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§ 56 SGB II – Was wird sich ändern?

Die AU-Begutachtung von Langzeitarbeitslosen

Hintergrund ist die Änderung des § 56 SGB II durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 01. 01. 2009, wonach bei Zweifeln des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende an der Arbeitsunfähigkeit eines erwerbfähigen Hilfebedürftigen die Regelungen aus dem SGB V über die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit (§ 275 Abs. 1 Nr. 3b und Abs. 1a SGB V) entsprechend gelten. Hierfür war auch der Bewertungsmaßstab der Arbeitsunfähigkeit für Arbeitslose im SGB II-Bezug festzulegen, wobei zur besseren Abgrenzung von der Personengruppe der Arbeitslosen nach dem SGB III der Begriff „Bezieher von Arbeitslosengeld“ gewählt wurde (vgl. § 2 Abs. 3 S. 1 AU-RL).

Der erfasste Personenkreis wird eingeengt

Diesbezüglich erteilte das Bundesministerium für Gesundheit die Auflage, den Begriff so weit zu fassen, dass auch die so genannten Aufstocker, d. h. Personen, die neben einer Beschäftigung nach SGB III zusätzliche Leistungen aus SGB II erhalten, erfasst sind. Mit Beschluss vom 18. 04. 2013 wurde die AU-RL dahingehend geändert, dass der erfassten Personenkreis nun mit der Formulierung „Versicherte, die arbeitslos sind, ausgenommen Arbeitslose bzw. erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach § 2 Abs. 3a AU-RL“ eingegrenzt wird. Hieraus folgt, dass bei versicherungspflichtig Beschäftigten, die zusätzlich aufstockend Arbeitslosengeld II erhalten, sich die Arbeitsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 AU-RL beurteilt, während bei Arbeitslosengeldbeziehern, die aufstockend Arbeitslosengeld II erhalten, die Arbeitsunfähigkeit nach § 2 Abs. 3 AU-RL beurteilt wird. Hintergrund hierfür ist, dass Bewertungsmaßstab für eine Arbeitsunfähigkeit bei versicherungspflichtig Beschäftigten die vor der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit ist, während bei Arbeitslosen der zeitliche Umfang der Vermittlungsverfügbarkeit gilt.

Mit Wirkung vom 2. Juli 2013 lautet der Bewertungsmaßstab aus § 2 Abs. 3 S. 1 AU-RL nun also: „ Versicherte, die arbeitslos sind, ausgenommen Arbeitslose bzw. erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Absatz 3a, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben.“

Die Bundesagentur für Arbeit ist auf die Zusammenarbeit mit den Kranken- kassen angewiesen

Um diesen Bewertungsmaßstab bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit von Arbeitslosen sachgerecht überprüfen zu können, ist die Bundesagentur für Arbeit als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende mangels eigener Begutachtungskapazitäten auf die Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und dem dortigen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung angewiesen. § 56 Abs. 2 verweist darauf, dass ein entsprechendes Verfahren zwischen der Bundesagentur und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu regeln ist. Diese Vereinbarung ist nun zum 01. 04. 2013 in Kraft getreten.

Das Verfahren ist im Prinzip dem aus § 275 Abs. 1a SGB V nachgebildet. Antragsberechtigt nach § 56 Abs. 1 S. 5 SGB II sind hier die Jobcenter als gemeinsame Einrichtungen der Bundesagentur und der kommunalen Träger. Das Jobcenter übermittelt bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit den vereinbarten Auftrag an die für den Leistungsberechtigten zuständige Krankenkasse. Maßstab für die Überprüfung durch die Krankenkasse ist dann, wie oben dargelegt, die jeweils gültige AU-RL, was grundsätzlich der MDK mittels gutachtlicher Stellungnahme zu bewerten hat. Die Krankenkasse kann jedoch, wie auch im Verfahren bei Zweifeln des Arbeitgebers an der AU, von einer Beauftragung des MDK absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

Auch das Prüfverfahren beim MDK lehnt sich an das etablierte Verfahren bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit aus § 275 Abs. 1a SGB V an. In der Regel wird also auch hier eine Entscheidung nach Aktenlage erfolgen können. Ist eine persönliche Befunderhebung erforderlich, informiert der MDK das Jobcenter entsprechend, das dann den Versicherten einlädt. Gegebenenfalls kann der Versicherte auch bei einem Hausbesuch begutachtet werden, was schon wegen des unverhältnismäßigen Aufwandes äußerst selten der Fall sein dürfte.

