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Gefährdungsbeurteilung alter(n)sgerechter Arbeit

Einleitung

Die erwerbstätige Bevölkerung Deutschlands altert seit Jahren aufgrund unterschiedlicher Ursachen. Mit diesem demografischen Wandel ändert sich in den Industrienationen die Arbeitswelt in einem schnellen Tempo. Die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften sinkt und macht es vor allem für klein- und mittelständische Betriebe schwierig, den Fachkräftebedarf zu decken (Mühlenbrock 2017, s. „Weitere Infos“). In dieser Situation sollten frühzeitig Maßnahmen entwickelt, diskutiert und erprobt werden, die negative Auswirkungen des demografischen Wandels vermeiden oder zumindest minimieren könnten.

Zu den Kernaufgaben der Arbeitgeber zählt, die Arbeitsplätze und -prozesse sowie die Unternehmenskultur so zu gestalten, dass die Arbeitskräfte ihre physischen und psychischen Ressourcen angemessen einbringen, weiterentwickeln und gegebenenfalls auch anpassen können. Als Experten für Arbeitsplatz- und -prozessanalysen haben Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Fachärzte für Arbeitsmedizin/Betriebsärzte dabei eine Schlüsselposition. Ihr über viele Jahre erprobtes und bewährtes Instrument ist die Gefährdungsbeurteilung als zentrales Element des betrieblichen Arbeitsschutzes und Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement. Angesichts der demografischen Entwicklung müssen sie zukünftig aber stärker als bisher auch demografische Aspekte sowohl bei der Arbeitsplatz- und -prozessanalyse als auch bei den daraus abgeleiteten Maßnahmenvorschlägen berücksichtigen (Kistler et al. 2007, s. „Weitere Infos“).

Eigentlich ist diese Aufgabe nicht neu. Das Arbeitsschutzgesetz aus dem Jahre 1996 fordert von Beginn an, die Gefährdungsbeurteilung je nach Art der Tätigkeit vorzunehmen und dabei die physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten sowie ihre individuellen Fähigkeiten zu berücksichtigen. Das vorliegende Dokument zeigt die demografiespezifischen Aspekte der Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz auf und stellt mögliche Maßnahmen zu deren Bewältigung vor. Das Dokument soll damit als Diskussionsgrundlage eine Handlungshilfe für die Ersteller von Gefährdungsbeurteilungen sein. Dazu wurden von den bei den jeweiligen Autoren benannten Fachgesellschaften Delegierte benannt, die sich in einem Konsensverfahren auf die im Folgenden genannten Faktoren einigten.

Gefährdungsfaktoren und Maßnahmen

Tabelle 1 verweist auf beispielhaft aufgelistete Gefährdungsfaktoren, altersspezifische Unterschiede in der Regel aus der Perspektive älterer Arbeitnehmer und in Erwägung zu ziehende Maßnahmen.

Fazit und Ausblick

Alter(n)sgerechte Arbeit ermöglichen oder sichern bleibt eine Querschnittsaufgabe, die bei der Analyse von Arbeitsplätzen und -prozessen sowie den daraus abgeleiteten Maßnahmen aufmerksamer als bisher berücksichtigt werden muss. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sieht die demografische Entwicklung als eine der wichtigsten Herausforderungen für die Arbeitswelt 4.0. Die Gefährdungsbeurteilung ist und bleibt dabei ein zentrales Element, um veränderte Gefährdungen und Belastungen zu erfassen und zu beurteilen. Die in diesem Artikel genannten Maßnahmenbeispiele sind nicht abschließend. Sie zeigen exemplarisch Möglichkeiten auf, bereits bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung auf alter(n)sspezifische Belange einzugehen und Kompensationsmöglichkeiten zu schaffen und zu nutzen.

