Am 09.09.2016 verstarb im Alter von 89 Jahren Herr Prof. Dr. agr. Heinrich Dupuis in Bad Kreuznach.
Prof. Dr. H. Dupuis wurde am 30. Juni 1927 in Halle an der Saale in einem Akademikerhaushalt geboren. Seine Mutter, eine Pharmazeutin, wurde als erste Absolventin an ihrer Universität approbiert. Herr Dupuis studierte nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums ab 1953 an der Universität Göttingen Landbauwissenschaften. Seine ersten wissenschaftlichen Untersuchungen an den Max-Planck-Instituten für Arbeitsphysiologie in Dortmund bzw. für Landarbeit und Landtechnik in Bad Kreuznach führten bereits 1955 zu seiner Dissertation zum Dr. agr. an der Universität Gießen. Das Thema der Promotion lautete: „Ergonomie des Schlepperführerstands“. In den folgenden Jahren beschäftigte er sich mit einer Vielzahl grundlegender wissenschaftlicher Feldstudien, Laborexperimenten und epidemiologischen Untersuchungen, die 1968 zur Habilitation für Anthropotechnik an der Technischen Universität in München führten.
Von 1968 an leitete Herr Dupuis die Arbeitsgruppe Anthropotechnik am Max-Planck-Institut für Landarbeit und Landtechnik in Bad Kreuznach, ab 1979 die Arbeitsgruppe Ergonomie am Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. 1973 wurde ihm der Titel außerplanmäßiger Professor durch die Technische Universität München verliehen.
Die wissenschaftliche Arbeit von Herrn Dupuis begründet sich sehr stark auf dem Belastungs-Beanspruchungs-Konzept. Herr Dupuis untersuchte zunächst die Tret- und Zugkräfte von Beinen und Armen in unterschiedlichen Richtungen und Bedingungen. Später folgten umfangreiche und grundlegende Studien über Ganzkörper- und Teilkörperschwingungen. Zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewältigte er umfangreiche Forschungsaufgaben. Dabei lagen die Schwerpunkte seiner Arbeit u.a. auf dem Gebiet der ergonomischen Gestaltung des Fahrerplatzes in Linienomnibussen, dem Einfluss von Schwingungsbelastungen in Rad- und Kraftfahrtzeugen sowie Hubschraubern. Laborexperimentell forschte Herr Dupuis mit elektrohydraulischen Schwingungssimulatoren. Genannt seien hier exemplarisch seine Forschungsarbeiten zur Verbesserung von Sitzsystemen für Nutzfahrzeuge und Arbeitsmaschinen, zur Wirkung mechanischer Schwingungen auf die visuelle Leistung, den Verdauungstrakt, die Wirbelsäule, die Durchblutung und das Nervensystem.
Die von Herrn Dupuis initiierten und durchgeführten Studien zeichnen sich durch ein hohes Maß an wissenschaftlicher Innovation, ingenieurmäßiger Präzision, interdisziplinärem Verständnis sowie einem sehr großen Praxisbezug aus. Die hierbei erzielten Erkenntnisse führten zu neuen Standards bei der Gestaltung zahlreicher Arbeitsplätze. Zudem hat sich Herr Dupuis auch sehr intensiv mit der sozialrechtlichen Umsetzung seiner Forschungsergebnisse auseinandergesetzt. Exemplarisch seien hier nur seine Vorschläge zur Entwicklung von Dosisverfahren bei einzelnen Berufskrankheiten (z. B. BK-Nr. 2108, BK-Nr. 2110) genannt. Als Gutachter war er sowohl für die gesetzliche Unfallversicherung als auch für Sozialgerichte ein wichtiger Sachverständiger.
Die wissenschaftlichen Arbeiten von Herrn Dupuis umfassen weit über 500 Publikationen, z. T. in den renommiertesten internationalen Zeitschriften des Faches. Die vielfältigen Einblicke in technische und medizinische Aspekte der Arbeitswelt führte schließlich Ende der 80er Jahre dazu, dass er als Mitherausgeber das Handbuch der Arbeitsmedizin als Loseblattsammlung im Ecomed-Verlag begründete und über viele Jahre zu einem der bedeutendsten arbeitsmedizinischen Standardwerk im deutschsprachigen Raum weiterentwickelte. Das umfangreiche Fachwissen von Herrn Dupuis war über viele Jahrzehnte in internationalen und nationalen Gremien und Ausschüssen sehr gefragt.
Nicht unerwähnt sollen seine großen Verdienste in der akademischen Ausbildung bleiben. Neben Vorlesungen und Praktika betreute er mit außerordentlichem Engagement insgesamt 41 experimentelle Doktorarbeiten (Dr. Ing.: n = 7, Dr. rer. nat.: n = 1, Dr. med.: n = 33).
In Anerkennung seiner hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten wurden Herr Dupuis u. a. 1970 der Fritz Giese-Preis der Gesellschaft für Arbeitswissenschaften (GfA), 1986 die Max Eyth-Gedenkmünze, 2003 die Joseph-Rutenfranz-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) sowie 2008 die Ehrenmitgliedschaft der GfA verliehen.
Herr Dupuis wird uns allen nicht nur als analytisch denkender Wissenschaftler und „Schwingungspapst“, der er zweifelfrei war, in Erinnerung bleiben, sondern vor allem wegen seiner bescheidenen, liebenswürdigen und einfühlsamen Art. Es versteht sich daher von selbst, dass der Verein zur Förderung der Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in Mainz e.V. (FASUM) – noch mit persönlicher Zustimmung von Herrn Dupuis – seinen Forschungs- und Lehrpreis nach ihm benannt hat (Heinrich-Dupuis-Ehrenpreis).
Aufgrund seiner beruflichen Leistungen, aber auch wegen seiner großen Persönlichkeit erwarb sich Herr Dupuis sowohl in der Arbeitsmedizin als auch in den Arbeitswissenschaften große Wertschätzung und ein hohes Ansehen. Wir werden Herrn Kollege Dupuis stets in ehrender Erinnerung behalten. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.
Für die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin:
Prof. Dr. med. Hans Drexler (Präsident)
Für das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz:
Prof. Dr. med. Stephan Letzel (Institutsleiter)
Für die Freunde und ehemaligen Kollegen:
Prof. Dr. Wilfried Hammer
Für den Verein zur Förderung der Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in Mainz:
Prof. Dr. Dirk-Mathias Rose