Die sozialräumliche Umwelt als medizinischer Risikofaktor

Ziel: Nach langjähriger Forschung zu physikalischen/ chemischen Umweltnoxen rücken in der Sozial- und Umweltmedizin unter dem Terminus “Umweltgerechtigkeit“ zunehmend soziale Umweltfaktoren in den Fokus des Interesses. Ziele der vorliegenden Arbeit sind in einem theoretischen Teil ein Struktogramm zum Zusammenhang zwischen Wohnbedingungen und Morbidität vorzuschlagen und in einem empirischen Teil auf Basis dieses Modells für die Stadt Köln zu prüfen, inwieweit gesundheitsrelevante Umweltfaktoren innerhalb bestimmter Wohngebiete kumulieren. Methode: Auf Basis indexbasierter und faktorenanalytisch definierter Analysen wurden insgesamt 16 soziostrukturell unterschiedliche Sozialräume in vier Kölner Stadtteilen ausgewählt. In diesen rund 90 000 Einwohner umfassenden Wohnquartieren wurden sämtliche Zigarettenautomaten und andere Tabakbezugsquellen im Rahmen einer vollständigen Begehung erfasst, unter Einsatz eines Geographischen Informationssystems (GIS) kartographiert und mit soziostrukturellen Indikatoren korreliert. Ergebnisse: Insgesamt wurden in den 16 Sozialräumen 364 Tabakbezugsquellen identifiziert. Es konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Dichte kontrollierter Tabakbezugsquellen (Zigarettenautomaten in Gaststätten, sonstige Bezugsquellen wie Tankstelle/Kiosk) und der Sozialstruktur eines Viertels belegt werden: In Wohnvierteln mit hoher Ausländer-, Arbeitslosen- und Sozialhilfequote finden sich signifikant mehr derartige Tabakbezugsquellen. Auch gehen ein geringes Einkommensniveau und beengte Wohnverhältnisse mit einem dichteren Angebot an Zigaretten einher. Für Außenautomaten deutet sich zwar der gleiche Zusammenhang an, er lässt sich aber nicht signifikant nachweisen. Diskussion: Auf Basis eines erstmals vorgestellten Erklärungsmodells belegt die Studie exemplarisch für Köln einen statistischen Zusammenhang zwischen soziostrukturellen Dimensionen der Wohnumwelt und einer mittelbaren, potenziellen Gesundheitsgefährdung durch die Verfügbarkeit von Zigaretten. Künftige umweltmedizinische Forschung könnte diesem Mosaiksteinchen weitere hinzufügen, um den komplexen Zusammenhang zwischen sozialer Wohnumwelt und Morbidität weiter zu entwirren.