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Digitalisierung im Gesundheitswesen: Ärzteschaft gestaltet mit

Telemedizin – was gibt es Neues?

Digitalisierung im Gesundheitswesen – Ärzteschaft gestaltet mit

In der Entschließung "Digitalisierung im Gesundheitswesen – Ärzteschaft gestaltet mit" wurde betont, dass in der Medizin die Nutzung von Praxis- und Krankenhausinformationssystemen in der Verwaltung und Verarbeitung von Patienten- und Behandlungsdaten in Deutschland mittlerweile eine Selbstverständlichkeit ist (120. Deutscher Ärztetag, Drucksache Nr. II – 01). In Diagnostik und Therapie unterstützen digitale Verfahren ärztliches Handeln und sind nicht mehr wegzudenken. Digitalisierung im Gesundheitswesen umfasst die Weiterentwicklung bestehender analoger Verfahren der Kommunikation zwischen Ärzten untereinander und mit ihren Patientinnen und Patienten, die elektronische Speicherung von Notfalldaten und Medikationsplänen auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), den elektronischen Versand von Arztbriefen über die Telematikinfrastruktur (TI), Videokonsultationen zwischen Patient und Arzt sowie den gemeinsamen Zugriff auf elektronische Patientenakten (ePA). Apps stellen bisher papiergebundene Informationen nun auch digital zur Verfügung, beispielsweise zur Unterstützung der Medikamenteneinnahme oder zum Führen von elektronischen Diabetestagebüchern. Eine Verbesserung der Compliance durch derartige Apps ist im Sinne einer guten Versorgung.

Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 begrüßt grundsätzlich die Möglichkeiten dieser digitalen Anwendungen, da sie die Chance bieten, bessere Informationen als Grundlage für diagnostische und therapeutische Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. Grundlegende Voraussetzungen sind:

  • Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten müssen darauf vertrauen können, dass die ärztliche Schweigepflicht auch bei der Nutzung der digitalen Anwendungen gewährleistet ist. Patientinnen und Patienten müssen darauf vertrauen können, dass ihre Gesundheitsdaten vor dem Zugriff unberechtigter Dritter geschützt sind.
  • Die Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen muss für Ärzte und Patienten gegeben sein. Die Nutzung darf nicht zu mehr Bürokratie in Arztpraxen und Krankenhäusern führen. Patientinnen und Patienten müssen das Recht behalten, sich freiwillig für oder gegen die Nutzung der Anwendungen entscheiden zu können.
  • Der Aufbau der Telematikinfrastruktur sowie der Anschluss der Arztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken ist eine Aufgabe, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt. Eine Finanzierung aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ohne Einbeziehung der privaten Krankenversicherung (PKV) und Beihilfe ist nicht sachgerecht; eine gesetzgeberisch initiierte Infrastruktur sollte aus Steuermitteln finanziert werden.

Damit wäre sichergestellt, dass die für die Versorgung der Versicherten vorgesehenen Mittel für den Erwerb von Lesegeräten, Konnektoren etc. sowie mögliche und wünschenswerte Anschubanreize nicht zweckentfremdet werden. Ein staatliches Infrastrukturprogramm sollte zügig aufgesetzt werden.

Das zukünftige Feld der Digitalisierung im Gesundheitswesen wird durch neue diagnostische und therapeutische Verfahren mittels Sensoren, Big Data und künstlicher Intelligenz gekennzeichnet sein. Insbesondere multinationale Unternehmen der Informations- und Kommunikationsbranche (IKT) engagieren sich hier mit neuen Geschäftsmodellen. Noch sind die Anwendungsfelder und Möglichkeiten nur in Ansätzen erkennbar; so versprechen Fortschritte in Big Data und der künstlichen Intelligenz die Ausrichtung auf eine personalisierte Medizin. Die entscheidende Frage wird sein, inwieweit sich die Versorgung zu einem – zunehmend vom individuellen Patient-Arzt-Verhältnis – entkoppelten Geschäftsmodell entwickelt. In Verantwortung gegenüber den Patientinnen und Patienten und der nachfolgenden Ärztegeneration fordert der 120. Deutsche Ärztetag 2017 den Gesetzgeber und die Institutionen der Selbstverwaltung auf, eine Digitalisierungsstrategie zu schaffen, die folgende Aspekte klärt:

  • die ethischen Grundsätze zum Umgang mit neuem Wissen und neuen Methoden,
  • die Rolle digitaler Methoden und Verfahren in der Gesundheitsversorgung,
  • den Umgang mit Grundsätzen des Datenschutzes (Erforderlichkeit,
  • Zweckgebundenheit, Sparsamkeit der Datenerhebung) im Zusammenspiel mit den
  • Anforderungen von Big Data,
  • Rahmenbedingungen der Finanzierung,
  • rechtliche Rahmenbedingungen.

Wir berichteten ferner in ASU Heft 6 von dem bahnbrechenden Weg der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Der 120. Deutsche Ärztetag hat sich mit überwältigender Mehrheit für eine Ferndiagnose/Fernbehandlung unter ärztlicher Regie ausgesprochen. Denn Telemedizin eröffnet große Gestaltungsmöglichkeiten für die medizinische Versorgung. Ärzte haben sich entschieden, sich den Chancen der Fernbehandlung zu stellen. Ärzte wollen aktiv mit gestalten und unter sicheren und patientenorientierten Rahmenbedingen voranbringen. Wenn sie es nicht machen, dann machen es andere.

Telemedizin

Mit überwältigender Mehrheit wurde Geschichte geschrieben: Mit 214 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen werden die Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer in dem Beschluss des 120. DÄT 2017, Drs. Nr. II – 35 gebeten zu prüfen, ob § 7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) („Fernbehandlung“) um folgenden Zusatz ergänzt werden soll:

„Von den Sätzen 1 und 2 kann die Ärztekammer in besonderen Einzelfällen Ausnahmen für definierte Projekte mit wissenschaftlicher Evaluation zulassen, wenn sichergestellt ist, dass berufsrechtliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Andere gesetzliche Bestimmungen bleiben hiervon unberührt.“

Begründung: Ein zunehmender Bedarf für telemedizinische Behandlung ergibt sich aus dem demografischen Wandel und dem Phänomen der zunehmenden Binnenmigration in wenige Metropolen mit Entstehung dünn besiedelter und schwer zu versorgender Regionen. Die wachsenden Anforderungen an Versorgungsqualität wie Mindestfallzahlen und Mindestanforderungen führen zu einer zunehmenden Konzentration von Versorgungsangeboten in einer geringeren Anzahl klinischer Zentren.

Ein dringendes Versorgungsproblem besteht in der zunehmenden nicht bräuchlichen Inanspruchnahme der Notfallambulanzen. Eine bessere Patientensteuerung in die adäquate Versorgungsebene durch ein Telearztzentrum wäre ein möglicher Lösungsansatz. Dies wird auch in dem Eckpunktepapier der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zur Weiterentwicklung der ambulanten Notfallversorgung vom 28.03.2017 so gesehen.

Auch der Alltag in den Arztpraxen ist gekennzeichnet von einem gewissen Anteil an Patienten, die mithilfe telemedizinischer Versorgungsansätze und Patientensteuerung auf einen Praxisbesuch hätten verzichten können. Ein verstärkter Einsatz von Telemedizin könnte zu einer Entlastung der verfügbaren Ressourcen führen. Gerade auch für häufig auftretende infektiöse Erkrankungen wie grippale Infekte wäre eine Vermeidung von Praxisbesuchen mit entsprechendem Ansteckungsrisiko für Patientinnen und Patienten und medizinisches Personal sinnvoll.

Die bisherige Fassung von § 7 Abs. 4 der Berufsordnung untersagt eine Fernbehandlung nicht generell, sondern regelt im Gegenteil die Zulässigkeit von Fernbehandlungen.

Die schnelle Entwicklung moderner Medien bedingt derzeit ein schwer zu bewertendes und kaum überschaubares Angebot insbesondere im Internet und über Apps. Daher ist das Ziel der vorgeschlagenen Ergänzung der MBO-Ä vor allem die Abwendung von Schaden von Patienten, aber auch der Schutz von Kammermitgliedern vor unlauterem Wettbewerb durch fachlich unzureichende und in die bestehende Versorgung nicht integrierte Behandlungen. Fernbehandlung unterliegt grundsätzlich der Gefahr eines Informationsverlustes, der zu Fehldiagnosen und in der Folge zu Fehlbehandlungen führen kann. Eine Vielzahl von Parametern lässt sich heute jedoch telemedizinisch gut erheben.

Es kommt darauf an, Risiken der Fernbehandlung in ärztlicher Verantwortung im Einzelfall richtig einzuschätzen, um die Chancen der Fernbehandlung sinnvoll nutzen zu können. Dazu bedarf es eines in Deutschland derzeit nur gering vorhandenen Erfahrungshintergrunds in der Nutzung telemedizinischer Ansätze. Daher erscheint es sinnvoll, Fernbehandlung auch ohne vorherigen Patientenkontakt in geeigneten kontrollierten Projekten zu erproben.

Der Genehmigungsvorbehalt ermöglicht eine Prüfung von Projekten durch die Ärztekammer auf eine mögliche Verletzung berufsrechtlicher Belange. Andere Rechtskreise wie die Berufshaftpflicht und das Vertragsarztrecht liegen außerhalb der Regelungskompetenz der Kammern. Die geforderte Evaluation wird Erkenntnisse zur Umsetzbarkeit und Verbesserung der Versorgung hinsichtlich eines erleichterten Zugangs zur Versorgung einerseits und einer effektiveren Steuerung der Patienten andererseits erzielen können.

    Info

    TOP II des 120. Deutschen Ärztetages: "Digitalisierung im Gesundheitswesen – Ärzteschaft gestaltet mit"

    Die Kernaussagen auf einen Blick:

    • Der Deutsche Ärztetag fordert eine Digitalisierungsstrategie, die unter anderem ethische und datenschutzrechtliche Grundlagen umfasst, digitale Methoden systematisiert und Fragen zur Finanzierung klärt.
    • Das Plenum spricht sich für eine zeitnahe Einführung einer einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakte aus.
    • Die Qualifizierung von Ärzten in der digitalen Gesundheitsversorgung muss Teil der ärztlichen Aus-, Weiter-, und Fortbildung werden.
    • Die Delegierten forderten die Schaffung eines bundeseinheitlichen Gütesiegels für Gesundheits-Apps.
    • Die Bundesärztekammer soll prüfen, ob der §7 Abs. 4 der (Muster-)Berufsordnung dahingehend erweitert wird, dass die Landesärztekammern im Ausnahmefall definierte Projekte zur ausschließlichen Fernbehandlung zulassen können.
    • Der Deutsche Ärztetag hat sich für die Förderung von Modellprojekten zur Fernbehandlung (auch ohne persönlichen Arztkontakt) ausgesprochen.

    Weitere Infos

    Aufbereitet von

    Dr. med. Annegret Schoeller

    Bereichsleiterin im Dezernat 1

    Versorgung und Bevölkerungsmedizin

    Bundesärztekammer

    Herbert-Lewin-Platz 1

    10623 Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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