In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen des Begriffs Führen, wobei allen gemeinsam die Kernaussage ist, dass Führen ein zielgerichteter Prozess ist, der durch di-rekte oder indirekte Einflussnahme auf Individuen oder Teams, durch die Gestaltung von Arbeitsbedingungen und auch durch eigenes Vorbildverhalten die Umsetzung betrieblicher Aufgaben fördert. Es besteht Einigkeit, dass der Führungsstil eine Arbeitsbedingung darstellt, die Einfluss auf die Beschäftigten hat und deshalb der kritischen Aufmerksam-keit und präventiven Gestaltung bedarf.
Dem Gesundheitsaspekt, der sich in dem sperrigen Begriff „gesundes Führen“ widerspiegelt, gebührt dabei ein besonderes Au-genmerk. Das Ziel gesunden Führens ließe sich als eine „Vision Null“ skizzieren, die sich auf arbeitsbedingte Erkrankungen bezieht. Die Berücksichtigung von Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung als Teil des Führens trägt dazu bei, dass Beschäftigte physisch und psychisch gesund bleiben und in der Ausübung ihrer Tätigkeit Erfüllung finden. Gesundes Führen erhöht Motivation, Engagement und Zugehörigkeitsgefühl der Beschäftigten und fördert damit letztlich auch qualitativ und quantitativ die geschäftlichen Ergebnisse.
Gesundes Führen muss in erster Linie an-streben, Beschäftigte als Individuen wahrzunehmen. Im Unterschied zu administrativen Prozeduren und technischen Abläufen triggern Emotionen, Erwartungen, Einstellungen und Erfahrungen, Qualifikation, Vielfalt und Kreativität, Wertmaßstäbe und ethische Prinzipien die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftigten. Die „Behandlung als Mensch durch Vorgesetzte“ nennen befragte Erwerbstätige als wesentliche Erwartung an ihre Tätigkeit.
Den Möglichkeiten gesunden Führens sind naturgemäß Grenzen gesetzt, gleichwohl gilt der Einfluss auf Arbeitszufriedenheit und emotionale Erschöpfung der Mit-arbeiter als erwiesen. Müdigkeit/Erschöpfung, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen, aber auch Schulter-Nackenschmerzen werden von unzufriedenen Beschäftigten deutlich häufiger angegeben. Derartige Beschwerden dominieren vor dem Hinter-grund des kontinuierlichen Wandels von körperlich geprägten Tätigkeiten zu Dienstleistungsaufgaben das Krankheitsspektrum der Beschäftigten.
Die Ausprägung der Führungsqualität trägt zur Mitarbeitergesundheit bei
Es konnte bestätigt werden, dass sich verschiedene Aspekte des Führens, etwa Auf-gabenorientierung, mangelndes Konfliktma-nagement, Druck oder Kontrolle negativ auf die Beschäftigten auswirken. Dagegen wurde der positive Einfluss von Beteiligung, Gerechtigkeit, Wertschätzung, transformationaler Führung und Mitarbeiterorientierung sichtbar. Die Ausprägung der Führungsqualität trägt damit zu Mitarbeitergesundheit, Depression, Ängstlichkeit, Krankenquote/Arbeitsfähigkeit in einer Organisation bei.
Gesunde Führung zeichnet sich durch professionelle Kommunikationsprozesse, Beeinflussung zu gesundem Verhalten und soziale Unterstützung aus. Dazu zählen auch die Berücksichtigung inter- und intraindividueller Leistungsdifferenzen, Gesprächsbereitschaft und Kritiktoleranz, Kontinuität der Kommunikation im und mit dem Team, Transparenz von Aufgaben und Arbeitszielen, die angemessene Vermittlung von Veränderungsprozessen, Qualifizierungsoptionen und Entwicklungsorientierung und die Förderung eines Kohärenzgefühls der Beschäftigten. Gesundes Führen setzt bewährte Modelle wie das Gratifikationskrisenmodell oder das Anforderungs-Kontroll-Modell in die betriebliche Praxis um.
Daneben sind die Arbeitsbedingungen gesundheitserhaltend und -förderlich zu gestalten. Die Arbeitsplätze sind sicher und ergonomisch korrekt einzurichten, Handlungsspielräume, Aufgabenvollständigkeit und Verantwortung sind angemessen zuzuteilen. Zeit- und Arbeitsdruck sind auf ein akzeptables Maß zu reduzieren, Über- und Unterforderung der Beschäftigten sind zu vermeiden. Auch die Gewährung örtlicher und zeitlicher Flexibilität sowie Arbeitszeitoptionen können einen Bestandteil gesunden Führens darstellen.
Nicht zuletzt bietet den Vorgesetzten der richtige Umgang mit der eigenen Gesundheit auch die Möglichkeit, den Stellenwert von Gesundheit im Arbeitskontext zu vermitteln. Vorbildfunktion und Authentizität motivieren die Beschäftigten, ihrerseits das Thema Gesundheit in die arbeitstägliche Routine zu integrieren. Die Führungskräfte selbst unterstützt ein gesundheitsbewusster Arbeits- und Lebensstil darin, den großen Anforderungen der eigenen Aufgabe gewachsen zu bleiben.
Gesundes Führen setzt eine gelebte betriebliche Kultur voraus
Wenn gesundem Führen einerseits ein großer Stellenwert im Arbeitsleben zukommt, andererseits aber Bewusstsein und Kenntnisse dazu unterschiedlich ausgeprägt sind, ist in den Organisationen vermehrt der Fokus auf dieses Thema zu richten. Den vielfach publizierten Unternehmensleitlinien muss eine gelebte betriebliche Kultur entsprechen, die diesen Prinzipien in der Praxis gerecht wird. Führungskräfte sind mit den betrieblichen Instrumenten und persönlichen Qua-lifikationen auszustatten, die gesundes Füh-ren ermöglichen. Einen Beitrag dazu leisten etwa Betriebsvereinbarungen zu Themen des Gesundheitsschutzes, die Berücksichtigung der Führungsqualifikation bei Stellenbesetzungen, die Aufnahme der Mitarbeitergesundheit in Zielvereinbarungen von Vorgesetzten oder die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Nicht zuletzt benötigen Führungskräfte die Unterstützung von Fachfunktionen der Prävention und die systematische Grundlagenschulung zu allen Aspekten einer gesunden Organisation.
Es geht weiter!
Der 2. ASU-Präventionskongress ist bereits in Planung: Dieser findet am Donnerstag, den 16.06. und Freitag, den 17.06.2016 wiederum in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen statt. Thematisch wird sich der Kongress erneut mit aktuellen Themen betrieblicher Präventionsarbeit auseinandersetzen und dabei neue Lernformate anbieten.
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