Gerade in sich schnell verändernden und zunehmend vernetzten Arbeitswelten müssen alle relevanten Gefährdungsfaktoren auch im Hinblick auf ihre Wechselwirkungen betrachtet werden. Dabei sind insbesondere auch die psychischen Belastungen zu berücksichtigen. Nur die regelmäßige, systematische und ganzheitliche Gefährdungsbeurteilung ermöglicht eine fortlaufende Verbesserung und Vermeidung von Fehlentwicklungen bei der Einführung von Arbeitsverfahren des digitalen Wandels. Gefährdungsbeurteilungen müssen auf beide Entwicklungen eingehen, da der demografische Wandel nicht von technologischen Innovationen getrennt werden kann. Die Autoren gehen davon aus, dass es zahlreiche neue Möglichkeiten, aber auch Risiken geben wird.

So kann beispielsweise zukünftig intelligente und altersgemäße Schutzkleidung die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten noch besser gewährleisten. Sensoren in Arbeitsmitteln, Fahrzeugen, Räumen oder in der Kleidung sammeln Daten, die dann zur Steuerung von Prozessen dienen. Arbeitskräfte können dadurch unterstützt werden, wenn sie aufgrund ihres Alters noch nicht oder nicht mehr ohne Hilfestellung Tätigkeiten wahrnehmen können.

Entlastung durch Assistenzsysteme kann in Zukunft dadurch entstehen, dass Tätigkeiten technisch unterstützt werden, hilfreiche Informationen zur Verfügung stehen oder Umgebungsbedingungen wie Raumklima oder Beleuchtung an die Bedürfnisse der Beschäftigten angepasst werden. Es müssen jedoch auch die Belastungen durch neue Technologien berücksichtigt werden, z.B. wenn zur Verfügung gestellte Informationen überfordernd oder nicht zielführend sind. Dies betrifft insbesondere Ältere, die nicht in einer digital geprägten Umwelt aufgewachsen sind.

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

Bucks RS et al.: Hearing loss and cognition in the Busselton Baby Boomer cohort: An epidemiological study. Laryngoscope 2016; 126: 2367–2375.

Carter TL: Age-related vision changes: a primary care guide. Geriatrics 1994; 49: 37–42.

Deller J, Kolb P: Herausforderung Demografie und Wandel der Arbeitsgesellschaft. In: Angewandte Psychologie für das Human Resource Management. Berlin: Springer, 2010, S. 419–433.

Fabiani M: It was the best of times, it was the worst of times: a psychophysiologist’s view of cognitive aging. Psychophysiology 2012; 49: 283–304.

Falkenstein M, Yordanova J, Kolev V: Effects of aging on slowing of motor-response generation. Int J Psychophysiol 2006; 59: 22–29.

Liu XZ, Yan D: Ageing and hearing loss. J Pathol 2007; 211: 188–197.

Ng TWH, Feldman DC: The moderating effects of age in the relationships of job autonomy to work outcomes. Work Aging Retirement 2017; 1: 64–78.

Rawson NE: Olfactory loss in aging. Sci Aging Knowledge Environ 2006; 5: pe6.

    Weitere Infos

    Kistler E et al.: Teil B: Gutachten von Fraunhofer IAO, Stuttgart. In: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): Altersgerechte Arbeitsbedingungen. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. 2006

    https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Berichte/Gd49.pdf?__blob=publicationFile

    Mühlenbrock I: Alterns- und altersgerechte Arbeitsgestaltung. Grundlagen und Handlungsfelder für die Praxis. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2017

    https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/Arbeitsgestaltung.pdf?__blob=publicationFile&v=9

    Koautoren

    Mitautoren des Beitrags sind: Klaus-Heinrich Bick (biTecS Ingenieurbüro, Osnabrück), Waldemar Junior (Personalentwicklung & Training, Hohenbrunn), Thomas Leuschner (ENERVIE – Südwestfalen Energie und Wasser AG, Hagen), Dr. Josef Sauer (QUMsult GmbH & Co. KG, Freiburg) und Katrin Zittlau (Arbeitsschutz 4.0, Werder Havel).

    Für die autoren

    Priv.-Doz. Dr. med. Stephan Weiler

    Audi AG, Gesundheitswesen I/SW-3

    Auto-Union-Str. 1

    85045 Ingolstadt

    stephan.weiler@audi.de

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