Welche Konsequenzen hat das Urteil des Bundesgerichtshofes für Betriebsärzte?
Ein Arzt, und damit auch ein Betriebsarzt, der nicht persönlich erbrachte Leistungen im Bereich Speziallabor abrechnet oder einen Aufschlag auf die von Laborärzten erbrachten Leistungen erhebt (und ggf. dem Arbeitgeber) in Rechnung stellt, begeht Abrechnungsbetrug. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Beschluss vom 25. Januar 2012, Az.: 1 StR 45/11).
Was wurde dem verurteilten Allgemeinmediziner vorgeworfen? Der Bundesgerichtshof verhandelte den Sachverhalt. Ein Allgemeinmediziner wurde wegen Abrechnungsbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Dieser Arzt hatte mit vielen unrichtigen Abrechnungen versucht, sich neben den Honoraransprüchen neue Einnahmemöglichkeiten zu verschaffen. So stellte er in Absprache mit Patienten Rechnungen, obwohl er keine Leistungen erbracht hatte. Ferner bezog der Allgemeinmediziner, der einer Laborgemeinschaft angehörte, Laborleistungen und rechnete diese gegenüber den Patienten ab, ohne darüber zu informieren, dass er selbst keine Befundungen durchgeführt, sondern diese von der Laborgemeinschaft erhalten hatte.
Die Abrechnung erfolgte mit dem Steigerungsfaktor 1,15 bis 1,3 GOÄ. Er zahlte an das Labor einen Steigerungssatz zwischen 0,32 und 1,0 des für die Leistung maßgeblichen GOÄ-Satzes. Zudem rechnete der Allgemeinmediziner Behandlungen als selbst erbracht ab, die aber ein in seinen Praxisräumen tätigen Behandler erbracht hatte.
Durch diese Handlungen des Allgemeinmediziners sind in allen Fällen sowohl ein täuschungsbedingter Irrtum und der Eintritt eines dadurch verursachten Schadens entstanden.
Der Tatbestand der Täuschung tritt ein, wenn ein Arzt, nicht persönlich erbrachte Laborleistungen in Rechnung stellt. Im vorliegenden Fall hat der Allgemeinmediziner von seinem Kollegen erbrachte Osteopathie und Akupunkturleistung in Rechnung gestellt. Zudem konnte der Allgemeinmediziner auch für die in Rechnung gestellten Laborleistungen der Klassen M III und M IV (Speziallaborleistungen) einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Patienten weder aus eigenen noch aus abgetretenen Rechten geltend machen.
Nur eigene Leistungen dürfen abgerechnet werden
Die Gebührenordnung für Ärzte ist Grundlage für den Honoraranspruch. Nach § 4 Abs. 2 GOÄ darf ein Arzt nur „eigene Leistungen“ abrechnen und zwar Leistungen, die selbst erbracht oder die nach fachlicher Weisung erbracht werden. Da die Untersuchungen durch den Laborarzt durchgeführt wurden, steht dem einsendenden Arzt also kein Honoraranspruch für diese Leistungen zu.
Durch eine entsprechende Rechnung gegenüber dem Patienten wird nach Auffassung des BGH aber genau dies behauptet und der Patient insofern getäuscht. Den Einwand des verurteilten Arztes, er habe in Wirklichkeit stellvertretend für das Labor dessen Honoraranspruch gegenüber den Patienten geltend gemacht, wies das Gericht als ersichtlich vorgeschobene Schutzbehauptung zurück. Nach der gesamten Konstruktion ist gerade nicht gewollt gewesen, dass Vertragsbeziehungen zwischen Labor und Patienten begründet werden.
Wo aber ist der für eine Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetrugs erforderliche Schaden entstanden, wenn der Patient eine fachlich korrekte Leistung erhält? Der BGH überträgt hier die aus dem Vertragsarztrecht bekannte und vielfach kritisierte „streng formale Betrachtungsweise“ auf den Bereich privatärztlicher Abrechnungen. Verkürzt gesagt kommt einer ärztlichen Leistung hiernach nur dann ein wirtschaftlicher Wert zu, wenn sämtliche formalen Abrechnungsvoraussetzungen eingehalten wurden. Der Einwand, dass der Patient keinen Vermögensschaden erleidet, weil seine private Krankenversicherung ihm das gezahlte Honorar erstattet, wurde zurückgewiesen mit der Begründung, dass es auch einen Autodieb nicht entlasten könne, wenn die Versicherung des Bestohlenen diesem den Schaden ersetzt.
Empfehlung zum Abrechnungsverfahren
Aus diesem Urteil ist zu lernen, dass unabhängig von bereits eingeleiteten Ermittlungsverfahren Ärzte überprüfen sollten, ob die Art des Abrechnungsverfahrens von Speziallaborleistungen ggf. Strafbarkeitsrisiken birgt. Höchst problematisch sind dabei Modelle, bei denen im Zusammenhang mit der Abrechnung nicht selbst erbrachter Laborleistungen finanzielle Vorteile erzielt werden. Auch wer davon ausgeht, dass er als Arzt es gut meint und seinen Patienten lediglich zusätzliche Vertrags- und Abrechnungsbeziehungen mit dem beauftragten Labor ersparen wollte und deshalb – ohne eigenen finanziellen Vorteil – die Laborleistungen zusammen mit den eigenen ärztlichen Leistungen liquidiert, handelt nicht richtig und sollte diese Praxis vor dem Hintergrund der bestehenden Strafbarkeitsrisiken ändern.
Darüber hinaus ist der Hinweis wichtig, dass bei Laborleistungen, die im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden, das Problem besteht, dass der Laborarzt die Schweigepflicht bricht, wenn er gegenüber dem Arbeitgeber, der die Rechnung begleichen muss, die Rechnung mit Gebührenpositionen nach GOÄ stellt. Hier bietet sich eine Vergütungspauschale an. Weitere Ausführungen hierzu können dem Beitrag „Wann darf nach der GOÄ abgerechnet werden?“ (ASU 03/2013) entnommen werden.
Gebührenordnung für Ärzte
§ 4 Gebühren
(1) Gebühren sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage) genannten ärztlichen Leistungen.
(2) Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. Als eigene Leistungen im Rahmen einer wahlärztlichen stationären, teilstationäre oder vor- und nachstationäre Krankenhausbehandlungen gelten nicht
- Leistungen nach den Nummern 1 bis 62 des Gebührenverzeichnisses innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme und innerhalb von 24 Stunden vor der Entlassung,
- Visiten nach den Nummern 45 und 46 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung sowie
- Leistungen nach den Nummern 56, 200, 250, 250a, 252, 271 und 272 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer der stationären Behandlung, wenn diese nicht durch den Wahlarzt oder dessen vor Abschluss des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht werden; der ständige ärztliche Vertreter muss Facharzt desselben Gebiets sein. nicht persönlich durch den Wahlarzt oder dessen ständigen ärztlichen Vertreter erbrachte leistungen nach Abschnitt E des Gebührenverzeichnisses gelten nur dann als eigene wahlärztliche leistungen, wenn der Wahlarzt oder dessen ständiger ärztlicher Vertreter durch die Zusatzbezeichnung „Physikalische Therapie“ oder durch die Gebietsbezeichnung „Facharzt für Physikalische und rehabilitative Medizin“ qualifiziert ist und die Leistungen nach fachlicher Weisung unter deren Aufsicht erbracht werden.
Autorin
Dr. med. A. E. Schoeller
Fachärztin für Arbeits-/Umwelt-
medizin, Bereichsleiterin des Dezernats V – Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsfachberufen
Bundesärztekammer, Berlin
annegret.schoeller@baek.de