Endlich haben wir die Eintrittskarten! Das wird ein glücklicher Abend voller Har-monie und Hörgenuss. Thomas Mann bezeichnete den Besuch eines Konzerts im „Zauberberg“ als „Fülle des Wohllauts“. – Auch wir empfinden das Glück der Musik. Doch stehen dahinter auch glückliche Musiker? Oder setzen Profimusiker im Dienst des Glücks ihre Gesundheit aufs Spiel?
Dieser Eindruck kann beim Blick auf das seit einigen Jahren stark wachsende Interesse an musikermedizinischen Fragen und die beeindruckende Entwicklung entsprechender Einrichtungen in Deutschland entstehen. Längst ist die Musikermedizin den Kinderschuhen entwachsen. Die Deutsche Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin (DGfMM) feiert in diesem Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen und hat sich als interdisziplinäres Bindeglied zwischen der medizinischen und der musika-lischen Fachwelt, als Anlaufstelle für Ratsuchende und als Motor der Weiterentwicklung und Umsetzung von Gesundheitsempfehlungen für Musiker etabliert.
In diesen Jahren hat sich vieles verändert. So ist die anfängliche Orientierung an Pathologie und Belastungen einem ganzheitlich ressourcenorientierten, salutogenetischen Zugang gewichen. Dieser trägt dem Umstand Rechnung, dass sich in der Musik selbst und im Flow künstlerischer Selbstverwirklichung gesundheitsförderliche Potenziale finden lassen, deren Wahrnehmung für die Ausübenden gewinnbringend und in vieler Hinsicht auch für andere Berufsgruppen beispielgebend sein kann.
Der Schwerpunkt des vorliegenden Hefts bringt Beiträge zu verschiedenen musikermedizinischen Themen, die in dieser Zusammenstellung aktuelle Trends der Mu-sikermedizin widerspiegeln. Die (quantitativ vorherrschenden) Störungen im Bereich des Bewegungsapparats, die immense Problematik psychischer Belastungen und „Dissonanzen“ im künstlerischen Berufsleben, Auswirkungen demografischer Entwicklung auch im Bereich der professionellen Musikausübung, hygienische Aspekte im Musiktheater sowie der Alltag betriebsärztlicher Betreuung eines renommierten Orchesters kommen ausführlich zur Sprache. Das bedeutsame Thema der Schallbelastung wird in dieser Sammlung nur unter demografischen Gesichtspunkten beleuchtet, da es in den letzten Jahren in arbeitsmedizinischen Zusammenhängen bereits ergiebig darge-stellt wurde.
Dass auch die Arbeitsmedizin sich der Berufsmusiker und ihrer Gesundheit verstärkt annimmt, ist naheliegend und sehr zu begrüßen. In den nächsten Jahren sollte alles darangesetzt werden, mit Erkenntnissen und Erfahrungen aus Ergonomie, Arbeitswissenschaft und Arbeitspsychologie das musikermedizinische Spektrum zu ergänzen. Zunächst geht es aber vor allem darum, das Vertrauen der Musiker als hochsensibler, jedoch dankbarer Klientel zu gewinnen und zu zeigen, dass der Arbeitsmediziner für sie ein unersetzlicher Partner ist – als kompetenter Dienstleister und nicht zuletzt auch als „Zuhörer“.
Viel Freude beim Lesen dieses Heftes wünschen Ihnen
Martin Fendel und Ulrike Hein-Rusinek