Sehr geehrter Herr Dr. Ironymus,
mit Freude lese ich Ihre Beiträge. In ASU 09/2013 beschreiben Sie die Arzthelferin allein vor Ort. Der Doktor hat keine Zeit für Untersuchungen. Hierzu möchte ich einige Beobachtungen aus der Praxis eines nicht unbedeutenden überbetrieblichen arbeitsmedizinischen Dienstes beisteuern.
Der Gebietsleiter der Region Mitte, Herr Fies, verschickte kürzlich folgende Mail: "Das Zentrum Magendorf hat bereits jetzt im Rahmen der BGF-Betreuung 1800 Std. von 1600 Sollstunden erarbeitet. Das Zentrum setzt hierfür die Assistenz ein, d. h. die Assistenz fährt alle BGF-Betriebe an. Die Vorgehensweise ist im Handout beschrieben. … Ich finde dieses Vorgehen sehr gut. Wir hinterlassen Betreuungsspuren und die Leistungen können voll in die Abrechnung fließen. Wichtig ist, dass die Assistenz die Visitenkarte des betreuenden Arztes im Unternehmen da lässt. Wenn ein Ansprechpartner angetroffen wird, wird die Visitenkarte am Umschlag der Infotüte/der Broschüren mit Büroklammer befestigt. Dies hinterlässt den Eindruck, dass der Arzt wirklich dort war. Dieses Verfahren sollte nicht so an die große Glocke gehängt werden. …"
Ding-dong-ding-dong!
Und so kommt es, dass die erwünschten Abrechnungen für einen Arzt bei 3240 Std. pro Jahr liegen (12 x 200 Std. für den Arzt plus 12 x 70 Std. für die Assistentin als Arztleistung). Auf der Homepage werden über 50 offene Arztstellen annonciert, weil der entsprechende Betreuungsumfang existiert. Kassiert wird auch ohne Einsatz von Manpower. Lassen Sie zwei Prozent Beschwerden kommen, dann zahlen wir das, den Rest haben wir im Sack, so wird intern kolportiert. Kontrolle existiert nicht. Dazu ist die Nähe zu den Berufsgenossen-schaften zu groß.
In einem weiteren internen Schreiben heißt es: "… Sicherlich hat sich in den Zentren bereits herumgesprochen, dass das 'Magendorfer Modell' von unseren Kunden sehr gut angenommen wird und, wie ich auf den Assistenztreffen erfahren habe, auch bei der Umsetzung einigen Spaß bereitet, weil in der Methodik dieses Modells Erfolg steckt. Ich bitte Sie jedoch für die Abrechnung reale Werte anzusetzen und eine Bruttotagesarbeitszeit von 12 Std. nur dann zu überschreiten, sofern mehrere Leistungserbringer in die Betreuung einbezogen werden konnten. Sollte dies nicht der Fall sein, muss die Abrechnung der Leistung auf die Leistungstage aufgeteilt werden, an denen die Leistung erbracht wurde. Ich gehe davon aus, dass im Normalfall nicht mehr als 12 Std. Einsatzzeit brutto pro Tag geleistet werden können und dass Ihnen bei der Abrechnung ein Fehler unterlaufen ist. …"
Natürlich: Ehrlich währt am längsten.
Für Meckerkunden existiert in besagten arbeitsmedizinischen Dienst ein vorformuliertes Trostschreiben:
"Sie haben uns zu unserer Rechnung vom … mitgeteilt, dass aus Ihrer Sicht der Rechnung keine Leistungen gegenüberstehen. Dazu möchten wir erläutern, dass unsere Leistung ab Vertragsbeginn bereits darin besteht, dass Sie nachweislich betreut werden. Im übertragenen Sinne eine Versicherungsleistung. Denn, käme es zu einer Überprüfung, ob Sie den Arbeitsschutzgesetzen genüge tun, brauchen Sie kein Bußgeld zu zahlen, auch ohne die 'sichtbare' Leistung Betriebsbegehung oder Beratung. …"
Ist doch fair, oder?
Mit freundlichen Grüßen
Anonymus
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