Arbeitsmedizin und Facharztausbildung bei Medizinstudierenden Berufserwartungen und Präferenzen im Berufsmonitoring des Instituts und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (IPASUM) der Universität Erlangen-Nürnberg
Ziel: Die Bedeutung der Arbeitsmedizin wächst durch die Arbeitsmarktentwicklungen in Deutschland stark an. Für die Nachwuchssicherung in der Arbeitsmedizin sind Informationen über die Präferenzen der Medizinstudierenden bei der Facharztwahl und ihre Einflussfaktoren unerlässlich.
Kollektiv und Methode: Im Rahmen des Pflichtpraktikums Arbeitsmedizin wurden 177 von 208 beteiligten Medizinstudierenden der Universität Erlangen-Nürnberg im Oktober 2016 einem Modul Versorgungsforschung randomisiert zugeordnet. Alle 177 Studierenden nahmen zu Beginn an einer anonymen Fragebogenerhebung freiwillig teil (Rücklauf 100 %).
Ergebnisse: 93 % der Medizinstudierenden befanden sich im 9. oder 10. Fachsemester. Der Frauenanteil betrug 58,2 %. Die von den Studierenden am häufigsten gewählte Facharztrichtung stellt die Innere Medizin gefolgt von der Allgemeinmedizin dar. 0,6 % der Studierenden würden sich zum Erhebungszeitpunkt für die Weiterbildung Arbeitsmedizin entscheiden; für 2,8 % der Studierenden kommt sie generell in Frage. Für die Wahl eines Fachgebietes haben die organisatorisch-strukturellen Faktoren Abwechslung im Beruf, Work-Life-Balance und Verdienstmöglichkeiten eine hohe Wichtigkeit. Die Auswertung zeigt auf, dass darüber hinaus für Studierende mit Präferenz Arbeitsmedizin die Teamorientierung mit anderen Gesundheitsberufen und zwischen Fachdisziplinen besonders wichtig ist. Als Hauptgründe gegen eine Weiterbildung in Arbeitsmedizin werden andere Interessen und Bevorzugung anderer Fachgebiete, Spektrum des ärztlichen Handelns in der Arbeitsmedizin, wenig Abwechslung im Beruf und zu geringer Informationsstand genannt.
Schlussfolgerungen: Die Befragung ergibt Hinweise auf Gründe, die die Wahl der Facharztrichtung Arbeitsmedizin beeinflussen. Sie zeigt Ansatzpunkte für eine Nachwuchsförderung über „weiche“ Faktoren wie Work-Life-Balance und Teamorientierung auf. Sie konstatiert Informationsdefizite und Vermittlungsbedarf bei der Darstellung der Methoden und Berufsausübung in der Arbeitsmedizin. Eine stärkere Integration der Arbeitsmedizin in die universitäre Ausbildung wird empfohlen.
Schlüsselwörter: Arbeitsmedizin – Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde – betriebsärztliche Betreuung – Medizinstudierende
Occupational medicine and occupational medicine qualification among medical students Career expectations and preferences from an occupational monitoring of the Institute and Outpatient Clinic of Occupational, Social and Environmental Medicine (IPASUM) of the University Erlangen-Nuremberg
Aims: The occupational medicine’s significance increases clearly due to labour market developments in Germany. Information about the medical students’ specialist fields preferences and their influencing factors are essential for recruiting in occupational medicine.
Method: In October 2016, 177 out of 208 participating medical students of the university Erlangen-Nuremberg were randomised assigned within the scope of mandatory internships in health services research. At the beginning, every one of the 177 participated voluntarily in an anonymous questionnaire (100% response rate).
Results: 93% of the medical students attended the ninth or tenth semester, 58.2% were women. Training as specialists in internal medicine is chosen most often by the students followed by general medicine. 0.6% of the students would have chosen occupational medicine qualification; for 2.8% of the students, it would be worth considering in general. The non-professional factors variety in the job, a work-life-balance and income possibilities were of high importance. For students preferring training as specialists in occupational medicine, team-orientation with other health professionals and between specialist disciplines is especially important. As main reasons against a further training in occupational medicine it was stated the preference of other specialist fields, range of medical methods, a lack of variety in the job and a low level of information.
