neuropattern: a translational tool to reduce stress in the workplace
Objectives: The study assesses the usefulness of a novel translational tool, neuropattern, in the prevention of stress-related disorders by means of personalised diagnostics and treatment measures derived therefrom. It took the form of a pilot study with a wait list control group.
Methods: 70 employees of the Forestry Department Rhineland-Palatinate in Germany were assigned to an experimental group or a wait list control group by means of block randomisation and underwent neuropattern diagnostics either immediately at the start of the study or after a waiting period of three months. After the diagnostic assessment, all study participants received an explanatory disease model and access to individualised online self-help, whilst their physicians were provided with a diagnostic report and treatment recommendations. Questionnaires on health (SF-12), stress perception (PSS), emotional exhaustion (MBI), work-related stress (ERI), work ability (WAI) and health behaviour were used at the start of the study and after three months in order to assess possible beneficial effects of neuropattern.
Results: Compared to the control group, the application of neuropattern in the experimental group resulted in a greater improvement in mental health, a significant increase in sporting activity and a significantly higher reduction in perceived stress, emotional exhaustion, overexertion and burnout in the workplace. No significant differences were found with regard to the development of physical health, current work ability, work-related reward, effort-reward ratio and practice of relaxation methods. Contrary to expectations, it was possible to observe growing pessimism about future work ability and a higher increase in sick leave in the experimental group as compared to the control group.
Conclusions: The present study delivers initial findings on the usefulness of neuropattern diagnostics in a non-clinical population. However, further research is required to determine the best operating conditions.
Keywords: work-related stress – burnout – prevention – conceptual endophenotypes – personalised medicine – neuropattern
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 55: –317-322
neuropattern – ein translationales Verfahren zur Stressreduktion am Arbeitsplatz
Ziele: Die Studie prüft die Nützlichkeit eines neuartigen translationalen Verfahrens namens neuropattern in der Prävention stressbezogener Gesundheitsstörungen durch personalisierte Diagnostik und daraus abgeleitete Maßnahmen. Es handelte sich um eine Pilotstudie mit einer Wartekontrollgruppe.
Methoden: 70 Beschäftigte dern Landesforsten Rheinland-Pfalz wurden per Blockrandomisierung einer Experimantal- oder Warte-Kontrollbedingung zugewiesen und durchliefen die neuropattern-Diagnostik sofort bei Studienbeginn oder nach dreimonatiger Wartezeit. Alle an der Studie Teilnehmenden erhielten nach abgeschlossener Diagnostik ein Krankheitsmodell und Zugang zu einer individualisierten Online-Selbsthilfe. Die Hausärztinnen und -ärzte erhielten einen diagnostischen Bericht mit Behandlungsempfehlungen. Um mögliche positive Auswirkungen von neuropattern zu erfassen, wurden Fragebögen zu Gesundheit (SF-12), subjektiver Stressbelastung (PSS), emotionaler Erschöpfung (MBI), Arbeitsstress (ERI) und Arbeitsfähigkeit (WAI) sowie Fragen zu Gesundheitsverhalten zu Beginn der Studie sowie drei Monate später eingesetzt.
Ergebnisse: In der Experimentalbedingung zeigte sich relativ zur Kontrollbedingung eine tendenziell stärkere Verbesserung der psychischen Gesundheit, eine signifikant stärkere Zunahme der sportlichen Aktivität sowie eine signifikant stärkere Reduktion von subjektiver Stressbelastung, emotionaler Erschöpfung und übermäßigem Einsatz sowie Verausgabung am Arbeitsplatz. Bei der Entwicklung der körperlichen Gesundheit, der aktuellen Arbeitsfähigkeit, der arbeitsbezogenen Belohnung, dem Verhältnis von arbeitsbezogener Belohnung und Verausgabung sowie der Ausübungshäufigkeit von Entspannungsmethoden zeigte sich kein signifikanter Gruppenunterschied. Erwartungskonträr war in der Experimentalgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine im Zeitverlauf zunehmend pessimistischere Bewertung der zukünftigen Arbeitsfähigkeit und eine stärkere Zunahme von Arbeitsfehltagen beobachtbar.
Schlussfolgerung: Die aktuelle Studie liefert erste Ergebnisse zur Nützlichkeit eines Einsatzes der neuropattern-Diagnostik in einer nichtklinischen Population. Zur Feststellung der optimalen Einsatzbedingungen ist jedoch weitere Forschung notwendig.
Schlüsselwörter: Arbeitsstress – Burnout – Prävention – Endophänotypen – personalisierte Medizin – neuropattern
Hintergrund und Ziele
Der Zusammenhang von Stress und einer Reihe körperlicher und psychischer Symptome scheint hinreichend belegt (Hellhammer u. Hellhammer 2008). Berichte über ansteigende Arbeitsfehltage aufgrund von stressbezogenen Gesundheitsstörungen (Badura et al. 2010) und Forschungsergebnisse der Arbeitspsychologie weisen auf schädliche Auswirkungen von Arbeitsstress auf die Bevölkerungsgesundheit hin (s. etwa Lundberg 2005). Das in diesem Kontext vieldiskutierte Burnout-Syndrom stellt zwar keine formale Diagnose (im Sinne der ICD) dar, es findet sich jedoch ein hoher Zusammenhang zwischen der im Burnout-Konzept enthaltenen Dimension „Emotionale Erschöpfung“ und Depression (Schaufeli u. Enzmann 1998). Wünschenswert ist daher, frühzeitig Risikofaktoren zu erkennen und individuelle Präventionsstrategien aufzuzeigen, um das Risiko einer psychischen Erkrankung zu reduzieren.
neuropattern ist ein neuartiges Verfahren, das versucht, psychobiologische Erkenntnisse über Stress für den Einsatz in der Praxis nutzbar zu machen. Einer vom US National Research Council vorgeschlagenen Strategie folgend wurden von Hellhammer et al. (2018) konzeptuelle Endophänotypen (neuropattern) eingeführt, um Subgruppen mit spezifischen psychologischen, sozialen, biologischen und symptombezogenen Kriterien zu identifizieren. Hierbei werden konzeptuelle Endophänotypen in einem kontinuierlichen iterativen Austausch zwischen Grundlagenforschung und Praxis entwickelt und validiert. neuropattern umfasst derzeit 13 konzeptuelle Endophänotypen, die theoretische Zustände der (Re-)Aktivität von Schnittstellen der Kommunikation zwischen zentralem Nervensystem und der Körperperipherie beschreiben (etwa Sympathikus, CRF, Serotonin oder Cortisol). Hierbei gilt die psychopathologische Relevanz dann als gegeben, wenn eine Person eine ausreichende Anzahl festgelegter psychologischer, biologischer und symptombezogener Kriterien der Dysregulation des stressbezogenen Netzwerks erfüllt. Diese Dysregulationen werden in einem Krankheitsmodell dargestellt und psychopharmakologische sowie psychotherapeutische Behandlungsempfehlungen beziehungsweise Möglichkeiten der Selbsthilfe generiert. So erhalten behandelnde Ärztinnen und Ärzte außer symptombezogenen auch psychobiologische Informationen, die eine Individualisierung der Behandlung ermöglichen (Ablaufbeschreibung s. Hellhammer et al. 2012). In randomisierten klinischen Studien konnte der Einsatz von neuropattern die Behandlung stressbezogener Erkrankungen verbessern (Bergemann et al. 2019; Hero et al. 2012).
Die aktuelle Pilotstudie sollte einen möglichen positiven Effekt des Einsatzes von neuropattern bei einer nichtklinischen Population im Arbeitskontext untersuchen (s. Contreras et al. 2018).
Methoden
Studienpopulation
Die randomisierte kontrollierte Pilotstudie wurde nach positivem Votum der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz durch das Auftragsforschungsinstitut daacro (Wissenschaftspark Trier) gemäß der Deklaration von Helsinki durchgeführt und bei ClinicalTrials.gov registriert. Das Projekt wurde durch Landesforsten Rheinland-Pfalz mit dem Ziel der Früherkennung und Prävention stressbezogener Gesundheitsstörungen bei den Beschäftigten initiiert und finanziert. Die Studieninformation erfolgte über Landesforsten, interessierte Beschäftigte konnten über Gutscheine und für den Arbeitgeber anonym die neuropattern-Diagnostik durchführen.
Beschäftigte im Alter von 18 bis 65 konnten teilnehmen. Ausgeschlossen wurden Personen, die Benzodiazepine oder Glukokortikoide einnahmen, eine Arrhythmia absoluta aufwiesen, in psychotherapeutischer Behandlung waren oder an einer anderen Studie teilnahmen. Da die neuropattern-Diagnostik einen Low-Dose-Dexamethason-Hemmtest als indirektes Maß eines chronisch erhöhten Cortisolspiegels beinhaltet, wurden schwangere und stillende Frauen sowie weitere Personen mit einer Kontraindikation ausgeschlossen.
Studiendurchführung
Interessierte Beschäftigte wurden nach Signierung einer Einwilligungserklärung per Blockrandomisierung (Blöcke von jeweils fünf Personen) einer Experimentalbedingung mit sofortiger Durchführung der neuropattern-Diagnostik oder einer Warte-Kontrollbedingung mit Durchführung der neuropattern-Diagnostik nach einer Wartephase von drei Monaten zugewiesen. Die Teilnehmenden der Experimentalbedingung begannen sofort mit der Durchführung der Diagnostik, die der Wartebedingung drei Monate später.
Zu Evaluationszwecken erhielten alle an der Untersuchung teilnehmenden Personen zu Beginn der Studie (nach der Randomisierung, t1) sowie drei Monate danach (t2) dieselben Fragebögen. Das Evaluationspaket enthielt zum einen den SF-12 Gesundheitsfragebogen (Bullinger u. Kirchberger 1998), der entsprechend einer von Lang et al. (2004) entwickelten Methode ausgewertet wurde, bei der hohe Skalenwerte eine ausgeprägte Beeinträchtigung des gesundheitlichen Befindens in den zurückliegenden drei Monaten anzeigen. Darüber hinaus umfasste das Paket die Perceived Stress Scale (PSS, Cohen et al. 1983), die Skala „Emotionale Erschöpfung“ des Maslach-Burnout-Inventars (MBI, Maslach u. Jackson 1981), den Effort-Reward-Imbalance-Fragebogen (ERI, Siegrist 1996) sowie zwei Items des Work Ability Index (WAI, Tuomi et al. 1998) in Bezug auf aktuelle und für die Zukunft erwartete Arbeitsfähigkeit. Zusätzlich wurden Fragen zur Anzahl der Arztbesuche, der Arbeitsfehltage und zum Gesundheitsverhalten (sportliche Aktivität und Ausübung von Entspannungsmethoden) beantwortet. Die Reliabilitäten können der Originalarbeit (Contreras et al. 2018) entnommen werden (➥ Abb. 1).
Die neuropattern-Diagnostik beinhaltete zunächst einen Arztbesuch, bei dem der neuropattern Anamnesebogen (NPQ-A) ausgefüllt und nach Prüfung 0,25 mg Dexamethason verschrieben wurden.
Bei Erhalt der medizinischen Dokumente wurde das neuropattern-Testset (Instruktion, EKG, Speichelsammelgefäße und Fragebögen) versandt. Die speziell für neuropattern entwickelten Fragebögen bestanden aus
retrospektiv prä-, peri- und postnatale Belastungen).
Die biologischen Parameter beinhalteten
Nach Erhebung wurde das Studienmaterial zu daacro, Trier, gesandt, die Cortisolproben im biochemischen Labor der Universität Trier analysiert, die EKG-Daten mittels Spektralanalyse der Herzratenvariabilität durch die Firma Neurocor, Trier, ausgewertet und die Fragebogendaten eingegeben. Alle Daten wurden zusammengeführt und durch eine Analyse-Software der neuropattern-Befund für Behandler und Beschäftigte sowie die Zusammenstellung individueller Online-Selbsthilfe-Module generiert, die bewährte Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie vermitteln. Eine detaillierte Beschreibung über den Ablauf der neuropattern-Diagnostik findet sich an anderer Stelle (Contreras et al. 2018; Hellhammer u. Hellhammer 2008; Hellhammer et al. 2012; Hero et al. 2012).
Beschreibung der Stichprobe
Insgesamt erhielten 88 Beschäftigte der Landesforsten Rheinland-Pfalz einen Gutschein, davon waren 79 bereit, an der Studie teilzunehmen. 70 Beschäftigte beteiligten sich zum Zeitpunkt t1 und 55 Personen zum Zeitpunkt t2 an der Evaluation (s. Abb. 1). Die Entwicklung von t1 zu t2 konnte daher für insgesamt 55 teilnehmende Personen (neuropattern-Gruppe: n = 26; Kontrollgruppe: n = 29) analysiert werden. Vitalparameter, Demografie und Geschlechterverteilung unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (s. Contreras et al. 2018).
Datenauswertung und Ergebnisse
Nach Studienabschluss wurden die Daten mit IBM SPSS Version 22 ausgewertet. Es fanden sich keine signifikanten Gruppenunterschiede bezüglich der betrachteten Variablen zum Zeitpunkt t1. Zur Berechnung der Wirksamkeit von neuropattern wurden Veränderungswerte (Differenz t2–t1) für beide Untersuchungsbedingungen berechnet und miteinander verglichen (Signifikanzniveau p ≤ 0,05; einseitige Fragestellung). Die Daten wurden auf Normalverteilung geprüft und der Datenstruktur und -verteilung entsprechende parametrische (t-Test) oder non-parametrische (einseitige) Tests (Mann-Whitney-U-Test) ausgewählt. Die Effektstärken wurden mit r bestimmt, wobei r ≥ 0,1 als geringer, r ≥ 0,3 als mittlerer und r ≥ 0,5 als hoher Effekt bewertet wurden. Fälle mit fehlenden Daten wurden ausgeschlossen.
Gesundheit (SF-12). Die körperliche Gesundheit veränderte sich in beiden Gruppen nicht unterschiedlich (U26,28 = 347, z = –0,31, p = 0,38), jedoch verbesserte sich die psychische Gesundheit in der Experimentalbedingung tendenziell stärker als in der Kontrollbedingung (U26,29 = 299,5, z = –1,31, p = 0,1, r = –0,18).
Arztbesuche. Die Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich der Entwicklung der Arztbesuchshäufigkeit (U26,29 = 337, z = –0,7, p = 0,25).
Arbeitsfähigkeit (WAI). Es ergab sich kein signifikanter Unterschied in der Veränderung der aktuellen Arbeitsfähigkeit (U26,29 = 371,5, z = –0,09, p = 0,47), jedoch entwickelte sich die Einschätzung der für die Zukunft (in zwei Jahren) erwarteten Arbeitsfähigkeit in der Experimentalgruppe signifikant anders als in der Kontrollgruppe (U26,29 = 59,5, z = –5,67, p < 0,001, r = –0,76): Während die Einschätzung in der Kontrollgruppe stabil blieb, wurden die Teilnehmenden der neuropattern-Gruppe im Zeitverlauf pessimistischer hinsichtlich ihrer zukünftigen Arbeitsfähigkeit.
Arbeitsfehltage. Die Entwicklung von Arbeitsfehltagen im Untersuchungszeitraum war signifikant unterschiedlich (U26,29 = 237, z = –2,5, p = 0,01, r= –0,34): In der neuropattern-Gruppe stieg die Anzahl der Arbeitsfehltage an, während sie in der Kontrollgruppe sank.
Subjektive Stressbelastung (PSS). In der neuropattern-Gruppe verringerte sich die subjektive Stressbelastung signifikant stärker als in der Kontrollgruppe (t52 = –2,15, p = 0,02, r = 0,29).
Emotionale Erschöpfung (MBI). In der neuropattern-Gruppe war eine signifikant günstigere Entwicklung der emotionalen Erschöpfung beobachtbar als in der Kontrollgruppe (t53 = –1,67, p = 0,05, r = 0,22).
Arbeitsstress (ERI). Es ergaben sich keine signifikanten Entwicklungsunterschiede zwischen den Gruppen bezüglich arbeitsbezogener Belohnung (t53 = 0,81, p = 0,24) oder dem Verhältnis von arbeitsbezogener Verausgabung und Belohnung (U26,29 = 325, z = –0,88, p = 0,19). Jedoch kam es in der Experimentalbedingung relativ zur Kontrollbedingung zu einer signifikant stärkeren Verringerung der arbeitsbezogenen Verausgabung (U26,29 = 262, z = –2,01, p = 0,02, r = –0,27) sowie des übermäßigen arbeitsbezogenen Einsatzes (U26,29 = 242,5, z = –2,34, p = 0,01, r = –0,32).
Gesundheitsverhalten. Es zeigte sich zwischen den Gruppen kein signifikanter Entwicklungsunterschied bezüglich der Ausübungshäufigkeit von Entspannungsmethoden (U23,29 = 305,5, z = –1,12, p = 0,27), wohl aber von sportlicher Aktivität: In der Experimentalbedingung nahm die Häufigkeit sportlicher Aktivität im Untersuchungszeitraum zu, in der Kontrollbedingung blieb sie unverändert (U23,28 = 238, z = –1,9, p = 0,04, r = –0,27).
Eine Übersicht über die Ergebnisse kann ➥ Tabelle 1 und ➥ Abb. 2 (außer WAI und Gesundheitsverhalten) entnommen werden.
Diskussion
Die Beschäftigten der Landesforsten Rheinland-Pfalz zeigten eine hohe Belastung in den Werten der PSS, dem MBI und dem ERI-Fragebogen (Referenzen und umfangreichere Diskussion siehe Contreras et al. 2018). Somit überraschte es nicht, dass neuropattern bei den meisten Teilnehmern klinisch relevante stressbezogene Veränderungen feststellte. Lediglich 12 Beschäftigte zeigten keine stressassoziierten Symptome.
Insgesamt nahmen 70 Probandinnen und Probandenen an der Studie teil, von denen 55 auswertbare Daten zu einem der Evaluationszeitpunkte nach Durchführung von neuropattern lieferten. Die Blockrandomisierung führte zu einer ungleichen Gruppengröße, da nicht alle Gutscheine abgerufen wurden und die letzten offenen Plätze der Kontrollgruppe somit nicht belegt wurden. In beiden Gruppen fanden sich fehlende Daten, so dass Differenzwerte von 55 Personen berechnet werden konnten. Da die Gruppenzuweisung zufällig erfolgte, beide Gruppen die neuropattern-Diagnostik durchliefen und sich der Ablauf bis auf die Wartezeit zwischen den Gruppen nicht substanziell unterschied, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Unterschiede in der Compliance im Studiendesign begründet sind.
Besonders bemerkenswert waren die deutlich negativen ERI-Bewertungen: Die Beschäftigten gaben ein hohes Maß an arbeitsbezogener Verausgabung bei gleichzeitig mittelmäßiger arbeitsbezogener Belohnung unter übermäßigem arbeitsbezogenem Einsatz an. Diese Befundlage erscheint insofern bedeutsam, als vorliegende Forschungsergebnisse zeigen, dass zu einem erhöhten Krankheitsrisiko neben einem unausgeglichenen Verhältnis von arbeitsbezogener Verausgabung und Belohnung Persönlichkeitseigenschaften wie „übermäßiger Einsatz“ beitragen (de Jonge et al. 2000).
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich die psychische Gesundheit (SF-12), subjektive Stressbelastung (PSS), emotionale Erschöpfung (MBI) sowie gesundheitsförderliches Verhalten und sportliche Aktivität der Teilnehmenden unter neuropattern-Bedingungen günstiger veränderten als in der Kontrollbedingung.
In der neuropattern-Gruppe war relativ zur Kontrollgruppe ein Anstieg der Arbeitsfehltage und eine zunehmend pessimistischere Einschätzung eigener zukünftiger Arbeitsfähigkeit beobachtbar. Dieser Befund erklärt sich – zusammen mit dem Befund einer Reduktion der arbeitsbezogenen Verausgabung sowie des übermäßigen arbeitsbezogenen Einsatzes – möglicherweise über eine durch die neuropattern-Diagnostik initiierte Sensibilisierung der Beschäftigten für eigene Stressbelastungen, die zu verstärkter Selbstfürsorge und verringertem Präsentismus führt. In weiteren Studien könnte geprüft werden, ob eine solche Sensibilisierung stattfindet, die möglicherweise auf lange Sicht in verringerten Ausfallzeiten mündet.
Schlussfolgerung
Bei dem vorliegenden Projekt handelte es sich um eine Pilotstudie, die die Anwendbarkeit von neuropattern im Arbeitskontext untersuchte. Es gab positive Effekte der Anwendung von neuropattern und eine klare Indikation, da klinisch relevante psychobiologische Dysregulationen bei den meisten der teilnehmenden Personen gefunden wurden. neuropattern könnte geeignet sein, sensitiv frühe Veränderungen der Stressphysiologie zu identifizieren, präventive Maßnahmen einzuleiten und gesundheitsschädliche Auswirkungen dieser Veränderungen zu minimieren. Längerfristig angelegte Studien müssten dies unter Einbeziehung sowohl individueller als auch organisationaler Ebenen (LaMontagne et al. 2007) prüfen.
Interessenkonflikt: Dr. Juliane Hellhammer besitzt die Markenrechte für neuropattern in den USA und ihre Firma bietet neuropattern für klinische Studien und Patienten an. Dr. Carina Contreras erhielt ein Gehalt als Studienleiterin während der Datenerhebung. Datenmanagement, Auswertung und Publikation der Ergebnisse waren Teil ihres extern durchgeführten Dissertationsprojekts bei Professor Hellhammer an der Universität Trier und wurden nicht vergütet. Die Autorinnen und Autoren versichern, dass kein weiterer Interessenkonflikt besteht.
Danksagung: Prof. Dr. Dirk H. Hellhammer entwickelte neuropattern, führte zahlreiche Fortbildungen dazu durch, setzte das Verfahren in seiner Privatpraxis ein und betreute diese Studie. Er starb im Dezember 2018. Die Autoren danken ihm posthum für seine herausragende wissenschaftliche Führung. Frau Dr. Sandra Waeldin beteiligte sich an der Planung des Projekts, Frau Jenny Vogel und Herr Lothar Runge unterstützten das Projekt bei Landesforsten Rheinland-Pfalz. Ihnen wie auch den Studienteilnehmerinnen und-teilnehmern sind die Autoren dankbar.
Literatur
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Kontakt:
Dr. Juliane Hellhammer
StressZentrum Trier
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