In manchen Aspekten der Arbeitsgestaltung hinkt der Gesundheitsdienst leider auch heute noch anderen Branchen hinterher – für die arbeitsmedizinische Betreuung der Beschäftigten in Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege gilt dies aber schon lange nicht mehr. Diese Professionalisierung der Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst ist ein wesentliches Verdienst der praxisbezogenen und wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. Friedrich Hofmann, der am 2. September im Alter von nur 69 Jahren unerwartet verstarb.
Bevor Friedrich Hofmann sich im Jahr 1984 als Weiterbildungsassistent am Universitätsklinikum Freiburg der Arbeitsmedizin zuwandte, hatte er bereits in Braunschweig Chemie studiert, war in Göttingen im Jahr 1973 mit einer metallorganisch orientierten Arbeit zum Dr. rer. nat. promoviert worden und hatte parallel das Medizinstudium begonnen, das er in Freiburg mit Staatsexamen und der medizinischen Promotion im Jahr 1979 abschloss. Danach sammelte er klinisch-praktische Erfahrung an der Herz-Kreislauf-Klinik in Waldkirch. Die betriebsärztliche Weiterbildungsstelle am Universitätsklinikum ermöglichte Friedrich Hofmann somit eine Tätigkeit in der Facharztdisziplin, in der er das naturwissenschaftliche Interesse mit seinem ärztlichen Sachverstand verbinden konnte, und so engagierte er sich von Anfang an sehr für die Beschäftigten des damals bereits sehr großen Arbeitgebers. Ausgehend von Fragen aus der täglichen betriebsärztlichen Praxis entwickelte er vielfältige Forschungsprojekte, warb die für deren Bearbeitung erforderlichen Drittmittel ein und legte so den Grundstein für den Forschungsgegenstand, der untrennbar mit seinem Namen verbunden ist: eine wissenschaftlich basierte Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst.
Neben den bereits von Beginn an bearbeiteten infektiologischen Fragestellungen stand früh auch die Prävention beruflich bedingter Wirbelsäulenerkrankungen im Mittelpunkt, die er mit großem wissenschaftlichem Erfolg und internationaler Sichtbarkeit bearbeitete. Ein Grund für die erfolgreiche Bearbeitung der vielfältigen Forschungsprojekte war sicherlich, dass Friedrich Hofmann bereits sehr früh in interdisziplinären Teams arbeitete und über die Kooperation mit der Freiburger Abteilung für Medizinsoziologie sozialwissenschaftliche Expertise fester Bestandteil der bearbeiteten Forschungsprojekte wurde. Aus dieser Kooperation resultierte früh die Gründung der Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin (FFAS), deren Arbeit er, zusammen mit Dr. Ulrich Stößel, bis zuletzt wesentlich prägte. Im Jahr 1989 erfolgte seine Habilitation zu einem arbeitsmedizinisch/ infektiologischen Thema an der Universität Freiburg.
Aus der Stelle des Leitenden Betriebsarztes des Universitätsklinikums Freiburg folgte im Jahr 1995 die Berufung und im Wintersemester 1996/ 1997 der Wechsel an die Bergische Universität Wuppertal. Dort fand der mit dem Arbeitsphysiologen und Arbeitsmediziner Prof. Dr. med. Theodor Hettinger im Jahr 1976 erstmals besetzte und zwischenzeitlich unter Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. H.-Erich Wichmann eher epidemiologisch ausgerichtete C4-Lehrstuhl am Fachbereich Sicherheitstechnik unter Friedrich Hofmann wieder zu einer arbeitsmedizinischen Mitte. Unter der Denomination „Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz“ führte Friedrich Hofmann im Bergischen Land seine Forschungsschwerpunkte mit Bezug zur Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst und damit verbunden v. a. der Infektiologie weiter und erweiterte diese um vielfältige sicherheitstechnische Fragestellungen, deren Bearbeitung in der interdisziplinären Zusammenarbeit am Fachbereich Sicherheitstechnik möglich wurden.
Die Tatsache, dass ihm bei seinem Wechsel nach Wuppertal vier ärztliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Freiburg folgten, illustriert anschaulich Motivation und Arbeitsklima in seinem Team. Doch riss trotz des Wechsels nach Wuppertal die Verbindung nach Freiburg nie ab, sondern wurde bis zuletzt in der Zusammenarbeit mit der Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin fortgeführt.
Das Spektrum der in Wuppertal wissenschaftlich bearbeiteten Fragestellungen wurde breiter als dies in Freiburg möglich war: neben vakzinologischen und infektiologischen Aspekten standen Fragen des evidenzbasierten Hautschutzes für Beschäftigte in verschiedenen Berufen mit besonderer Hautbelastung, die Wirbelsäulenbelastung in verschiedenen Branchen sowie biologische Belastungen in Branchen außerhalb des Gesundheitsdienstes und früh auch die psychischen Belastungen und Beanspruchungen in der Arbeitswelt im Fokus der wissenschaftlichen Aktivitäten seines Teams.
