Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind im Arbeitsschutz fachlich sich ergänzende Professionen

Durch sinnvolle Kooperationen Mehrwerte schaffen

Betriebsärzte: Die individuelle Perspektive auf die Gesundheit des Beschäftigten an seinem Arbeitsplatz

In dieser Ausgabe von ASU beschäftigten wir uns schwerpunktmäßig mit den Hauptakteuren im Arbeitsschutz, den Betriebsärzten und den Fachkräften für Arbeitssicherheit (FaSi). Wir erfahren, dass diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ein Erfolgsgarant sein kann. Dann nämlich, wenn beide Professionen mit ihren unterschiedlichen Ausrichtungen konstruktiv kooperieren: Der Betriebsarzt als der Experte für die Gesundheit der Beschäftigten und die Fachkraft für Arbeitssicherheit als Experte in Bezug auf die sicherheitstechnische Gestaltung der Arbeitsplatzverhältnisse. Nicht zu vergessen ist dabei, dass der Betriebsarzt – als Vertreter eines Heilberufes – seine präventive Aufgabe aus ärztlich-medizinischer Sicht, die Fachkraft für Arbeitssicherheit aus technischer bzw. ingenieurswissenschaftlicher Sicht ausübt.

Wir erfahren auch etwas vom positiven und selbstbewussten Rollenbild der FaSi durch Arno Weber, Vorstandsmitglied des VDSI, und über eine selbstkritische Auseinandersetzung zum Rollenbild von Betriebsärzten von Detlef Glomm. Dies veranlasst mich einmal mehr, mir Gedanken über die Rollenbilder dieser beiden Berufe zu machen.

Unterschiedliche Perspektiven und Aufgabenwahrnehmung

Von beiden Autoren wird sehr detailliert herausgearbeitet, wie unterschiedlich die Perspektiven und damit die Aufgabenwahrnehmung dieser Professionen sind. Für den Betriebsarzt gilt eine humanwissenschaftliche Perspektive, die das Individuum in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Zwischen Arzt und Klient besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis. Dies wird noch untermauert durch die gesetzlich verbürgte Maßgabe der ärztlichen Schweigepflicht. Anders ausgedrückt: Der (Betriebs-)Arzt hat aus seiner Profession heraus die gesundheitliche Verfasstheit des Individuums, des Beschäftigten, im Fokus, die Fachkraft für Arbeitssicherheit die technischen Rahmenbedingungen und Gegebenheiten am Arbeitsplatz. Beide Perspektiven bedingen einander – nur so ist betriebliche Gesundheitsförderung und um Prävention am Arbeitsplatz realisierbar.

Bei der Zusammenarbeit von Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit ist es daher unabdingbar, dass die beidseits vorhandenen Expertisen gegenseitig respektiert und wertgeschätzt werden. Auf dieser Grundlage kann sich dann eine optimale Ergänzung der unterschiedlichen Professionen zum Wohle des Beschäftigten entfalten.

Konsequenz aus dem Rollenbild der Betriebsärzte aus dem Arbeitssicherheitsgesetz

Von mancher Seite glaubte man mit Blick auf das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) konstatieren zu müssen, dass bei den Betriebsärzten statt der sicherheitstechnischen Überprüfung die arbeitsmedizinische Untersuchung im Vordergrund stehe, ansonsten die Aufgabenverteilung aber gleich sei. Über diese Ansichten kann man zwar lange und vortrefflich diskutieren. Das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) besagt in § 3 (1) „Aufgaben der Betriebsärzte“ aber sehr eindeutig, dass die Betriebsärzte die Aufgabe haben, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu unterstützen haben. Punkt 2 bestimmt zudem, dass der Betriebsarzt die Arbeitnehmer zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten sowie die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten hat. Absatz 2 gibt weiterhin an, dass die Betriebsärzte auf Wunsch des Arbeitnehmers diesem das Ergebnis arbeitsmedizinischer Untersuchungen mitzuteilen haben (…). Und in Absatz 3 wird klargestellt, dass zu den Aufgaben der Betriebsärzte es nicht gehört, Krankmeldungen der Arbeitnehmer auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Gerade diese Bestimmung ist wichtig, damit das Vertrauen der Beschäftigten in ihren Betriebsarzt gestärkt wird.

Bereits im ASiG wird also schon darauf hingewiesen, dass nicht die ärztliche Untersuchung im Vordergrund steht, sondern die Unterstützung des Arbeitgebers, d. h. die präventivmedizinische Beratung des Betriebsarztes beim Arbeitsschutz, bei der Unfallverhütung und in allen Fragen des Gesundheitsschutzes.

Rollenbild des Betriebsarztes klarer durch Präzisierung in der ArbMedVV

In der öffentlichen Diskussion gab es also immer wieder Fehlinterpretationen der gesetzlichen Grundlagen. So wurde die körperliche Vorsorgeuntersuchung immer wieder in den Vordergrund gestellt, wie es Detlef Glomm auf den Punkt bringt. Der Gesetzgeber hat 2013 mit der Novellierung der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) darauf reagiert und das Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten für ihren individuellen Arbeitsschutz weiterentwickelt und präzisiert. Beschäftigte sind nunmehr gleichberechtigte Partner und entscheiden, ob und in welchem Umfang sie körperliche und klinische Untersuchungen in Anspruch nehmen wollen.

Betriebsärzte sehen nicht mehr die Vorsorgeuntersuchungen, sondern die Vorsorge, die die präventivmedizinische Beratung einschließt, als ihre wichtigste Aufgabe an. Die novellierte Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge stellt nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten in den Vordergrund, sondern gibt auch der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt die Möglichkeit, fachlich kompetente Arbeit zu leisten und Arbeitgeber, Beschäftigte und ihre Vertretung wirksam in Bezug auf die Gesundheit eines Beschäftigten zu beraten und damit den Arbeitsschutz zu verbessern. Im Vordergrund steht heute also die präventivmedizinische Beratung der Beschäftigten durch den Betriebsarzt auf Grundlage einer eingehenden Anamnese und der Kenntnis der Arbeitsplatzverhältnisse, insbesondere auch durch Begehung des Arbeitsplatzes und eine qualifizierte Gefährdungsbeurteilung, an der die Betriebsärztin und der Betriebsarzt mitwirken.

Wie sieht die Qualität der Weiterbildung von Fachkräften für Arbeitssicherheit und für Betriebsärzte aus?

Laut Aussagen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) besitzen etwa 70 000 Personen die Bezeichnung „Fachkraft für Arbeitssicherheit (FaSi)“ in Deutschland. Hier gilt es zu fragen, ob es denn überhaupt die „eine“ Qualifikation FaSi gibt? In der Realität zeigt sich, dass es eine Vielzahl von Ausbildungsgängen auf unterschiedlichem Niveau gibt, um den Titel „Fachkraft für Arbeitssicherheit“ zu erwerben. Die Ausbildungsmöglichkeiten gehen vom Studium der Ingenieurswissenschaften bis zu einem mehrstündigen Kurs für Techniker. Dies ist eine bemerkenswerte Breite der Ausbildung, die die Frage provoziert, ob die Qualität der Fachkräfte-Ausbildung auch immer deren Aufgabenwahrnehmung im Feld der Arbeitssicherheit gewährleisten kann.

Die neuesten Zahlen der Statistik „Arbeitsmedizinische Fachkunde“ der Bundesärztekammer (Stand 31. 12. 2015) zeigen, dass die absolute Anzahl der Betriebsärzte seit dem Jahr 2001 mit fast 12 400 Ärztinnen und Ärzten mit „Arbeitsmedizinischer Fachkunde“ nahezu konstant geblieben ist, allerdings sind doch einige über 60 Jahre alt und älter. Für die Auswirkungen des demografischen Wandels werden daher kreative Lösungen gesucht. So ist es denkbar, neue berufsbegleitende Weiterbildungswege zu entwickeln, damit der Zugang etwa für niedergelassene Allgemeinmediziner im ländlichen Raum zum Erwerb der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ erleichtert wird, aber gleichzeitig eine gute Qualität der Weiterbildung garantiert ist. Einen ersten zielführenden Vorschlag hat die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) zur Diskussion gestellt.

Ausblick

Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit können also in einer kooperativen Zusammenarbeit erfolgreich sein. Die arbeitsmedizinisch ausgebildeten Betriebsärzte sind schon von Gesetzes wegen in erster Linie Unternehmensberater, wobei sie ihre Aufgaben aus ärztlicher, präventivmedizinischer Sicht wahrzunehmen haben. Meines Erachtens bringen Betriebsärzte – als Vertreter eines Heilberufes – durch die Wahrnehmung ihrer Kernaufgaben – die (präventiv-)medizinische Beratung – beste Voraussetzungen mit, Vertrauen und Akzeptanz im Betrieb zu erlangen, wenn sie in Abstimmung mit dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat tätig werden.

Ich wünsche Ihnen eine spannende und interessante Lektüre!

Ihre

Annegret E. Schoeller

Chefredakteurin