Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Das Sozialgesetzbuch (SGB) IX in der Fassung vom 19. Juni 2001 mit letzter Änderung vom 23. April 2004 ist die gesetzliche Grundlage für die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Gemäß § 2 sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Grundlage des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist der § 84 (2) SGB IX. Darin wird der Arbeitgeber aufgerufen, bei Beschäftigten, die länger als sechs Wochen in den letzten zwölf Monaten ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung – bei Schwerbehinderten zusätzlich mit der Schwerbehindertenvertretung – zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit schnellstmöglich überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Die Zustimmung der betroffenen Person zum Eingliederungsprozess ist einzuholen; wenn möglich ist auch der Betriebs- oder Werksarzt hinzuzuziehen.
Bei der Berechnung der Arbeitsunfähigkeitszeiten zählen auch Sonn- und Feiertage, und so sind für manch einen überraschend schnell die vorgeschriebenen 42 Tage in den letzten zwölf Monaten erreicht. Insbesondere werden auch Personen erreicht, die häufiger, aber immer nur für kurze Zeiträume, erkranken.
Neben Betriebsärzten, die auch aufgrund des § 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASIG) aufgefordert sind „Fragen des Arbeitsplatzwechsels sowie der Eingliederung und Wiedereingliederung Behinderter in den Arbeitsprozess zu bearbeiten und dabei die Arbeitsbedingungen zu beurteilen und die Arbeitnehmer zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten“, sind entsprechend der Richtlinien der DGUV ausgebildete Disability-Manager geeignet, einen Eingliederungsprozess nach langer Krankheit zu begleiten. Auch Betriebsärzte profitieren vom vorgeschriebenen Curriculum und den zertifizierten Fortbildungen.
Wenn Unternehmen auf Beschäftigte aufgrund von Krankheit oder Unfall verzichten müssen, so verlieren sie damit auch Erfahrung und Kompetenz. Es entstehen Lücken, die nicht ohne weiteres überbrückt werden können, sowie Kosten für die Suche und Einarbeitung von geeignetem Ersatzpersonal.
Die Suche nach qualifiziertem Personal ist häufig nicht nur langwierig und schwierig, sondern sie wird nicht immer von Erfolg gekrönt, gerade auch unter dem viel diskutierten Aspekt des demografischen Wandels.
Das Interesse am betrieblichen Eingliederungsmanagement hat deswegen in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Nicht zuletzt auch, weil krankheitsbedingte Kündigungen nur dann juristisch Bestand haben, wenn nachgewiesen werden kann, dass alles getan wurde, um eine Kündigung zu vermeiden, das heißt, wenn ein Eingliederungsmanagement angeboten wurde.
Wenn Unternehmen ein standardisiertes und für alle nachvollziehbares Vorgehen planen und nicht Einzelfallentscheidungen treffen wollen, ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung empfehlenswert.
Beim ressourcenorientierten Ansatz ist es wichtig, dass nicht die Defizite einer Person betrachtet werden, sondern der Eingliederungsprozess zur Mobilisierung eigener Ressourcen führt. Ziel ist es, das Selbstvertrauen des Betroffenen durch Betonung der Fähigkeiten zu stärken, den Prozess transparent zu gestalten und Akzeptanz durch nachvollziehbare Vorgehensweise zu erreichen. Der Betriebsarzt sollte aus unserer Sicht in diesem Verfahren führend Disability Management – Modernes Instrument zur betrieblichen Wiedereingliederung
Diagnose-Instrumentarium
Das empfohlene Instrument zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit ist das biopsychosoziale Modell der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF). Es handelt sich dabei um eine international einheitliche Beschreibung der krankheitsbedingten funktionalen Einschränkungen der Aktivitäten und der Teilhabe und wird in der sozialmedizinischen Begutachtung eingesetzt. Ziel der Rehabilitation ist Wiederherstellung oder wesentliche Besserung der Funktionsfähigkeit und insbesondere der Aktivitäten bei bedrohter oder eingeschränkter Teilhabe. Die ICF kann kostenlos von der Website des DIMDI heruntergeladen werden ( http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/index.htm ).
Das Instrument zur Integration von Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt (IMBA) ermöglicht ein Fähigkeits- und Anforderungsprofil des Mitarbeiters zu erstellen und miteinander abzugleichen. Es handelt sich um ein geprüftes Vorgehen mit zahlreichen standardisierten Prüfbögen, welche im Betrieb, aber auch in den Rehakliniken, eingesetzt werden können. Zur Einweisung ist die Teilnahme an einem Qualifizierungskurs erforderlich.
Für die Autorinnen
Dr. med. Jutta Kindel
Fachärztin Innere Medizin/Arbeitsmedizin
Berner Weg 16b – 22393 Hamburg
Info
Hinweise zur Ausbildung zum Disability-Manager:
http://www.dguv.de/disability-manager/index.jsp
Die Ausbildung ist z. B. bei der Fortbildungsakademie der Wirtschaft FAW gGmbH möglich:
http://www.faw.de/standorte/hamburg/ausbildung-zumdisability-manager
Verkürzte Angebote für Betriebsärzte gibt es bei der DGUV in Dresden.
Weitere Infos
International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF)
http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/index.htm
Hilfreich ist auch der IGA.Report 19, in dem der igaCheck 2011 als Kurzversion zur Erfassung beruflicher Anforderungen, Belastungen und Gefährdungen zu finden ist: