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Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales– Folge 11 –

Arbeitsmedizinische Regeln (AMR)

Einleitung

Arbeitsmedizinische Regeln (AMR) geben den Stand der Arbeitsmedizin und sonstige gesicherte arbeitsmedizinische Erkenntnisse wieder. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) ermittelt oder angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt gegeben. Sie finden sich auch auf der Homepage des AfAMed (s. Weitere Infos). Bei Einhal-tung der AMR kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die in der AMR konkretisierten Anforderungen der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) erfüllt sind (Vermutungswirkung, § 3 Absatz 1 Satz 3 ArbMedVV). Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.

Im Rahmen dieser Serie werden folgende (und weitere) AMR abgedruckt:

Folge 1: AMR Nr. 1 zu § 5 ArbMedVV Anforderungen an das Angebot von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (GMBl 35/36 2011, S. 712–713)

Folge 2: AMR Nr. 1 zu § 6 ArbMedVV Fristen für die Aufbewahrung ärztlicher Unter-lagen (GMBl 35/36 2011, S. 714–715)

Folge 3: AMR Nr. 2.1 Fristen für die Veranlassung/das Angebot von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen (GMBl 2012, 1285–1291; zuletzt geändert und ergänzt: GMBI 2013, S. 906–907)

Folge 4: AMR Nr. 3.1 Erforderliche Auskünfte/Informationsbeschaffung über die Arbeitsplatzverhältnisse (GMBl 65/66 2012, S. 1291–1293, zuletzt geändert: GMBl 5, 2014, S. 86ff.)

Folge 5: AMR Nr. 6.2 Biomonitoring (GMBI 2013, S. 623–628; GMBI 2013, S. 951, zuletzt geändert: GMBl 5, 2014, S. 91ff.)

Folge 6: AMR Nr. 13.1 Tätigkeiten mit extremer Hitzebelastung, die zu einer besonderen Gefährdung führen können (GMBl 65/66 2012, S. 1293–1295, zuletzt geändert: GMBl 5, 2014, S. 87ff.)

Folge 7: AMR Nr. 6.3 Vorsorgebescheinigung (GMBI 5, 2014, S. 100ff.)

Folge 8: AMR Nr. 14.1 Angemessene Unter-suchung der Augen und des Sehvermögens (GMBI 63, 2013, S. 1264)

Folge 9: AMR Nr. 6.4 Mitteilungen an den Arbeitgeber nach § 6 Absatz 4 ArbMedVV (GMBl 37, 2014, S. 792ff.)

Folge 10: AMR Nr. 14.2 Einteilung von Atem-schutzgeräten in Gruppen (GMBl 37, 23. Juni 2014, S. 791ff.)

Folge 11: AMR Nr. 13.2 Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastun-gen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System (GMBl Nr. 76–77, 23. Dezember 2014, S. 1571ff.)

Folge 12: AMR Nr. 6.5 Impfungen als Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (GMBl Nr. 76–77, 23. Dezember 2014, S. 1577ff.)

Folge 13: Anforderungen an das Angebot von arbeitsmedizinischer Vorsorge (GMBl Nr. 5 vom 24. Februar 2014, S. 88. Zuletzt geändert und ergänzt: GMBl Nr. 76–77, 23. De-zember 2014, S. 1569ff.)

Der Abdruck der AMR in ASU ist möglich durch die freundliche Genehmigung des Carl Heymanns Verlags – einer Marke von Wolters Kluwer Deutschland. 

AMR 13.2 Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System

Bekanntmachung von Arbeitsmedizinischen Regeln vom 23.12.2014 – IIIb1-36628-15/9 –; hier: AMR 13.2 Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System, inhaltliche Abschrift der im GMBl formulierten Fassung (GMBl Nr. 37, 23. Juni 2014, S. 791).

