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Konzeption und Evaluation einer Maßnahme zur Prävention berufsbedingter Hauterkrankungen

Gesundheitsförderung in kleinen und mittleren Unternehmen

Konzeption der GiB-Hautschulung

Namensgeber der GiB-Hautschulung ist das 2014 abgeschlossene Forschungsprojekt „Gesund im Beruf“, kurz: GiB, der Univer-sität Lüneburg. Das Projekt untersucht die Umsetzung von Prävention beruflicher Haut-erkrankungen in besonders gefährdeten Branchen, wie z. B. Friseur-, Floristik-, Metall-, Heil- und Pflege-, Nahrungsmittel- und Bauberufe (vgl. Diepgen 2012) in der Region Nordostniedersachsen.

Grundlage für die GiB-Hautschulung bilden in der Praxis erprobte Konzepte der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Das Grundkonzept besteht aus vier Themenblöcken: Aufbau und Funktion der menschlichen Haut, berufsbedingte Erkrankungen der Haut (Ursachen und Ekzemformen), Hautschutz- und -pflegemaßnahmen sowie Vorgehen bei Verdacht auf eine berufsbedingte Hauterkrankung und gesetzliche Regelungen.  Tabelle 1 gibt den Inhalt der vier Themenblöcke zusammengefasst wieder. Für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Themenblöcke sei auf Cacace et al. (2015) verwiesen.

Der Erfolg der GiB-Hautschulung hängt maßgeblich davon ab, dass die empfohle-nen Hautschutz- und -pflegemaßnahmen auf die berufliche Tätigkeit abgestimmt sind (vgl. Pohrt 2007). Daher führte das Trainings-personal im Vorfeld jeder Schulung eine Ab-sprache mit der Unternehmensleitung zur konkreten Umsetzung der Schulung im je-weiligen Betrieb. Die hierbei entstandenen Kenntnisse führten zu branchenspezifischen Modifikationen des Grundkonzepts, zum Beispiel indem es Produkte zu Hautschutz/-pflege und hautschonender Händehygiene sowie die angemessenen Schutzhandschuhe nach Berufsgruppe und ausgeübten Tätigkeiten unterscheidet (s. Cacace et al. 2015 im Detail). Während der Schulungsphase er-folgte eine stetige Weiterentwicklung der branchenspezifischen Konzepte, basierend auf der Praxiserfahrung.

Spezifische Erfordernisse von KMU stel-len eine weitere Herausforderung an das Konzept der GiB-Hautschulungen dar. Durch qualitative Experteninterviews und quanti-tative Befragungen ermittelte das GiB-Team deshalb zunächst die spezifischen Bedarfe von KMU im Zusammenhang mit betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung im Allgemeinen wie auch speziell mit Blick auf Hautschulungen (Cacace et al. 2015; Wienke 2015). Die befragten Unternehmer und Unternehmerinnen stellten hier insbesondere den Mangel an finanziellen und personellen Mitteln sowie Zeitmangel als hemmende Faktoren in den Vordergrund. Aus diesem Grund erfolgte zunächst eine gezielte Auswahl der Inhalte aus dem BGW-Konzept sowie deren Komprimierung auf eine Dauer von 120 Minuten. Darüber hinaus legten die Vorstudien die Inhouse-Schulung als Ansatz nahe (Cacace et al. 2014a).  Abbildung 1 zeigt eine Inhouse-Schulung in einem Bäckereibetrieb.

Durch den Inhouse-Ansatz ließen sich lange An- und Abfahrtszeiten der Teilneh-menden zu einer Schulungsstätte vermeiden. Damit konnte die von den befragten KMU hervorgehobene Zeit- und Personal-knappheit berücksichtigt werden. Ein wei-terer und entscheidender Vorteil des Inhouse-Ansatzes bestand darin, direkt in der Arbeitsumgebung beratend wirken zu können (vgl. Schwanitz et al. 2003). Gegebenheiten vor Ort konnten in die Schulung mit einbezogen und Schwachstellen gemeinsam aufgedeckt werden. Nachteilig wirkten sich dagegen höhere Zeit- und Fahrtkosten für das Trainingspersonal aus (s. unten). Ferner standen in der Regel keine Seminarräume mit entsprechender technischer Ausrüstung zur Verfügung, so dass hohe Anforderungen an Improvisationsfähigkeit und Flexibilität des Trainingspersonals gestellt waren.

