Seit Charlie Chaplins „Modernen Zeiten“ hat sich in der Arbeitswelt viel getan. Wir steuern auf immer neue Arbeitswelten zu, die vom technischen Fortschritt geprägt sind. Kollaborierende Roboter, Exoskelette und Datenbrillen verändern die (industrielle) Arbeitswelt und damit auch die Anforderungen an die Arbeitsmedizin. Die Digitalisierung verändert aber auch die Instrumente und damit die Möglichkeiten des präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Doch was bedeutet das konkret und welche bedeutenden Entwicklungen und Herausforderungen kommen auf uns zu? Die Schwerpunktartikel dieser Ausgabe befassen sich mit ausgewählten Aspekten zu diesem Thema.
Bereits seit einigen Jahren werden Exoskelette als Möglichkeit zur Verringerung von Muskel-Skelett-Belastungen am Arbeitsplatz in Erwägung gezogen. Exoskelette sollen unter anderem bei Überkopfarbeit oder beim Heben von Lasten den menschlichen Körper mechanisch unterstützen. In puncto Wirksamkeit, Praktikabilität und Akzeptanz solcher Systeme sind jedoch noch viele Fragen offen.
Kai Heinrich et al. diskutieren den aktuellen Wissensstand und das Potenzial von Exoskeletten zur Prävention von muskuloskelettalen Beschwerden. Sie erläutern, warum eine gesonderte Gefährdungsbeurteilung notwendig ist, und blicken auf den noch bestehenden Handlungsbedarf. Der Beitrag zeigt auf, dass zur Beurteilung der biomechanischen Unterstützungsleistung von Exoskeletten physikalische und physiologische Parameter mittels messtechnischer digitaler Expositionsanalysen bestimmt werden müssen.
Digitale Expositionsanalysen kommen immer häufiger in der Gefährdungsbeurteilung physischer Belastung zum Einsatz. Durch objektive und präzise Expositionsermittlung können digitale Werkzeuge die Beurteilungsqualität erhöhen und durch Automatisierung die Bearbeitungsdauern verkürzen. Ein praktisches Beispiel liefern Fabian Günzkofer et al., die in ihrem Beitrag die digitale Ergonomiebewertung an Arbeitsplätzen der BMW Group vorstellen. Im Rahmen des Digital Workplace Management System (DWMS) werden mit Motion-Capturing-Systemen und Kraftmesshandschuhen physische Belastungen in der Produktion und in produktionsnahen Bereichen erfasst und unter Verwendung von Machine-Learning-Algorithmen automatisiert ausgewertet.
Die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen Expositionsanalyse und -bewertung auf Grundlage kontinuierlicher Messdaten nutzt das CUELA-System bereits seit vielen Jahren. Im Beitrag von Britta Weber et al. wird das CUELA-Modulkonzept dargestellt. Belastungsfaktoren werden über Motion-Capturing, Kraftmessung und/oder Elektromyografie erfasst und Körperregion-bezogen ausgewertet. Ergänzend zu komplexen Messsystemen sind auch Anwendungen mit geringer Sensorzahl vorgesehen, um zukünftig einen breiteren Einsatz genauer und automatisierter Analysen in der betrieblichen Praxis zu ermöglichen.
Neben direkt messbaren Belastungsfaktoren interessieren in der biomechanischen Betrachtung von Körperhaltungen und Bewegungsabläufen am Arbeitsplatz auch körperinterne Belastungsfaktoren wie Gelenkmomente und -kräfte. Da diese Größen in der Regel nicht direkt gemessen werden können, erfolgt ihre Berechnung anhand digitaler Menschmodelle aus der Biomechanik. Ein solches biomechanisches Simulationswerkzeug ist das Modell Dynamicus, das André Kaiser et al. in ihrem Beitrag vorstellen. Sie beschreiben wie die Simulation prinzipiell abläuft und verdeutlichen am Beispiel manueller Fügekräfte, welche Analysemöglichkeiten das Modell bereitstellt.
Ein anderes digitales Werkzeug, das in die Arbeitswelt Einzug gehalten hat, ist die Datenbrille. Am Kopf getragen, blendet sie tätigkeitsrelevante Informationen in das Sichtfeld von Beschäftigten ein. Vielfältige Bauformen von Datenbrillen ermöglichen unterschiedliche Anwendungen. Marieke Kempf et al. beschreiben verschiedene Einsatzszenarien für die industrielle Nutzung von Datenbrillen. Dabei erläutern sie, welche Aspekte für die Sicherheit und Gesundheit bei der Einführung und Nutzung von Datenbrillen im Unternehmen wichtig sind.
Den Autorinnen und Autoren möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich für ihre Beiträge danken. Ich wünsche den Leserinnen und Lesern eine interessante Lektüre und viele neue Anregungen.
Ihre Britta Weber
Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen
Unfallversicherung e. V. (IFA)
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