Der MDK übermittelt das Ergebnis seiner Begutachtung analog § 277 Abs. 1 SGB V an die Krankenkasse, die ihrerseits das Auftrag gebende Jobcenter informiert.

Inhaltlich stellt das Verfahren gegenüber der schon bisher geübten Praxis bei der Begutachtung von arbeitslosen Versicherten keine wesentliche Änderung dar. Zur sozialmedizinisch zutreffenden Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit wird ein sog. allgemeines Leistungsbild über den Versicherten erstellt, das dessen Leistungsfähigkeit am Arbeitsmarkt losgelöst vom zuletzt ausgeübten Beruf zu beurteilen hat. 

    Anhang

    Angaben zum Leistungsbild § 56 SGB II

    Ein Leistungsbild bei arbeitunfähigen arbeitlosen Pflichtversicherten ist mit Bezug auf die Krankheitsfolgen immer individuell darzustellen. Hier können nur exemplarisch die mindestens erforderlichen Leistungen (qualitative Aspekte) und die Leistungsfähigkeit (quantitativ-zeitlicher Aspekt) dargestellt werden.

    Es umfasst:

    • ein positives Leistungsbild:
      • Bildungsfähig und Wissensanwendung für einfache Aufgaben (z. B. Teilnahme an Schulungsmaßnahmen)
      • Kommunikations- und interaktionsfähig (z. B. Verstehen und Umsetzen von Arbeitsanweisungen)
      • Wegefähig (ortsübliche Wegstrecken, z. B. 4-mal 500 m oder 2-mal tgl. Teilnahme am ÖPNV)
      • Leistungsvermögen für mehr als 15 Std. wöchentlich
      • untervollschichtiges Leistungsvermögen 3–6 Std./Tag
      • vollschichtiges Leistungsvermögen mehr als 6 Std./Tag
      • Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeit
      • Realisierung der Selbstversorgung
    • ein negatives Leistungsbild:
      • Ausschluss besonderer qualitativer Aktivitätsanforderungen (z. B. Heben und Tragen von schwerer Lasten, Überkopfarbeit, Öffentlichkeitsverkehr) sowie umweltbezogener Risikofaktoren, die das Leistungsvermögen beeinträchtigen oder zu einer Verschlimmerung der kompensierten Schädigungen führen können.

    Angaben zu arbeitsplatzbezogenen Kontextfaktoren

    Umwelteinflüsse (Arbeiten bei/in):

    • Räumlichkeiten:
      • im Freien, in Werkhallen (15–18°C), in Werkstatt/Lager,
      • in temperierten Räumen (18–22°C).
    • Klimatische Bedingungen:
      • Temperatur, Temperaturschwankungen, Hitze
      • Luftfeuchte
      • Luftdruck, Niederschlag, Wind (Zugluft)
      • Licht: Intensität, Kontrast
      • Schall, Lärm, Geräusche
      • Schwingungen, Vibrationen
      • Luftqualität: Gase, Dämpfe, Stäube
      • Nässe.
    • Sonstige Umstände/Umgang mit
      • Flüssigkeiten, Feststoffen, Schmutz
      • Noxen, Toxinen
      • Äußere Gefahren: Gerüste, Gruben, Strom, rotierende Maschinenteile.

    Zeitbezogene Faktoren:

    • Täglich mehr als 3 Stunden

    Arbeitsschwere:

    • leicht
    • mittelschwer
    • schwer
    • schwerst

    Weitere Infos

    § 92 Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses

    http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__92.html

    Autor

    Assessor Holger Freese

    MDK Bayern

    Leiter Ressort Revision, Recht, Sicherheit

    Haidenauplatz 1

    81667 München

    holger.freese@mdk-bayern.de

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