Arbeitsepidemiologie beschäftigt sich mit gesundheitlichen Risiken, deren Prävention und mit betrieblicher Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Eines der Ziele der Arbeitsepidemiologie ist, Dosis-Wirkungs-Beziehungen unter Berücksichtigung von Interaktionen mit anderen Stoffen in Beobachtungsstudien im Arbeitsalltag zu untersuchen. Jedoch wurden Grenzwerte für Gefahrstoffe und physikalische Einwirkungen im Arbeitsschutz in Deutschland lange in erster Linie auf der Grundlage experimentell toxikologischer Daten festgelegt. Die Bedeutung arbeitsepidemiologischer Forschung nahm diesbezüglich mit dem Wechsel zu gesundheitsbasierten Grenzwerten zu. Die Arbeitsepidemiologie trägt auch der Zunahme der Bedeutung psychischer Belastungen, dem so genannten Belastungsstrukturwandel, Rechnung, indem mit arbeitsepidemiologischer Forschung zunehmend auch nicht-stoffliche Belastungen mit Gefährdungspotenzial untersucht werden. Arbeitsepidemiologische Forschung ist zudem in der Lage das betriebliche Unfallgeschehen und Methoden der Unfallverhütung zu untersuchen. Jean-Baptist du Prel und Chloé Charlotte Schröder geben im ersten Artikel dieses Schwerpunktheftes einen Überblick zur arbeitsepidemiologischen Primärforschung, zeigen Stärken und Grenzen sowie methodische Besonderheiten dieser Disziplin auf und verdeutlichen Unterschiede zur experimentellen Forschung.
Primärstudien können durch zufällige oder systematische Fehler zu unterschiedlichen Studienergebnissen kommen. Systematische Reviews und Metaanalysen können durch die Synthese verfügbarer Studienergebnisse eine aussagekräftigere Evidenz zu einer bestimmten Fragestellung liefern als dies bei Einzelstudien der Fall sein kann. Solche evidenzbasierten (medizinischen) Methoden sind zwar nicht auf arbeitsmedizinische Studien oder gar Humanstudien beschränkt, aber Ergebnisse aus primären arbeitsepidemiologischen Studien werden oft mit evidenzbasierten Methoden zusammengefasst, um belastbare Aussagen zu treffen. Diese Aussagen können mitunter gesetzliche und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die aus systematischen Reviews und Metaanalysen resultierenden Dosis-Wirkungs-Beziehungen können sowohl als Grundlage für Expositionsgrenzwerte als auch für Entscheidungen zur Einführung neuer Berufskrankheiten dienen. Im Beitrag von Janice Hegewald und Uta Wegewitz wird eine kurze Einführung in die Durchführung von systematischen Reviews gegeben. Darüber hinaus werden Variationen und Erweiterungen von systematischen Reviews sowie Beispiele für deren Anwendung in der Arbeitsepidemiologie beschrieben.
Mehr als jeder vierte in Deutschland lebende Mensch hat einen Migrationshintergrund. Dieser Gruppe kommt somit auch in der Arbeitswelt eine wesentliche Bedeutung zu. Hinsichtlich ihrer Merkmalsheterogenität, die in Routinedaten oft nicht im ausreichenden Maß erfasst wird, stellen Menschen mit Migrationshintergrund sowohl bei der Rekrutierung als auch bei der Datenerhebung eine besondere Herausforderung für die Gesundheitsforschung dar. Patrick Brzoskas Beitrag führt über eine definitorische Abgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund zum Thema hin. Beispielhaft werden Ergebnisse von Studien zur arbeitsbezogenen Gesundheit, wie auch zur Inanspruchnahme und den Ergebnissen gesundheitlicher Versorgung vorgestellt. Die Limitationen dieser Studien werden dargelegt und Lösungsansätze diskutiert. Abschließend werden Wünsche an die Forschung bei der Untersuchung von Menschen mit Migrationshintergrund formuliert, denen sich die Gesundheitsforschung zukünftig widmen muss.
Schließlich haben wir mit Wolfgang Hoffmann, dem Koordinator der Leitliniengruppe zu den Leitlinien und Empfehlungen zur Sicherung einer Guten Epidemiologischen Praxis der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie, im Rahmen dieses Schwerpunktheftes ein kurzes Interview geführt. Er konnte uns einige zentrale Fragen zum Entwicklungsprozess, zu den Adressaten und den wichtigsten Zielen, wie auch zu möglichen Einschränkungen durch die Vorgaben beantworten. Darüber hinaus bezieht er Stellung zur Bedeutung der Leitlinien speziell bei der Untersuchung betrieblicher Gesundheitsdaten und zeigt Punkte auf, bei denen die Leitlinien in der wissenschaftlichen Praxis zu wenig Beachtung finden.
Die Arbeitsepidemiologie als lebensnahe Wissenschaft hat eine lange Tradition im angloamerikanischen Raum. Ihr kommt auch in Deutschland eine weiterhin zunehmende Bedeutung bei der Untersuchung gesundheitsrelevanter betrieblicher Risiken zu. Wir hoffen den geneigten Leserinnen und Lesern mit diesem Schwerpunktheft einen guten Überblick sowie nähere Einblicke, in diese Wissenschaftsdisziplin geben zu können.
Die Sprecherinnen und Sprecher der AG 3 Epidemiologie der Arbeitswelt der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie
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