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Arbeitsschutz

Umsetzungsstand der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes

Umsetzungsgrad

Obwohl eine kaum übersehbare Fülle von Publikationen und Hilfsmitteln zur Gefährdungsbeurteilung (GFB) mittlerweile vorliegt, mangelt es an soliden Statistiken zum Umsetzungsgrad. Der Verfasser konnte als einzige Synopse zum Umsetzungsgrad die Aufsätze von Beck und Lenhardt aus dem Jahre 2009 sowie von Beck et al. (2012) lokalisieren. Aus den 2009 dargelegten Daten ergibt sich ein recht unzuverlässiges und heterogenes Bild, aus dem keine Hochrechnung auf die gesamten bundesdeutschen Verhältnisse vorgenommen werden darf (   Abb. 1 ). Die Variabilität des Umsetzungsgrades hängt stark von der Betriebsgröße und der Branche ab: In Großbetrieben geben 51 % der Befragten an, dass bei ihnen eine GFB durchgeführt wurde. Dieser Anteil sinkt in Kleinbetrieben auf 24 % (Durchschnittswert über alle Betriebsgrößen: 36 %). Beschäftigte in der Industrie und im öffentlichen Dienst berichten über einen überdurchschnittlichen Umsetzungsgrad. Im Handwerk, dem Handel und den Dienstleistungsbetrieben war dagegen eine deutlich unterdurchschnittliche Umsetzung zu erkennen. Darüber hinaus hat die wirtschaftliche Lage des Betriebs bzw. des Unternehmens einen starken Einfluss. 37 % der Befragten aus Betrieben mit gut eingeschätzter wirtschaftlicher Lage berichten über die Umsetzung der GFB. In weniger gut situierten Unternehmen sank der Umsetzungsgrad auf lediglich 29 %.

Die Situation hat sich 2012 nicht wesentlich verbessert. In einer zweiten Veröffentlichung konnten Beck et al. (2012) auf jüngere Daten zurückgreifen (   Abb. 2 ). Insbesondere erscheint auch von Bedeutung, dass nach Angaben von Beck et al. (2012) nur in 20 % aller Fälle eine GFB für psychische Belastungen durchgeführt wurde. Die defizitäre Umsetzung der GFB in Klein- und Kleinstunternehmen (< 50 Beschäftigte) wird auch 2012 (nur mit etwa 38 %) deutlich. Es bleibt auch nach Ansicht von Beck et al. (2012) in der jüngeren Synopse offen, welche Maßstäbe die befragten Führungskräfte, Betriebsräte und Beschäftigten bei der Einstufung des jeweiligen „Gütegrades“ der GFB anlegten.

Trotz der hohen Unsicherheit, die in den Daten der beiden Synopsen liegt, wird doch offensichtlich, dass auch nach fast zwei Jahrzehnten der Umsetzungsstand der GFB unbefriedigend ist und dass viele Führungskräfte die GFB nur als notwendiges Übel und nicht als einen Weg hin zu Best-Practice-Lösungen der Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation begreifen. Es sei deshalb auf die zahlreichen Umsetzungshilfen hingewiesen, die mittlerweile auch in praxisgerechter Form vorliegen.

Umsetzungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung

Die „Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz sollte als erste Information insbesondere nach dem Erkennen von Defiziten herangezogen werden (Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie 2011). Sie enthält einen Katalog der wichtigsten Begriffe, eine Übersicht zu den Gefährdungsfaktoren sowie ein Ablaufdiagramm einer Betriebsbesichtigung zur GFB. Insbesondere sind die Maßnahmen aufgeführt, die ergriffen werden sollten, wenn die GFB bisher nicht oder nicht angemessen durchgeführt wurde. Hilfestellung bei der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung bietet ein aktueller Ratgeber der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA 2012). Unterstützung bei der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung stellt auch das Portal Gefährdungsbeurteilung bereit. Auf diesem Portal werden spezifische Handlungshilfen gegliedert nach Anbieterart, Branche und Gefährdungsart zur Verfügung gestellt.

Auf klein- und mittelständische Unternehmen abgestellt ist das IVSS-Verbundprojekt „EU 27 – Gefährdungsbeurteilung in KMU“ der Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit. Weiterhin hat die Europäische Kommission einen Leitfaden erstellt, um die Mitgliedstaaten ebenso wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei zu unterstützen, ihren Pflichten bezüglich der Gefährdungsbeurteilung gemäß der Rahmenrichtlinie 89/391 EWG nachzukommen. Von der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz liegt ein Bericht zum Verständnis des Managements von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit vor. Die Untersuchung basiert auf etwa 29 000 Interviews mit den für Sicherheit und Gesundheitsschutz verantwortlichen ranghöchsten Managern sowie weiteren 7000 Interviews mit Arbeitnehmervertretern. Basis sind alle Unternehmen mit über zehn Beschäftigten in 31 teilnehmenden Ländern. Ebenso sind hier die Repräsentativerhebungen im Rahmen des DGB-Index „Gute Arbeit“ zu erwähnen.

Auf die Besonderheiten der GFB bei psychischen Belastungen geht der Aufsatz von Beck et al. (2012) ein. 

Literatur

BAuA (Hrsg.): Ratgeber zur Gefährdungsbeurteilung. Handbuch für Arbeitsschutzfachleute. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Loseblattsammlung, 2012.

Beck D, Lenhardt U: Verbreitung der Gefährdungsbeurteilung in Deutschland. Präv Gesundheit 2009; 4: 71–76.

Beck D, Richter G, Ertel M, Morschhäuser M: Gefährdungsbeurteilung bei psychischer Belastung in Deutschland. Verbreitung, hemmende und fördernde Bedingungen. Präv Gesundheit 2012; 7: 115–119.

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (Hrsg.): Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation. Berlin: Nationale Arbeitsschutzkonferenz, 2011.

Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit (Hrsg.): Leitfaden für die Gefährdungsbeurteilung in Klein- und Mittelbetrieben. Bochum: Verlag Technik & Information, 2010.

    Weitere Infos

    Portal Gefährdungsbeurteilung:
    www.gefaehrdungsbeurteilung.de

    EU 27 – Gefährdungsbeurteilung in KMU:
    www.issa.int/ger/Resources/Resources/Risk-AssessmentGeneral-Guide/(language)/ger-DE

    Guidance on risk assessment at work:
    https://osha.europa.eu/en/topics/riskassessment/guidance.pdf

    Bericht zum Verständnis des Managements von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit:
    https://osha.europa.eu/de/publications/summary-four-secondary-analysis-reports-understanding-workplace-management-safety-and

    DGB-Index „Gute Arbeit“:
    www.dgb-index-gute-arbeit.de/jaehrliche_repraesentativerhebung

    Autor

    Univ. Prof. (em.) Dr.-Ing. Kurt Landau
    Lechnerschaft 110
    A 9872 Millstatt
    landau@ergonomia.de

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