Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

How to stay healthy in a physically demanding workplace

Die retrospektive Beurteilung einer gezielten betrieblichen Gesundheitsförderungs­maßnahme für körperlich schwer arbeitende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Allgemeinen Krankenhaus Wien

T. Hasenöhrl1*

B. Scharer1,2*

M. Steiner1

M. Grohs2

G. Jordakieva1

R. Crevenna1,2

(eingegangen am 10.07.2024, angenommen am 01.10.2024)

doi:10.17147/asu-1-399189

How to stay healthy in a physically demanding ­workplace – The retrospective assessment of a targeted occupational health promotion measure for employees doing physically demanding work at Vienna General Hospital

Aim: Heavy physical work is one of the key factors in the development of spinal overload syndromes. Workplace health promotion (WHP) measures aim to minimize the harmful effects of heavy physical work as much as possible through personal measures. If generalized WHP measures are not possible, they should be carried out in a way that is tailored to specific professional groups. This paper presents such a targeted WHP measure for the patient transport services at Vienna General Hospital and its retrospective assessment by the participants.

Methods: After participation in the targeted WHP measure, a validated questionnaire, the Comprehensibility of Health Education Programs (COHEP), was used.

Results: The COHEP dimensions “comprehension-fostering behaviour of program trainers” (mean 16,3 ± 5,9), “transferability to everyday life” (mean 12,5 ± 4,0) and “comprehensibility of medical information” (mean 7,6 ± 2,2) were rated as very good. The COHEP dimension “amount of information” (mean 12,6 ± 6,8) was rated as average.

Conclusion: The WHP project presented here was rated very highly in terms of comprehension-fostering behaviour, transferability to everyday life and comprehensibility of medical information. The amount of information, however, was rated as tending to be too extensive.

Keywords: workplace health promotion – back health – manual material handling – weightlifting

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2023; 59: 710–714

How to stay healthy in a physically demanding workplace – Die retrospektive Beurteilung einer gezielten betrieblichen Gesundheitsförderungsmaßnahme für körperlich schwer arbeitende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Allgemeinen Krankenhaus Wien

Zielstellung: Körperliche Schwerarbeit zählt zu den zentralen Faktoren bei der Entwicklung von Überlastungssyndromen an der Wirbelsäule. Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) zielen darauf ab, über personenbezogene Maßnahmen die gesundheitsschädlichen Effekte schwerer körperlicher Arbeit soweit wie möglich zu minimieren. BGF-Maßnahmen sollen, wenn nicht generalisiert möglich, spezialisiert auf Berufsgruppen abgestimmt durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall wird eine derartig gezielte BGF-Maßnahme für die Patiententransportdienste im Allgemeinen Krankenhaus Wien und ihre retrospektive Einschätzung der Verständlichkeit durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dargestellt.

Methoden: Nach der Teilnahme an der gezielten BGF-Maßnahme wurde ein validierter Fragebogen zur Verständlichkeit von Patientenschulungen, der Comprehensibility of Health Education Programs (COHEP) verwendet.

Ergebnisse: An der BGF-Maßnahme nahmen 67 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teil. Von diesen wurden 61 auswertbare COHEP-Fragebögen retourniert. Die COHEP-Dimensionen „Verständnisförderndes Verhalten des Schulungsleiters“ (Mittelwert 16,3 ± 5,9), „Übertragbarkeit der Informa­tionen auf den Alltag“ (Mittelwert 12,5 ± 4,0) und „Verständlichkeit der medizinischen Informationen“ (Mittelwert 7,6 ± 2,2) wurden sehr gut bewertet. Die COHEP-Dimension „Menge an Informationen“ (Mittelwert 12,6 ± 6,8) wurde als durchschnittlich bewertet.

Schlussfolgerung: Das hier dargestellte BGF-Projekt wurde hinsichtlich des Verständnis fördernden Verhaltens, der Übertragbarkeit in den Alltag und der Verständlichkeit medizinischer Informationen sehr gut bewertet. Die Menge an Informationen wurde hingegen als tendenziell zu umfangreich bewertet.

