Ebola, Schlafkrankheit, Malaria …, auch „vernachlässigte Krankheiten“ genannt, sind Tropenkrankheiten, an denen weltweit rund eine Milliarde Menschen leiden. Das Problem: Diese Menschen gehören den ärmsten Bevölkerungsgruppen an. Dies hat zur Folge, dass Forschungsanreize fehlen und die Entwicklung von diagnostischen Tests, Therapien und Impfstoffen nicht stringent vorangetrieben wird. Hier ist ein Um-denken dringend notwendig. Seit dem Ausbruch der Ebola-Epidemie in Westafrika vor zwei Jahren wurden mehr als 28 000 Ebola-Erkrankungen und über 11 000 Todesfälle gezählt. Die Ebola-Epidemie Westafrikas hat vor Augen geführt, welche Folgen unkontrollierte Ausbrüche von Infektionskrankheiten haben können. Die menschlichen Leiden, die gesellschaftlichen Verwerfungen und die wirtschaftlichen Schäden sind unermesslich. Deshalb haben Deutschland, Europa und die Vereinten Nationen die Aufgabe, die betroffenen Länder nachhaltig zu unterstützen.
Um sich weltweit besser vor Ausbrüchen solcher Infektionskrankheiten schützen zu können, ist es unabdingbar, Lehren aus den Erfahrungen mit der Ebola-Epidemie zu zie-hen. Es ist notwendig, realistische Optionen für konkrete Verbesserungen zu entwickeln. Eine bessere und nachhaltigere finanzielle Ausstattung der Gesellschafts- und Gesund-heitssysteme der betroffenen Länder durch zum Beispiel den internationalen Währungs-fonds ist insbesondere hinsichtlich dieser zukünftigen Herausforderungen unerlässlich.
Diese Länder müssen in die Situation ge-bracht werden, eigenständig Maßnahmen ergreifen zu können. Aufklärung und Infor-mation der Bevölkerung im betroffenen Land müssen mit der erforderlichen Kultursensibi-lität intensiviert werden. Nur so verbessern sich die Akzeptanz und das Verständnis der Bevölkerung hin zu Verhaltensänderungen, wie das Unterlassen von Totenwaschungen bei Bestattungsritualen. An die Arzneimittel-hersteller muss appelliert werden, auch bei voraussichtlichen geringen Gewinnmargen zu forschen sowie Arzneimittel, Impfstoffe und Schnelltest zu entwickeln. Die Staaten und Institutionen sind also auf vielen Ebe-nen zur Bekämpfung der so genannten vernachlässigten Krankheiten gefordert.
Für eine schnelle und effektive Kriseninter-vention müssen Informationen über die vorhandenen Ressourcen, wie Transport- und Behandlungskapazitäten, an einer Stelle gebündelt und diese jederzeit abrufbar zur Verfügung gestellt werden. Dabei sollen das Melde- und Lagezentrum von Bund und Län-dern (GMLZ) sowie das Robert Koch-Insti-tut (RKI) verstärkt zusammenarbeiten. Es müssen ferner Task Forces auf allen Ebenen gebildet werden, wie das Emergency Res-ponse Coordination Centre (ERCC) der EU. Die World Health Organization (WHO) muss ihre Rolle auf internationaler Ebene stärker wahrnehmen und auch Angaben zur Krank-heitslast in den Regionen geben.
Die Verbindlichkeit der Risikokommuni-kation ist in Deutschland durch das RKI, in Europa durch das European Centre for Dis-ease Prevention and Control (ECDC) und international durch die WHO, aber beson-ders vor Ort in den Epidemiegebieten langfristig zu stärken.
Aber wer hilft den Helfern? Bei der Anwerbung von Gesundheitsfachkräften soll der WHO-Verhaltenskodex eingehalten und die Stellungnahme zu ethischen Richt-linien des Weltärztebundes zur internatio-nalen Migration von Angehörigen im Gesundheitswesen und die CPME-Stellungnahme zur Ebola-Epidemie sollen berücksichtigt werden. Auch wenn in diesem Monat Westafrika als Ebola-frei erklärt wurde, zwei Jahre nach Ausbruch der Epidemie.
Die Hilfsorganisationen müssen den Ar-beitsschutz und die Absicherung des Perso-nals bei Auslandseinsätzen gewährleisten. Eine zweckmäßige Persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Verhinderung der Ausbreitung einer Epidemie sowie für die Be-handlung der Infizierten und Erkrankten muss bereitgestellt werden. Entsprechende Technische Regeln für Biologische Arbeits-stoffe (TRBA) werden zz. vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) des BMAS erarbeitet. Die Absicherung für das ausgewählte medizinische und nichtmedizinische Personal beim Auslandseinsatz muss vom Arbeitgeber bzw. von Hilfsorganisationen garantiert werden. Dies bedeutet, dass ent-sprechende Ausbildung und Vorbereitung im Herkunftsland, maximale Vorkehrungen und angemessene Ausrüstung zum Schutz vor Infektionen, ausreichende Versicherung, garantierter Rücktransport im Ansteckungs-, Krankheits-, und Verletzungsfall, umfassende Nachsorge nach Rückkehr vom Hilfseinsatz gewährleistet sein müssen.
Es muss ferner eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, den Ärztinnen und Ärzten Freistellungsmöglichkeiten zu schaffen, und garantiert werden, dass ihr heimi-scher Arbeitsplatz während eines Hilfseinsatzes wie bei humanitärer Hilfe oder Entwicklungshilfe im Anschluss erhalten bleibt.
Der 118. Deutsche Ärztetag 2015 in Frank-furt hat sich intensiv mit dieser Thematik befasst und auch Vorschläge unterbreitet, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um den ärmsten Bevölkerungsgruppen effektiv helfen zu können. Beispielsweise sieht der Deutsche Ärztetag in einem staatlich organi-sierten „medizinischen Hilfswerk“ eine not-wendige Ergänzung zum Technischen Hilfswerk, um gemeinsam mit Nichtregierungs-organisationen in Krisengebieten zeitnah eine gesundheitliche Versorgung unterstützen zu können. Ende Februar 2016 werden sich Spitzenvertreter der Ärzteschaft, der Krankenhäuser und des Bundesministeriums für Gesundheit zu einem Erfahrungsaustausch treffen.
Dr. med. Annegret E. Schoeller