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Hautbelastung in den verschiedenen Berufsgruppen

Hautbelastung in den verschiedenen Berufsgruppen

Ziel: Hautbelastungen spielen bei den Arbeitsunfähigkeitszeiten und auch den anerkannten Berufskrankheiten eine bedeutende Rolle. Bisher wurden jedoch vorwiegend bereits manifeste Erkrankungen in den verschiedenen Berufsgruppen verglichen. Die Frage der Belastungen durch irritative bzw. sensibilisierende Einwirkungen in den Berufsgruppen ist nur in einzelnen, oft regional ausgelegten Untersuchungen behandelt. Unsere Studie analysiert irritative/sensibilisierende Hautbelastungen nach Berufsgruppen und untersucht insbesondere die Superposition der Hautbelastung mit anderen physikalisch-chemischen Belastungsfaktoren.

Kollektiv und Methode: Diese Untersuchung analysiert die Hautbelastungen in einem Patientenkollektiv (n = 3988), das sich einem orthopädischen Rehabilitationsverfahren im Rahmen der medizinisch-berufsorientierten Rehabilitation (MBO®/MBOR) in der Klinik Bavaria unterzogen hat. Auf den dadurch vorhandenen Selektionsbias sei hingewiesen. Die Einstufung der Hautbelastung wurde (neben der Kodierung weiterer 82 Belastungsmerkmale) mit dem Bavaria Rehabilitations Assessment (BRA) durch besonders geschulte Arbeitsmediziner mit ordinalskalierten Stufenschlüsseln vorgenommen. Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Chi²-Test nach Pearson und dem asymptotischen Kruskal-Wallis-Test.

Ergebnisse: In 77 % aller Fälle lag eine irritative oder sensibilisierende Hautbelastung vor. Die Berufsgruppen Bau, Montage, Gastronomie und Pflege wiesen sowohl höhere Mediane bzw. Mittelwerte als auch nach oben verschobene Spannweiten der Hautbelastung auf. Die Belastung durch Hautreizstoffe ist über die Berufsgruppen ungleich verteilt. Gemeinsamkeiten gibt es jedoch bei der Einwirkung durch Feuchtarbeit, aggressive Reinigungsmittel und Chemikalien. Berufsgruppen, die einer starken Belastung mit Hautreizstoffen ausgesetzt sind, wiesen auch hohe Einstufungen von Körperhaltung, Kraftaufwand, im Gefährdungscharakter der Tätigkeit, und den physikalisch-chemischen Belastungen (Klima, Lärm, Vibrationen, Beleuchtung u. a.) auf. Bis auf die situativen Einwirkungen handelt es sich dabei um indifferente Belastungssuperpositionen, da sie unterschiedliche physiologische Engpässe ansprechen. Kumulative Belastungssuperposition lag dagegen bei den Belastungsarten Hautreizstoffe, Hitzearbeit, Kälte/Feuchte, inhalative Stoffe sowie Gefährdungscharakter vor. Die Berufsgruppe Bau wies die stärksten kumulativen Superpositionen auf.

Schlüsselwörter: Hautbelastung – Berufsgruppen – Belastungssuperposition

Skin health risks in specific occupations

Objective: Although skin conditions figure significantly in the list of recognized occupational diseases and also in the statistics of time lost through worker incapacitation, reports published to date relate primarily to comparisons of cases in various occupational groups where symptoms are already manifest. The question of skin health risks to which certain occupational groups are exposed through irritant or sensitizing factors has only been addressed in a few isolated, frequently regional, studies. Our study analyzes irritant/sensitizing skin stresses by occupational group and focuses, in particular, on superimposition of skin stresses on other physical/chemical stress factors.

Study population, methodology: This investigation analyzes skin stresses in a patient population (n=3988) undergoing orthopaedic rehabilitation in the Medical/Occupation-oriented Rehabilitation (MBO®/MBOR) Department of the Bavaria Clinic. This inevitably created a certain degree of selection bias. The skin stress was classified on an ordinal scale by specially trained industrial medical officers using the Bavaria Rehabilitations Assessment (BRA) procedure, which was also used to code the patients for 82 other stress criteria. Pearson‘s Chi² Test and the asymptomatic Kruskal-Wallis Test were used for the statistical analysis.

Results: Skin lesions caused by irritant or sensitizing factors were present in 77 % of all cases. Workers in the building industry and in assembly, catering and nursing jobs were found to exhibit not only higher median and mean skin stress levels, but also higher upper standard deviations than in other occupations. Although stresses caused by irritant or sensitizing substances are spread unevenly across the different occupational groups, it was possible to identify common factors, including work in damp conditions and with aggressive detergents and chemicals. Occupations exposed to high stress levels through these types of substances also tended to have jobs involving forced postures, high levels of force exertion and above-average exposure to physical/chemical hazards (climate, vibrations, lighting conditions etc.). Aside from specific, situation-related effects, the stress superimpositions were indifferent, because they affected different physiological bottlenecks. However, cumulative stress superimpositions were present in stresses attributable to skin irritants, work in overheated conditions, cold or damp, inhaled substances and hazard character. Workers in the building industry exhibited the highest degree of cumulative superimpositions.

Keywords: skin stress – occupational groups – stress superimposition

K. Landau 1

R. Brauchler 2

J. Kiesel 3

A. Presl 4

(eingegangen am 23. 04. 2013, angenommen am 08. 10. 2013)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2013; 48: 686–692

Fragestellung

Durch Einwirkung von schädigenden chemischen und physikalischen Faktoren kann es zur Irritation der Haut kommen. Mit Schädigungen ist dann zu rechnen, wenn die exogenen Einflüsse einerseits und die Schutz- und Reparaturmechanismen andererseits nicht im Gleichgewicht sind. Der Grad der Organschädigung hängt von der Potenz der Noxe und der Intensität ihrer Einwir-kung ab (Hillen 2009). Durch Änderungen in der Arbeitsregie (z. B. verlängerte Handschuhtragezeiten) bzw. durch den Einsatz neuer Produktpaletten (unzureichend bekannte Zusammen-setzungen), kommt es ständig zu neuen Hautbelastungen. Dies ist sicher ein Grund für die hohe Zahl von Berufsdermatosen (BAuA 2005).

Von Bedeutung sind zum einen Allergene, die eine Hypersensibilitätsreaktion auslösen können. Zum anderen wirken eine Vielzahl chemischer Irritanzien sowie pflanzlicher und tierischer Produkte in der Berufswelt und im privaten Haushalt auf die menschliche Haut ein. Hinzu kommen Stoffe mit aggressiven Eigenschaften, wie z. B. Glasfasern, Drahtwolle u. a., die physikalisch hautirritierend wirken. So rechnet man in der Metall- und Elektroindustrie, aber auch im Handwerk z. B. in Schlossereien oder Installationsbetrieben mit Ölen, Fetten, Metallstäuben u. a., die Hauterkrankungen auslösen können. Im Baugewerbe sind es z. B. Zement und zahlreiche Bauhilfsstoffe, die Risikofaktoren für Hauterkrankungen bergen. Aber auch häufiger Wasserkontakt, z. B. bei Friseuren, sowie im Pflege- und Hygienebereich kann die Schutzmechanismen der Haut beeinträchtigen. In der Nahrungsmittelindustrie können mikrobielle Verschmutzungen, Fett- und Eiweißverschmutzungen Hauterkrankungen hervorrufen. Bei Malern und Lackierern sind es Ölfarben, Lacke, Kleber sowie eine Vielzahl wasserunlöslicher Arbeitsstoffe, die zu beachten sind.

Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung veröffentlicht branchenspezifische Hilfestellun-gen gegen Gefährdungen durch Hautkontakte ( http://www.dguv.de/ifa/de/fac/haut/branchen/index.jsp ). Das Institut legt auch eine Gefährdungsbeurteilung der dermalen Exposition für verschiedene Gefahrstoffe vor ( http://www.dguv.de/ifa/de/fac/haut/gefaehrdungsbeurteilung/index.jsp ).

Es liegt eine Vielzahl von Einzelpublikationen zu irritativen Hautbelastungen für bestimmte Berufsgruppen vor. Synoptische Darstellungen findet man in den Publikationen zum europäischen RISKOFDERM-Projekt (z. B. Auffarth et al. 2003). Daneben gibt es Publikationen, die sich auf bestimmte Branchen oder Bundesländer beziehen (z. B. BAuA 2005). So liegt für das Bundesland Sachsen für den Zeitraum von 1994 bis 2004 eine Statistik zu den berufsbedingten Erkrankungen vor. Die Auswertung erfolgt u. a. nach den Diagnosen (irritativ-toxisch, allergisch, anlagebedingt), nach der jeweiligen Tätigkeitsdauer, nach den Kontaktstoffen sowie nach Tätigkeitsgruppen bzw. Tätigkeiten.

So wertvoll diese Statistik ist, so stellt sie doch eine Ex-post-Situation dar. Die Erkrankungen haben sich schon manifestiert. Über den generellen Zustand der Hautbelastungen in den Berufsgruppen gibt diese Statistik jedoch keine Information. Weiterhin fehlt eine Aussage zu superponierten Belastungen, d. h. also, die Frage wird nicht behandelt, ob zur Hautbelastung noch andere wesentliche psychophysikalische Belastungen hinzukommen.

Folgende Arbeitshypothesen wurden überprüft:

  • H1: Die Belastungen durch Hautreizstoffe sind über die Berufsgruppen gleich verteilt.
  • H2: Die Superposition von Hautbelastungen mit anderen psychophysischen Belastungsfaktoren kommt in allen Berufsgruppen gleichermaßen vor.

Methodik

Erhebungsmethodik

Zur Analyse möglicher Hautbelastungen wurde das Bavaria Rehabilitanden Assessment (BRA) eingesetzt (Landau et al. 2002; Brauchler et al. 2004; Landau et al. 2007). Im Sinne eines standardisierten Befragungs- und Einstufungsleitfadens werden im BRA in 83 Merkmalen die Anforderungen und Belastungen eines Beschäftigten an seinem bisherigen (oder früheren) Arbeitsplatz im Rahmen der medizinisch-berufsorientieren Rehabilitation (MBO; Kiesel u. Schwarze 2013; Knörzer 2007, 2009) erfragt. Das BRA wird durch besonders geschulte Arbeitsmediziner im Dialog mit dem Patienten eingesetzt und ist bezüglich der „wahren“ Arbeitsplatz-anforderungen validiert (Landau et al. 2011).

Das Assessment beinhaltet die folgenden Merkmalsgruppen.

  •  1. Ausbildung: Schulischer Abschluss, Beruf, Weiterbildung
  •  2. Arbeitsorganisation: Schichtarbeit, Pausen, Zeitdruck
  •  3. Umgebungseinwirkungen: Klima, Lärm, Vibration, Gefährdungs-niveau
  •  4. Tragen Persönlicher Schutzausrüstungen: Kopfschutz, Gehörschutz, Schutzhandschuhe …
  •  5. Hantieren von Lasten, Lastkraft: Heben, Tragen, Ziehen, Schieben
  •  6. Körperhaltungen und -bewegungen: Stehen, Sitzen, Kriechen, Treppe steigen …
  •  7. Extremitätenfunktionen: Umwendbewegung, Finger-Koordina-tion, Handkraft, Pedalbedienung
  •  8. Sinnesorgane: Visuelle, akustische, haptische und olfaktorische Wahrnehmung
  •  9. Psychomentale Faktoren: Aufmerksamkeit, Wissen, Stabilität, Handlungs- und Sozialkompetenz)

Anforderungen und Fähigkeiten werden mit einer 6-stufigen Skalierung gekennzeichnet. Im Wesentlichen kommen der Zeitdauerschlüssel und der Kraftintensitätsschlüssel in Anlehnung an den Leitfaden zum einheitlichen Entlassungsbericht in der medizinischen Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung (2009) sowie eine Skalierung für die Bedeutung der psychischen Anforderung und einige Sonderskalierungen zum Einsatz, wie Ausbildungsabgrenzungen, Schicht- und Pausenregime sowie Alternativmerkmale für das Arbeiten unter Absturzgefahr und das selbständige Fahren. Die Merkmale zum Haltungs- und Bewegungsapparat sind der EFL-Diagnostik nach Isernhagen (1992, 2011) an-geglichen.

Das BRA-Merkmal Hautreizstoffe wird in folgender Übersicht dargestellt.