Gemäß § 9 Absatz 4 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge macht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die anliegende vom Ausschuss für Arbeitsmedizin beschlossene Arbeitsmedizinische Regel bekannt:

Arbeitsmedizinische Regel (AMR) Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System AMR Nummer 13.2

Die Arbeitsmedizinischen Regeln (AMR) ge-ben den Stand der Arbeitsmedizin und sons-tige gesicherte arbeitsmedizinische Erkennt-nisse wieder. Sie werden vom Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) ermittelt oder angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt ge-geben.

Diese AMR konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs Anforderungen des § 5 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang Teil 3 Absatz 2 Nummer 4 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Bei Einhaltung der AMR kann der Arbeitgeber insoweit davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens denselben Sicherheits- und Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Der Arzt oder die Ärztin im Sinne des § 7 ArbMedVV hat diese AMR als dem Stand der Arbeitsmedizin entsprechende Regel zu berücksichtigen (§ 6 Absatz 1 Satz 1 Arb-MedVV).

Vorbemerkungen und Zielsetzung

Arbeitgeber haben Beschäftigten nach § 5 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang Teil 3 Absatz 2 Nummer 4 ArbMedVV vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in regelmäßigen Abständen arbeitsmedizini-sche Vorsorge anzubieten bei Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastun-gen, die mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System verbunden sind durch

  1.  a) Lastenhandhabung beim Heben, Halten, Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten,
  2.  b) repetitive manuelle Tätigkeiten oder
  3.  c) Arbeiten in erzwungenen Körperhaltun-gen im Knien, in langdauerndem Rumpf-beugen oder -drehen oder in vergleichbaren Zwangshaltungen.

Liegt nach fachkundiger Beratung offenkun-dig keine erhöhte körperliche Belastung vor, ist eine weitere Prüfung nach dieser AMR nicht notwendig.

Diese AMR konkretisiert, wann in den Fällen von Absatz 1 Buchstabe a bis c wesentlich erhöhte körperliche Belastungen anzunehmen sind, die zu einer gesundheitlichen Gefährdung für das Muskel-Skelett-System führen können.

Die Fristen für die Angebotsvorsorge sind in der AMR 2.1 konkretisiert.

Begriffsbestimmungen

Wesentlich erhöhte körperliche Belastungen

Wesentlich erhöhte körperliche Belastungen im Sinne dieser AMR sind regelmäßig oder dauerhaft am Arbeitsplatz wiederkehrende Belastungen, die zu einer Überbe-anspruchung mit der Folge von Beschwerden, Funktionsstörungen oder Schädigungen insbesondere am Muskel-Skelett-System führen können. Kriterien für wesentlich erhöhte Belastungen bei den zutreffenden Belastungsarten sind in Abschnitt 4 dargestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Höhe der Belastungen bei den meisten Tätigkeiten innerhalb der Arbeitsschicht und zwischen den Schichten wechseln kann.

Lastenhandhabung

  • Lastenhandhabung im Sinne von Anhang Teil 3 Absatz 2 Nummer 4 ArbMedVV ist manuelle Lastenhandhabung.
  • Manuelle Lastenhandhabung ist jedes Be-fördern oder Abstützen einer Last durch menschliche Kraft. Dazu gehören das Heben, Halten, Tragen, Ziehen oder Schieben einer Last. Bei der Verwendung von Hebehilfen sind die verbleibenden Lasten die Grundlage für die Beurteilung der Belastung des Muskel-Skelett-Systems.
  • Heben ist das Bewegen einer Last von einer Position auf eine niedrigere, gleich hohe oder höhere Position durch mensch-liche Kraft. Die Höhe der körperlichen Belastung wird dabei durch verschiedene Faktoren bestimmt. Das sind insbesondere das Gewicht der Last, die Ausgangs- und die Endhöhe beim Greifen der Last, die horizontale Entfernung der Last vom Körperschwerpunkt so-wie die Symmetrie der Lastverteilung am Körper und die Dynamik der Bewegung.
  • Halten ist das Fixieren einer Last auf einer bestimmen Position durch menschliche Kraft als überwiegend statischer Vorgang. Je nach Zeitdauer des Haltevorgangs kann neben der eigentlichen Lastenhandhabung auch die dabei ein-genommene Körperhaltung zur Belastung beitragen.
  • Tragen ist der horizontale Transport einer Last, die nicht den Untergrund berührt, mit menschlicher Kraft und durch Mitführen am Körper. Die Last kann sich z. B. vor oder neben dem Körper, seitlich oder auf Schultern oder Rücken befinden.
  • Ziehen oder Schieben von Lasten ist das Fortbewegen einer Last durch menschliche Kraft mit oder ohne Körperfort-bewegung auf rollendem oder gleitendem Untergrund mit Druck des Körpers über die Arme und Hände gegen die Last (Schieben) oder Zug an der Last durch Hände und Arme (Ziehen).

Repetitive manuelle Tätigkeiten

Repetitive manuelle Tätigkeiten sind Arbeiten mit den Händen oder Armen, bei denen sich gleichförmige oder ähnliche Arbeitsabläufe ständig wiederholen. Die Belastung wird insbesondere bestimmt durch die Dauer und Häufigkeit von Handhabungen mit geringem bis großem Kraftaufwand der lokalen Muskulatur, dem Grad der Auslenkung oder Drehung in den Hand- oder Ellenbogengelenken.

Erzwungene Körperhaltungen

  • Erzwungene Körperhaltungen oder kör-perliche Zwangshaltungen liegen vor, wenn von der Ruheposition im aufrech-ten Stehen oder Sitzen deutlich abwei-chende Körperhaltungen mit geringen Bewegungsmöglichkeiten über eine längere Zeit ohne wirksame Unterbrechung oder Belastungswechsel einzunehmen sind. Die erhöhten körperlichen Belastungen ergeben sich durch ermüdende statische Muskelanspannungen.
  • Zu den erzwungenen Körperhaltungen zählen insbesondere das Knien und vergleichbare Haltungen wie Fersensitz, Hocken oder Kriechen sowie langandauerndes Rumpfbeugen oder -drehen und Arbeiten mit den Händen über Schulterniveau oder über dem Kopf. In besonderen Fällen können auch Tätigkeiten im Sitzen oder Stehen erzwungene Körperhaltungen sein, wenn das Sitzen in einer vorgegebenen dauerhaft fixierten Körperhaltung erfolgt (z. B. be-stimmte Mikroskopierarbeitsplätze, enge Kranführerkabinen) oder die Arbeit im dauerhaften Stehen ohne wirksame Be-wegungsmöglichkeiten erfolgt.

