In den letzten Jahren engagierten und engagieren sich viele Personen und Arbeitsgruppen der DGAUM in der Leitlinienarbeit und leisteten damit einen Beitrag zur Qualitätssicherung in den von der DGAUM vertretenen Feldern Arbeitsmedizin und Umweltmedizin. Diese Arbeit wird vom DGAUM-Vorstand begleitet. Im Sommer 2012 übernahm Frau Prof. Dr. Rieger, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Tübingen, die Funktion der „Leitlinien-Beauftragten“ im DGAUM-Vorstand von Frau Prof. Dr. Stoll, Institut für Präventivmedizin der Universitätsmedizin Rostock. Diese hatte das Amt über viele Jahre ausgeübt. Die von ihr ausgerichtete Leit-linien-Konferenz am 19. 06. 2009 in Rostock-Warnemünde markierte eine der wesent-lichen Etappen im Prozess der kontinuierlichen Entwicklung und Ausgestaltung der Leitlinienarbeit in der DGAUM. Die Ergebnisse der Konferenz wurden dokumentiert (Glensk 2009). Ein weiterer besonderer Schritt in Bezug auf Leitlinien, die sich der Begutachtung von Berufskrankheiten widmen, stellt die gemeinsame Empfehlung der AWMF und der DGUV in Zusammenarbeit mit der DGAUM und der DGSMP aus dem Jahr 2009 dar (Brandenburg et al. 2009). In dieser wird das aufeinander abgestimmte Vorgehen bei der Entwicklung von Leitlinien und Begutachtungsempfehlungen für Berufskrankheiten dargestellt.
Über wissenschaftliche Leitlinien leisten medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätssicherung in den von ihnen vertretenen Feldern (AWMF 2013). Leitlinien können jedoch nur dann eine positive Wirkung entfalten, wenn wesentliche Aspekte bei ihrer Erstellung berücksichtigt werden. Entsprechend findet das AWMF-Regelwerk zur Erstellung von Leitlinien (AWMF 2012) auch bei der Erarbeitung von Leitlinien der DGAUM Anwendung, um die Qualität der Leitlinien sicher zu stellen. Wichtig ist bei der Leitlinienerstellung generell, die Per-spektive der Anwender im Blick zu behalten. Entsprechend wird in Leitlinien die vor-handene Evidenz aus wissenschaftlichen Studien nicht nur im Sinne eines systematischen Reviews zusammengefasst, sondern in Empfehlungen für die Anwender übersetzt. Die Verfahren für diese Ableitung von Empfehlungen sind je nach Niveau der Leitlinie unterschiedlich: während auf der Stufe S1 die so genannten „Handlungsempfehlungen von Experten“ in einem informellen Konsensprozess erarbeitet werden, ist das Vorgehen bei der Erstellung der Leitlinien auf S2- und S3-Niveau im AWMF-Regelwerk klar vorgegeben. Bei „Konsensbasierten Leitlinien“ (S2k) findet – ausgehend von einer Literaturrecherche – eine strukturierte Konsensfindung in einem re-präsentativen Gremium statt, bei „Evidenzbasierten Leitlinien“ (S2e) stellt das Ergebnis der systematischen Recherche, Auswahl und Bewertung der Literatur nach vorher festgelegten Regeln die Basis für die Formulierung von Empfehlungen dar. Bei S3-Leitlinien schließlich wird durch ein repräsentatives Gremium eine systematische Recherche, Auswahl und Bewertung der Literatur durchgeführt, und es erfolgt eine strukturierte Konsensfindung („Evidenz- und Konsensbasierte Leitlinie“) (AWMF 2012, S. 10).Anders als bei so