Es sei daraufhin gewiesen, dass mit diesem summarischen BRA-Merkmal „Hautreizstoffe“ keine Differenzierung von bestimmten sensibilisierenden Stoffen möglich ist. Das BRA zielt auf eine ganzheitliche und umfassende Belastungsanalyse von Arbeitsschwere und Arbeitsschwierigkeit, so dass naturgemäß Details der jeweiligen Belastungsart nicht erfasst werden können. Das BRA dient als Belastungsscreeningverfahren der Information von Arbeits- oder Rehabilitationsmedizinern in einem Heilverfahren über den Arbeitsplatz und die berufsbezogenen Belastungen des Patienten.

Auswertungsmethodik

Die Einstufung der Hautbelastung in den Berufsgruppen wurde als Box Plots mit Ausweisung der 20- und 80-Perzentile, Mittelwert und Median vorgenommen. Auf die Fragwürdigkeit der Berechnung arithmetischer Mittelwerte bei ordinalskalierten Daten sei der Vollständigkeit halber hingewiesen. Die Signifikanzprüfungen wurden folgendermaßen vorgenommen: Die Unterschiede zwischen den erhobenen und bei Unabhängigkeit zu erwartenden Zellfrequenzen wurde mit dem Pearson Chi-Quadrat-Test überprüft. Weiterhin wurde zur Testung der beiden Hypothesen H1 und H2 der asymptotische Kruskal-Wallis-Test eingesetzt sowie eine ordinale logistische Regression durchgeführt.

Die Analyse von Belastungssuperpositionen folgte den definitorischen Vorschlägen von Luczak (1982). Herausgegriffen wurden nur die Berufsgruppen mit mindestens mittleren Einstufungswerten der Hautbelastung. Als Grafik wurde eine Ampeldarstellung („Spinnenprofil“) gewählt.

Untersuchungsgut

In dieser Analyse wurden insgesamt 3988 Patienten der Klinik Bavaria in Freyung einbezogen. Sie traten in den Jahren 2000 bis 2010 eine medizinisch-berufsorientierte Rehabilitationsmaßnahme an. Es handelte sich dabei in erster Linie um orthopädische Patienten, in einer Reihe von Fällen lag jedoch Multimorbidität vor. Dabei spielten neben den orthopädischen Erkrankungen u. a. Fettstoffwechselstörungen sowie neurologische Erkrankungen eine Rolle.

Wichtig erscheint der Hinweis, dass die Berufshistorie der betreffenden Patienten nicht untersucht wurde. Es kann daher zur Fehlinterpretationen bei Berufswechslern kommen (z. B. ein Patient, der langjährig in der Montage arbeitete, wechselte zu einer Bürotätigkeit über).

Natürlich ist auch zu beachten, dass es sich bei der Belastungsanalyse mit einem Klinikkollektiv um eine Positivselektion handelt. Die Rückübertragung der folgenden Befunde auf die Gesamtheit der realen Arbeitssituation in der Bundesrepublik Deutschland ist wegen des Selektionsbias daher mit besonderer Vorsicht vorzunehmen.

Ergebnisse und Diskussion

Belastungshöhe

Bei den 3988 Patienten kam es in 899 Fällen zu keiner Hautbelastung. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass in 77 % aller Fälle eine irritative oder sensibilisierende Hautbelastung vorlag, wenn auch zum Teil mit niederer Einstufung. Mittlere bis sehr hohe Hautbelastung wurde in 540 Fällen festgestellt. Die Verteilung dieser Fälle auf die einzelnen Berufsgruppen war folgendermaßen:

  • Bau 133
  • Fahrtätigkeit 19
  • Gastronomie 46
  • Büro 41
  • Verkauf 45
  • Logistik 23
  • Montage 124
  • Pflege 47
  • Sonstige 62

In 72 Fällen war die Hautbelastung hoch oder sehr hoch.

Abbildung 1 gibt den Ergebnisüberblick zu den verschiedenen Berufsgruppen als Box Plots. Bei den Bauberufen liegt die Spannweite zwischen dem 20. und dem 80. Perzentil am höchsten. Der mittlere Einstufungswert beträgt 1,8, der Median 2. Die Medianwerte liegen in der Gastronomie, der Montage und der Pflege ebenfalls bei 2, allerdings sind die Spannweiten vom 20. zum 80. Perzentil geringer. Die Fahrtätigkeiten und die Tätigkeiten der Logistik unterscheiden sich weder in der Spannweite noch im Mittelwert und Median. Das hängt damit zusammen, dass beide Berufsgruppen eine beträchtliche Schnittmenge aufweisen. Gastronomie, Montage und Pflege weisen den höchsten Wert für das 20. Perzentil auf. Hautbelastungen gehören in vielen Fällen zu den typischen Anforderungen in diesen Berufen.

Was verbirgt sich hinter der Berufsgruppe „Sonstiges“? Einige Beispiele verdeutlichen die Art der hier hinterlegten Tätigkeiten: Es kann sich z. B. handeln um Funktechniker, Nachrichtentechniker, Prüffeldmesstechniker, Bautechniker, Schichtführer, Werkstattleiter aber auch um Chemiearbeiter, Drucker oder Kautschukarbeiter. Diese Berufe waren nach dem Berufsgruppenschema der Klinik Bavaria nicht weiter zu differenzieren, beinhalten jedoch ganz unterschiedliche Belastungssituationen. Oft sind in der Berufsgruppe „Sonstiges“ auch untere und mittlere Führungskräfte hinter-legt.

Vergleich von Berufsgruppen

Abbildung 2 zeigt die Häufigkeitsverteilungen irritativer Hautbelastung in den verschiedenen Berufsgruppen.

Die Abfolge von links oben nach rechts unten entspricht zunehmend sinkender Belastung. Die rote Vergleichslinie gibt die Verteilung über alle Berufsgruppen wieder. Die Verteilungen bei den einzelnen Berufsgruppen haben unterschiedliche Form, z. B. Bau linksschief, Handel Büro rechtsschief, Montage symmetrisch. Es wird daraus deutlich, dass es zwischen den Häufigkeitsverteilungen des Gesamtkollektivs und denen der jeweiligen Berufsgruppe zu deutlichen Unterschieden kommt. Die Berufsgruppen Bau, Pflege, Gastronomie und Montage weisen die höchsten BRA-Einstufungen auf, bei den Fahrtätigkeiten, im Handel und der Logistik sind irritative Hautbelastungen nur niedrig eingestuft.

Die Analyse der Häufigkeitsverteilungen zeigt, dass die Merkmalsstufen „4 (hohe Bedeutung) “ und „5 (sehr hohe Bedeutung)“ nur in wenigen Fällen (vor allem im Baubereich) eingestuft werden. So könnte man diese beiden Stufen der mittleren Stufe „3“ zuschlagen. Die Auswertung der sich dann ergebenden Kreuztabelle ergibt

Chi² = 407,77

d.f. = 27

p = 1,3056 10–69

Größere Unterschiede zwischen beobachteten und bei Unabhängigkeit erwarteten Zellfrequenzen finden wir bei den Berufsgruppen „Bau“ (Stufen 0–1 seltener, 2–5 häufiger) und „Handel Büro“ (Stufe 0 häufiger, 2–5 seltener).

Der asymptotische Kruskal-Wallis Test erbringt mit

Chi² = 321,87

d.f. = 9

p < 2,2 10–16

ein hochsignifikantes Ergebnis - ebenso wie eine ordinale logistische Regression (Likelihood ratio test mit Chi2 = 336,90, d.f. = 9, p

Hypothese H1 wird demnach abgelehnt. Hautreizstoffe sind über die Berufsgruppen ungleich verteilt. Gemeinsamkeiten können jedoch auftreten: In den Pflegeberufen und in der Gastronomie spielt die Feuchtarbeit eine große Rolle. Insbesondere die Kombination und immer wiederkehrende Wirkung des Umgangs mit Wasser und der Kontakt zu reizenden Stoffen ist zu beachten. So spezifiziert die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) jede zweite Berufskrankheit als Hauterkrankung.

Superponierte Belastungen

Aus der Gesamtdatenbank wurden die Patienten-Arbeitsplätze selektiert, die im BRA-Merkmal „Hautreizstoffe“ (s. Übersicht oben) mittlere bis sehr hohe Einstufungen aufwiesen. Es sollte nun die Frage beantwortet werden, ob zusätzlich zur Hautbelastung noch weitere Expositionen zu beachten sind. Die 83 BRA-Merkmale wurden für die selektierten Arbeitsplätze auf jeweils neun Belastungsfaktoren (gewichtete Mittelwerte; zur Verdichtungsmethodik siehe z. B. Rohmert u. Landau 1979) verdichtet.   Abbildung 3 gibt als „Belastungsspinne“ diese Belastungs-Superpositionen wieder. Hierbei wurden die Merkmalseinstufungen in eine Prozentskala umgerechnet (Prozent der maximal möglichen Einstufung). Das Ampelschema wurde zur Verdeutlichung eingesetzt: Grün bedeutet: Die Belastungshöhen bzw. -dauern sind unkritisch, Rot bedeutet, dass es sich hier um hohe bis sehr hohe Belastungen handeln kann. Gelb kennzeichnet die Übergangsphase zwischen den beiden Einstufungsklassen Grün und Rot.

Berufsgruppen, die einer starken Belastung mit Hautreizstoffen ausgesetzt sind, weisen auch hohe Einstufungen im Gefährdungscharakter der Tätigkeit, den physikalisch-chemischen Belastungen (Klima, Lärm, Vibrationen, Beleuchtung u. a.) sowie Kraftaufwand auf. Die Belastungssuperpositionen in der Gastronomie, der Montage, der Pflege und dem Bau sind sowohl bei dem Kraftaufwand als auch bei den physikalisch-chemischen Umgebungsbedingungen hoch. Bürotätigkeiten weichen dagegen deutlich ab: Superpositio-nen von Hautbelastungen und anderen Belastungsfaktoren sind dort eher selten. Bis auf die Belastungen aus der Arbeitsorganisation, den Ausbildungserfordernissen und den physikalisch-chemischen Umgebungsbedingungen (Klima, Lärm, Tonerstaub) sind die Belastungseinstufen der Bürotätigkeiten durchweg im grün-gelben Bereich.

In der Terminologie von Luczak (1982) handelt es sich in Abb. 3 um indifferente Belastungssuperposition, da Hautbelastung und andere psychophysische Belastungsfaktoren auf unterschiedlich physiologische Engpässe einwirken. Eine Ausnahme bilden die physikalisch-chemischen Umgebungsbelastungen. Hier muss mit Kumulationseffekten mit der Hautbelastung gerechnet werden. Untersucht wurden nun im Einzelnen die Superpositionen

  • Hautreizstoffe,
  • Hitzearbeit (BRA-Item 3.2.2),
  • Kälte/Feuchtigkeit (BRA-Item 3.2.1),
  • Inhalative Stoffe und (BRA-Item 3.3),
  • Gefährdungsniveau der Arbeit (BRA-Item 3.9).

Diese Superpositionen sind kumulativ, das heißt, sie sprechen (zum Teil) denselben physiologischen Engpass an und verlangen daher vordringlich nach Arbeitsgestaltungsmaßnahmen. Berücksichtigt wurden nur BRA-Einstufungen 3, d. h. niedrige Einstufungswerte können das Superpositionsergebnis nicht verfälschen.

Abbildung 4 zeigt für die Berufsgruppe Bau die stärkste Belastungskumulation im Bereich der physikalisch-chemischen Umgebungseinflüsse: ein Viertel der Arbeitsplätze wies zwischen drei und fünf Superpositionsmerkmale auf. An zweiter Stelle liegt die Berufsgruppe Montage, in der 11 % der Arbeitsplätze drei oder mehr Superpositionen aufwiesen.

Im Gegensatz dazu gibt es in der Berufsgruppe Pflege nur wenig kumulativ wirkende Belastungssuperpositionen. Die Hautreizstoffe wirken an 67 % der Arbeitsplätze alleine ein.

Die Signifikanz dieser Ergebnisse konnte mit

Chi² = 473,5359

d.f. = 27

p = 4,388785 10–83

belegt werden.

Hypothese H2 „Die Superposition von Hautbelastungen und anderen psycho-physischen Belastungsfaktoren kommt in allen Berufsgruppen gleichermaßen vor“ wird daher abgelehnt.

Interessant ist nun noch das Testen von Superpositionen mit Kompensationseffekten, hier also beispielsweise Hautreizstoffe ( 3) versus Tragen von Handschuhen. Untersucht werden konnten wegen zu geringer Stichprobengröße nur die Berufsgruppen Bau und Montage. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch nicht in der Häufigkeit des Tragens von Schutzhandschuhen.

Fazit

Eine Belastung durch irritative und sensibilisierende Expositionen der Haut liegt in fast 80 % der Tätigkeiten bei einem untersuchten orthopädischen Patientenkollektiv vor. Die Einwirkungen reichen von der Anforderungsstufe „sehr gering“ bis zur Stufe „sehr hoch“. Besonders exponiert sind erwartungsgemäß Bau- und Montageberufe, aber auch Berufe in Pflege und Gastronomie. Unsere „Rangliste“ der Expositionen findet man bei BAuA (2005) bestätigt. Allerdings stehen dort Körperpflegetätigkeiten/Friseure an erster Stelle, gefolgt von Metall, Gesundheitsdienst und Bau. In vielen Fällen spielt Feuchtearbeit, kombiniert mit starken Verschmutzungen, aggressiven Reinigungsmittel und Chemikalien eine maßgebliche Rolle. Die Regenerationsfähigkeit der Haut kann damit ständig überfordert werden (HVBG 2006). Chronische Formen der Hautschädigung betreffen insbesondere viele Gesundheitsberufe, Friseurinnen und Friseure sowie Lebensmittelverarbeiter. Im Bau- und Montagebereich, Pflege und Gastronomie kann es zusätzlich jedoch auch oft zur akuten Hautreizung oder Hautverätzung durch Arbeitsunfälle kommen.

Superpositionen von Hautbelastung mit anderen Belastungsfaktoren sind besonders zu beachten. Es handelt sich dabei jedoch oft um indifferente Belastungssuperpositionen, da sie auf unterschiedlich physiologische Engpässe einwirken. Eine Ausnahme macht die Kombination aus Hautbelastung und den physikalisch-chemischen Umgebungsbelastungen, die auf denselben Engpass zielen kann. In unserer Studie kommt es in der Berufsgruppe Bau zur stärksten Belastungskumulation im Bereich der physikalisch-chemischen Umgebungseinflüsse: Ein Viertel der Arbeitsplätze wies zwischen drei und fünf möglicherweise kumulativ wirkender Super-positionsmerkmale auf. An zweiter Stelle liegt die Berufsgruppe Montage, in der 11 % der Arbeitsplätze drei oder mehr kumulative Superpositionen aufwiesen.

Bei Fliesen- und Estrichlegern, Maurern und Stuckateuren sowie Malern und Lackierern wirken einerseits Gefahrstoffe (z. B. alkalischer Zement, Lösemittel) ein, zugleich kommt es aber auch zu einer mechanischen Abriebsbelastung der Haut durch Sand, Mauersteine u. a. Weiterhin können durch das häufige Reinigen der Haut und die Exposition gegenüber Witterungseinflüssen synergistische Wirkungen bei der Entwicklung chronischer Hautschäden entstehen.

Unsere Ergebnisse zu Belastungssuperpositionen im Bau- und Reinigungsbereich werden durch Diagnosehäufigkeiten in andere Studien bestätigt (AMD der BG Bau, o.Jg.). Ebenso wird die Kombination von Feuchtearbeit mit weiteren Kontaktstoffen bei der Entstehung von Berufsdermatosen in der Untersuchung BAuA (2005) hervorgehoben.

Bei den anstehenden Arbeitsgestaltungsmaßnahmen sehen Kranken- und Rentenversicherungen sowie auch Berufsgenossenschaften oft persönliche Schutzausrüstungen (PSA) und Hautschutz- und Hautpflegemittel im Vordergrund. PSA führen aber selbst wieder zu Belastungen und Arbeitserschwernissen. Die technisch-technologische Bessergestaltung der Arbeit („Richtig von Anfang an“) wird dagegen nach Ansicht der Verfasser häufig vernachlässigt.

Literatur

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Für die Verfasser

Univ.-Prof. (em.) Dr.-Ing. Kurt Landau

Institut für Organisation und Arbeitsgestaltung GmbH

Lechnerschaft 110

A-9872 Millstatt

office@ioa-online.at

Fußnoten

1 Institut für Organisation und Arbeitsgestaltung GmbH, Millstatt, Österreich

2 Ergonomia GmbH & Co KG, Stuttgart

3 Klinik Bavaria, Freyung

4 Klinik Bavaria, Kreischa

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