Arbeitsmedizinische Grundlagen

  • Körperliche Anforderungen an das Mus-kel-Skelett-System sind notwendige Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und deshalb auch bei beruflicher Arbeit nicht grundsätzlich als schädigend anzusehen. Ergonomisch gut gestaltete Arbeit begrenzt körperliche Anforderungen auf eine Intensität, die den Bewegungsapparat aktiviert und gesund erhält und nicht überfordert.
  • Unter bestimmten Bedingungen können jedoch aus beruflichen Tätigkeitsanforderungen wesentlich erhöhte körperliche Belastungen resultieren und zu arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System führen. Körperliche Arbeitsbelastungen erfordern das Aufbringen von Muskelkräften zur Erfüllung einer Arbeitsaufgabe. Bei erhöhten Belastungen kann es zur Überforderung der Muskulatur mit kurz- oder langfristigen Beschwerden kommen. Auch an den passiven Strukturen des Körpers (Knochen, Gelenkknorpel und andere Gelenkstrukturen, Bandscheiben, Sehnen und Sehnenansätze, Bänder) können hohe mechanische Belastungen Überbeanspruchungen bewirken.
  • Erhöhte körperliche Belastungen sind oft verbunden mit Schmerzen, Beschwer-den und funktionellen Einschränkungen am Bewegungsapparat als unspezifische und individuell unterschiedlich ausgeprägte Merkmale von Über- und Fehlbelastungen.
  • Kurzzeitig einwirkende wesentlich erhöhte körperliche Belastungen können vorrangig zur Muskelermüdung führen. Als langfristige Folgen für das Muskel-Skelett-System können in Abhängigkeit von den aufzuwendenden Kräften, der Dauer und den Wiederholungen der Belastungen u. a. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, der Gelenke (z. B. Gelenk- und Meniskusschäden) sowie der Muskeln, Sehnen, Sehnenansätze und Bänder (beispielsweise Sehnenscheidenentzündungen) verursacht oder verstärkt werden. Bei Ganzkörperarbeit und Belastungen großer Muskelgruppen können zusätzlich das Herz-Kreislauf-System sowie das Atmungssystem in hohem Maße beansprucht sein.
  • Einzelne Belastungsarten können unter-schiedliche Beanspruchungen bewirken:
    • Manuelle Lastenhandhabungen kön-nen bei hoher Belastung zur Ermüdung der direkt betroffenen Muskulatur, zur allgemeinen körperlichen Ermüdung sowie zu Beschwerden und Erkrankungen des Muskel-Ske-lett-Systems führen. Wesentlich er-höhte Belastungen durch Lastenhandhabung betreffen besonders die Lendenregion des Rückens, aber auch den oberen Rücken, die Arme und Schultern sowie die Hüft- und Kniegelenke.
    • Repetitive manuelle Tätigkeiten be-lasten durch gleichförmige oder weit-gehend ähnliche und häufig wieder-holte Arbeitszyklen das Hand-Arm-System, teilweise bis in den Schulter-Nacken-Bereich. Wesentlich erhöhte repetitive Belastungen können zu Überlastungen der Gelenke, Muskeln, Sehnenansätze und Sehnen in diesen Bereichen führen, wenn die Belastungshöhe und die Kraftentwicklung zwischen den aufeinanderfolgenden Handlungszyklen nicht genügend Zeit zur ausreichenden Regeneration lassen. Dauert die Be-lastung an, können überlastungsbedingte und degenerative Erkrankungen der oberen Extremitäten aus-gelöst oder verstärkt werden.
    • Erzwungene Körperhaltungen können zu hohen statischen Muskelbeanspruchungen führen. Mögliche Folgen sind Muskelermüdung und schmerzhafte Muskelverspannungen in Rücken, Armen oder Beinen mit Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Extreme Winkelstellungen der Gelenke können zu hohen biomechanischen Belastungen der Gelenkstrukturen führen. Das Arbeiten in langdauernder Rumpfbeugehaltung ist mit hohen Belastungen des Rückens verbunden.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen kön-nen die genannten Belastungsarten Be-rufskrankheiten verursachen (s. „Weitere Infos“: Berufskrankheiten-Verordnung [3]).

Kriterien für wesentlich erhöhte körperliche Belastungen mit einer Gesundheitsgefährdung für das Muskel-Skelett-System

Allgemeines

  • Die Vielfalt der Beziehungen zwischen der Schwere von Lasten, den bei der Arbeit eingenommenen Körperhaltungen, der Zeitdauer bzw. der Häufigkeiten von Belastungen sowie der Ausführungsbedingungen führt zu unterschiedlichen körperlichen Belastungen, die durch geeignete Methoden auf ihre möglichen Gesundheitsgefährdungen beurteilt werden können.
  • Die Beurteilungskriterien beziehen sich auf eine Arbeitsschicht unter Berücksichtigung von möglichen Spitzenwerten für jede der genannten Belastungsformen.
  • Werden die Beurteilungskriterien erreicht oder überschritten, sind Gestaltungsmaßnahmen der Arbeit erforderlich und den Beschäftigten ist arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten.
  • Auch wenn die Beurteilungskriterien nicht erreicht werden, können im Einzel-fall körperliche Überbeanspruchungen nicht ausgeschlossen werden, sodass Beschäftigten Wunschvorsorge gemäß § 5a der ArbMedVV zu ermöglichen ist.
  • Erhält der Arbeitgeber Kenntnis von einer Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen kann, hat der Arbeit-geber unabhängig von den Beurteilungs-kriterien nach § 5 Absatz 2 ArbMedVV arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten.

Lastenhandhabung beim Heben, Halten, Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten

  • Lastenhandhabung beim Heben, Halten und Tragen von Lasten ist dann eine Tätigkeit mit wesentlich erhöhten körper-lichen Belastungen im Sinne dieser AMR, wenn bei der Beurteilung mit der Leitmerkmalmethode „Heben, Halten und Tragen von Lasten“ [5] ein Punktwert des Risikobereichs 3 erreicht oder überschritten wird.
  • Lastenhandhabung beim Ziehen oder Schieben von Lasten ist dann eine Tätig-keit mit wesentlich erhöhter körperlicher Belastung im Sinne dieser AMR, wenn bei der Beurteilung mit der Leitmerkmal-methode „Ziehen und Schieben“ [6] ein Punktwert des Risikobereichs 3 erreicht oder überschritten wird.

Repetitive manuelle Tätigkeiten

Repetitive manuelle Tätigkeiten sind dann Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen im Sinne dieser AMR, wenn bei der Beurteilung mit der Leitmerkmalmethode „Manuelle Arbeitsprozesse“ [7] ein Punktwert des Risikobereichs 3 er-reicht oder überschritten wird.

Arbeiten in erzwungenen Körper-haltungen im Knien, in langdauerndem Rumpfbeugen oder -drehen oder in vergleichbaren Zwangshaltungen

Arbeiten in erzwungenen Körperhaltungen im Knien, in langdauerndem Rumpfbeugen oder -drehen oder in vergleichbaren Zwangs-haltungen sind Tätigkeiten mit wesentlich er-höhten körperlichen Belastungen im Sinne dieser AMR, wenn Arbeiten

  • im ein- oder beidseitigen Knien ohne oder mit Abstützung des Körpers durch die Arme, im ein- oder beidseitigen Fer-sensitz, im ein- oder beidseitigen Hocken oder im Kriechen insgesamt mindestens eine Stunde pro Arbeitsschicht ausge-führt werden;
  • mit vorgeneigtem Oberkörper (Rumpfvorbeuge) insgesamt mindestens eine Stunde pro Arbeitsschicht ohne wirksame Unterbrechung oder Belastungswechsel ausgeführt werden;
  • in vergleichbaren Zwangshaltungen ausgeführt werden wie
    • Arbeiten mit den Händen über Schul-terniveau oder über dem Kopf insgesamt mindestens eine Stunde pro Arbeitsschicht,
    • Arbeiten in erzwungener Sitzhaltung ohne wirksame Bewegungsmöglichkeit insgesamt mindestens zwei Stunden pro Arbeitsschicht,
    • Arbeiten mit dauerhaftem Stehen ohne wirksame Bewegungsmöglichkeit insgesamt mindestens vier Stunden pro Arbeitsschicht.

Literatur und sonstige Hinweise

Die Hinweise und Literaturangaben dienen allein der Information. Sie sind von der Vermutungswirkung nach § 3 Absatz 1 Satz 2 ArbMedVV ausgenommen.

[A] Für den Bereich der manuellen Lastenhandhabung gilt neben dem Arbeitsschutzgesetz die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der manu-ellen Handhabung von Lasten (Lastenhandhabungs-verordnung – LasthandhabV [4]). Die Verordnung schreibt vor, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass manuelle Lastenhandhabungen, die die Gesund-heit der Beschäftigten gefährden, vermieden werden. Weil das nicht immer möglich ist, gilt ein „Minimie-rungsgebot“, das heißt, die Belastung soll so gering wie möglich sein und eine Gesundheitsgefährdung soll möglichst vermieden werden.