Schlüsselwörter: betriebliche Gesundheitsförderung – Rückengesundheit – Lastenhandhabung – Gewichtheben

Einleitung

Schwere körperliche Arbeit ist ein zentraler Risikofaktor für das Auftreten von Rückenschmerzen bei Beschäftigten (da Costa u. Vieira 2010).
Dabei wirkt sich die schwere körperliche Arbeit nicht nur unmittelbar via erhöhter erkrankungsbedingter Absenzen aus (Watanabe et al. 2018), sondern sie beeinflusst auch langfristig die Rückengesundheit, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt keine körperliche Schwerarbeit mehr geleistet wird (Bláfoss et al. 2020). Gut ein Viertel aller körperlich Arbeitenden leidet einmal im Jahr unter zumindest leichten Rückenschmerzen (Ferguson et al. 2019). Rückenschmerzen stellen nicht nur auf persönlicher Ebene ein ernsthaftes Gesundheitsproblem dar, sondern belasten auch aus sozioökonomischer Sicht ganze Volkswirtschaften. Dabei entfällt etwa ein Drittel der Kosten auf sogenannte direkte Kosten, also Kosten, die mit der medizinischen Behandlung der Rückenschmerzen assoziiert sind, und zwei Drittel auf sogenannte indirekte Kosten, also alle Kosten, die mit dem Arbeitsausfall assoziiert sind (Katz 2006). Entsprechend hoch ist das wirtschaftliche Interesse von Betrieben, die eigenen Beschäftigten gesund zu halten (Russo et al. 2021).

Die Umsetzung betrieblicher Gesundheitsförderungsmaßnahmen ist ein wichtiger Stellhebel für Arbeitgeber, um Gesundheit, Wohlbefinden und Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden zu erhalten (Gasevic et al. 2022). Einen Teil der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) stellen Maßnahmen gegen muskuloskelettale Probleme dar, deren Entstehung sowohl durch sitzende Tätigkeiten (Bontrup et al. 2019), aber insbesondere auch durch schwere körperliche Arbeit (Heuch et al. 2017) begünstigt werden. Oftmals bedeutet das, dass als BGF-Maßnahme das körperliche Aktivitätsverhalten gefördert wird (Keadle et al. 2017).

Paradoxerweise jedoch stellt körperliche Aktivität, die in der Freizeit durchgeführt wird, einen gesundheitsförderlichen Faktor dar, während körperliche Aktivität im Berufsumfeld schädlich wirken kann (Holtermann et al. 2012; Jordakieva et al. 2023). Entsprechend wichtig ist die individuelle, auf das betriebliche Arbeitsumfeld abgestimmte Planung einer jeden BGF-Maßnahme zur Erhaltung der Rückengesundheit (Seidler et al. 2008) sowie das Einbeziehen des Freizeitverhaltens (Hasenoehrl et al. 2024).

Dieser Ansatz wurde sehr erfolgreich von Hasenoehrl et al. (2024) bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Gesundheitswesens im Allgemeinen Krankenhaus Wien (AKH) im Rahmen einer BGF-
Maßnahme unter dem Titel „Rückengesundheit 24/7/365“ umgesetzt. Ziel dieser BGF-Maßnahme war, die Gesundheitskompetenz von AKH-Mitarbeitenden in mehreren Schulungen zu verschiedenen Rückenschmerz-assoziierten Themen zu entwickeln und zu zeigen, dass eine derartige Methode unabhängig von den Arbeitsplatzanforderungen gleichermaßen für alle Teilnehmenden wirkt. Die Schulungsinhalte wurden dabei in Kleingruppen in einem modularen System, bestehend aus einer videobasierten Theorieschulung und drei Praxismodulen, gelehrt.

Die Evaluierung dieser BGF-Intervention zeigte nach sechs Monaten unabhängig vom Ausmaß der körperlichen Belastung am Arbeitsplatz signifikante Verbesserungen bei Rückenschmerzen sowie bei der körperlicher Funktions- und der Leistungsfähigkeit (Hasenoehrl et al. 2024).