genannten Autorenpapieren ist eine Leitlinie generell dadurch charakterisiert, dass sich Vertreter aller betroffenen Gruppen und benachbarter Disziplinen in die Erarbeitung des Textes einbringen können. Zu diesem Zweck werden laufende Leitlinien-Vorhaben auf der AWMF-Homepage veröffentlicht (https://www.awmf.org/leitlinienleitlinien.html DGAUM). Darüber hinaus stellen im Bereich der DGAUM sowohl der/die Koordinator/innen einer Leitlinie als auch der DGAUM-Vorstand Überlegungen dazu an, wer aktiv zur Mitarbeit aufgefordert werden soll.Die Leitlinienarbeit der DGAUM ist eingebunden in die Leitlinienarbeit der AWMF, der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften. Im Rahmen dieser Arbeitsgemeinschaft werden auch andere Fachgesellschaften aufgerufen, sich an den Leitlinien benachbarter Disziplinen zu beteiligen. Auf der Homepage der AWMF (https://www.awmf.org/ Fachgesellschaften Mitgliedsgesellschaften) finden sich alle aktuellen Leitlinien, die unter der Federführung der DGAUM erarbeitet wurden. Parallel dazu werden die Leitlinienthemen auch auf der Homepage der DGAUM veröffentlicht (http://http://www.dgaum.de/leitlinien-publikationen/). Bei der AWMF sind darüber hinaus auch die Leitlinien zu finden, an deren Erarbeitung Vertreter/innen der DGAUM beteiligt waren oder derzeit sind. Aus Gründen der Qualitätssicherung haben Leitlinien eine „Laufzeit“ von maximal fünf Jahren. Innerhalb dieses Zeitraums muss eine Aktualisierung angemeldet werden, um sicherzustellen, dass die Leitlinie auf der AWMF-Homepage zugänglich bleibt. Auf der Homepage der DGAUM gibt es darüber hinaus ein Archiv der nicht mehr aktuellen und der zurückgezogenen Leitlinien.
Der aktuelle Stand
Aktuell (Stand 15. 11. 2013) gibt es 22 von der AWMF veröffentlichte Leitlinien, die unter der Federführung der DGAUM erar-beitet wurden, wobei es sich um 18 S1-Handlungsempfehlungen, eine S2-Leitlinie, zwei S2k-Leitlinien und eine S3-Leitlinie handelt. Hiervon befinden sich fünf Leitlinien derzeit in der Phase der Aktualisierung (Tabelle 1).
Bei drei Texten wurde die Überarbeitung nicht innerhalb der von der AWMF vorgesehenen 5-Jahres-Frist begonnen, so dass diese derzeit nicht mehr auf der Homepage der AWMF abrufbar sind: Die S1-Handlungsempfehlungen zum Thema „Arbeiten unter Einwirkung von Cadmium und seinen Verbindungen“ und zur „Untersuchung der Händigkeit“ (Ende der Laufzeit der beiden bisherigen Texte im Jahr 2009) werden aktuell ebenso überarbeitet wie die Leitlinie „Nacht- und Schichtarbeit“, die im Jahr 2011 zurückgezogen wurde. Bei Letzterer werden voraussichtlich viele Fragestellungen neu adressiert und Empfehlungen auf einem höheren Niveau als bisher (S2e) formuliert werden (neuer Titel: Gesundheitliche Aspekte und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit) (Tabelle 2).Neben der Aktualisierung bestehender Leitlinien werden unter Federführung der DGAUM derzeit drei Leitlinien neu erarbeitet: Ausgehend von den nicht mehr aktualisierten Leitlinien „Herzrhythmusanalyse in der Arbeitsmedizin“ und „Nutzung der Herzschlagfrequenz (Herzfrequenz, HF) bei arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen“ wird derzeit eine S2k-Leitlinie mit dem Titel „Nutzung der Herzfrequenz und der Herzratenvariabilität in der Arbeitsmedizin und Arbeitswissenschaft“ neu entwickelt. Ebenfalls neu ist die Beschäftigung mit dem Thema „Ärztliche Vorsorge-und Eignungsuntersuchungen bei Arbeitnehmern auf Offshore-Windenergieanlagen und Plattformen“ in Form einer S1-Handlungsempfehlung. Das Thema „Spirometrie“ steht im Mittelpunkt einer S2k-Leitlinie, bei der die DGAUM und die DGP gleichermaßen federführend beteiligt sind (Tabelle 2). Neben diesen Aktivitäten ist die DGAUM auch an der Erstellung von Leitlinien beteiligt, die unter der Federführung anderer Fachgesellschaften erarbeitet werden, wobei besonders hervorzuheben ist, dass die DGAUM hierbei auch in die Erstellung Nationaler Versorgungsleitlinien (NVL) und Onkologischer Leitlinien (OL) eingebunden ist (Tabelle 3). Gerade die Beteiligung an Leitlinien mit einem breiten Adressatenkreis kann die verstärkte Wahrnehmung der Bedeutung arbeitsmedizinischer Betreuung bzw. arbeitsmedizinischer Aspekte für die Gesundheitsversorgung fördernAktuell steht für den Zeitraum bis Ende 2014 die Entscheidung über die Aktualisierung von drei arbeitsmedizinischen und umweltmedizinischen Leitlinien unter der Federführung der DGAUM an (vgl. Tabelle 1). Es wäre wünschenswert, wenn sich möglichst viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch Personen aus der betriebsärztlichen bzw. umweltmedizinischen Praxis in die Erarbeitung dieser und zukünftiger Leitlinienvorhaben einbringen (Kontakt: leitlinien@dgaum.de).
Vorgehen bei der Leitlinienerstellung
Das Vorgehen bei der Leitlinienerstellung (Abb. 1) wird durch das AWMF-Regelwerk sehr gut beschrieben (AWMF 2012). Wesent-liche Schritte sind die Planung und Organisation, die Anmeldung des Leitlinienvorhabens bei der AWMF, die Leitlinienentwicklung und Redaktion. Nach Einreichung des Leitlinientextes bei der AWMF wird dieser durch die AWMF geprüft und ggf. Modifikationen unter formalen Gesichtspunkten angeregt. Das Urheberrecht für eine Leitlinie liegt bei den Autoren(gruppen). Dieses Recht beinhaltet das Recht der Änderung, Erweiterung oder Löschung der Texte. Über die Einreichung der Leitlinie durch die DGAUM erhält die AWMF automatisch das Nutzungsrecht für die elektronische Publikation im Informationssystem „AWMF online“. Die AWMF stellt hierbei über die Nutzungsbedingungen ihres Informations-systems sicher, dass die Leitlinien nicht z. B. auszugsweise veröffentlicht oder zu kommerziellen Zwecken verwendet werden. Leitlinien der DGAUM werden darüber hinaus auf der Homepage der DGAUM zum Abruf angeboten und üblicherweise im Organ der Fachgesellschaft, der Zeitschrift Arbeitsmedizin – Sozialmedizin – Umweltmedizin, abgedruckt. Auch hierbei erhält der Vertrag lediglich ein Nutzungsrecht für den einmaligen Abdruck, so dass die Fachgesellschaft die Verwendung des Werks kontrollieren und verhindert werden kann, dass Teile daraus in anderem Zusammenhang publiziert werden (vgl. AWMF 2012 Richtlinien der AWMF für die Leitlinien-Publikation).
