Im Zuge der Überarbeitung der DGUV Grundsätze für die 7. Auflage wird auch der Anhang 1 „Leitfaden für die Lungenfunktionsprüfung bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen“ aktualisiert. Neben redaktionellen Überarbeitungen sollen wesentliche inhaltliche Neuerungen entsprechend aktueller Leitlinien und Empfehlungen sowie Hinweise zur Qualitätssicherung der Lungenfunktionsmessung aufgenommen werden.
Rahmenbedingungen
Mit der Novellierung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) im Jahre 2013 ist das Thema „informationelles Selbstbestimmungsrecht“ der Beschäftigten gestärkt worden.
Körperliche und klinische Untersuchungen im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorge, zusätzlich zur ärztlichen Beratung, dürfen nur mit Einverständnis der Beschäftigten erfolgen.
Die DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen, die in der betrieblichen Praxis seit über 40 Jahren eine gern genutzte Orientierungshilfe für Betriebs- und Werksärzte darstellen, sind nach Inkrafttreten der ArbMedVV aus verschiedenen Gründen zu überarbeiten.
Seitens des Ausschusses Arbeitsmedizin der DGUV (AAMED – GUV) wurden die Kritikpunkte vor Beginn der Arbeiten an der nächsten Auflage der DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen aufgenommen. Die Neuauflage wird im Rahmen einer Kooperation mit der wissenschaftlichen Fachgesellschaft DGAUM erfolgen (ASU Nr. 51/Juli 2016 S. 482–484).
Im Zuge der Aktualisierung der DGUV Grundsätze findet u.a. auch eine Überarbeitung des Anhangs 1 – „Leitfaden für die Lungenfunktionsprüfung“ statt.
Grundsätzliche Überlegungen zur Spirometrie als Verfahren zur Diagnostik
Die Spirometrie als nichtinvasives Verfahren der Lungenfunktionsprüfung zeichnet sich durch einen geringen methodischen Aufwand, Einfachheit der Durchführung und dennoch großen Informationsgehalt aus und ist somit hervorragend bei arbeitsmedizinischen Vorsorge- oder Eignungsuntersuchungen anzuwenden. Ihr Wert liegt vor allem in der Differenzialdiagnostik und Quantifizierung von Ventilationsstörungen.
Auch wenn es sich bei der Spirometrie um eine seit Jahrzehnten bewährte Methode zur Messung der Lungenfunktion handelt, wurde 2015 eine Überarbeitung der bestehenden Leitlinien und Empfehlungen notwendig. Die Publikation dieser neu überarbeiteten „Leitlinie zur Spirometrie“ erfolgte von der Deutschen Atemwegsliga, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin. Hauptgrund waren die in 2012 neu veröffentlichten spirometrischen Referenzwerte (im Folgenden auch Sollwerte genannt) die an mehr als 74.000 gesunden, männlichen und weiblichen Nie-Rauchern, aus verschiedenen ethnischen Gruppen, im Alter von 3–95 Jahren erhoben wurden. Im Vergleich zu den alten Normwerten nach EGKS (Europäische Gesellschaft für Kohle und Stahl) finden sich bis zu 10 % höhere Werte der Lungenvolumina vor allem in den jüngeren Altersklassen; ab dem 45. Lebensjahr fällt eine höhere Streuung der Werte auf, so dass sich die Normalbereiche insbesondere für die Älteren verschoben haben.
Diese, von einer Initiative der European Respiratory Society, der „Global Lung Initiative“ (GLI), ausgehende, neue Kalkulation der Sollwerte für die Spirometrie soll in Zukunft als Grundlage für die Beurteilung der Spirometrie dienen. Die GLI-Sollwerte sind nun in die „Leitlinie zur Spirometrie“ eingegangen und werden somit für alle spirometrischen Lungenfunktionsuntersuchungen empfohlen. In der Leitlinie finden sich noch weitere Aktualisierungen, die den Konsens auf nationaler und internationaler Ebene bezüglich der Kriterien, die an die Durchführung einer qualitativen Lungenfunktionsmessung zu stellen sind, wiedergeben.
Somit ist für den Anhang 1 der DGUV Grundsätze die Implementierung einer Standardisierung der Spirometrie mit ihrer Befundinterpretation unter Berücksichtigung der neuen Referenzwerte notwendig geworden.
Der überarbeitete Anhang 1 kann und will jedoch eine gründliche Auseinandersetzung mit der Thematik und die Kenntnis der Leitlinien nicht ersetzen, vielmehr sollen die Ausführungen nur einige wesentliche Aspekte enthalten. Diese sind insbesondere die korrekte Durchführung dwer spirometrischen Messung unter praktischen Gesichtspunkten und unter Beachtung wissenschaftlicher Qualitätsstandards sowie Hinweise zur Befundinterpretation im Umgang mit den neuen GLI-Sollwerten. Hierzu werden Abbildungen und praktische, handlungsorientierte Empfehlungen aus der Leitlinie übernommen.
Für eine richtige Interpretation und gute arbeitsmedizinische Beratung ist die Kenntnis von und der Abgleich mit Vorbefunden, möglichst auch weit zurück liegenden, wesentlich, um diese besonders aussagekräftige, intraindividuelle Verlaufsbeurteilung zu ermöglichen.
Da durch eine Spirometrie nicht alle Aspekte der Ventilation erfasst werden können, insbesondere Residualvolumen und totale Lungenkapazität nicht bestimmbar sind und auch keine Rückschlüsse auf den Gasaustausch in der Lunge möglich sind, wird zum Ende dieses Leitfadens ein kurzer Überblick über eine Erweiterung der Diagnostik gegeben.
An dieser Stelle soll noch einmal betont werden, dass die Durchführung einer Gefährdungsanalyse für den jeweiligen Arbeitsplatz als Grundlage für die Indikationsstellung einer Spirometrie unter präventivdiagnostischer Betrachtung zu sehen ist. Denn wie die DGUV Grundsätze selbst, sind auch die jeweiligen Anhänge Empfehlungen für Betriebs- und Arbeitsmediziner/-innen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit und stellen keine obligaten Vorgaben dar.
Die Inhalte des Leitfadens werden hiermit der breiten arbeitsmedizinischen Fachwelt zur Kenntnis gegeben, mit der Bitte um kritische Diskussion und Rückmeldung von Hinweisen innerhalb der nächsten 3 Monate nach Veröffentlichung.
Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Alexandra M. PreisserLeitung Klinische Arbeitsmedizin
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Seewartenstraße 10
20459 Hamburg
Prof. Dr. med. Rolf Merget
Institut für Prävention und Arbeitsmedizin
der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Institut der Ruhr-Universität-Bochum (IPA)
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
Anhang 1: Leitfaden für die Lungenfunktionsprüfung bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen nach DGUV GrundsätzenBearbeitung: Ausschuss Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung (Fassung 06.11.2017)
Vorbemerkung
Im Jahr 2012 wurde, von einer Initiative der European Respiratory Society, der „Global Lung Initiative“ (GLI), ausgehend, eine neue Kalkulation der Referenzwerte für die Spirometrie (im Folgenden Sollwerte genannt) publiziert. Diese so genannten GLI-Sollwerte (Quanjer et al. 2012) sollen in Zukunft als Grundlage für die Beurteilung der Spirometrie dienen und sind in die folgend publizierte „Leitlinie zur Spirometrie“ (Criée et al. 2015) eingegangen. In der Leitlinie finden sich aber noch weitere Aktualisierungen, die den weitgehenden Konsens auf nationaler und internationaler Ebene bezüglich der Kriterien, die an die Durchführung einer qualitativen Lungenfunktionsmessung zu stellen sind, wiedergeben.
In den genannten Publikationen werden die Erfordernisse an die Lungenfunktionsmessungen ausführlich dargestellt. Im Rahmen dieses Leitfadens können diese Darstellungen aus Platzgründen nicht wiederholt werden. Eine Kürzung würde zudem zu einem Verlust an Informationen führen, der nicht begründet erscheint. Dieser Anhang kann eine gründliche Auseinandersetzung mit der Thematik und die Kenntnis der Leitlinien nicht ersetzen, vielmehr erläutern die folgenden Ausführungen wesentliche Aspekte der Lungenfunktionsmessung und Beurteilung im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge und stellen Qualitätskriterien dar.
1 Beurteilung der Lungenfunktionsmessung
Vitalkapazität und Einsekundenkapazität zeigen bei der gesunden Lunge eine starke Abhängigkeit von Körpergröße, Lebensalter und Geschlecht, die sich in Sollwerten und den entsprechenden Streubereichen widerspiegeln. Bisher wurden die Sollwerte der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) herangezogen (Quanjer et al. 1993). Die nun aktuellen Sollwerte der GLI zeigen für die Vitalkapazität im mittleren Lebensalter für beide Geschlechter etwas höhere Werte; für das höhere Lebensalter wurde eine größere Streuungsbreite festgestellt (Quanjer et al. 2012).