Conclusions: The survey reveals reasons for the choice of occupational medicine qualification and “soft factors” like work-life-balance and team-orientation. It states needs for information about the methods and practice of occupational medicine. A stronger integration of occupational medicine into university education is recommended.
Keywords: occupational medicine – occupational medicine qualification – occupational health care – medical students
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 188–192
doi: 10.17147/ASU.2018-03-07-01
Einleitung und Ziele
Die Wichtigkeit der Arbeitsmedizin in Deutschland steigt strukturell stark aufgrund der anhaltenden Arbeitsmarktentwicklungen. Die Zahl der Erwerbstätigen hat in Deutschland erheblich zugenommen und erreichte mit über 44 Millionen im Juni 2017 den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung (BA 2017). Die Zahl der Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wuchs auf 2.163.297 im Juni 2016 an (Bundesagentur für Arbeit 2016). Gleichzeitig vollzieht sich in den Betrieben ein demografischer Wandel innerhalb der älter werdenden Belegschaften (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2016). Er findet parallel zu Umbrüchen im Wirtschaftssystem und betrieblichem Strukturwandel unter den Einflüssen von Globalisierung, Digitalisierung und Migration statt. Das veranlasst die Unternehmen, mehr in die Gesundheit ihrer Erwerbstätigen zu investieren. Der Anteil der Betriebe mit freiwilligen Gesundheitsförderungsmaßnahmen erhöhte sich von 19 % im Jahr 2002 auf 27 % im Jahr 2012 (Hollederer 2007; Hollederer u. Wiesner 2015). Unter dem Stichwort „Arbeitsmedizin 4.0“ (Drexler et al. 2015) reagierte die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) auf diese Entwicklungen in der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung und entwickelte ein eigenes Konzept zur Sicherung des Nachwuchses. Zum Stand 31.12.2015 waren bei der Bundesärztekammer 12.363 Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde, die betriebsärztlich im Betrieb tätig werden dürfen, gemeldet (Bundesärztekammer 2016). Darunter befanden sich 5824 Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“, von denen mehr als die Hälfte mindestens 60 Jahre alt waren. Das führt zu einem eigenen demografischen Wandel innerhalb der Arbeitsmediziner aufgrund der Überalterung. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass sich im Gegensatz zu anderen Fachgebieten viele Ärzte auch noch jenseits des 50. Lebensjahres zum Betriebsmediziner weiterqualifizieren. Die Arbeitskräftenachfrage und das Angebot stehen aber in einem Missverhältnis, wie eine Abfrage des Arbeitsmarkts exemplarisch demonstriert: In der offenen Stellenstatistik der Bundesagentur für Arbeit kamen auf 134 ausgeschriebene Stellen für Arbeitsmedizin in der Jobbörse zeitgleich nur 21 Bewerberprofile von arbeitsuchend gemeldeten Fachärzten für Arbeitsmedizin (unter www.arbeitsagentur.de am 07.05.2017).
Der zu erwartende Ärztebedarf ist generell schwer abzuschätzen (Adler u. Knesebeck 2011). Das Arbeitskräftepotenzial in der Arbeitsmedizin ist mittel- und langfristig von den beruflichen Interessen der derzeitigen Medizinstudierenden und der Wahl ihrer Facharztrichtung abhängig. Die Berufsentscheidungen von Medizinstudierenden und ihre Spezialisierungen können als dynamischer, komplexer und multifaktorieller Prozess verstanden werden (Querido et al. 2016). Über die Berufsabsichten von Medizinstudierenden liegen aber für die Facharztrichtung Arbeitsmedizin im Gegensatz zu vielen anderen Fachgebieten kaum Informationen vor. Bei repräsentativen Erhebungen wie im Berufsmonitoring 2014 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Jacob et al. 2015; Gibis et al. 2012; Heinz u. Jacob 2012) wurde die Arbeitsmedizin in einer Restkategorie „sonstige Facharztausbildungen“ subsumiert und Freitextangaben wurden im Bericht nicht separat ausgewertet. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, erste Hinweise über Präferenzen der Medizinstudierenden bei der Facharztwahl und Einflussfaktoren auf die Wahl der Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin in Deutschland zu gewinnen. Für die Entwicklung von Erfolg versprechenden Nachwuchsförderungsstrategien in der Arbeitsmedizin werden bessere Informationsgrundlagen benötigt.
Methode
Im Rahmen eines verpflichtenden Blockpraktikums zur Arbeitsmedizin wurden 177 von 208 (85,1 %) Medizinstudierenden der Universität Erlangen-Nürnberg im Oktober 2016 dem Modul Versorgungsforschung nach dem Zufallsprinzip in zehn Gruppen zugeordnet. Alle 177 Studierenden nahmen zu Beginn des Moduls an der anonymen und freiwilligen Fragebogenerhebung mit direkter Abgabemöglichkeit im Seminarraum teil (Rücklauf 100 %).
Der Erhebungsbogen war teilstandardisiert. Für die Erfassung der Präferenzen zur Facharztausrichtung und deren Einflussfaktoren wurden zwei Items zur heutigen Auswahlentscheidung und bis zu drei in Frage kommende weitere Fachgebiete aus dem bundesweiten Berufsmonitoring 2014 (Jacob et al. 2015) übernommen. In der Liste mit 16 vorgegebenen Antwortoptionen wurde nur zusätzlich die Antwortmöglichkeit „Arbeitsmedizin“ jeweils ergänzt. Eine offene Frage erfasste die Gründe, warum Arbeitsmedizin nicht in Frage kommt. Die Formulierung entstammt ebenfalls dem Berufsmonitoring 2014 (Jacob et al. 2015), wurde dort aber nur für die Allgemeinmedizin gestellt. Nichtmedizinische Gründe für die Facharztwahl wurden über eine Item-Batterie aus dem Berufsmonitoring 2014 zu den Einflussfaktoren Familie/Freizeit, Berufsprestige/Einkommen, Teamorientierung, Abwechslung im Beruf sowie Wissenschaftsstand erhoben (Jacob et al. 2015). Dabei konnten Statements nach Grad der Wichtigkeit im 4-Punkt-Likert-Skalenformat bewertet werden („sehr wichtig/wichtig/weniger wichtig/unwichtig“). Zwei weitere Items erkundigten sich nach Kinderwunsch und Vorhandensein von Kindern.
Die Datenanalyse ist deskriptiv gehalten. Aufgrund der Fallzahlen wurde auf Signifikanztests verzichtet.
Ergebnisse
Zum Erhebungszeitpunkt befanden sich 29,9 % der Studierenden im 9. Fachsemester der Medizin, 64,4 % im 10. Fachsemester und die übrigen zwischen 11. und 13. Fachsemester. Der Frauenanteil betrug 58,2 %.
Die Frage „Vor dem Hintergrund Ihrer aktuellen Interessen und Präferenzen: Welche Facharztausbildung würden Sie jetzt wählen?“ beantworteten Medizinstudierende am häufigsten mit „Innere Medizin“ (18,8 %) ähnlich wie im Berufsmonitoring 2014 (Jacob et al. 2015). Wie Tabelle 1 zeigt, folgt an zweiter Stelle in der Rangordnung die „Allgemeinmedizin“. Der vergleichsweise hohe Anteil von 12,4 % geht möglicherweise mit der Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an der Universität Erlangen-Nürnberg im Jahr 2013 einher. Es schließen sich die „Chirurgie“ sowie die „Kinder- und Jugendmedizin“ mit jeweils 8,8 % der Nennungen an.
Die Arbeitsmedizin stellt erwartungsgemäß das Fachgebiet mit der geringsten Anzahl der Nennungen in der Auswahlliste dar, das nur ein Student bzw. 0,6 % im 9. Fachsemester zum Befragungszeitpunkt wählen würde. Wird das Zusatzitem „Welche Facharztausbildung kommt für Sie in Frage?“ hinzugenommen, addiert sich der Anteil mit Präferenz Arbeitsmedizin auf 5 Studierende bzw. 2,8 %. Davon sind zwei Männer und drei Frauen.
Abbildung 1 informiert über die Wichtigkeit von organisatorisch-strukturellen Gründen, die Einfluss auf die Wahl für ein Fachgebiet nehmen könnten. Sie weist die zusammengefassten Antwortkategorien „sehr wichtig“ und „wichtig“ in Prozent aus. Demnach besitzen die beiden Faktoren „Familie und Freizeit“ sowie „Abwechslung im Beruf“ einen besonders großen Stellenwert bei den Medizinstudierenden. 93,8 % der Studierenden legen Wert darauf, einen abwechslungsreichen Arbeitstag zu haben. Alle vier Items zur Work-Life-Balance mit Vereinbarkeit von Familie und Beruf (91,0 %), geregelten Arbeitszeiten (79,7 %), flexiblen Arbeitszeiten (76,8 %) und Kinderbetreuung (69,3 %) werden von mindestens zwei Dritteln der Studierenden als wichtig oder sehr wichtig bei der Facharztwahl erachtet. Die Frauen beurteilen sie dabei signifikant wichtiger als die Männer. Gute Verdienstmöglichkeiten spielen für 76,7 % eine wichtige Rolle, aber nicht das Berufsprestige. Außerdem ist es für 87,6 % relevant, im Fachgebiet auf dem neuesten Stand der Wissenschaft zu sein.
Kein Studierender hatte nach den Selbstangaben eigene Kinder, aber 93,1 % möchten später Kinder haben. 73,1 % der Studierenden mit Kinderwunsch bekundeten, dass Möglichkeiten der Kinderbetreuung während der Weiterbildung wichtig oder sehr wichtig bei ihrer Facharztwahl sind.
Die fünf Studierenden, die die Facharztwahl Arbeitsmedizin in Erwägung ziehen, unterscheiden sich bei diesen Themen relativ wenig im Antwortverhalten von der Gesamtgruppe. Auffällig ist aber, dass sie einen wesentlich stärkeren Wert auf Teamorientierung legen. Vier von fünf Studierenden mit der Präferenz Arbeitsmedizin gaben an, dass ihnen wichtig ist, später im Beruf in einem Team mit Kollegen verschiedener anderer Gesundheitsberufe zu arbeiten. Die Zusammenarbeit in einem Team mit Ärzten verschiedener Fachrichtungen wurde ebenfalls von vier der fünf Studierenden mit Präferenz Arbeitsmedizin als wichtig oder sehr wichtig eingestuft.
Bei den 172 Medizinstudierenden, die nicht die Facharztrichtung Arbeitsmedizin präferieren (vgl. Tabelle 1), wurde eruiert, warum die Weiterbildung in Arbeitsmedizin für sie nicht in Frage kommt. 150 Studierende gaben Gründe in einem Freitextfeld an. Sie werden in Tabelle 2 in vier Kategorien zusammengefasst. Am häufigsten standen andere Interessen und getroffene Entscheidungen zugunsten anderer Fachgebiete bei 36,0 % dieser Studierenden dagegen. Die zweithäufigste Kategorie fokussiert die professionellen Methoden und medizinische Praxis in der Arbeitsmedizin. Typische Antworten für diese Kategorie sind zum Beispiel „kein Klinikalltag; wenig Patientenkontakt“, „kein OP, kein Notfall, Arbeitsfeld nicht im KH, Praxis, wenig Diagnostik“ oder „entspricht nicht meiner Vorstellung der Medizin“. 22,1 % äußerten sich zudem kritisch zur Abwechslung und Art der beruflichen Tätigkeit in der Arbeitsmedizin. Relativ häufig genannte Argumente waren dabei „nicht abwechslungsreich genug“, „Langeweile, zu theoretisch, Gutachten, keine Akutmedizin“ oder „zu bürokratisch“. Eine relevante Gruppe von 11,0 % der Studierenden schloss die Fachgebietswahl Arbeitsmedizin aber später nicht aus oder hatte generell zu wenig Informationen und Vorstellungen von der Arbeitsmedizin. Das wird zum Beispiel in solchen Selbstangaben deutlich: „Bisher mangelnder Einblick in den tatsächlichen Praxisablauf eines Arbeitsmediziners“, „Man kommt mit dem Fach im Studium wenig in Berührung“ oder „zu wenig Wissen über Arbeitsmedizin – was macht man als Arbeitsmediziner?“. Einige Statements verweisen auf einen späteren Lebensabschnitt oder sehen Arbeitsmedizin in einer weiter gefassten Auswahl; z.B. „Grundsätzlich kommt sie für mich in Frage, doch möchte ich zunächst klinisch tätig sein“ oder „Eventuell schon, aber nicht unter den ersten drei Alternativen“. In dieser Gruppe gab es folgerichtig keine Mehrfachnennungen in Kombinationen mit Antworten aus den Kategorien A bis C.
Diskussion
Die Arbeitsmedizin kommt für immerhin 2,8 % der befragten Medizinstudierenden für eine Facharztausbildung zum Erhebungszeitpunkt in Frage. Obwohl die Arbeitsmedizin eine relativ kleine Fachdisziplin ist, wäre langfristig eine solche Quote vermutlich viel zu niedrig, um die Nachbesetzungen der heute gemeldeten Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde (Bundesärztekammer 2016) nach Rentenzugang abzusichern. Die Absichtserklärungen der Medizinstudierenden können auch nur als Anhaltspunkt für mögliche spätere Entscheidungen verstanden werden.
Die Befragung deckt zum einen auf, dass „weiche“ nichtberufliche Faktoren die Facharztwahl stark beeinflussen. Sie könnten für die Arbeitsmedizin stärker genutzt werden. Ein großer Strukturvorteil in der Praxis der Arbeitsmedizin läge gerade bei den von Medizinstudierenden so bedeutend eingeschätzten Items zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, flexible Arbeitszeiten, geregelte Arbeitszeiten und Kinderbetreuung. In der Arbeitsmedizin sind die Arbeitsbedingungen besonders günstig, da es in der Regel weder Schicht- noch Bereitschaftsdienste und häufig flexible Arbeitszeitmodelle gibt (Barth 2014). Die Gestaltungsspielräume für die Arbeitsmediziner werden generell als größer wie für die Ärzte im ambulanten oder stationären Bereich eingeschätzt (Barth 2014). Möglicherweise gibt es einen weiteren positiven Aspekt durch Teamwork.
Zum anderen können die Gründe gegen eine Weiterbildung in der Arbeitsmedizin Hinweise auf Ansatzpunkte für die Nachwuchsförderung geben. Es besteht offenbar ein Vermittlungsbedarf bei der Darstellung der Methoden ärztlichen Handelns in der Arbeitsmedizin und der Abwechslung in der Berufsausübung, der an einer medizinischen Fakultät ohne arbeitsmedizinisches Hochschulinstitut noch wesentlich größer sein dürfte. Auf jeden Fall ist für die gezielte Nachwuchsförderung die Gruppe von 11,0 % der Medizinstudierenden von sehr hohem Interesse, die sich bisher zu wenig über die Arbeitsmedizin informiert sieht. Notwendig erscheinen daher eine noch stärkere Integration der Arbeitsmedizin in die universitäre Ausbildung und die Ausweitung der Lehrstühle für Arbeitsmedizin. Flankierend bräuchte es neben Informationsvermittlung und Praxiserfahrungen mehr Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für die Fachrichtung Arbeitsmedizin.
Die Befragung kann nur erste Hinweise geben. Die Aussagekraft der Ergebnisse ist durch die geringen Fallzahlen und die Konzentration auf nur einen Universitätsstandort stark limitiert. Es besteht weiterer Informations- und Forschungsbedarf. Es wird empfohlen, bei zukünftigen repräsentativen Erhebungen zum Berufsmonitoring von Medizinstudierenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung die Arbeitsmedizin als eigene Facharztkategorie zu erfassen und zu analysieren.
Literatur
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Interessenkonflikt: Beide Autoren geben an, dass kein Interessenskonflikt besteht.
Für die Verfasser
Prof. Dr. Alfons Hollederer
Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
Schweinauer Hauptstraße 80
90441 Nürnberg
Fußnoten
1 Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Nürnberg
2 Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (IPASUM) der Universität Erlangen-Nürnberg (Direktor: Prof. Dr. med. Hans Drexler)