Die Begriffe „Fatigue“ und „Burnout“ sind inzwischen eingedeutscht und wegen umfangreicher Darstellungen in den Medien, inzwischen jedermann bekannt. Wörtlich übersetzt heißt Fatigue nichts weiter als Müdigkeit und Burnout Ausgebranntsein. Es handelt sich um ubiquitäre und sehr unspezifische Symptome. Müdigkeit beginnt mit dem Aufstehen. Man denke nur an die vielen Menschen, die auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit mit geschlossen
Augen im Bus sitzen. Kurz danach kommt die Mittagsmüdigkeit und dann die Müdigkeit zum Arbeitsende und schließlich zur Nacht. Erst recht werden viele am Arbeitsplatz von lähmender Müdigkeit erfasst, wenn Lustlosigkeit hinzukommt. Verstärkte Müdigkeit gibt es auch, wenn man zu spät ins Bett geht. Müdigkeit kann außerdem Ausdruck einer andauernden Schonung sein oder fehlender Anforderung. Im Urlaub beispielweise können die meisten Menschen stundenlang vor sich hindösen. Daneben gibt es Müdigkeit und Erschöpfung bei nahezu allen körperlichen oder psychischen Krankheiten. Oft ist Müdigkeit sogar das erste Symptom beispielsweise einer Krebserkrankung. Müdigkeit verlangt also eine sehr differenzierte Betrachtung und Behandlung.
Eine Grundregel ist, dass Müdigkeit und Erschöpfungsgefühle nicht durch Schonung, sondern durch dosierte Herausforderung behandelt werden müssen. Kardiologen haben in früheren Zeiten Herzinfarktpatientinnen und -patienten lange im Bett festgehalten, bis erkannt wurde, dass Menschen dadurch krank werden. Seitdem werden die Patientinnen und Patienten vom ersten Tag an aktiviert und auftrainiert. Und das, wie jeder vom Fitnesstraining weiß, erfordert Anstrengung. Das gilt auch für Müdigkeits- und Erschöpfungszustände. Dies steht den immer wieder zu hörenden Wünsche von Betroffenen oder auch Empfehlungen mancher Expertinnen und Experten entgegen, die meinen, dass Müdigkeit und Erschöpfung – sei es eine gesunde Form oder nach Herzinfarkt oder nach einer Viruserkrankung – durch Schonung und „Batterieaufladen“ zu behandeln sei. Dies ist eher sogar gefährlich. Müdigkeit wird dadurch zum Hinweisreiz, das man sich noch weiter schonen und zurückziehen muss und zugleich ist es für die Betroffenen angstauslösend. Selbstverständlich muss jedes Training, sei es körperlich oder mental, an das aktuelle Leistungsniveau angepasst sein.
Im vorliegenden Schwerpunktheft wird das komplexe Syndrom „Fatigue“ aus unterschiedlicher Perspektive behandelt. Der Beitrag von Michael Linden gibt eine Übersicht über die Differenzialdiagnostik. Ingo Fitze und Martin Glos stellen den Zusammenhang zwischen Schlaf und Müdigkeit dar, Andreas Hillert befasst sich mit dem Modebegriff Burnout, Volker Köllner et al. berichten über das aktuelle Thema Post-/Long-Covid und Markus Bassler gibt Hinweise auf die sozialmedizinische Einordnung von Müdigkeitssyndromen. Im Wissenschaftsteil stellen Lilly Paulin Werk und Beate Muschalla die unterschiedlichen Bedürfnisse von Beschäftigten mit gesunder und krankheitsbedingter Müdigkeit dar.
Ihr Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Michael Linden
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik,
Charité Universitätsmedizin Berlin
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