[B] Die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der Über-tragung von Aufgaben die körperliche Eignung zu be-rücksichtigen (§ 3 LasthandhabV), verpflichtet nicht zum Nachweis der gesundheitlichen Eignung durch eine ärztliche Untersuchung.

[C] Zur Beurteilung der Höhe der Gefährdung und zur Ableitung geeigneter Schutzmaßnahmen enthält der Anhang der LasthandhabV verschiedene Maßnah-men. Danach müssen diverse Kriterien berücksichtigt werden, die die Last als solche, die Arbeitsaufgabe und die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes betreffen. Für die betriebliche Praxis wurden die unter 4.2 und 4.3 ge-nannten Leitmerkmalmethoden der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin entwickelt (siehe [5–7]).

[D] Werden im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung wesentlich erhöhte körperliche Belastungen festgestellt, sind vorrangig arbeitsplatzbezogene und allgemeine Präventionsmaßnahmen der Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation zu prüfen und einzulei-ten. Der Betriebsarzt berät den Arbeitgeber in diesen Fragen und unterstützt ihn bei der Gefährdungs-beurteilung. Die Beschäftigten sind über die Feststel-lungen zu informieren, zu gefährdungsgerechten Ver-halten zu unterweisen. Arbeitsmedizinische Vorsorge darf diese Maßnahmen nicht ersetzen, kann sie aber wirksam ergänzen.

[E] Gruppenbezogene Erkenntnisse aus der arbeits-medizinischen Vorsorge zur Häufigkeit von arbeits-bedingten Gesundheitsstörungen werden dem Arbeit-geber mitgeteilt und sind von diesem bei der Gefähr-dungsbeurteilung zu berücksichtigen.

da Costa BR, Vieira ER: Risk factors for work-related musculoskeletal disorders: A systematic review of recent longitudinal studies. Am J Ind Med 2010; 53: 285–323.

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (Hrsg.): DGUV-Information 250-453 (bisher BGI/GUV 504-46): Handlungsanleitung für die arbeitsmedizi-nische Vorsorge nach dem Grundsatz G 46 „Belas-tungen des Muskel-Skelettsystems einschließlich Vibrationen“ – Anhang 1: Orientierende Beurteilung der Gefährdung zur Auswahl des zu untersuchenden Personenkreises bei Belastungen des Muskel- und Skelett-Systems, 2009.

    Weitere Infos

    [1] Körperliche Belastungen des Rückens durch Lastenhandhabung und Zwangshaltungen im Arbeitsprozess, AWMF-Leitlinie 002/029 der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) und der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA)

    www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/002-029.html

    [2] Bernard BP (ed.): Musculo-skeletal Disorders and Workplace Factors. U.S Department of Health and Human Services. Public Health Services. Centers for Disease Control and Pre-vention. National Institute for Occupational Safety and Health. Cincinnati. DHHS (NIOSH) Publication No. 97–141, 1997

    www.cdc.gov/niosh/docs/97-141/pdfs/97-141.pdf

    [3] Berufskrankheiten-Verordnung

    www.gesetze-im-internet.de/bkv/

    [4] Lastenhandhabungs-verordnung

    www.gesetze-im-internet.de/lasthandhabv/

    [5] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): Leitmerkmalmethode zu Beurteilung von Heben, Halten, Tragen. 2001

    www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Physische-Belastung/pdf/LMM-Heben-Halten-Tragen.pdf

    [6] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): Leitmerkmalmethode zu Beurteilung von Ziehen, Schieben. 2002

    www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Physische-Belastung/pdf/LMM-Ziehen-Schieben.pdf

    [7] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.), Leitmerkmalmethode zur Erfassung von Belastungen bei manuellen Arbeitsprozessen. 2012

    www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Physische-Belastung/pdf/LMM-Manuelle-Arbeit.pdf

    Aufbereitet von

    Dr. med. A. E. Schoeller

    Bereichsleiterin im Dezernat 5 – Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsfachberufen

    Bundesärztekammer, Berlin

    Herbert-Lewin-Platz 1 – 10623 Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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