Evaluationsansatz

Zur Durchführung einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) zur Messung von Kosten und Effektivität der GiB-Hautschulungen konnten 72 KMU in der Region Nordostniedersachsen aus den Bereichen Floristik (32 %), ambulante und stationäre Pflege (24 %), Friseurhandwerk (22 %), Bäckerhandwerk (17 %) und metallverarbeitenden Handwerk (6 %) gewonnen werden. Die Zuordnung zu Interventions- und Kontrollgruppe erfolgte mittels einer Zufallsauswahl. Bestimmt durch die Kapazi-tätsgrenze des Schulungspersonals erhielten 23 KMU (= 32 %) eine Intervention in Form der GiB-Hautschulung; 49 KMU verblieben in der Kontrollgruppe. Die Interven-tionsgruppe erhielt eine 120-minütige Haut-schulung. Zur Effektivitätsmessung wurden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 72 KMU befragt, die beruflich bedingt einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an der Haut zu erkranken. Gemessene Parameter waren:

  • Informationsstand der Befragten zum Thema Hautschutz in der beruflichen Tä-tigkeit,
  • Verwendungsgewohnheiten bei Hautschutz- und -pflegemaßnahmen,
  • Hautgesundheit und Symptome sowie
  • Zufriedenheit mit dem Betriebs- und Arbeitsklima.

Die schriftliche Befragung erfolgte in drei Wellen anhand pseudonymisierter Fragebogen. Beginnend mit der Erhebung der Baseline (t0) fanden unmittelbar nach Rücklauf der Fragebögen die Ziehung der Interven-tionsgruppe und schließlich die Schulungsmaßnahmen statt. Zwei Monate nach Durch-führung der GiB-Hautschulungen folgte die zweite Befragungswelle (t1), ein halbes Jahr danach die dritte (t2). Eine sequentielle Befragung und Schulung der untersuchten Branchen diente dazu, möglichst viele Umgebungsfaktoren konstant zu halten.

Abschließend wurden die Kosten für die GiB-Hautschulungen anhand des Ressourcenverbrauchs als Durchschnittswert pro Teilnehmenden ermittelt. Der methodische Ansatz zur Kostenkalkulation berücksichtigt alle ökonomisch relevanten Kosten anhand des kompletten Ressourcenverbrauchs der durchgeführten GiB-Hautschulungen. Dies bedeutet insbesondere, dass alle Verbrauchsmengen, z. B. Hautschutz- und -pflegeprodukte, zu Marktpreisen zu bewerten waren, auch wenn Sponsoren diese kostenlos zur Verfügung stellten.

Ergebnisse

Insgesamt umfasste die Auswertung 538 gültige Antworten von den Beschäftigten der 72 teilnehmenden KMU (Cacace et al. 2015). Zahlreiche Befragungsabbrüche, insbesondere zwischen den Messzeitpunkten t1 und t2, erforderten – wo sinnvoll und möglich – eine Zusammenlegung der beiden Zeitpunkte. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe der Programme MS Excel sowie SPSS.

Effektivität der GiB-Hautschulungen

Bei der Ermittlung der Effektivität der GiB-Hautschulung lässt sich zunächst bei einem Vergleich der Mittelwerte zwischen Interven-tions- und Kontrollgruppe zum Messzeit-punkt t1 ein positiver Effekt der GiB-Hautschulungen auf die Verwendungsgewohnheiten bei Hautschutz-, Hautreinigungs- und Hautpflegepräparaten beobachten. Wie in  Abb. 2 dargestellt, weist die Interventionsgruppe nahezu durchgehend höhere Anwendungsraten bei Schutz- und Pflege-produkten als die Kontrollgruppe auf. Signifikante Werte zeigen sich beim Tragen von Schutzhandschuhen in Gefährdungs-situationen sowie bei der Nutzung spezieller Produkte zur besonders schonenden Haut-reinigung.

