2). Lin et al. (2017) imitierten mit periodischem blauem LED-Licht den Smartphonebildschirm (460 nm, 150 Lux [lx]). Sie zeigten bei Ratten retinale Photorezeptoren- und RPE-Zellschädigungen nach 28 Tagen, bei einer Bestrahlungsdauer von 1–3 Stunden/Tag.

Des Weiteren scheint der Schweregrad der lichtinduzierten Retinaschäden von nachtaktiven Nagern vom Zeitpunkt im Tagesverlauf abzuhängen. Ratten scheinen nachts um ein Vielfaches anfälliger für Photorezeptorschäden zu sein als tagsüber (Vaughan et al. 2002).

Neovaskularisationen in der Netzhaut kommen bei verschiedenen pathologischen Netzhauterkrankungen, wie der feuchten Makuladegeneration oder der Melanomentwicklung, vor. Blaulicht könnte eine Rolle bei der Entstehung einer Neovaskularisation spielen. In kultivierten RPE-Zellen konnte die durch Weißlicht induzierte Produktion von vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (VEGF) durch Blockierung des Blauanteils inhibiert werden (Hui et al. 2009).

Die meisten experimentellen Studien sind akute Expositionsstudien. Nur wenige Studien evaluierten die Langzeiteffekte von LED-Licht im Niedrigdosisbereich unter häuslichen Beleuchtungsbedingungen. Krigel et al. (2016) zeigten retinale Schädigung bei Albinoratten nach einmonatiger Exposition mit weißem LED-Licht bei 500 lx. Unter blauem LED-Licht zeigten sich Netzhautschäden bereits nach einer Woche. Bei pigmentierten Ratten wurden nur funktionelle Veränderungen im Elektroretinogramm, aber keine morphologische Retinaveränderungen beobachtet. Suzuki et al. (2012) beobachteten eine verstärkte Phospholipidoxidation bei älteren Mäusen nach Exposition mit blauem LED-Licht. Eine niederschwellige Blaulichtexposition (500 lx) jeden zweiten Tag führte in 50 % der Fälle zur Entwicklung von choroidaler Neovaskularisationen (ähnlich der feuchten Makuladegeneration bei Menschen) nach 4–6 Monaten.

Insgesamt zeigen zahlreiche tier- und zellexperimentelle Studien, dass Exposition mit Blaulicht zu Radikalbildungen und daraus resultierenden Schädigungen der REP-Zellen, Photorezeptoren und Ganglienzellen führt.

Blaulichtexpostition und altersbedingte
Makuladegeneration (AMD)

Die Makula ist die Stelle des schärfsten Sehens mit der größten Dichte von Photorezeptoren innerhalb der Netzhaut. Die Makulapigmente Lutein und Zeaxanthin sind effektive Antioxidanzien. Sie filtern das blaue Licht und geben der Makula die gelbliche Farbe (Loane et al. 2008). Die Makulapigmentdichte ist individuell sehr unterschiedlich. Mit zunehmendem Alter nimmt die Makulapigmentdichte in der Netzhaut ab.

Pathogenese der AMD

Die altersbedingte Makuladegeneration gilt als führende Erblindungsursache im höheren Lebensalter (> 60 Jahre) in den Industrienationen. Bei dieser multifaktoriell verursachten Erkrankung spielen vor allem genetische und Umweltfaktoren (z. B. Rauchen) wichtige Rollen (Cai u. McGinnis 2012). In den letzten Jahren wurde aufgrund verschiedener experimenteller Studien und epidemiologischer Untersuchungen diskutiert, inwieweit der energiereiche blaue Anteil des Lichts durch Induktion von oxidativem Stress die Netzhaut schädigt und gegebenenfalls das Auftreten oder die Progression einer AMD fördern kann (Boulton et al. 2001). Lichtexposition kann das Fortschreiten von präexistierenden Retinopathien negativ beeinflussen (Paskowitz et al. 2006). Retinales Gewebe reagiert im Alter sensitiver auf Phototoxizität, wahrscheinlich durch die erhöhte Lipofuszinkonzentration und reduzierte Antioxidanzienaktivitäten (Algvere et al. 2006).

Die Anhäufung von Lipofuszin ist assoziiert mit RPE-Atrophie bei einer Vielzahl von retinalen Erkrankungen, unter anderem auch bei der AMD (Brunk u. Terman 2002). Besonders der Bestandteil A2E des Lipofuszins kann blaues Licht absorbieren und reaktive Sauerstoffspezies produzieren. Diese schädigen wichtige zelluläre Funktionen sowie beschleunigen die Apoptose und die Nekrose der Pigmentepithelzellen (Lu et al. 2017).

Linse und AMD

Durch zunehmende Linsentrübung entwickelt sich im Laufe des Lebens ein lentikulärer Blaulichtfilter. So beträgt die Transmissionsrate von Licht zwischen 400 und 500 nm bei Kindern 80–90 %, bei 70-Jährigen jedoch weniger als 25 % (Dillon et al. 2004). In einer Metaanalyse aus 14 Studien zeigten Sui et al. (2013), dass Menschen mit hoher Sonnenlichtexposition ein signifikant erhöhtes AMD-Risiko haben.