Die wichtigsten Messwerte sind die Vitalkapazität (VC) und Einsekundenkapazität (FEV1) sowie der, zur Diagnosestellung einer bronchialen Obstruktion wesentliche, Tiffeneau-Index FEV1/VC. Die GLI-Sollwerte beziehen sich auf das forcierte Ausatemmanöver: Hieraus werden FEV1 und forciert gemessene VC (FVC) bestimmt, auch der Tiffeneau-Index wird über FEV1/FVC errechnet. Letzteres hat den Vorteil, dass dieser errechnete Wert aus einem Atemmanöver heraus bestimmt wird und nicht (wie früher bei Berechnung aus IVC und FEV1) zwei unterschiedliche und möglicherweise unterschiedlich motiviert durchgeführte Atemmanöver in die Berechnung dieses wichtigen Index eingehen. Die Diagnose einer Atemwegsobstruktion erfolgt über die Feststellung der Verminderung von FEV1/FVC (Criée et al. 2015).
Neben den Sollwerten für FVC und FEV1 findet sich auch eine Altersabhängigkeit für den Tiffeneau-Index. Die Orientierung an einem starren Sollwert von 0,7 (oder 70 %) ist hier nicht ratsam. Für jüngere Personen läge dieser deutlich zu niedrig (Folge: eine Obstruktion würde übersehen), für Ältere hingegen zu hoch mit entsprechender Überdiagnostik.
Bezüglich der Parameter der forcierten Exspiration sind weiterhin die Namensänderungen der forcierten exspiratorischen Flüsse zu beachten. Diese werden nun als Flüsse bei xx% der Vitalkapazität (FEFxx%) angegeben, jeweils bezogen auf den Prozentsatz der ausgeatmeten FVC. Somit ist FEF25 identisch mit der früheren Bezeichnung MEF75, FEF50 entspricht der früheren MEF50 und die FEF75 ist gleichzusetzen mit der früheren MEF25. Die nun auch angegebene mittlere maximale exspiratorische Atemstromstärke zwischen 25 % und 75 % der FVC (FEF25–75) gilt als sensibel zur Erkennung einer beginnenden Atemwegsobstruktion, ein Vorteil gegenüber der Bestimmung von FEF50 und FEF75 ist allerdings nicht belegt.
Darüber hinaus ist die individuelle Verlaufsbeobachtung besonders bedeutsam, um eine überproportionale Abnahme der Lungenfunktionswerte, also die über die normale Abnahme im Rahmen der Alterung hinausgehende, zu erkennen ( Abb. 1). Auch wenn in einem solchen Fall die Lungenfunktionswerte insgesamt noch im Normalbereich liegen, kann hierüber möglicherweise eine Beeinträchtigung des bronchopulmonalen Systems frühzeitig erkannt werden (s. auch Kap. 2). Die Sollwerte für die forcierte Spirometrie gelten über einen Altersbereich von einem Jahr bis zu 95 Lebensjahren (Quanjer et al. 2012). In aktuellen Spirometrie-Geräten sind diese verfügbar oder Updates werden von den Herstellern angeboten. Zur eigenen Berechnung oder Überprüfung können auch online von der GLI angebotene Hilfen und Kalkulationsrechner genutzt werden ( www.ers-education.org/guidelines/global-lung-function-initiative/tools/excel-individual-calculator.aspx ).
Die medizinische Bewertung der gemessenen Werte geht nicht von den aus den Sollwertformeln zu errechnenden Mittelwerten aus, sondern von dem jeweiligen Sollgrenzwert (Solluntergrenze = Lower Limit of Normal, LLN). Dieser LLN ergibt sich aus der Standardabweichung, jedoch im Gegensatz zu den früheren EGKS-Werten für jede Altersgruppe eigenständig berechnet. Daher kann die Streuungsbreite bzw. der Abstand von Sollmittelwert und LLN je nach Alter variieren. Besonders deutlich zeigt sich dies für die GLI-Sollwerte von älteren Personen ab ca. 70 Jahren. Die Mittelwerte sind für diese Altersgruppen zwar ähnlich denen der EGKS-Werte, jedoch ist eine größere Streuung feststellbar, d.h. der LLN liegt nun bei einem geringeren Wert als der LLN nach EGKS. Dies kann dazu führen, dass eine Person, beispielsweise im Rahmen einer nachgehenden Untersuchung G 1.2 nach früherer Asbestbelastung, vormals einen als pathologisch zu wertenden Wert der FVC zeigte, der nun noch oberhalb des LLN nach GLI liegt und nicht als krankhaft bezeichnet wird.
