„Lärm im Sinne der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung ist jeder Schall im Frequenzbereich zwischen 16 Hz und 16 kHz (Hörschall), der zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens oder zu einer sonstigen mittelbaren oder unmittelbaren Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten führen kann. […] Hörschall wird als Lärm bezeichnet, wenn er durch seine Intensität und Struktur für den Menschen gesundheitsschädigend, belastend oder störend wirken kann“ (Technische Regeln zur Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung – TRLV Lärm).
Als aurale Gefährdung bezeichnet man die Möglichkeit der irreversiblen (nicht rückgängig zu machenden) Schädigung des Hörvermögens. Diese wird durch länger andauernden Aufenthalt unter hohen Schalldruckpegeln hervorgerufen ( Tabelle 1). Hierbei werden die Sinneszellen im Innenohr unwiderruflich zerstört, was als Lärmschwerhörigkeit bezeichnet wird. Lärmschwerhörigkeit ist eine anerkannte Berufskrankheit (BK 2301). Jedes Jahr müssen mehrere Tausend Beschäftigte deshalb ihren Beruf aufgeben. Selbst schon eine leichte Schädigung des Gehörs führt im täglichen Leben zu erheblichen Verstehensschwierigkeiten mit massiven Verlusten an Lebensqualität. Oft können Aufgaben wie z. B. Kundengespräche nicht mehr mit guter Qualität bearbeitet werden.
Zu den extraauralen Wirkungen, die schon bei niedrigen Schalldruckpegeln auftreten können, zählt man z. B. durch Lärm hervorgerufenen Ärger, Nervosität, Kopfschmerzen und körperliches Unwohlsein. Als Langzeitfolgen werden ein erhöhtes Herzinfarktrisiko, Blutdruckerhöhungen sowie Funktionsstörungen des Verdauungssystems genannt. Der für den Arbeitsschutz relevante Stand der Technik bezüglich der extraauralen Lärmwirkungen wird in der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR A3.7) beschrieben. Diese befindet sich derzeit in der Abstimmung, d. h. ein Entwurf ist vorhanden, aber es besteht noch Klärungsbedarf.
Lärmmesung
Bei Messungen von Schall werden Emissionsmessungen und Immissionsmessungen unterschieden. Emissionsmessungen dienen der Beurteilung einer Schall- oder Schwingungsquelle. Hierzu werden Emissionskennwerte (z. B. der A-bewertete äquivalente Dauerschallpegel LpAeq) ermittelt, beispielsweise durch die Messung der Pegel auf einer virtuellen Hülle um die Schallquelle (vgl. TRLV Lärm, 2010; s. „Weitere Infos“).
Immissionsmessungen werden personen- oder arbeitsplatz- bzw. ortsbezogen durchgeführt und ermitteln z. B. einen Tages-Expositionsschallpegel (LEX,8h) oder auch eine Schalldosis. Bei einer personenbezogenen Messung kommen Lärmdosimeter zum Einsatz, die von den Beschäftigten am Körper getragen werden.
Lärmmessgeräte für ortsfeste Messungen sind in verschiedenen Varianten und für verschiedene Anwendungen verfügbar. Inzwischen sind auch eher einfache Geräte zu günstigen Preisen verfügbar. Eine wesentliche Eigenschaft ist die Genauigkeitsklasse, wobei Klasse 1 mit einer kombinierten Standardunsicherheit von 2 dB die genauesten Messungen erlaubt (vgl. TRLV Lärm). Für exakte Messungen müssen die Geräte kalibriert bzw. geeicht sein.
Für orientierende Messungen bzw. erste Analysen können außerdem Smartphones mit Apps zur Lärmmessung genutzt werden ( Abb. 1). Diese sind zwar weder kalibriert noch ist sichergestellt, wie genau die Software-Hardware-Kombinationen funktionieren, dennoch sind sie für überschlägige Erstanalysen anwendbar. Durch die Gestaltung der Bildschirmoberfläche entsteht oft der Eindruck, dass es sich um professionelle Messtechnik handelt und es sich folglich auch um exakte Messergebnisse handelt. Diese entstehen jedoch eher zufällig und kaum ohne ein hochwertiges Zusatzmikrofon. Trotzdem ist wie schon aufgeführt eine erste orientierende Messung möglich.
Vorgehensweise zur Ermittlung und Beurteilung von Lärm
In Abb. 2 wird eine Vorgehensweise zur Ermittlung und Beurteilung von Lärm im Betrieb aufgezeigt. In 8 Schritten wird ermittelt, ob Maßnahmen zur Lärmreduzierung notwendig sind.
1. Orientierung
Zunächst ist festzustellen, ob Beschäftigte Lärm ausgesetzt sind oder sein können. Bei einem Vor-Ort-Termin im laufenden Betrieb kann dieses geklärt werden. Auch Angaben der Betroffenen sind hilfreich.
2. Erste Abschätzung
Ist eine Lärmbelastung möglich, ist zu klären, ob eine Gesundheitsgefährdung des Gehörs durch Lärm ausgeschlossen werden kann. Es handelt sich hier um eine Abschätzung, die ggf. durch eine orientierende Messung ergänzt wird.
Einen Anhaltspunkt bieten auch die Angaben der Hersteller von Maschinen zur Geräuschemission, wie Schalldruckpegel, Spitzenschalldruckpegel und Schallleistungspegel. Auch die Schallreflexion und die von außen in den Raum eindringenden Geräusche müssen berücksichtigt werden. Weiterhin ist zu klären:
- Sind besonders gefährdete Personengruppen betroffen?
- Ist die Wahrnehmung akustischer Signale oder Warnsignale beeinträchtigt?
3. Substitution (Ersatz)
Es ist allgemein zu prüfen, ob eine Verbesserung der Situation durch lärmärmere Verfahren oder Arbeitsmittel möglich ist. Kann durch die Substitution keine zufrieden stellende Lärmminderung erzielt werden, muss eine Immissionsmessung durchgeführt werden.
4. Immissionsmessungen
Zur Bestimmung der konkreten Belastung muss die Lämdosis (Tages-Lärmexpositionspegel LEX,8h; Spitzenschalldruckpegel LpC,peak) am Arbeitsplatz bestimmt werden.
Orientierende Messungen können mit einfachen Schallpegelmessgeräten durchgeführt werden. Genaue Betriebsmessungen erfordern aufwändige Verfahren. Bei der Beurteilung der Messergebnisse sind Messunsicherheiten zu berücksichtigen: bei orientierenden Messungen +/– 6 dB(A), bei genaueren Betriebsmessungen +/– 1,5 bis 3 dB(A). Ein umfassendes Normenwerk von DIN-Normen sowie VDI-Richtlinien zur fachkundigen Lärmmessung kann hier genutzt werden
5. Auslösewerte
In der LärmVibrationsArbSchV werden die in Tabelle 2 dargestellten Auslösewerte (= Grenzwerte) angegeben.
Schon bei Überschreitung eines unteren Auslösewerts ist mit einer Gehörschädigung für betroffene Beschäftigte zu rechnen. Die LärmVibrationsArbSchV ordnet den Auslösewerten Maßnahmen zu, die im Falle einer Überschreitung (für die unteren Auslösewerte) oder eines Erreichens (für die oberen Auslösewerte) mindestens zu ergreifen sind. Sie werden in Tabelle 3 aufgeführt.
6. Maßnahmen nach LärmVibrationsArbSchV
Es gibt nach der TRLV eine Reihe von Maßnahmen, die abhängig von der Schallexposition am Arbeitsplatz zu ergreifen sind. Oft ist die Kombination mehrerer Maßnahmen sinnvoll, um eine Lärmbelastung der Mitarbeiter auszuschließen bzw. zu verringern.
7. Lärmminderungs- und Substitutionsmaßnahmen
Im 7. Schritt sind Maßnahmen zur Lärmminderung entsprechend dem Stand der Technik durchzuführen. Neben einer Reduzierung der Schallentstehung sind hier Dämmung und Dämpfung zu nennen. Die Schallausbreitung (Direkt- und Körperschall) sowie die Schallreflexion sind zu reduzieren.
Die Schall- oder Lärmminderungsmaßnahmen werden in primäre, sekundäre und tertiäre unterteilt. Die primären Maßnahmen betreffen die Schallquelle, indem durch geräuschärmere Maschinen oder Verfahren eine Lärmminderung erzielt wird. Die sekundären Maßnahmen beziehen sich auf den Übertragungsweg und setzen an der Übertragung des Schalls an. Sie können in Lärmdämmung sowie Lärmabsorption unterteilt werden. Lärmdämmung bezeichnet die Verminderung der Übertragung von Luftschall, z. B. durch Trennwände oder Kapselung. Bei der Lärmabsorption werden Schallreflexionen hauptsächlich an Wänden und Decken, aber auch an Böden vermieden, z. B. indem sie mit schallabsorbierendem Material überzogen werden.
Zu den tertiären Maßnahmen zählen persönliche Schutzausrüstungen und organisatorische Maßnahmen.
Weiterhin kann mittels organisatorischer Maßnahmen die Lärmexposition z. B. in einer Schicht verringert werden, indem lärmbelastete Aufgaben mit nichtlärmbelasteten kombiniert werden.
8. Extraaurale Wirkungen
Extraaurale Wirkungen (Ärger, Nervosität, Kopfschmerzen, …) können oft nicht anhand von Grenzwerten o. Ä. beurteilt werden. Häufig liegt die Ursache in der Art des Geräuschs (Gespräche, Lüftergeräusche, Verkehrsgeräusche etc.).
Aktuell sind Hinweise zur Bewertung und Gestaltung von Arbeitsbedingungen in der DIN EN ISO 11690 „Akustik; Richtlinien für die Gestaltung lärmarmer maschinenbestückter Arbeitsstätten“ enthalten (s. Info).
Auch im Hinblick auf die extraauralen Wirkungen ist stets zu prüfen, ob entsprechend dem allgemeinen Minimierungsgebot eine Substitution durch lärmärmere Verfahren oder Arbeitsmittel möglich ist.
Fazit
Lärm mit seinen auralen und extraauralen Wirkungen ist nach wie vor in vielen Betrieben in Produktion und Büro ein Problem. Anhand der vorgestellten Vorgehensweise wird ein Weg zu lärmoptimierten Arbeitsplätzen aufgezeigt. Eine orientierende Lärmmessung ist inzwischen einfach zu realisieren, so dass nicht von Anfang an Experten eingebunden werden müssen.
Info
DIN EN ISO 11690 (Auszug)
Tätigkeiten, die Konzentration verlangen; auch Tätigkeiten in Konferenz- und Sitzungsräumen35 bis 45 dB(A)
Routinemäßige Büroarbeiten 45 bis 55 dB(A)
In industriellen Arbeitsstätten 75 bis 80 dB(A)
Weitere Infos
Technische Regeln zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
www.unfallkasse-nrw.de/management-bcp/_docs/pdf/baua/trlv-laerm-teil1.pdf
Autor
Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder
Professur Arbeitswissenschaft
Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme
Technische Universität Dresden
Dürerstraße 26 – 01062 Dresden