Allerdings konnten nicht alle Berufsgruppen mit diesem Projekt gleichermaßen erreicht werden. Eine Berufsgruppe, die der Patiententransportdienste, stach dahingehend hervor, dass deren Abteilungsleiterin sich im Rahmen des BGF-Projekts „Rücken­gesundheit 24/7/365“ direkt an die Klinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin wandte, weil es dort großen Schulungsbedarf gab, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Berufsgruppe aber nicht an dem regulären BGF-Projekt teilnehmen konnte, weil ein derartig großer Zeitaufwand aufgrund der dienstlichen Verpflichtungen nicht machbar gewesen ist. Die Mitarbeitenden der Patiententransportdienste sind verantwortlich für den Transport von Patientinnen und Patienten, die innerhalb des AKH zwischen den verschiedenen Kliniken und Abteilungen transportiert werden müssen. Diese Arbeit schließt vom Schieben eines Rollstuhls, über das vorsichtige Bewegen einer Patientin/eines Patienten im entsprechend schweren Patientenbett, bis zum Patiententransfer mit schwerem Heben und Tragen alles ein. Diese Beschäftigten sind in einem typischen Dienst zudem den ganzen Tag auf den Beinen und gehen über 20.000 Schritte pro Dienst. Die Arbeit ist in einem Dienstrad mit kleinen Teams aus sieben Mitarbeitenden organisiert. Entsprechend kann ein ganzes Team für maximal 90 Minuten aus einem Dienstrad freigespielt werden, ohne dass der Dienstbetrieb beeinträchtigt ist. Diese Zeitvorgabe und die Rahmenbedingungen, also 90 Minuten mit einer Kleingruppe aus sieben Personen, waren damit der Zeitrahmen, mit dem nun eine auf die Patiententransportdienste abgestimmte BGF-Maßnahme als Ersatz für die nicht mögliche Teilnahme am umfassenden BGF-Projekt „Rückengesundheit 24/7/365“ zusammengestellt
wurde.

Zielstellung

Das Ziel des gegenwärtigen BGF-Projekts war es, die Verständlichkeit einer auf den Arbeitsplatz spezifisch abgestimmten Schulung zur Rückengesundheit abzufragen.

Methoden

BGF-Intervention

In der ursprünglichen Variante wurden die Handhabung schwerer Lasten, Kompensationstraining für sitzende Tätigkeiten sowie allgemeine Rumpfkraftübungen in drei jeweils 90-minütigen Kleingruppenschulungen geschult. Darüber hinaus gab es eine halbstündige Videoschulung zur Anatomie der Wirbelsäule, zum Zusammenhang von Psyche und Rückenschmerzen, zu den Möglichkeiten, mit
Ernährung Einfluss zu nehmen und zur leitliniengerechten Behandlung von Rückenschmerzen (Hasenoehrl et al. 2024). Die an dieser Stelle dargestellte BGF-Intervention war eine „abgespeckte“ Variante des ursprünglichen BGF-Projekts „Rückengesundheit 24/7/365“ und sah zum Einstieg eine zehnminütige Videopräsentation von Expertinnen und Experten in ihrem Gebiet zur medizinischen, psychologischen, sportwissenschaftlichen sowie der betrieblichen Gesundheitsförderungsperspektive vor. Danach wurden Aufbau, Belastbarkeit und Verletzbarkeit der Wirbelsäule mit Hilfe eines Wirbelsäulenmodells praktisch vorgezeigt und erklärt. Auf Basis der vorab gelehrten Theorie zur mechanischen Belastbarkeit der Wirbelsäule folgte dann eine verständnisbasierte Hebeschulung mit einem zentralen Fokus auf Basisübungen aus dem Gewichtheben (Hip Hinge, Deadlift). Danach wurde das Thema Rumpfstabilität behandelt. Alle praktischen Übungen wurden mit einem direkten Bezug auf reale Arbeitsplatzbelastungen der Mitarbeitenden der Patiententransportdienste gelehrt. Zentral war aber die Schulung des grundsätzlichen Verständnisses dafür, wie externe Belastungen über die Wirbelsäule abgeleitet werden und wie man einerseits seine Haltung anpassen und andererseits die Muskulatur optimal zur Stabilisierung nutzen kann. Zum Abschluss wurden ausgewählte Auflockerungs-, Mobilisations- und Dehnübungen für die Wirbelsäule sowie die Hüft- und Rückenmuskulatur gezeigt und praktisch geübt. Diese Übungen waren danach ausgewählt, dass sie durch muskuläre Fehl- und Überbelastung entstehende unspezifische Rückenschmerzen unmittelbar erleichtern können sollten. Die Schulungen wurden im Dezember 2023 und Jänner 2024 in zehn einzelnen Kleingruppenschulungen durchgeführt. Nach Abschluss der Schulungen wurde den Teilnehmenden ein Handout mit den beigebrachten Übungen und den wichtigsten theoretischen Inputs übermittelt.