Bei einem Vergleich von Interventions- und Kontrollgruppe vor und nach der Schu-lung lässt sich weiterhin feststellen, dass sich der Informationsstand über Hautschutz in der beruflichen Tätigkeit signifikant verbessert hat. Während dieser sich in der Kontrollgruppe auf einer 11-stufigen Skala (0 = gar nicht informiert, 10 = sehr gut informiert) im Durchschnitt von 5,5 auf 6,3 erhöhte, stieg der Vergleichswert in der Inter-ventionsgruppe von 6,9 auf 8,3 signifikant an.

Ein Zeitvergleich der Symptome für eine stark belastete oder eine bereits erkrankte Haut weist zusätzliche und in weiten Teilen signifikante Verbesserung der Hautgesundheit durch die GiB-Hautschulung nach. In  Abb. 3 sind die aufgetretenen Symptome im Vergleich von Interventions- und Kontrollgruppe vor und nach der Schulung dargestellt.

Ein besonders deutlicher und signifikan-ter positiver Effekt der GiB-Hautschulungen ist zu verzeichnen bei den Symptomen Rötung, schnell auftretende juckende Quad-deln (Nesselsucht), Brennen/Kribbeln/Stechen wie auch Schmerzempfindlichkeit der Haut. In der Interventionsgruppe ebenfalls signifikant zurück gegangen sind die Symptome Nässe/Verkrustungen, Juckreiz sowie Schmerzen bzw. Beschwerden allgemein. In der Kontrollgruppe ohne Schulung gab es dagegen keine signifikanten Veränderungen bei der Stärke bzw. Häufigkeit von Symptomen.

Kein signifikanter Effekt ist dagegen für die Auswirkungen der GiB-Hautschulungen auf die Zufriedenheit mit der Arbeit, dem Be-triebsklima und den Vorgesetzten allgemein vorzuweisen. Wie  Abb. 4 zeigt, ergeben sich bei der Interventionsgruppe sogar leicht verringerte Zufriedenheitswerte hinsichtlich der Möglichkeit der Ansprache Vorgesetzter bei gesundheitlichen Problemen sowie der Unterstützung durch das Unternehmen bei Vorbeugung von Erkrankungen und bei Haut-schutzmaßnahmen. Auch das Betriebsklima wird in der Interventionsgruppe nach der Schulung geringfügig schlechter bewertet als davor. Ein Erklärungsansatz für dieses Ergebnis ist, dass die GiB-Studie Aufmerk-samkeit auf mögliche Mängel in der betrieblichen Gesundheitsförderung der be-fragten KMU gelenkt hat. In Folge der Befragung könnte die Zufriedenheit mit dem Unternehmen gesunken sein.

Zusammenfassend ist der GiB-Hautschu-lung Effektivität bezüglich des Informations-stands über Hautschutz, der Verwendungsgewohnheiten und schließlich der Verbesserung der Symptome bei Hauterkrankungen zu attestieren. Die Evaluationsergebnisse weisen positive und in großen Teilen signifi-kante Effekte auf. Keinen Einfluss bzw. sogar negative Auswirkungen sind mit Blick auf die Zufriedenheit der Befragten mit Unter-nehmen und Vorgesetzten festzustellen. Allerdings sind diese Effekte gering und nicht signifikant.

Kosten der GiB-Hautschulungen

Im Ergebnis betragen die durchschnittlich pro Teilnehmer/in ermittelten fixen und va-riablen Material- und Personalkosten für die im Rahmen des GiB-Projekts durchge-führten Hautschutzschulungen rund € 63,50 ( Tabelle 2). Der Berechnung liegt eine Teil-nehmerzahl von 6,5 Personen pro Schulung zugrunde, die hierfür als Durchschnittsgröße ermittelt wurde. Eine detaillierte Aufstellung der Kosten findet sich bei Cacace et al. (2015).

Hierbei ist hervorzuheben, dass insbe-sondere die Fahrtkosten in Form von Zeitkosten des Schulungspersonals und – aller-dings in weit geringerem Maße – Kosten für PKW und Treibstoff zu Buche schlugen. Die GiB-Hautschulungen verursachten ei-nen Fahrtaufwand von durchschnittlich rund 123 km pro Schulung. Dieser Aufwand war sowohl der ländlichen Region als auch dem Inhouse-Ansatz geschuldet. Hinzuzufügen ist hier noch, dass aufgrund der Konzeption des RCT und der zufälligen Auswahl der KMU Anfahrtskosten maximal waren. Ein rein nach wirtschaftlichen Kriterien operierendes Schulungsunternehmen wäre in der Lage, die Wegstrecken zu minimieren.

Bei der vorliegenden Berechnung sind keine Kosten eingeflossen, die aufgrund der entgangenen Arbeitszeit derjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entstanden sind, die an den GiB-Hautschulungen teilnahmen, da diese zwischen KMU sehr stark variieren.

Fazit

Hauterkrankungen führen zu hohen volkswirtschaftlichen Kosten und stellen für KMU ein besonderes Personalausfallrisiko dar. Wie dieser Beitrag am Beispiel der Hautschulung zeigt, ist es möglich, Konzepte branchenspezifisch auf KMU zuzuschneiden und so gewinnbringend einzusetzen. Die im Rahmen des GiB-Projekts konzipierte Hautschulung weist deutlich positive und in großen Teilen signifikante Effekte bezüglich Informationsstand über Hautschutz, Verwendungsgewohnheiten und Symptomen bei Hauterkrankungen auf. Unwirksam war die Intervention lediglich mit Blick auf die Zufriedenheit der Befragten mit der Unterstützung durch Unternehmen und Vorgesetzte bei der Vorbeugung von Krankheit sowie bei gesundheitlichen Problemen. Weiteren Ergebnissen zufolge betragen die Kosten für eine 120-minütige Hautschulungen rund 63,50 Euro pro Teilnehmer. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass zusätzlich Kosten durch Arbeitsausfall der Teilnehmer entstehen, die hierbei unberück-sichtigt bleiben. Diese Ergebnisse zusam-menfassend wird deutlich, dass das Risiko einer berufsbedingten Hauterkrankung und daraus entstehende Folgekosten mit Hilfe von GiB-Hautschulungen mit vertretbarem Mitteleinsatz verringert werden können.

Literatur

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Cacace M, Franz I, Ratz D: Using conjoint analysis to elicit preferences for occupational health services in small and micro-enterprises. Athens Journal of Health 2014a; 1: 237–257.

Cacace M, Draht V, Riegel B: Versorgungsforschung: Hautschulungen lohnen sich auch in kleineren Unter-nehmen. Dtsch Dermatol 2014b; 62: 802–805.

Cacace M, Leier V, Riegel B: Promoting employee health in small and medium-sized enterprises: design-ing and evaluating a concept for preventing occupatio-nal dermatological illnesses. In: Wiencke M, Fischer S, Cacace M (Hrsg.): Healthy at work – interdisciplinary perspectives. Berlin: Springer, 2015 (in Druck).

Diepgen TL: Berufsbedingte Hauterkrankungen. JDDG 2012; 10: 297–316.

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Schwanitz HJ, Riehl U, Schlesinger T et al.: Skin care management: educational aspects. Int Arch Occup En-viron Health 2003; 76: 374–381.

Wiencke M: Effects of practices of belonging on ac-cident and illness prevention in small and medium-sized. In: Wiencke M, Fischer S, Cacace M (Hrsg.): Healthy at work – interdisciplinary perspectives. Berlin: Springer, 2015.

Zelfel RC, Alles T, Weber A: Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen – Ergebnisse einer repräsentativen Unternehmensbefragung. Ge-sundheitswesen 2011; 73: 515–519.

    Autorin

    Dr. rer. pol. Mirella Cacace

    SOCIUM – Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik

    Mary-Somerville-Straße 3

    28359 Bremen

    cacace@uni-bremen.de

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