Durch die in den Industrieländern relativ häufige Kataraktoperation steigt die Exposition der Netzhaut mit blauem Licht im Alter. In der Blue Mountain Eye Study (Cugati et al. 2006) und der Beaver Dam Eye Study (Klein et al. 2012) zeigten sich eine höhere Inzidenz der AMD nach Kataraktextraktion. In der AREDS-Studie (Chew et al. 2009), in der etwa 8000 Augen mit früher AMD im Schnitt neun Jahre kontrolliert wurden, zeigte sich jedoch keine statistisch signifikante Assoziation zwischen Kataraktoperation und der Ausbildung einer AMD. In einer prospektiven Longitudinalstudie aus Australien (CSAMD Study) zeigte sich ebenfalls kein erhöhtes Risiko für AMD 4–5 Jahre nach einer Kataraktoperation (Wang et al. 2016).

Der Zusammenhang zwischen Intraokularlinsen (IOL) ohne Blaulichtfilter und AMD-Risiko wird in zahlreichen epidemiologischen und experimentellen Untersuchungen diskutiert (Margrain et al. 2004). Die Schwierigkeit liegt in einer genauen retrospektiven Schätzung der Lichtexposition sowie in den unterschiedlichen individuellen genetischen Voraussetzungen. Der Nutzen einer Blaulichtfilter-IOL hinsichtlich der AMD-Entwicklung oder -Progression konnte in einer aktuell durchgeführten Cochrane-Analyse jedoch nicht eindeutig belegt werden (Downie et al. 2018).

Blaulichtexposition und malignes Melanom der Aderhaut

Das maligne Melanom der Aderhaut ist der häufigste maligne primär intraokuläre Tumor und besitzt eine hohe Mortalität. In epidemiologischen und genetischen Studien zeigte sich bisher keine eindeutige Assoziation zwischen Sonnenlichtexposition und Entwicklung eines uvealen Melanoms (Singh et al. 2011). Blaulicht könnte jedoch eine Rolle spielen. Blaulicht kann mitochondriale (Godley et al. 2005) und nukleäre DNA-Schädigung (Chamorro et al. 2013) auslösen und somit zur Tumorgenese beitragen. Es steigert die Mitoserate von humanen Uveamelanomzellen in vitro und in vivo (Di Cesare et al. 2009). Manning et al. (2004) induzierten die Bildung eines okulären Melanoms bei einer pigmentierten Ratte durch Blaulichtexposition und Verabreichung eines Kalziumkanalblockers. Eine hohe Anzahl von pigmentierten Nävi ist ein unabhängiger phänotypischer Marker für stark erhöhtes Risiko der Entwicklung von kutanen und uvealen malignen Melanomen (Smith et al. 2007). In neonatalen Blaulichttherapiestudien im Rahmen der Therapie des Neugeborenenikterus wurde über ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung dysplastischer Nävi an der Haut und in den Augen berichtet (Oláh et al. 2013). Die gleichen Ergebnisse zeigten sich in einer Studie an monozygoten und heterozygoten Zwillingen, bei denen jeweils ein Zwillingskind die neonatale Blaulicht­therapie bekommen hatte (Csoma et al. 2011).

Zusammenfassend deuten einige Untersuchungen auf eine positive Assoziation zwischen der Bildung von uvealem Melanom und der Blaulichtexposition hin. Epidemiologische Studien fehlen jedoch, um diese Theorie zu untermauern.

Schlussfolgerung

In der modernen Welt ist der Mensch rund um die Uhr heller künstlicher Beleuchtung ausgesetzt. Zusätzlich werden signifikante Anteile des Tages und der Nacht vor digitalen Geräten verbracht. Limitiert durch den Umfang der Thematik kann diese selektive Übersichtsarbeit nur einen Überblick über die aktuellen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Blaulichtgefährdung für die Augen liefern.

Zahlreiche zell- und tierexperimentelle Studien deuten darauf hin, dass der Blaulichtanteil von LEDs ein Risikofaktor für die Entwicklung einer AMD oder anderer retinaler Pathologien darstellt. In epidemiologischen Studien finden sich bislang widersprüchliche Resultate.

Derzeitige Grenzwerte für Blaulichtgefährdung basieren auf akuten Expositionsstudien und sollen akute Gesundheitsgefährdungen verhindern. Die Expositionsgrenzwerte gelten nicht für überdurchschnittlich photosensitive Personen, wie Kinder, aphake Personen oder Personen mit künstlichen Augenlinsen. Ein erhöhtes Risiko tragen auch Patienten mit erblichen Netzhauterkrankungen und Personen, die photosensibilisierenden Substanzen (Antibiotika, Psychopharmaka, Psoralene) ausgesetzt sind. Die mögliche Gefährdung für diese Personengruppen wird in keiner Studie eindeutig beurteilt. Ob sukzessive transiente Schädigungen zur Langzeittoxizität führen, lässt sich aufgrund der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht beurteilen. Die absolute Zeitdauer der Einwirkung von LED-Licht kann schwer unter experimentellen Bedingungen nachgeahmt werden. Die Kenntnisse aus tierexperimentellen Studien können wegen der Unterschieden zwischen den Spezies nicht vollständig auf chronische Expositionen bei Kindern oder älteren Menschen übertragen werden. Weitere Studien über die Langzeitexposition mit Blaulicht im Niedrigdosisbereich sind notwendig, um die photobiologische Sicherheit von LED-Licht zu beurteilen.

Interessenkonflikt: Die Autorenschaft gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

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Für die Autorenschaft

Dr. med. Yanyan König
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg
Henkestraße 9–11
91054 Erlangen
yankoenig@web.de

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55: 109-113