Der Prozess der Leitlinienerstellung und -aktualisierung wird in der DGAUM aktuell weiter entwickelt. Um die Leitlinien-arbeit auf eine breitere Basis zu stellen, soll der Vorstand zukünftig durch einen „Arbeitskreis Leitlinien“ (Arbeitstitel) unterstützt werden, in dem DGAUM-Mitglieder mit Kenntnissen und Erfahrung in evidenz-basierter Medizin bzw. Leitlinienerstellung und -bewertung zusammenarbeiten. Die Aufgaben und die Arbeitsweise dieses Arbeitskreises sollen im Verlauf und in der Diskussion zwischen den Mitgliedern des Arbeitskreises und dem Vorstand der DGAUM konkretisiert werden.Interessierte sind ausdrücklich zur Mitarbeit im Arbeitskreis aufgerufen (E-Mail bitte an leitlinien@dgaum.de).Das aktuelle Vorgehen bei Leitlinien, die unter der Federführung der DGAUM erstellt werden, ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Vorgeschlagene Leitlinienthemen werden zunächst auf der Basis einer kurzen Projektskizze im DGAUM-Vorstand beraten. Nach der Abstimmung des Leitlinien-themas beauftragt der DGAUM einen oder mehrere Leitlinienkoordinator/innen und klärt mit diesen, ob möglicherweise eine Befangenheit in Bezug auf das Leitlinien-thema besteht. Danach wird eine Leitlinien-gruppe zusammengestellt. Deren Arbeit wird inhaltlich von der DGAUM-Arbeitsgruppe begleitet, der das Leitlinienthema am ehesten zuzuordnen ist (z. B. Atemwege, Forum Arbeitsphysiologie). Die abschließende Freigabe der Leitlinie erfolgt durch den Vorstand der DGAUM. Dieser Prozess soll zukünftig durch den oben erwähnten „Arbeitskreis Leitlinien“ unterstützt werden, dessen Aufgabenspektrum und Arbeitsweise aktuell entwickelt werdenAktuelle Aspekte zum Thema Leitlinien der DGAUM werden jeweils auf der Homepage der DGAUM abgebildet und in der Zeitschrift Arbeitsmedizin – Sozialmedizin – Umweltmedizin veröffentlicht. Anregungen für die Leitlinienarbeit der DGAUM senden Sie bitte per E-Mail an: leitlinien@dgaum.de.
Danksagung: Die Autorinnen danken allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die Leitlinien der DGAUM erarbeiten und weiterentwickeln, den AnsprechpartnerInnen in der AWMF-Geschäftsstelle und dem AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement (AWMF-IMWi) für die Unterstützung der Leitlinienarbeit der DGAUM sowie Frau Marita Wiedemann (Rostock) und Herrn Patrick Berlitz (Tübingen) für die Mitarbeit bei organisatorischen Belangen in der Arbeit der Leitlinien-Beauftragte im Vorstand der DGAUM.
Literatur
AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) – Ständige Kom-mission Leitlinien. AWMF-Regelwerk „Leitlinien“. 1. Auflage 2012. Verfügbar: https://www.awmf.org/leitlinien/awmf-regelwerk.html (Abruf am 2.5.2013).
AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften): Leitlinien im Register der AWMF: qualitätsgeprüfte Entscheidungs-hilfen für die Praxis – Pressemitteilung vom 11.11.2013 (http://idw-online.de/de/news560748 (Abruf am 15.11.2013).Brandenburg S, Kranig A, Letzel S, von Mittelstaedt G, Palfner S, Selbmann H-K. Gemeinsame Empfehlung der AWMF und der DGUV in Zusammenarbeit mit der DGAUM und der DGSMP bei der Entwicklung von Leitlinien und Empfehlungen zur Begutachtung von Berufskrankheiten. Arbeitsmed Sozialmed Um-weltmed 2009; 44: 646–652.Glensk E. DGAUM-Workshop am 19. Juni 2009 in Rostock-Warnemünde. Leitlinien in der Arbeitsme-dizin. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2009; 44: 643–645.
Für die Autorinnen
Prof. Dr. med. Monika A. RiegerLeitlinien-Beauftragte im DGAUM-VorstandÄrztliche Direktorin des Instituts für Arbeits-medizin, Sozialmedizin und Versorgungs-forschungUniversitätsklinikum TübingenWilhelmstraße 27 – 72074 Tübingenmonika.rieger@med.uni-tuebingen.de