Umgekehrt verhält es sich bei Personen bis etwa zum mittleren Alter. So ist es möglich, dass Spirometrie-Befunde, die bei Verwendung der GLI-Sollwerte als eine (in der Regel obstruktive) pathologische Ventilationsstörung zu bewerten sind, nach den EGKS-Werten noch nicht als manifeste Ventilationsstörung eingeschätzt wurden. Dies kann sich bei Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge für obstruktive Atemwegserkrankungen (z.B. G 23) auswirken; hier können nun gefährdete Personen frühzeitiger identifiziert werden.
Die Messwerte sind in jedem Einzelfall kritisch zu prüfen, bevor sie Grundlage einer arbeitsmedizinischen Entscheidung werden. Hierbei ist zu betonen, dass es sich bei der Spirometrie um ein von der Mitarbeit des Probanden stark abhängiges Messverfahren handelt. Besonderes Augenmerk ist daher auf eine artefaktfreie (d.h. mit guten Flow-Start und langer Ausatemphase) und auf eine reproduzierbare Messung zu legen. Letzteres bedeutet, dass mindestens drei Spirometriemanöver durchgeführt werden, von denen die beiden besten in FEV1 bzw. FVC nicht mehr als maximal 150 ml oder 5 % differieren ( Abb. 2 und 3) (Criée et al. 2015; Miller et al. 2005).
Neben der Angabe der numerischen Werte mit Bezug zu den Sollwerten ist eine grafische Darstellung und Dokumentation der Fluss-Volumen-Kurven obligat. Diese dient der optischen Überprüfung von Qualität und Reproduzierbarkeit. Die zusätzliche graphische Aufzeichnung der Volumen-Zeit-Kurven ist wünschenswert.
Wird eine obstruktive Ventilationsstörung vermutet, sollte ein Bronchodilatationstest mit einem kurzwirksamen Betasympathomimetikum, z.B. bis zu 400 µg Salbutamol in 4 separaten Dosen, und erneuter Messung nach 15 Min. durchgeführt werden. Dieser kann 30 Min. nach Inhalation von 160 µg Ipratropiumbromid als schnell wirksames Anticholinergikum wiederholt werden. Der Reversibilitätstest wird als sicher positiv angenommen, wenn ein Anstieg des FEV1 um 12 % des Ausgangswerts oder ein Anstieg von über 200 ml absolut erzielt werden. Bei der Beurteilung der Reversibilität ist auf die vorausgegangene Karenz von Bronchodilatatoren zu achten (kurzwirksame Betamimetika und Anticholinergika 6 Stunden, langwirksame Betamimetika und retardierte Theophyllinpräparate 12 Stunden, langwirksame Anticholinergika 48 Stunden).
2 Verlaufsbeurteilung
Die Beurteilung des individuellen Lungenfunktionsverlaufs gibt wertvolle Informationen in Hinsicht auf die frühzeitige Erkennung von beginnenden Funktionsstörungen. Ein den normalen Altersgang überschreitender Abfall des FEV1 kann auf eine beginnende obstruktive Atemwegserkrankung hinweisen, bevor Atemwegssymptome auftreten und die erhobenen Messwerte unter die Sollgrenzwerte abfallen.
Epidemiologische Untersuchungen zeigen bei Gesunden einen FEV1-Abfall von bis zu ca. 30 ml/Jahr. Um auffällige Veränderungen vom normalen Verlauf statistisch sicher (mit 5 % Irrtumswahrscheinlichkeit) abgrenzen zu können, sind nach Modellrechnungen FEV1-Abfälle von mindestens 50 ml/Jahr bei jährlichen Messungen in einem 10-Jahres-Intervall erforderlich (Thomsen et al. 2014). Daher ist ein Verlust von FEV1 über 50 ml/Jahr im Verlauf von mehreren Jahren als möglicher Hinweis für die Entwicklung oder Zunahme einer Atemwegsobstruktion zu sehen. Hier zeigt sich die wesentliche Bedeutung der mit Qualität und Reproduzierbarkeit erhobenen Spirometrie-Messwerte jeder einzelnen Messung, um schwankende Werte im Zeitverlauf allein durch Messfehler weitgehend ausschließen zu können.
In den betriebsärztlichen Unterlagen ist für die Zugänglichkeit der Lungenfunktionsbefunde und der anamnestischen Daten für die Verlaufsbeurteilung auch über größere zeitliche Abstände zu sorgen, d.h. möglichst weit zurückliegende Vorbefunde von Lungenfunktionsmessungen sollten für die Individualbeurteilung zur Verfügung stehen. Methodische und individuelle Besonderheiten am Untersuchungstag sollen im Zusammenhang mit den erhobenen Lungenfunktionsbefunden dokumentiert werden.
Die Messung und richtige Interpretation der statischen und dynamischen Lungenfunktionswerte in der Spirometrie ist zur Erkennung vieler Atemwegserkrankungen meist ausreichend. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass nicht alle Aspekte der Ventilation damit erfasst werden können (insbesondere Residualvolumen und totale Lungenkapazität sind nicht bestimmbar). Außerdem sind keine Rückschlüsse auf den Gasaustausch oder die Diffusion möglich. Eine Erweiterung der Diagnostik durch den Lungenfacharzt bzw. spezielle arbeitsmedizinische Einrichtungen sind dann ggf. erforderlich.
3 Erweiterte Diagnostik
Bodyplethysmographie
Die Messung im Ganzkörperplethysmographen erlaubt die Feststellung einer Lungenüberblähung; diese zeigt sich in einer Erhöhung des Residualvolumens (RV) – absolut im Vergleich zu bestehenden Sollwerten sowie relativ im Vergleich zur totalen Lungenkapazität (TLC). Zeigt sich die Erhöhung des Verhältnisses RV/TLC auch im Bronchodilatationstest unverändert, so kann dies als Hinweis auf ein Lungenemphysem gewertet werden. Die Lungenüberblähung bzw. das Emphysem können zu einer Verminderung von ventilierbaren Lungenabschnitten führen, also eine Minderung der VC nach sich ziehen. Deswegen ist beim spirometrischen Nachweis einer Obstruktion (mit Minderung der FEV1/FVC) und gleichzeitiger Minderung der VC als Hinweis auf mögliche restriktive Ventilationsstörung die ergänzende Bodyplethysmographie notwendig, um sicher zwischen Obstruktion und Restriktion unterscheiden zu können.
Die Bodyplethysmographie erlaubt außerdem die Bestimmung der zentralen Atemwegswiderstände, wobei die spezifische Resistance (sRt) einen Wert angibt, der unabhängig von dem gemessenen Lungenvolumen ist. Die Messung dient als wertvolle Ergänzung bei obstruktiven Atemwegserkrankungen und zeigt den Vorteil, dass der Atemwegswiderstand weitgehend unabhängig von der Güte der Probandenmitarbeit bestimmt wird.
Für weiterführende Informationen wird auf die Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) verwiesen (Criée et al. 2009a,b).
Diffusionsmessung mit CO (CO-Diffusionskapazität, CO-Transferfaktor)
Die Messung der Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid (DLCO) ist indiziert im Falle von vermuteten Gasaustauschstörungen, beispielsweise bei restriktiven Atemwegserkrankungen wie der Asbestose oder als Frühzeichen eines Lungenemphysems. Das üblichste Verfahren ist die Einatemzugmethode (Single Breath = SB) mit Luftanhalten und wieder Ausatmen nach 6–10 Sek., wobei die Differenz zwischen einer definierten eingeatmeten CO-Konzentration aus einer Gasflasche und der wieder exhalierten CO-Konzentration bestimmt wird. CO weist ähnliche Diffusionseigenschaften wie Sauerstoff (O2) auf, so kann mit der Methode auf die Sauerstoffaufnahmefähigkeit der Lunge geschlossen werden. Wesentliches Qualitätsmerkmal einer guten Messung ist die ausreichende Inspirationstiefe des Atemzugs; dieser muss mind. 85 % Volumen der individuellen, also bei diesem Probanden bestimmten, VC erzielen (MacIntyre et al. 2005). Wird nicht tief genug eingeatmet, so wird der DLCO-Wert zu niedrig gemessen. Außerdem kann der DLCO-Wert rechnerisch auf das im gleichen Messmanöver ermittelte Alveolarvolumen (VA) bezogen werden, es ergibt sich der CO-Transferkoeffizient DLCO/VA. Auch dieser ist von der Güte des Messmanövers abhängig. So ergibt sich bei ungenügender Inspirationstiefe häufig ein zu hoher Wert, der nicht beurteilt werden kann.