Evaluierung

Zur Evaluierung wurde die subjektive Einschätzung der BGF-Intervention mittels eines validierten Fragebogens zur Verständlichkeit von Patientenschulungen, dem Comprehensibility of Health Education Programs (COHEP), im Nachhinein erfasst (Farin et al. 2013). Dieser Fragebogen wurde einmalig, direkt nach Abschluss der Schulungen erhoben. Der COHEP-Fragebogen besteht aus 30 Fragen, die in vier Dimensionen unterteilt sind und als Summenscores der jeweiligen Antworten gebildet werden. Die Dimension „Verständnisförderndes Verhalten des Schulungsleiters“ wird in elf Items abgebildet, die Dimension „Übertragbarkeit der Informationen auf den Alltag“ in neun Items, die Dimension „Verständlichkeit der medizinischen Informationen“ in sechs Items und die Dimension „Menge an Informationen“ wird in vier Items abgebildet. Diese Dimension ist auch die einzige, bei der ein niedriger Score ein schlechtes und ein hoher Score ein gutes Ergebnis darstellt. Alle vier Dimensionen weisen mit Cronbach’s Alpha-Werten zwischen 0,82 und 0,94 eine hohe Reliabilität auf und alle Dimensionen korrelieren signifikant sowohl mit Personenfaktoren, als auch, nach Adjustierung der Personenfaktoren, mit Kontextfaktoren, was die Validität des COHEP Fragebogens bestätigt (Farin et al. 2013).

Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt deskriptiv.

Ergebnisse

67 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Patiententransportdienste im AKH Wien nahmen an der spezifisch auf ihren Arbeitsplatz abgestimmten BGF-Intervention teil. Von diesen 67 Teilnehmenden schickten 62 ihren COHEP-Fragebogen zurück und davon waren 61 Fragebögen auswertbar. Die Ergebnisse sind in ➥ Tabelle 1 dargestellt.

Damit wurden die drei Dimensionen verständnisförderndes Verhalten des Schulungsleiters, Übertragbarkeit der Informationen auf den Alltag und Verständlichkeit der medizinischen Informationen sehr gut und eine Dimension, die Menge an Informationen, durchschnittlich bewertet.

Diskussion

Ein BGF-Projekt ist nur so gut, wie es genutzt wird. Das in Hasen­oehrl et al. (2024) dargestellte und für unsere Begriffe optimal zusammengestellte BGF-Projekt, das für Krankenhauspersonal im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien durchgeführt und detailliert wissenschaftlich evaluiert wurde, bestand aus einer Theorieschulung zu 30 Minuten und drei praktischen Schulungen zu jeweils 90 Minuten (Hasenoehrl et al. 2024). Wie sich in der Praxis gezeigt hat, war ein derartiger Aufwand nicht für alle Beschäftigten im AKH Wien machbar, weshalb die gegenwärtig geschilderte BGF-Maßnahme entwickelt und in weniger als einem Drittel der Zeit implementiert wurde. Subjektiv wurde die Maßnahme sehr positiv angenommen und bewertet, einzig die Menge an Informationen wurde nicht sehr gut, sondern nur durchschnittlich bewertet. Dass hier das Thema Zeitknappheit immer präsent war und in den zur Verfügung stehenden 90 Minuten alle wichtigen Inhalte transportiert werden sollten, war mit Sicherheit ursächlich dafür, dass diese Dimension nicht besser bewertet wurde.