Hierbei wurde stets auf die Umsetzung und Anwendung der Erkenntnisse in der Praxis geachtet – sei es durch praxisbezogene Fortbildungsangebote in Wuppertal oder im Rahmen des jährlichen Freiburger Symposiums Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst, das dieses Jahr zum 32. Mal durchgeführt wurde, sei es durch die Mitwirkung in verschiedenen arbeitsmedizinischen Akademien, die Mitarbeit von Prof. Hofmann oder den Angehörigen seines Lehrstuhls in Gremien der Bundesregierung (u.a. Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe, Ausschuss für Arbeitsmedizin) oder die Gestaltung von Fachgesprächen. Besonders zu nennen sind hier sicherlich das Wuppertaler Symposium zur nosokomialen Übertragung von HBV, HCV und HIV im Jahr 1998 und nachfolgend die interdisziplinäre Erarbeitung einer Empfehlung zum Umgang mit infektiösen Beschäftigten im Gesundheitsdienst, die – seither nur geringfügig weiterentwickelt – bis heute den „state of the art“ darstellt, und die langjährige Mitgliedschaft von Prof. Hofmann in der STIKO, deren Vorsitzender er von 2007 bis 2011 war. Der von ihm maßgeblich moderierte Brückenschlag zwischen Infektiologie, Hygiene und Arbeitsmedizin führte zur wesentlichen Vereinheitlichung der Impfempfehlungen für Beschäftigte im Gesundheitsdienst und damit zur Verbesserung sowohl deren arbeitsmedizinischer Betreuung als auch des Schutzes der Patienten vor nosokomialen Infektionen.
Neben dieser umfangreichen Gremien- und Fortbildungsarbeit zur Vermittlung der wissenschaftlichen Erkenntnisse trugen auch die vielfältigen praxisbezogenen Bücher und Veröffentlichungen zu einem raschen und effektiven Wissenstransfer in die arbeitsmedizinische Praxis bei. Dass Friedrich Hofmann darüber hinaus auch noch Zeit und Freude daran hatte, populärwissenschaftliche Artikel in überregionalen deutschen Zeitungen und Krimis mit Arbeitsschutz- und Medizinbezug zu schreiben, soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, da auch diese letztlich ein Ziel unterstützten: die Arbeitsmedizin und die Infektiologie einem breiten Publikum bekannt zu machen.
Es ist dabei nur folgerichtig, dass er sich sehr für das Fach Arbeitsmedizin und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der Schnittstelle zu Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit engagierte: er war bereits früh wissenschaftlich international vernetzt, u.a. im Jahr 1990 als Gastdozent im Arbetsmijöinstitutet in Stockholm und Chairman der ICOH-Sektion Occupational Health for Health Care Workers (1992–2000) tätig, und förderte eine entsprechende Vernetzung auch bei seinen Mitarbeitenden. Er war langjähriges aktives Mitglied des im Jahr 1996 gegründeten Forum Arbeitsphysiologie von DGAUM und GfA und organisierte über viele Jahre die regelmäßigen Treffen der arbeitsmedizinischen Hochschulinstitute.
Sein fördernder Ansatz und seine hohe wissenschaftliche Aktivität schlagen sich beeindruckend in der akademischen Bilanz des Wuppertaler Lehrstuhls nieder: ein Juniorprofessor für technischen Infektionsschutz (Dr. Wittmann) und sechs Habilitationen, darunter zwei aktuelle arbeitsmedizinische LehrstuhlinhaberInnen, spiegeln eindrucksvoll das arbeitsmedizinische (Dr. Becher, Dr. Hasselhorn, Dr. Kralj, Dr. Rieger), arbeitsphysiologische (Dr. Kampmann) und toxikologische (Dr. Eickmann) Spektrum der Forschung am Wuppertaler Lehrstuhl wider. Dieses akademische Team wurde durch die arbeitsmedizinische Umhabilitation von Herrn PD Dr. Meyer-Falcke nach Wuppertal ergänzt.
Neben den bereits in Freiburg betreuten medizinischen Dissertationsvorhaben wurde am Lehrstuhl von Prof. Hofmann auch eine Vielzahl ingenieurwissenschaftlicher und sicherheitswissenschaftlicher Promotionen erfolgreich zu Ende geführt – betreut von ihm oder den habilitierten Mitarbeitenden.
Diese wissenschaftlichen Aktivitäten und das umfangreiche Lehrangebot mit Bezug zur Arbeitsphysiologie und Arbeitsmedizin prägten über viele Jahre die Ausbildung der in Wuppertal besonderen interdisziplinär ausgerichteten Ausbildung zukünftiger Fachkräfte für Arbeitssicherheit aber auch Experten für Verkehrssicherheit oder Brandschutz, die heute an vielfältigen verantwortungsvollen Positionen national und international arbeiten.
Dieses hier skizzierte breite thematische Spektrum und Wirken hinein in das Arbeitsschutzregelwerk und die praktische Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin wurde eindrucksvoll in dem anlässlich der Emeritierung von Prof. Hofmann durchgeführten Symposium im April 2015 abgebildet.
Seit diesem Zeitpunkt widmete sich Prof. Hofmann verstärkt den in der Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin bearbeiteten wissenschaftlichen und Praxis-Transfer-Projekten, seinen Hobbies – allen voran dem Klavierspiel und der Literatur – aber vor allem genoss er es, mehr Zeit mit Freunden und insbesondere seiner Familie verbringen zu können. Denn diese – auch hier konnte man ihn zum Vorbild nehmen – hatte bei ihm trotz aller Freude an der Arbeit stets Vorrang.
Am 2. September, in der Nacht nach seinem 69. Geburtstag, endete viel zu früh und für uns alle unerwartet das Leben eines die Arbeitsmedizin in Deutschland über viele Jahre konstruktiv-kritisch und inhaltlich engagiert prägenden Hochschullehrers.
Seine akademischen Schülerinnen und Schüler verdanken ihm viel und werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefstes Mitgefühl gilt seiner Familie.
Prof. Dr. med. Monika A. Rieger
Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Tübingen
Prof. Dr. med. Hans Martin Hasselhorn
Lehrstuhl für Arbeitswissenschaft, Fakultät für Maschinenbau und Sicherheitstechnik, Bergische Universität Wuppertal