Die Messung der Diffusionskapazität wird besonders beeinflusst durch die Wahl der Atemanhaltezeit (optimal acht Sekunden), die Geräteauswahl und die Qualitätskontrolle mit ausreichender Inspiration. Da CO in der Lungenkapillare an Hämoglobin (Hb) gebunden wird, ist der Hb-Wert bedeutsam, wobei Abweichungen vom Normwert mit Korrekturformeln für die DLCO suffizient ausgeglichen werden können. Der vorbestehende COHb-Anteil ist ebenfalls bedeutsam. Er wird zum einen durch das Tabakrauchen des Probanden, zum anderen durch wiederholte DLCO-Messmanöver erhöht. Dadurch können falsch-niedrige Messwerte erhalten werden. Bis zu drei Messungen können ohne Messfehler durchgeführt werden; mindestens eine Wiederholungsmessung muss jedoch erfolgen, um die Reproduzierbarkeit der Messung beurteilen zu können (Preisser 2018).
Für weiterführende Informationen wird auf die Empfehlungen der American Thoracic Society (ATS) und European Respiratory Society (ERS) verwiesen (MacIntyre et al. 2005).
Bestimmung der (unspezifischen) bronchialen Hyperreagibilität
Die Lungenfunktionsprüfung kann insbesondere im Frühstadium einer obstruktiven Atemwegserkrankung und nach Expositionspausen Normalbefunde ergeben. Abhängig von der Anamnese oder besonderer inhalativer Belastungen am Arbeitsplatz kann die Bestimmung der bronchialen Hyperreaktivität angezeigt sein. Vor der Durchführung jedes Provokationstests sind die Kontraindikationen zu beachten, es gibt aber nur wenige absolute Kontraindikationen. Lediglich die vorhergehende Medikation mit Bronchodilatatoren ist eine arbeitsmedizinisch relevante Kontraindikation.
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Methoden und Auswerteverfahren zur Objektivierung der bronchialen Hyperreaktivität, die sich in der Praxis bewährt haben, so dass eine allgemein gültige Festlegung auf ein bestimmtes Verfahren zurzeit nicht sinnvoll ist. Es wird empfohlen, nur publizierte Methoden – möglichst ohne Modifikationen – zu verwenden. Einstufige Testverfahren sind aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Verlaufsbeobachtung und einer möglichen Gefährdung des Untersuchten obsolet. Methacholin hat sich als unspezifischer Stimulus aufgrund der geringen unerwünschten Wirkungen gegenüber anderen Stoffen durchgesetzt; auch liegt nur für Methacholin eine Zulassung zur bronchialen Provokationstestung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor. Allgemeine Hinweise zur Durchführung wurden von der European Respiratory Society (Sterk et al. 1993) und von der American Thoracic Society (2000) publiziert. Als praktikabel hat sich eine an das ATS-Dosimeterprotokoll adaptierte, in Deutschland verfügbare Dosimetermethode erwiesen (Merget et al. 2009). Vielfach wird in Deutschland eine Reservoirmethode (sog. Pari-Provotest-Methode) verwendet, die sich durch eine hohe Robustheit des Verneblers auszeichnet und die mit der ATS-Dosimetermethode gut vergleichbar ist (Merget et al. 2006).
Literatur
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Miller MR, Hankinson J, Brusasco V, Burgos F, Casaburi R, Coates A, Crapo R, Enright P, van der Grinten CP, Gustafsson P, Jensen R, Johnson DC, MacIntyre N, McKay R, Navajas D, Pedersen OF, Pellegrino R, Viegi G, Wanger J; ATS/ERS Task Force: Standardisation of spirometry. Eur Respir J 2005; 26: 319-338
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Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 459–464
Fußnoten
1Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) (Direktor: Prof. Dr. med. Volker Harth), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
2Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA), Bochum (Direktor: Prof. Dr. med. Thomas Brüning)
Weitere Autoren:
Dr. med. Martina Stadeler, Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe sowie Mitglieder des Arbeitskreises 2.4 „Obstruktive Atemwegserkrankungen“ des Ausschusses Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung