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Die Eignungsuntersuchung im Hinblick auf Impfschutz, nach dem Infektionsschutzgesetz durch das Präventionsgesetz im Jahr 2015 vorgesehen, ist keine Aufgabe nach der ArbmedVV

Mit dem Omnibus vom Präventions- zum Infektionsgesetz – § 23a

Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel

Vorwort des AfAMed

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) hat das Ziel, arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhüten. Zugleich soll die arbeitsmedizinische Vorsorge einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes leisten. Wichtige Prinzipien der ArbMedVV sind das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht bei der Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsorge.

Der in der ArbMedVV verankerte Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) ermittelt unter anderem Regeln und Erkenntnisse, wie die in der ArbMedVV formulierten Anforderungen erfüllt werden können und berät darüber hinaus das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in allen Fragen des medizinischen Arbeitsschutzes.

Mit der Änderung der ArbMedVV im Jahr 2013 wurde unter anderem in § 6 Abs. 2 ArbMedVV explizit darauf hingewiesen, dass Impfungen Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge sein können, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist. Der AfAMed hat zur Konkretisierung dieser Vorschrift die arbeitsmedizinische Regel AMR 6.5 erarbeitet. Durch das im Jahr 2015 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und Prävention (Präventionsgesetz) wurde in § 132e SGB V bestimmt, dass Krankenkassen mit Betriebsärzten Verträge über die Durchführung von Schutzimpfungen schließen können. Zugleich wurde in das Infektionsschutzgesetz § 23a IfSG eingeführt, wonach Arbeitgeber – soweit es erforderlich ist – in Bezug auf nosokomiale Infektionen, die durch Schutzimpfungen verhütet werden können, personenbezogene Daten über den Impfstatus und den Serostatus erheben, verarbeiten oder nutzen können.

Diese Ergänzung des Infektionsschutzgesetztes hat zu einer großen Verunsicherung der Arbeitsmediziner/Arbeitsmedizinerinnen bzw. Betriebsärzte/Betriebsärztinnen geführt. Der AfAMed ist dem Vorsitzenden der PG III „Impfmanagement und Chemoprophylaxe im Rahmen der ArbMedVV“, Herrn Kollegen Dr. von Schwarzkopf, und den Koautorinnen sehr dankbar für die Klarstellungen in dem folgenden Artikel.

Vorsitzender des AfAMed

Einleitung

Nach der Änderung der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung im Jahr 2013 war aus Sicht der Arbeitgeber im Gesundheitsdienst eine Regelungslücke zu Eignungsuntersuchungen entstanden: Sie hatten zuvor die Vorsorgebescheinigung auch als Eignungsbescheinigung für den Einsatz im Gesundheitsdienst interpretiert. Deshalb forderte die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine gesetzliche Regelung, die eine Überprüfung des Impfschutzes der Arbeitnehmer zum Zweck des Patientenschutzes und eine Mitteilung an den Arbeitgeber ermöglicht.

In diesem Zusammenhang und mit der Zunahme nosokomialer Infektionen und dem Masernausbruch vor gut einem Jahr in Berlin sah sich der Gesetzgeber veranlasst, eine Neuregelung zu schaffen. Diese sollte Drittschutzinteressen wahren und Regressansprüche an die Arbeitgeber im Gesundheitsdienst vermeiden. Somit wurde im Präventionsgesetz eine Veränderung beschlossen, die letztendlich im Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) als § 23a (siehe Infokasten und „Weitere Infos“) eingefügt wurde (sog. „Omnibusgesetz“). Der neue Paragraf fand Eingang in das Gesetzgebungsverfahren zum Präventionsgesetz und wurde bei der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes als § 23a IfSG veröffentlicht. Dieser Paragraf betrifft nur Gesundheitseinrichtungen und nicht andere Gemeinschaftseinrichtungen, die hierfür zutreffenden Hygieneregeln sind im § 36 IfSG festgehalten.

In Einrichtungen des Gesundheitswesens stellt sich die Frage, welche Rolle der Betriebsarzt hier einnehmen soll.

Um die Sachverhalte richtig einordnen zu können, ist es notwendig, den Bezug zu § 23 IfSG herzustellen. § 23 IfSG gibt sehr viele grundsätzliche Vorgaben und Regelungen vor, die erfüllt werden müssen. Dies betrifft die Definition der betroffenen Einrichtungen (s. Aufstellung Infokasten) und organisatorische Maßnahmen wie Verfahrensweisen zur Infektionshygiene, Hygienepläne und hygienische Mindestanforderungen, die umgesetzt werden müssen. Insofern ist § 23a IfSG nur eine Ergänzung, wenn die allgemeinen Voraussetzungen von § 23 IfSG erfüllt sind. Er erwähnt nicht die Empfehlungen der STIKO, da sie als allgemein akzeptiert vorausgesetzt werden. Ferner ist der Begriff „erforderlich“ eingefügt. Experten der Hygiene und gegebenenfalls des Gesundheitsamtes beurteilen die Gefährdungen und schlagen Maßnahmen vor, die notwendig, sinnvoll und verhältnismäßig sind.

Hilfreicher Begründungstext zum § 23a IfSG

Sehr hilfreich ist der Blick in die Drucksache 18/5261 des deutschen Bundestages – 18. Wahlperiode: „Zu Artikel 8 Nr. 3 (§ 23a IfSG): Die Vorschrift regelt im Anwendungsbereich des § 23 Absatz 3 die Erhebung und Nutzung von Beschäftigtendaten über den Impfstatus und den Serostatus (Immunstatus) in Bezug auf impfpräventable Krankheiten. Die Vorschrift ist eine Konkretisierung der allgemeinen Bestimmung in § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes.“ Die Empfehlungen des RKI und der STIKO zur Vermeidung nosokomialer Infektionen durch Impfungen sind bindend. „Es kommt durch unzureichenden Impfschutz bei medizinischem Personal und den Umstand, dass bei ungeimpften Personen Infektionen zunehmend erst nach Aufnahme der Berufstätigkeit auftreten (sog. „Rechtsverschiebung“), vermehrt zu Übertragungen von Erregern impfpräventabler Krankheiten durch medizinisches Personal auf Patientinnen und Patienten. Aufgrund der Regelung kann der Arbeitgeber die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses vom Bestehen des erforderlichen Impf- oder Immunstatus abhängig machen bzw. Personal so beschäftigen, dass vermeidbaren Infektionsrisiken vorgebeugt wird […]“.

Inwieweit dies (durch Vorlegen von Nachweisen) erforderlich ist, hängt insbesondere von Art und Umfang der Patientenkontakte des Beschäftigten ab. Eine besondere Disposition der Patienten, beispielsweise eine besondere Empfänglichkeit durch Immunsuppression oder Unreife der Immunsystems wie bei Frühgeborenen, erfordert dabei ein erhöhtes Schutzniveau. Nicht erforderlich ist die Datenerhebung, soweit ein Infektionsrisiko durch Beachtung von Maßnahmen der persönlichen Basishygiene sicher beherrschbar ist.

In Bezug auf impfpräventable (Ergänzung durch Verfasser) Krankheiten, die leicht durch Tröpfchen übertragen werden, bei denen die klinische Symptomatik nicht immer eindeutig ist oder bei denen Infizierte bereits vor Auftreten der klassischen Symptome infektiös sind – wie Masern, Mumps, Röteln, Varizellen und Pertussis –, ist hingegen das Wissen des Arbeitgebers über das Bestehen eines ausreichenden Impf- und Immunschutzes erforderlich, um für den Einsatz des Personals Bedingungen zu schaffen, die Infektionsrisiken für vulnerable Patientinnen und Patienten vermeiden. Die Daten sind direkt beim Beschäftigten zu erheben. Die Freiwilligkeit der Entscheidung des Arbeitnehmers über die Inanspruchnahme von Impfschutz bleibt unberührt. Für andere Beschäftigtendaten und für Beschäftigte außerhalb des Anwendungsbereiches des § 23 Absatz 3 bleibt es bei den allgemeinen Bestimmungen. Die Bestimmungen des Arbeitsschutzes bleiben von der vorliegenden Regelung ebenfalls unberührt.“

Normadressaten des § 23a IfSG

Normadressaten dieses neuen Paragrafen sind die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer: Der Arbeitgeber hat unter bestimmten Umständen ein Fragerecht, der Arbeitnehmer hingegen die Informationspflicht über seinen/ihren Impf- beziehungsweise Serostatus.

Geregelt wird allein das Recht des Arbeitgebers, Daten erheben, verarbeiten und nutzen zu können. Es wird aber kein Arbeitnehmer über § 23a IfSG gezwungen, Daten herauszugeben, welche Konsequenzen der Arbeitgeber allerdings daraus zieht, bleibt offen.

Adressaten dieser neuen Eignungsuntersuchung sind also primär nicht die Ärzte. Aber diese verfügen bei guter Beratung, Anamnese und Dokumentation über die notwendigen Daten zum Immun- oder Impfstatus oder können eine Eignungsuntersuchung durchführen, um die Daten zu erheben. Das führt dazu, dass sich die Beschäftigten bei fehlender oder mangelnder Dokumentation der erforderlichen Daten an sie wenden. Diese Aufgabe entspricht nicht dem Tätigkeitskatalog der Betriebsärzte nach § 3 des Arbeitssicherheitsgesetz bzw. DGUV V2 oder Arbeitsschutzgesetz. Der Betriebsarzt kann getrennt von der Vorsorge, die im Auftrag des Arbeitgebers stattfindet, im Rahmen einer Einstellungs- oder Eignungsuntersuchung nach § 23a IfSG den Impf-/Serostatus erheben und ein Attest erstellen. Solange er die Eignungsbescheinigung nur dem untersuchten Arbeitnehmer übergibt, gilt so die ärztliche Schweigepflicht als gewährleistet. Es steht dem Arbeitnehmer anschließend frei, dieses Attest dem Arbeitgeber vorzulegen. Für die Übernahme der Impfkosten gibt es noch keine einheitliche Praxis. Einige Krankenkassen sehen dies nicht als Teil ihrer Aufgaben, einige Arbeitgeber sehen die Beibringung dieser notwendigen Unterlagen als Einstellungsbedingung. So kann es derzeit vor allem bei Neueinstellungen passieren, dass die Arbeitnehmer die Kosten für Impfungen und Serokontrollen selbst tragen müssen.

FAQ zum § 23a IfSG des Ausschusses Arbeitsmedizin

Zumindest bezüglich der Betriebsärzte ist diese Problematik im Verabschiedungsprozess des IfSG von den Ministerien erkannt worden. Deshalb wurde eine gemeinsame Stellungnahme des BMG und des BMAS herausgegeben. Diese führte zu einer juristischen Kommentierung, die aber Fragen für die alltägliche Praxis offen lässt.

Aufgrund dessen hat der Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ergänzend eine FAQ „Eignungsuntersuchung nach § 23a IfSG“ hierzu veröffentlicht. Beide Dokumente sind auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)/AfAMed eingestellt. Diese FAQ (s. Infokasten S. 420 und „Weitere Infos“) ist sehr hilfreich für Betriebsärzte bei der alltäglichen Umsetzung in den betroffenen Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Bei Anfragen zum Verhältnis zwischen Eignungsuntersuchungen und arbeitsmedizinischer Vorsorge verwendet der AfAMed häufig diesen allgemeinen Hinweis: „In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Eignungsuntersuchung im zeitlichen Ablauf regelmäßig Vorrang vor der arbeitsmedizinischen Vorsorge haben dürfte. Denn Aufklärung und Beratung des Beschäftigten über die mit seiner Tätigkeit verbundenen Gesundheitsgefahren sind nur dann sinnvoll, wenn der Beschäftigte die Tätigkeit auch (weiter) ausüben wird.“ Dadurch wird deutlich, dass es eigentlich nur ein Nacheinander gibt, was einige praktische Fragen lösen könnte.

Beschäftigtenschutz und Patienten-(dritt-)schutz

Gut betreute Einrichtungen des Gesundheitswesens haben bereits mit Hilfe ihrer beratenden Betriebsärzte (Beschäftigtenschutz), Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Beschäftigtenschutz) und Hygienefachkräften (Patientenschutz/Drittschutz) eine Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz/Biostoffverordnung und KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut, Drittschutz) erstellt. Die Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung (Beschäftigtenschutz) werden eng abgestimmt mit Hygieneplänen (Patientenschutz). In der Praxis geht Beschäftigtenschutz mit dem Fremd-/Drittschutz Hand in Hand. Auch hier gilt das STOP-Prinzip als die Maßnahmenhierarchie nach dem Arbeitsschutz (Vermeidung der Exposition, technische und organisatorische Maßnahmen vor persönlichen).

Bei der Arbeitsmedizinischen Vorsorge (Beschäftigtenschutz) wird ausgehend von der Gefährdungsbeurteilung in der überwiegenden Zahl der Betriebe als persönliche Maßnahme des Arbeitsschutzes eine Pflichtvorsorge für die Beschäftigten im Gesundheitsdienst definiert. Nach Einladung durch den Arbeitgeber kommt der Beschäftigte vor Tätigkeitsaufnahme zur Pflichtvorsorge zum Betriebsarzt. Dieser erhebt die Arbeitsplatzanamnese und den Impfstatus; ggf. veranlasst er mit Einwilligung des Probanden eine Kontrolle relevanter serologischer Parameter und kontrolliert die Impfdokumentation. Diese sind die Grundlagen für die darauf folgende Impfberatung. Die überwiegende Anzahl der Beschäftigten (> 90 %) nimmt die arbeitsmedizinisch empfohlenen Impfungen an. Einzelne Impflücken entstehen bei Impfablehnungen. Vor allem entstehen Impflücken in den Betrieben, die nicht betriebsärztlich betreut sind und in denen keine fachlich kompetente und aktuelle Gefährdungsbeurteilung vorliegt. Dennoch kann und darf kein Proband vom Betriebsarzt zur Impfung gezwungen werden. Die Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung betont hier das Selbstbestimmungsrecht bis zum Recht der Selbstschädigung, wenn der Beschäftigte die ihm individuell empfohlenen Schutzmaßnahmen ablehnt. So ist der unkommentierte Ansatz der Eignungsuntersuchung nach § 23a IfSG für den Arbeitsmediziner auf den ersten Blick befremdlich, weil diese Eignungsuntersuchung die Drittschutzinteressen deutlich über das Selbstbestimmungsrecht stellt. So entsteht eine Quasi-Impfpflichtsituation: Der Arbeitnehmer muss sich nicht impfen lassen, aber wenn er die Impfung nicht durchführen lässt, wird der potenzielle Arbeitgeber ihn nicht einstellen.“ Vor diesem Hintergrund wirkt die Betonung der Gesetzesbegründung, dass die Freiwilligkeit der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Impfschutz „unberührt“ bleibe, naiv“ (Baden 2016). Wird ein Beschäftigter vom Arbeitgeber vor einer Neueinstellung oder während eines laufenden Beschäftigungsverhältnisses aufgefordert, den Impfstatus/Serologien dem Arbeitgeber vorzulegen, wird der Betriebsarzt angesprochen werden. Dort liegen i. d. R. dokumentierte Informationen vor. Auch Arbeitgeber und Interessensvertretungen werden auf Anfrage auf die Betriebsärzte verweisen, aus der Kenntnis heraus, dass die Beschäftigten dort die notwendigen Dokumente erhalten können. Dabei muss immer klar sein, dass aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht das Attest nur an den betreffenden Arbeitnehmer herausgegeben wird. Das Attest muss so aufgebaut sein, dass auch für Laien ersichtlich ist, welche Maßnahmen zu treffen sind. Möglicherweise könnte der Berufsverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) Formblätter hierfür entwickeln. Die Reaktionen der Betriebsärzte im Gesundheitsdienst auf diese neue Eignungsuntersuchung reichen im Moment noch von sehr ablehnend bis befürwortend im Sinne des Patientenschutzes. Bei der Eignungsuntersuchung nach § 23a IfSG entsteht durch die zusätzlich erforderlichen Impfungen ein Mehraufwand für den Betrieb, der nach dem Präventionsgesetz von 2015/2016 von der Gesetzlichen Krankenkassen vergütet (§ 132e SGB V) werden kann. Hier liegen kaum Erfahrungen zur Vertragsgestaltung zwischen Betriebsärzten und Krankenkassen vor. Krankenkassen halten sich im Übrigen an dieser Stelle derzeit noch sehr zurück.

Zu klärende Fragestellungen

Zusätzlich treten Fragen auf, wenn der Impfstatus nicht vollständig ist und entsprechend den Anforderungen des § 23a IfSG geimpft werden soll. Wer übernimmt die Kosten, wenn Impfungen als Einstellungsbedingung verlangt werden? Gibt es haftungsrechtliche Lücken bei der Abgeltung von Impfschäden? An wen wendet sich der Arbeitgeber, wenn er die Impfdokumentation und/oder vorgelegte Serologien fachlich nicht beurteilen kann? Wie verhält sich der Arbeitgeber, wenn keine Serologie/Impfung notwendig ist, z. B. bei berichteter Windpockenerkrankung / durchgemachten Varizellen? Viele Arbeitgeber bzw. ihre Personalabteilungen können auf diese Fragen nicht mit entsprechender Expertise antworten und wenden sich auch deshalb zur spezifischen Beurteilung ohne Umweg an ihre Betriebsärzte. Diese sind aber nicht befugt, Auskünfte über individuelle Befunde direkt an den Arbeitgeber zu geben.

Problematik für den Arbeitgeber

Für den Arbeitgeber können sich folgende Fallkonstellationen ergeben:

  • Einstellungsuntersuchung: Wenn der vorhandene Immunschutz nicht ausreicht, kann der Arbeitgeber sowohl die Übernahme von Impfkosten als auch die Einstellung des Bewerbers ablehnen. Die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sind nur zum Teil Kostenträger für die erforderlichen Nachholimpfungen (siehe STIKO und Länderregelungen). In der Konsequenz müssen die Beschäftigten selbst für die Impfkosten aufkommen (z. B. Hepatitis-B-Impfung bei Personen nach dem 18. Geburtstag), es sei denn der (neue) Arbeitgeber übernimmt die Kosten aus Gründen des Patientenschutzes oder aus haftungsrechtlichen Überlegungen.
  • Eignungsuntersuchung während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses: Bei unzureichendem Impfschutz bzw. nicht ausreichend positiver Serologien muss er den Beschäftigten von den Tätigkeiten freizustellen. Hier fehlen praktische Empfehlungen wie Freistellung unter Fortlaufen der Bezüge, Einsatz in anderen Bereichen, Änderungskündigungen.
  • Infizierte Beschäftigte: Das Gleiche gilt für infizierte Beschäftigte mit positiver Serologie, bei denen eine Infektionsübertragung auf Dritte nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann (z. B. chronische Hepatitiden bei Chirurgen, sog. Carrier). Auch hier werden die Betriebsärzte beratend gefragt werden. Tätigkeitsverbote dürfen nur Amtsärzte nach dem IfSG aussprechen. Solange hier keine verbindlichen, offiziellen Kommentare oder Empfehlungen vorliegen, gibt es die Möglichkeit, Regelungen über Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Tarifverträge zu schließen. Da die Betriebsärzte keine Rolle im § 23a IfSG spielen, können wir nur empfehlen, bei Beteiligungen/Anfragen nicht isoliert zu handeln, sondern Konferenzen/Runde Tische zur Verfahrensklärung zu initiieren. Für dieses Instrument liegen überwiegend gute Erfahrungen bei Hepatitiden und HIV bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst vor. Fallkonferenzen mit kompetenten Partnern stellen ein praxiserprobtes Konzept dar, den Arbeitgeber umfassend zu unterstützen und die Verantwortung für den Drittschutz auf mehrere Schultern zu legen (Wunderle et al. 2004)

Bezogen auf HBV kann auf der Grundlage der ArbMedVV (§ 6 Abs. 1: „Untersuchungen nach Satz 3 dürfen nicht gegen den Willen des oder der Beschäftigten durchgeführt werden“) eine Untersuchung auf Veranlassung des Arbeitgebers nicht durchgeführt werden. Der Arbeitgeber kann jedoch aus Drittschutzinteressen bei gefährdenden Tätigkeiten sich entsprechende Untersuchungsunterlagen vorlegen lassen. Nach § 23a IfSG besteht für Beschäftigte, auch gegen deren Willen, eine faktische Untersuchungspflicht – soweit es sie betrifft (Tätigkeit in einer medizinischen Einrichtung und einer entsprechenden Gefährdungsbeurteilung). Und der Arbeitgeber kann bei positivem Status „… über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung entscheiden.“ Hier schlägt das IfSG die ArbMedVV! Das bedeutet, dass eine Änderungskündigung des Beschäftigungsverhältnisses möglich wäre. Und spannend ist das auch für MMR, Pertussis und Varizellen. Sind hier auch Änderungskündigungen bei Impfverweigerern möglich?

Für Arbeitsmediziner/Betriebsärzte im Gesundheitsdienst ist es die Quadratur des Kreises, wie bei anderen Fragen auch, die gleichzeitig ihre ärztliche Schweigepflicht und Arbeitgeberinteressen mit haftungsrechtlichem Hintergrund berühren. Sie sind in der neuen Regelung nicht erwähnt, aber als betriebliche Berater werden ihnen selbstverständlich dazu Fragen gestellt. Das BMG und das BMAS haben hier vorausgedacht und mit ihrer Stellungnahme versucht, eine Klärung herbeizuführen. Der AfAMed hat die Problematik im November auf seiner Sitzung im BMAS diskutiert und beschlossen, zügig eine FAQ zu veröffentlichen und einen Artikel in der Fachpresse zu veröffentlichen.

Licht für den Omnibus am Ende des Tunnels

§ 23a ist nicht isoliert zu betrachten. Er muss im Kontext mit anderen Paragrafen des IfSG, insbesondere § 23 gesehen werden. In der Logik des Arbeitsschutzes wird damit deutlich, dass organisatorisch vordringlich das Hygienemanagement umfassend und verbindlich in die Praxis umgesetzt werden muss. Ist dies der Fall, werden im Sinne einer (Gefährdungs-)Beurteilung einzelne Situationen identifiziert, die besondere Schutzmaßnahmen über die Basishygiene hinaus erforderlich machen. Dies kann bei der Versorgung von stark immungeschwächten (onkologischen, neonatologischen) Patienten sein oder in einer Ausbruchsituation. Die dann zu treffenden Schutzmaßnahmen berücksichtigen in einem integrierten Ansatz sowohl den Fremd-/Drittschutz als auch den Beschäftigtenschutz. Die gemeinsam abzustimmenden Schritte richten sich nach der Schutzhierarchie (Expositionsvermeidung, technische, organisatorische und personenbezogene Maßnahmen). An erster Stelle steht die Gefährdungsbeurteilung, dann die Beratung, Unterweisungen und Schulungen über verbesserte Basishygiene mit geeigneten Produkten. Hier schließt sich die richtige Anwendung von adäquater Schutzkleidung an. Erst am Ende dieser Kette greift in definierten Bereichen und Situationen § 23a IfSG. Wenn dieser angewandt wird, muss geprüft werden, ob es sinnvoll, notwendig und angemessen ist („Erfordernis“). Denn die Offenlegung von individuellen medizinischen Daten durch die Beschäftigten betrifft das Persönlichkeitsrecht. Der Betriebsarzt empfiehlt als Teilnehmer am „Runden Tisch“ (z. B. ASA, Ausbruch-Hygienekomitee), die Situation zu klären und zu dokumentieren. Damit besteht die Möglichkeit, der Beratungsfunktion aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes, der BiostoffVO und der Arbeitsmedizinischen Vorsorge VO nachzukommen. Dieser Verfahrensvorschlag hat sich in der Praxis bewährt, ist allerdings nicht offiziell formalisiert.

Zusammenfassung

Auf Drängen der Deutschen Krankenhausgesellschaft sah der Gesetzgeber nach der Novellierung der ArbMedVV die Notwendigkeit, den Fremd-/Drittschutz von Patienten weiter zu gewährleisten. Unstrittig ist, dass eine hohe Qualität der Basishygiene der beste Schutz vor nosokomialen Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen ist. Dies ist bei Infektionsübertragung durch Tröpfchen (Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Pertussis) erschwert. Deshalb können besondere Situationen auftreten, die besondere, koordinierte Maßnahmen erfordern. Hierfür stellt § 23a IfSG eine Möglichkeit dar. Der Gesetzgeber hat damit dem Arbeitgeber zu Gunsten der Patienten weit reichende Handlungsmöglichkeiten zur Impfprävention gegeben. Der Arbeitnehmer muss seinen Impfstatus dem Arbeitgeber gegenüber offenbaren, wenn dies das Ergebnis durchgeführter und dokumentierter Gefährdungsbeurteilungen zum Patientenschutz ist. Die FAQ des AfAMed stellt klar, dass der Betriebsarzt den Serostatus des Beschäftigten im Rahmen einer Eignungsuntersuchung erheben kann. Anschließend kann er ein Attest ausstellen, über das der Untersuchte selbst verfügt und das er dem Arbeitgeber aushändigen kann. Im Rahmen dieser Eignungsuntersuchung kann der Betriebsarzt bestehende Impflücken schließen und dies im Attest vermerken. Die Vergütung kann nach dem Präventionsgesetz durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgen, wenn entsprechende Verträge zwischen Betrieben/Betriebsärzten und Krankenkassen geschlossen werden und die Krankenkassen sich zuständig erklären.

Literatur

Wunderle W, Hittmann F, Schwarzkopf H von: Verfahrensvorschlag zum Umgang mit chronisch infizierten Mitarbeitern (HBV-, HCV, HIV-Infektion) in medizinischen Einrichtungen in Bremen. Gesundheitswesen 2004; 66: 1–6.

Baden E: Impfpflicht für medizinisches Personal durch die Hintertür. Krankenhaushygiene up2date 2016; 11: 5–6.

    Info

    § 23a IfSG „Personenbezogene Daten von Beschäftigten“

    § 23a IfSG „Personenbezogene Daten von Beschäftigten“ lautet: „ Wenn und soweit es zur Erfüllung von Verpflichtungen aus § 23 Absatz 3 in Bezug auf Krankheiten, die durch Schutzimpfung verhütet werden können, erforderlich ist, darf der Arbeitgeber personenbezogene Daten eines Beschäftigten im Sinne des § 3 Absatz 11 des Bundesdatenschutzgesetzes über dessen Impfstatus und Serostatus erheben, verarbeiten oder nutzen, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden.“

    Der Anwendungsbereich ist auf impfpräventable Krankheiten beschränkt.

    Info

    §23 IfSG Nosokomiale Infektionen, Resistenzen, Rechtsverordnungen durch die Länder

    Beim Robert Koch-Institut ist eine Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention eingerichtet […]. Die Kommission erstellt Empfehlungen zur Prävention nosokomialer Infektionen sowie zu betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Maßnahmen der Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen [...].

    (2) Beim Robert Koch-Institut ist eine Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie eingerichtet. […] Die Kommission erstellt Empfehlungen mit allgemeinen Grundsätzen für Diagnostik und antimikrobielle Therapie, insbesondere bei Infektionen mit resistenten Krankheitserregern. Die Empfehlungen der Kommission werden unter Berücksichtigung aktueller infektionsepidemiologischer Auswertungen stetig weiterentwickelt und vom Robert Koch-Institut veröffentlicht […].

    (3) Die Leiter folgender Einrichtungen haben sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um nosokomiale Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden:

  • Krankenhäuser,
  • Einrichtungen für ambulantes Operieren,
  • Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt,
  • Dialyseeinrichtungen,
  • Tageskliniken,
  • Entbindungseinrichtungen,
  • Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der in den Nummern 1 bis 6 genannten Einrichtungen vergleichbar sind,
  • Arztpraxen, Zahnarztpraxen und
  • Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe.
  • Die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet wird vermutet, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie beim Robert Koch-Institut berücksichtigt worden sind.

    […]

    (8) Die Landesregierungen haben bis zum 31. März 2012 durch Rechtsverordnung für Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, sowie für Dialyseeinrichtungen und Tageskliniken die jeweils erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen zu regeln.

    Dabei sind insbesondere Regelungen zu treffen über:

  • hygienische Mindestanforderungen an Bau, Ausstattung und Betrieb der Einrichtungen,
  • Bestellung, Aufgaben und Zusammensetzung einer Hygienekommission,
  • die erforderliche personelle Ausstattung mit Hygienefachkräften und Krankenhaushygienikern und die Bestellung von hygienebeauftragten Ärzten einschließlich bis längstens zum 31. Dezember 2019 befristeter Übergangsvorschriften zur Qualifikation einer ausreichenden Zahl geeigneten Fachpersonals,
  • Aufgaben und Anforderungen an Fort- und Weiterbildung der in der Einrichtung erforderlichen Hygienefachkräfte, Krankenhaushygieniker und hygienebeauftragten Ärzte,
  • die erforderliche Qualifikation und Schulung des Personals hinsichtlich der Infektionsprävention,
  • Strukturen und Methoden zur Erkennung von nosokomialen Infektionen und resistenten Erregern und zur Erfassung im Rahmen der ärztlichen und pflegerischen Dokumentationspflicht,
  • die zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderliche Einsichtnahme der in Nummer 4 genannten Personen in Akten der jeweiligen Einrichtung einschließlich der Patientenakten,
  • die Information des Personals über Maßnahmen, die zur Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen erforderlich sind,
  • die klinisch-mikrobiologisch und klinisch-pharmazeutische Beratung des ärztlichen Personals,
  • Überweisung oder Entlassung von Patienten über Maßnahmen, die zur Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und von Krankheitserregern mit Resistenzen erforderlich sind.
  • Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

    Info

    FAQ: Ergeben sich für den Betriebsarzt Pflichten aus § 23a Infektionsschutzgesetz (IfSG)?

    Nein. § 23a IfSG ist eine Ausprägung des Fragerechts des Arbeitgebers gegenüber dem Beschäftigten. Die Erhebung des Impf- oder Serostatus zur Erbringung des Nachweises nach § 23a IfSG ist keine Aufgabe nach dem Arbeitssicherheitsgesetz. Übernimmt der Betriebsarzt die Erhebung des Impf- oder Serostatus (Eignungsfeststellung), muss sie klar von der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach ArbMedVV getrennt werden. Der Betriebsarzt muss den Beschäftigten über den Zweck aufklären und ihm den Impf- oder Serostatus unabhängig von der Vorsorgebescheinigung attestieren. Die Schweigepflicht des Betriebsarztes gegenüber dem Arbeitgeber bleibt bestehen. Weitere Informationen ergeben sich aus einer gemeinsamen Stellungnahme von BMAS und BMG.

    Weitere Infos

    Für die Autoren

    Dr. med. Hubertus von Schwarzkopf

    Facharzt für Arbeitsmedizin und Öffentliches Gesundheitswesen

    Mitglied des AfAMed

    arbeitsmedizin@vonschwarzkopf.de

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