Bei Angestellten im Gesundheitswesen ist die Förderung von Rückengesundheit jedenfalls ein hoch relevantes Thema, zeigt doch eine rezente Arbeit von Haddas et al. (2023) mit mehr als 3000 Angestellten eines Gesundheitszentrums, dass 77 % der Befragten über unspezifische Rückenschmerzen geklagt haben. In dieser Studie war ein zentraler Teil der Datenerhebung die Erstellung eines individuellen Leistungsprofils, auf dessen Basis dann bei 313 Probandinnen und Probanden ein individualisiertes Rehabilitationsprogramm durchgeführt wurde und signifikante Verbesserungen der körperlichen Funktionsfähigkeit verzeichnet werden konnten (Haddas et al. 2023). Im Gegensatz zu dem hier von uns vorgestellten BGF-Projekt, wurde dieses Projekt unabhängig vom Belastungsprofil des Arbeitsplatzes, dafür aber mit einem hohen Ausmaß an Individualisierung durchgeführt. Das bringt einen großen zeitlichen, personellen und damit automatisch auch finanziellen Aufwand mit sich, der in dem hier von uns vorgestellten Projekt nicht realisierbar gewesen wäre.

Einen komplett anderen und gänzlich unspezifischen Ansatz in der betrieblichen Gesundheitsförderung bei Krankenhausbeschäftigten haben Barene et al. (2014) gewählt. Sie haben Krankenhausbeschäftigten über 40 Wochen an Fußball- und Zumba-Trainingseinheiten teilnehmen lassen und danach signifikante Verbesserungen bei Schulter-Nacken-Schmerzen festgestellt (Barene et al. 2014). Ein derartig unspezifischer Ansatz zeigt zwar das generelle Potenzial von Bewegung und Sport auf die Rückengesundheit im Vergleich zum Nichtstun, durch den fehlenden Vergleich zu einer spezifischen Intervention kann aber nicht quantifiziert werden, was in einem vergleichbaren Zeitraum mit einer spezifischen Intervention möglich gewesen wäre. Außerdem ändert eine derartige Intervention nicht das Gesundheitsverhalten am Arbeitsplatz und benötigt zudem einen zusätzlichen Zeitaufwand außerhalb des Arbeitsplatzes, während eine gezielte BGF-Maßnahme, wie sie hier beschrieben ist, darauf ausgelegt ist, eine Verhaltensänderung am Arbeitsplatz zu bewirken und von den Probandinnen und Probanden keine zusätzlichen Zeitressourcen einfordert.

Bei Betrachtung der gegenwärtigen wissenschaftlichen Evidenz zum Thema Hebeschulungen am Arbeitsplatz, muss die Anwendung derartiger BGF-Maßnahmen grundsätzlich kritisch hinterfragt werden. Eine Reihe derartiger Maßnahmen zeigt nämlich nicht den erwarteten Erfolg. Das dürfte einerseits auf die Art und Weise der Umsetzung sowie die Rahmenbedingungen zurückzuführen sein (Denis et al. 2020). Es scheint sich zu zeigen, dass ein alleiniger Fokus auf Verhaltensprävention ohne ausreichende Verhältnisprävention eben nicht zu dem gewünschten nachhaltigen Erfolg führt, eine Strategie, die der Österreichischen Arbeitswelt durch das gesetzlich verankerte „STOP-Prinzip“ von vorhinein ausgeschlossen ist (AG1 – Verbesserung von Arbeitsplatzeva­luierungen und Gefah­renbewusstsein 2017). In Österreich regelt der § 7 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) die Grundsätze der Gefahrenverhütung am Arbeitsplatz. Es gilt, das „STOP-Prinzip“ anzuwenden, das die Reihenfolge der arbeitsmedizinischen Schutzmaßnahmen zur Gefahrenverhütung regelt. STOP ist hierbei ein Akronym für Substitution (Kann eine Gefahr beseitigt oder durch eine weniger gefährliche ersetzt werden?), Technik (Kann durch eine technische Maßnahme die Gefahr minimiert werden?), Organisation (Kann durch eine organisatorische Maßnahme die Gefahr minimiert werden?) und personenbezogen (Kann durch Schulungsmaßnahmen die Gefahr minimiert werden?). Ziel ist die Risikominimierung für Beschäftigte am Arbeitsplatz und personenbezogene Maßnahmen sollen erst dann etabliert werden, wenn alle Stufen davor bereits ausgeschöpft wurden (AG1 – Verbesserung von Arbeitsplatzevaluierungen und Gefahrenbewusstsein 2017).

In Frankreich gelten zum Beispiel andere Leitlinien für das Management von Rückenschmerzen an Arbeitsplätzen, wo schwere körperliche Arbeit verrichtet wird. Hier soll nach einer dreistufigen Hierarchie vorgegangen werden, wo an erster Stelle die Risiko­identifikation – die systematische Detektion von für die Rückengesundheit gefährlichen Arbeitssituationen – steht. Im zweiten Schritt soll das Ausmaß der Gefährdung eingeschätzt werden und an dritter Stelle sollen, für den Fall, dass im zweiten Schritt das Maß der Rückengefährdung nicht ausreichend klar beurteilt werden konnte, komplexe Arbeits­situationen analysiert werden (Petit et al. 2016).

Wie immer man zu den französischen Empfehlungen, die einen erheblichen Fokus auf die Arbeitsplatzanalyse legt, steht, in Österreich ist dieser Weg gesetzlich vorgegeben und es bleibt die berechtigte Kritik, dass sich Hebeschulungen inhaltlich und methodisch unterscheiden und damit nicht eins zu eins in miteinander verglichen werden dürfen (Denis et al. 2020). Hier sehen sehen wir das gegenwärtige Projekt, das individuell auf die Zielgruppe hin entwickelt wurde, aufgrund der Überzahl der positiven Rückmeldungen voll bestätigt.

Als Limitierung dieser BGF-Evaluierung müssen hingegen das Fehlen objektiver Messgrößen sowie das Design als rein retrospektive Erhebung angeführt werden. Ein zentrales Thema bei der wissenschaftlichen Evaluierung derartiger Maßnahmen stellt die Sprachbarriere dar. Gerade bei körperlich schwer Arbeitenden ist die Anzahl der Beschäftigten, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, verhältnismäßig hoch. Zudem war das Thema Zeitknappheit gerade bei dieser Berufsgruppe immer präsent. Entsprechend war eine komplexe Analyse der Stu­dienpopulation nicht möglich und das BGF-Projekt wurde nur in der vorliegenden Form evaluiert. Das gewählte Evaluierungswerkzeug, der COHEP-Fragebogen, ist spezifisch für rein retrospektive Analysen entwickelt, was das Fehlen eines Prä-Post-Vergleichs etwas abmildern soll.

Schlussfolgerungen

Das in der gegenwärtigen Form durchgeführte und an den Arbeitsplatz angepasste BGF-Projekt wurde hinsichtlich des verständnisfördernden Verhaltens, der Übertragbarkeit in den Alltag und der Verständlichkeit medizinischer Informationen überaus gut bewertet. Die Menge an Informationen war hingegen tendenziell zu umfangreich.

Für zukünftige Forschungsprojekte empfiehlt sich die Verwendung von sprachunabhängigen Messparametern und Fragebögen, die in verschiedenen Sprachen validiert sind, um auch in sprachlich heterogenen Testgruppen Prä-Post-Vergleiche implementieren zu können.

Interessenkonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Beiträge der Autorinnen und Autoren: Konzeption – RC; Design – TH, MS; Durchführung – TH, BS, MG; Datenerhebung – TH, BS; Datenanalyse – TH; Interpretation – TH, RC; schriftlicher Entwurf der Publikation – TH; kritische Durchsicht inklusive Einbringung wichtigen intellektuellen Inhalts – GJ, RC; abschließende Zustimmung zur eingereichten und veröffentlichten Version des Manuskripts – TH, BS, MS, MG, GJ, RC.

Literatur

AG1 – Verbesserung von Arbeitsplatzevaluierungen und Gefahrenbewusstsein, Bundesministerium für Arbeit Soziales und Konsumentenschutz Arbeitsinspektion: Grundsätze der Gefahrenverhütung – Reihenfolge von Maßnahmen. ArbeitnehmerInnenschutzstrategie 2013–2020. Austria. 2017.

Barene S, Krustrup P, Holtermann A: Effects of the workplace health promotion activities soccer and zumba on muscle pain, work ability and perceived physical exertion among female hospital employees. PloS One 2014; 9: e115059. doi: 10.1371/journal.pone.0115059.

Bláfoss R, Venge Skovlund S, López-Bueno R, Calatayud J, Sundstrup E, Andersen LL: Is hard physical work in the early working life associated with back pain later in life? A cross-sectional study among 5700 older workers. BMJ Open 2020; 10: e040158. doi: 10.1136/bmjopen-2020-040158.

Bontrup C, Taylor WR, Fliesser M, Visscher R, Green T, Wippert P-M, Zemp R: Low back pain and its relationship with sitting behaviour among sedentary office workers. Appl Ergonom 2018; 81: 102894. doi: 10.1016/j.apergo.2019.102894.

da Costa BR, Ramos Vieira E: Risk factors for work-related musculoskeletal disorders:
a systematic review of recent longitudinal studies. Am J Indust Med 2010; 53: 285–323. doi: 10.1002/ajim.20750.

Denis D, Gonella M, Comeau M, Lauzier M: Questioning the value of manual material handling training: a scoping and critical literature review. Appl Ergonom 2020; 89: 103186. doi: 10.1016/j.apergo.2020.103186.

Farin E, Nagl M, Ullrich A: The comprehensibility of health education programs: questionnaire development and results in patients with chronic musculoskeletal diseases. Patient Educ Counsel 2013; 90: 239–246. doi: 10.1016/j.pec.2012.10.004.

Ferguson SA, Merryweather A, Thiese MS, Hegmann KT, Lu M-L, Kapellusch JM, Marras WS: Prevalence of low back pain, seeking medical care, and lost time due to low back pain among manual material handling workers in the United States. BMC Musculoskelet Disord 2019; 20: 243. doi: 10.1186/s12891-019-2594-0.

Gasevic D, Alif SM, Okenwa-Emegwa L: Editorial: Workplace health promotion, volume II. Front Public Health 2022; 10: 1102042. doi: 10.3389/fpubh.2022.1102042.

Gasevic D, Okenwa Emegwa L: Editorial: Workplace health promotion. Front Public Health 2022; 10: 1090333. doi: 10.3389/fpubh.2022.1090333.

Haddas R, Botros M, D’Agostino CR et al.: The effect of a workplace wellness program on disability, function and pain in healthcare providers workers with low back pain-outcomes of 3040 academic health center employees. Eur Spine J 2023; 32: 4405–4419. doi: 10.1007/s00586-023-07971-3.

Hasenoehrl T, Steiner M, Ebenberger F, Kull P, Sternik J, Reissig L, Jordakieva G, Crevenna R: Back Health 24/7/365’-A novel, comprehensive ‘one size fits all’ workplace health promotion intervention for occupational back health among hospital employees. Int J Environ Res Public Health 2024; 21 (6). doi: 10.3390/ijerph21060772.

Heuch I, Heuch I, Hagen K, John-Anker Zwart J: Physical activity level at work and risk of chronic low back pain: a follow-up in the Nord-Trøndelag Health Study. Edited by D. Meyre. PLOS ONE 2017; 12: e0175086. doi: 10.1371/journal.pone.0175086.

Holtermann A, Hansen JV, Burr H, Søgaard K, Sjøgaard G. The health paradox of occupational and leisure-time physical activity. Br J Sports Med 2012; 46: 291–295. doi: 10.1136/bjsm.2010.079582.

Jordakieva G, Hasenoehrl T, Steiner M, Jensen-Jarolim R, Crevenna R: Occupational physical activity: the good, the bad, and the proinflammatory. Front Med 2023; 10: 1253951. doi: 10.3389/fmed.2023.1253951.

Katz JN: Lumbar disc disorders and low-back pain: socioeconomic factors and consequences. J Bone Joint Surg 2006: 88 (Suppl 2): 21–24. doi: 10.2106/JBJS.E.01273.

Keadle SK, Conroy DE, Buman MP, Dunstan DW, Matthews CE: Targeting reductions in sitting time to increase physical activity and improve health. Med Sci Sports Exerc 2017; 49: 1572–1582. doi: 10.1249/MSS.0000000000001257.

Petit A, Mairiaux P, Desarmenien A, Meyer J-P, Roquelaure Y: French good practice guidelines for management of the risk of low back pain among workers exposed to manual material handling: hierarchical strategy of risk assessment of work situations. Work 2016; 53: 845–850. doi: 10.3233/WOR-162258.

Russo F, Papalia GF, Vadalà G, Fontana L, Iavicoli S, Papalia R, Denaro V: The effects of workplace interventions on low back pain in workers: a systematic review and meta-analysis. Int J Environ Res Public Health 2021; 18 (23). doi: 10.3390/ijerph182312614.

Seidler A, Liebers F, Latza U: Prävention von Low-Back-Pain im beruflichen Kontext. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2008; 51: 322–333. doi: 10.1007/s00103-008-0463-3.

Watanabe S, Takahashi T, Takeba J, Miura H: Factors Associated with the prevalence of back pain and work absence in shipyard workers. BMC Musculoskeletal Disorders 2018: 19: 12. doi: 10.1186/s12891-018-1931-z

KONTAKT

Univ.-Prof. Dr. Richard Crevenna, MBA, MMSc

Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin

Medizinische Universität Wien

Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien

richard.crevenna@meduniwien.ac.at

Anhang: COHEP-Itemliste

Die Schulungen …

  • waren eine gute Mischung aus Theorie und Praxis.
  • waren sehr verständlich.
  • waren so alltagsnah aufgebaut, dass die Patientinnen/Patienten das Wissen mit nachhause nehmen können.
  • besaßen eine klare Struktur.
  • wurden in einer einfachen Sprache gehalten, die die Patientinnen/Patienten verstehen konnten.
  • waren alltagsnah aufgebaut.
  • waren sehr praxisnah, so dass die Patientinnen/Patienten viel lernen konnten.
  • waren so verständlich, dass die Patientinnen/Patienten folgen konnten.
  • In den Schulungen …

  • wurden praktische Ratschläge gegeben, die die Patientinnen/Patienten im Alltag nutzen können.
  • wurde das Wesentliche auf den Punkt gebracht.
  • wurden umgangssprachliche Wörter verwendet, die die Patientinnen/Patienten verstehen konnten.
  • wurden viele praktische Beispiele gegeben, wodurch die Patientinnen/Patienten die Inhalte der Schulungen besser verstehen konnten.
  • bauten die einzelnen Inhalte sinnvoll aufeinander auf.
  • wurden kurze und einfache Sätze verwendet, so dass die Patientinnen/Patienten folgen konnten.
  • wurden anschauliche Erklärungen gegeben, so dass die Patientinnen/Patienten dem Inhalt folgen konnten.
  • Die Schulungsleiter …

  • ermöglichten es, dass die Patientinnen/Patienten ihre eigenen Probleme und Themen einbringen konnten.
  • haben von ihren Erfahrungen berichtet, wodurch die Schulung anschaulicher wurde.
  • fragten zwischendurch, ob die Patientinnen/Patienten etwas nicht verstanden haben.
  • gingen stets auf Fragen der Patientinnen/Patienten ein.
  • bezogen Patientinnen/Patienten mit ein, so dass sie ihre eigenen Erfahrungen einbringen konnten.
  • sind auf die Vorerfahrung der Patientinnen/Patienten (z. B. bezüglich Erkrankung, Behandlung) eingegangen, wodurch die Schulung konkreter wurde.
  • gingen auf Anmerkungen der Patientinnen/Patienten ein.
  • förderten den Austausch zwischen den Patientinnen/Patienten, so dass man von anderen lernen konnte.
  • haben den Patientinnen/Patienten genügend Zeit gelassen, um Fragen zu stellen.
  • bezogen die Erwartungen und Wünsche der Patientinnen/Patienten mit ein.
  • sind auf das Vorwissen der Patientinnen/Patienten mit eingegangen.
  • In den Schulungen wurden zu viele Informationen vermittelt.

    Der Stoff, der in den Schulungen vermittelt wurde, war zu umfangreich.

    In den Schulungen wurden zu viele detaillierte Informationen vermittelt.

    In den Schulungen wurden so viele Informationen vermittelt, dass man überfordert war.

    Antwortmöglichkeiten zu jedem Item:

  • Trifft vollkommen zu
  • Trifft zu
  • Trifft eher zu
  • Trifft eher nicht zu
  • Trifft nicht zu
  • Trifft überhaupt nicht zu
  • Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen