Die positiven Effekte von regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Gesundheit wurden bereits durch zahlreiche Forschungsarbeiten, darunter umfassende systematische Übersichtsarbeiten, belegt. Zur Prävention von nicht-übertragbaren Krankheiten empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) in ihren aktuellsten Richtlinien, dass Personen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren mindestens 150 Minuten pro Woche bei moderater Intensität, oder 75 Minuten bei intensiver Intensität, körperlich aktiv sein sollen. Personen, die dieses Mindestmaß an körperlicher Aktivität nicht erfüllen, werden als körperlich inaktiv klassifiziert. Laut empirischer Studien trifft dies auf etwa jeden zweiten Deutschen zu. Bei einer repräsentativen Umfrage im Zeitraum zwischen 2014 und 2015 gaben außerdem 47,3 % der Deutschen im erwerbstätigen Alter an, während der Arbeit überwiegend zu stehen oder zu sitzen. Doch nicht nur körperliche Inaktivität, sondern auch zu intensive, zu häufige und zu lange körperliche Aktivität sind mit gesundheitlichen Risiken und verminderter Leistungsfähigkeit assoziiert.
Obwohl in der Literatur häufig synonym verwendet, ist körperliche Inaktivität nicht gleichbedeutend mit sedentärem Verhalten, definiert als jedes Verhalten in liegender, sitzender oder angelehnter Position bei einem Energieverbrauch von weniger als 1,5 MET (metabolisches Äquivalent; 1,5 MET = 1,5 kcal je Kilogramm Körpergewicht pro Stunde). Denn es ist einerseits möglich, einen großen Anteil des Tages sitzend zu verbringen und trotzdem durch ausreichend Bewegung, zum Beispiel durch Sport am Abend oder am Wochenende, die Bewegungsempfehlungen der WHO zu erfüllen. Aktuelle Studien zeigen zudem, dass sedentäres Verhalten mit einem erhöhten Risiko für verschiedene chronische Erkrankungen sowie mit einer erhöhten Gesamtsterblichkeit assoziiert ist, welche durch körperliche Aktivität nicht mehr kompensiert werden können. Daher stellt sedentäres Verhalten nicht mehr nur eine Teilkomponente von körperlicher Inaktivität dar, sondern wird zunehmend als eigenständiger gesundheitlicher Risikofaktor diskutiert und empirisch erforscht.
Als größte Lebenswelt stellt die Arbeitswelt einen hochrelevanten Bereich zur Prävention und Gesundheitsförderung dar. Zudem bildet die Heterogenität der verschiedensten Berufe das gesamte Spektrum an körperlicher Aktivität ab, von hoch inaktiv (z.B. Büroarbeit) bis hin zu chronisch hoch belastet (z.B. Bauarbeit).
Im vorliegenden Schwerpunktheft werden in zwei wissenschaftlichen Beiträgen aktuelle themenspezifische Studienergebnisse vorgestellt.
Der Beitrag von Markus Stark et al. (Graz) thematisiert den Einfluss körperlicher Leistungsfähigkeit bei Arbeit unter Hitzebedingungen in der Papierindustrie in Bezug zu aktuellen Grenzwerten. Das Autorenteam kommt zu der Erkenntnis, dass temporäre Hitzebedingungen zu deutlichen Beanspruchungen oberhalb gängiger Grenzwerte führen können und resümiert, dass eine höhere individuelle Leistungsfähigkeit zu einer geringeren Gesamtbeanspruchung der Beschäftigten führt.
Die Arbeit von Birgit Wallmann-Sperlich et al. (Würzburg) geht auf die Effekte bewegungsstimulierender Büromodule auf das Herz-Kreislauf-System ein. Anhand der Ergebnisse einer Laborstudie mit 10 Testpersonen zeigen die Autorinnen und Autoren, dass Bewegungsoptionen im Büro das Herz-Kreislauf-System um ein Vielfaches anregen können und unterstützen die Empfehlung, einen regelmäßigen Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Bewegen im Büroalltag zu implementieren.
Im Praxisteil stellt Andreas Kramer (Potsdam) die Methode hochintensiver Sprünge zur effektiven und zeitökonomischen Bewegungsförderung am Arbeitsplatz vor und präsentiert Trainingsbeispiele für den Arbeitsalltag. Die Beiträge von Mathias Schubert et al. (Allgemeiner Hochschulsport Mainz), Matthias Bollmann et al. (Deutsche Post DHL) sowie Michael Hohmann und Stephanie Klatt (Hessisches Ministerium der Finanzen) geben exklusive Einblicke, wie Prävention und Gesundheitsförderung in den jeweiligen Betrieben/Konzernen verstanden und körperliche Aktivität aktiv gefördert wird.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre der vorliegenden Ausgabe und hoffentlich manche Anregung für den Arbeitsalltag.
Ihr Pavel Dietz
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz